62 AUSSICHTSPUNKTE *
... nach dem HÖCHSTENS VIER GESCHOSSE (21) sind die meisten Dächer in der Gemeinde nicht höher als vier Geschosse, also. etwa 12-15 m. Es ist aber wichtig, daß diese Höhenbegrenzung. in bestimmten Fällen durch höhere Gebäude mit spezieller Funktion durchbrochen wird. Sie können zum Charakter der KLEINEN PLÄTZE (61) und des GEHEILIGTEN BODENS (66) beitragen; sie können ihren Gemeinden eine besondere Identität verleihen - wenn sie nicht öfter vorkommen als jeweils einmal in jeder GEMEINDE VON 7000 (12).
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Irgendwo hoch hinaufzusteigen, von wo aus man hinunterschauen und die eigene Welt erblicken kann scheint ein grundlegender menschlicher Instinkt zu sein.
Selbst kleinste Siedlungen haben ein beherrschendes Wahrzeichen - gewöhnlich den Kirchturm. Große Städte haben Hunderte davon. Der Antrieb, solche Türme zu bauen, ist sicher nicht bloß ein christlicher; in den verschiedensten Kulturen und Religionen der ganzen Welt ist es genauso. Persische Dörfer haben Taubentürme, die Türkei ihre Minarette, San Gimignanc hat seine turmförmigen Häuser, Festungen haben ihre Wehrtürme, Athen seine Akropolis, Rio den Zuckerhut.
Diese hochliegenden Orte haben zwei verschiedene, aber einander bedingende Funktionen. Sie ergeben einen Ort, zu. dem die Leute hochsteigen können, von dem aus sie auf ihre Welt hinunterschauen können. Und sie ergeben einen Ort, der die Leute von weit weg sehen und nach dem sie sich in der Ebene orientieren können.
Bei Proust heißt es:
Von weitem, aus einer Entfernung von zehn Meilen in der Runde, zum Beispiel von der Eisenbahn aus gesehen, wenn wir in der letzten Woche vor Ostern ankamen, war Combray nur eine Kirche, die die Stadt in ihrer Gesamtheit in sich verkörperte, von ihr und für sie der Ferne Kunde gab und, wie man beim Näherkommen bemerkte, mit ihrem hohen, düsteren Kragenmantel wie eine gute Hirtin ihre Schafe die grauwalligen Rücken der zusammengeduckten Häuser gegen den Wind zu beschirmen versuchte ...
Den Glockenturm von Saint-Hilaire nahm man schon von sehr weither wahr, denn der zeichntet sein unvergeßliches Bild bereits in den Horizont, bevor noch Combray den Blicken erschien; wenn von dem Zuge aus, der uns in der Woche vor Ostern aus Paris herbeitrug, mein Vater ihn bemerkte, wie er abwechselnd rechts und links auf dem :sichtbaren Streifen Himmel erschien und seinen kleinen blechernen Wetterhahn nach allen Seiten der Windrose wendete, sagte er jedesmal: "Los jetzt nehmt eure Decken, wir sind angekommen."
Marc Proust: Auf' der Suche nach der verlorenen Zeit, Swanns Welt 1-, 1964, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 68, 87)
Oxford: eine Stadt von träumenden Türmen.
Hochgelegene Orte sind ebenso wichtig, um von ihnen hin-abzuschauen: Stellen, die eine eindrucksvolle, zusammenfassende Übersicht der Stadt geben. Reisende können sie aufsuchen, um ein Gefühl für die ganze Gegend zu bekommen; und die Bewohner selbst können sich der Form und des Umfangs ihrer Umgebung versichern. Aber diesem Aufsuchen eines hochliegenden Ortes wird die Ursprünglichkeit und Freude fehlen, wenn man mit einem Auto oder einem Aufzug hinaufgelangt. Um die Großartigkeit der Aussicht wirklich zu erfahren, muß man etwas dafür tun, das Auto oder den Aufzug verlassen und hinaufsteigen. Der Vorgang des Hinaufsteigens, auch wenn es nur einige Stufen sind, befreit den Geist und bereitet den Körper vor.
Was die Verteilung betrifft, denken wir an einen dieser Aussichtspunkte für jede Gemeinde von 7000, hoch genug, daß man ihn von der ganzen Gemeinde aus sehen kann. Wenn es Weniger sind, neigen sie dazu, zu bedeutend zu werden und sind als Wahrzeichen weniger wirksam.
Daraus folgt:
Errichte da und dort hochliegende Orte als Wahrzeichen an verschiedenen Stellen der Stadt. Sie können sich aus der Topographie ergeben, eigene Türme sein oder auch Bestandteil des Dachs auf dem höchsten Gebäude am Ort - in jedem Fall aber sollte ein Aufstieg zu Fuß damit verbunden sein.
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Bearbeite auch den Bereich um den Fuß der Aussichtsstelle, es ist ein natürlicher Standort für einen KLEINEN PLATZ (61); mach an der Stiege, die hinaufführt, Öffnungen mit Aussicht, sodaß man auf der Stiege stehenbleiben, sicher niedersetzen, hinausschauen und beim Hinaufsteigen gesehen werden kann - SITZSTUFEN (125), DIE AUSSICHT DES MÖNCHS (134), OFFENE TREPPEN (158) ...
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