89 LEBENSMITTELGESCHÄFT AN DER ECKE *
... für den Großeinkauf bietet sich in jeder Gemeinde der MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN (46) an. Das NETZ DER NAHNVERSORGUNG (19) wäre jedoch unvollständig, wenn es dazwischen nicht in weiter Streuung viel kleinere Geschäfte gibt, die die Märkte ergänzen und zur natürlichen Identität der IDENTIFIZIERBAREN NACHBARSCHAFTEN (14) beitragen.
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Man hat in letzter Zeit angenommen, daß die Leute nicht mehr zu Fuß zu lokalen Geschäften gehen wollen. Diese Annahme ist falsch.
Tatsächlich glauben wir, daß die Leute nicht nur bereit sind, zu ihren lokalen Lebensmittelgeschäften zu gehen, sondern daß, diese auch eine entscheidende Rolle in jeder gesunden Nachbarschaft spielen: Einerseits sind sie für den einzelnen einfach bequemer; andererseits tragen sie zur Integration der Nachbarschaft insgesamt bei. Diese Auffassung wird durch eine Studie von Arthur D. Little, Inc. unterstützt, die zeigt, daß Geschäfte in der Nachbarschaft einer der zwei wichtigsten Faktoren sind, wenn ein Gebiet überhaupt als Nachbarschaft wahrgenommen werden soll (Community Renewal Program, New York, Praeger Press, 1966). Anscheinend hängt damit zusammen, daß lokale Geschäfte ein wichtiges Ziel für Wege innerhalb der Nachbar schaft sind. Die Leute gehen sowohl dorthin, wenn sie Lust auf einen Spaziergang haben, als auch, wenn sie eine Flasche Milch brauchen. Als ein auslösender Faktor für zu Fuß erledigte Wege bringen sie die Bewohner einer Gegend zusammen und tragen zur Qualität der Nachbarschaft bei. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die Leiter eines Wohnprojekts für ältere Menschen in San Francisco. Einer der Hauptgründe, warum sich Leute gegen den Umzug in einige der neuen Wohnprojekte der Stadt wehrten, lag nach Angaben des Vermieters darin, daß die Projekte nicht „in der Innenstadt liegen, wo es . . . an jeder Straßenecke einen Laden gibt" (San Francisco Chronicle, August 1971).
Um herauszufinden, wie weit die Leute zu einem Geschäft zu gehen bereit sind, befragten wir 20 Personen in einem Geschäft einer Nachbarschaft in Berkeley. Es stellte sich heraus, daß 80% der Befragten zu Fuß gingen, und daß die zu Fuß gekommenen höchstens drei Blocks entfernt wohnten. Mehr als die Hälfte von ihnen war innerhalb der letzten zwei Tage bereits im Geschäft gewesen. Andererseits wohnten jene, die mit dem Auto gekommen waren, im allgemeinen mehr als vier Blocks entfernt. Wie bei anderen öffentlichen Einrichtungen in der Nachbarschaft fanden wir ein ähnliches Muster. Bei Entfernungen von vier Blocks oder mehr kamen mehr Leute im Auto als zu Fuß. Lebensmittelgeschäfte müssen also leicht zu Fuß erreichbar sein — höchstens drei bis vier Häuserblocks oder 400 m von jeder Wohnung entfernt.
Aber können sie überleben? Sind diese Geschäfte durch ihre Kleinmaßstäblichkeit zum Scheitern verurteilt? Wieviele Kunden braucht ein Lebensmittelgeschäft, um existieren zu können? Wir können die kritische Bevölkerungszahl für Lebensmittelgeschäfte mit Hilfe des Branchenverzeichnisses abschätzen. San Francisco z. B., eine Stadt mit 750.000 Einwohnern, hat ..638 Lebensmittelgeschäfte in Wohngebieten. Das bedeutet, ein Lebensmittelgeschäft je 1160 Einwohner, was mit Berrys Schätzung übereinstimmt — siehe NETZ DER NAHVERSORGUNG (19) —'und die auch der Größe von Nachbarschaften entspricht — siehe IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14).
Allem Anschein nach kann ein Lebensmittelgeschäft also unter der Voraussetzung überleben, daß innerhalb einer Entfernung von drei bis vier Blocks 1000 Menschen leben — eine Dichte von mindestens 50 EW/ha oder 15 Wohneinheiten/ha. Die meisten Wohngebiete haben eine solche Dichte. Man könne diese Zahl sogar als unterste Grenze für eine lebensfähige Nachbarschaft ansetzen, da eine Nachbarschaft ein Lebensmittelgeschäft erhalten können sollte — ihres sozialen Zusammenhalts wegen.
Schließlich hängt der Erfolg eines Geschäfts in der Nachbarschaft auch von dessen Standort ab. Es ist erwiesen, daß die Mieten, die kleine Einzelhandelsgeschäfte zu zahlen bereit sind, direkt von der Stärke des Fußgängerverkehrs abhängen und deshalb bei Geschäften an einer Straßenecke stets höher sind als in der Mitte eines Häuserblocks (Brian J. L. Berry, Geography of Market Centers and Retail Distribution, Prentice-Hall, 1967..S. 49).
Daraus folgt:
Leg in jede Nachbarschaft mindestens ein Lebensmittelgeschäft, nahe der Mitte. Leg diese Lebensmittelgeschäfte, je nach der Dichte, in Abstand von 200 m bis 800 m an, sodaß auf jedes rund 1000 Einwohner kommen. Leg sie an Ecken, wo viele Leute vorbeikommen und kombiniere sie mit Häusern, sodaß die Leute, die sie betreiben, darüber oder daneben wohnen können.
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Verhindere das Franchise-System und unterbinde gesetzlich das Entstehen von Supermärkten, die die kleinen Lebensmittelgeschäfte auffressen - GESCHÄHE IN PRIVATBESITZ (87). Behandle das Innere des Geschäfts wie ein Zimmer, das mit Waren ausstaffiert ist - FORM DES INNENRAUMS (191), DICKE WÄNDE (197), OFFENE REGALE (200); sieh einen frei zugänglichen und breiten Eingang vor, den jeder sehen kann - HAUPTEINGANG (110), ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165). Was die Form des Lebensmittelgeschäfts betrifft, als kleines Gebäude oder als Teil eines' größeren, beginn mit GEBÄUDEKOMPLEX (95) ...
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