82 VERBINDUNG ZWISCHEN BÜROS *
... in jeder Gemeinschaft von Arbeitsstätten und in jedem =Büro gibt es verschiedene Gruppen von Menschen, und es ist immer wichtig, sich zu überlegen, wie diese Gruppen über den Raum verteilt werden sollen. Wer sollte wem nahe und wer weiter weg sein? Das folgende Muster gibt Antwort auf diese Frage und trägt damit wesentlich dazu bei, die innere Anlage einer GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), von SELBSTVERWALTETEN WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80) oder KLEINEN UNBÜROKRATISCHEN DIENSTLEISTUNGEN (82) zu gestalten.
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Wenn die zwei Hälften eines Büros zu weit voneinander entfernt liegen, gehen die Menschen nicht so oft wie erforderlich von einer Hälfte in die andere; und wenn sie mehr als ein Stockwerk voneinander entfernt liegen, gibt es zwischen beiden Hälften nahezu überhaupt keine Kommunikation mehr.
In der modernen Architektur wird oft ein Wegediagramm eingesetzt, um die Anzahl der Bewegungen zwischen verschiedenen Leuten und Funktionen in einem Büro oder Krankenhaus zu messen. Dem Einsatz dieser Methode liegt immer die stillschweigende Übereinkunft zugrunde, daß jene Funktionen, zwischen denen die meisten Bewegungen stattfinden, einander am nächsten liegen sollten. Diese Auffassung ist jedoch, wie üblicherweise festgestellt wird, falsch.
Die Auffassung entstammt einer Art von Taylorschem Streben nach Effizienz, das von folgender Theorie ausgeht: Je weniger die Menschen herumgehen, desto weniger müssen sie für "kostspieliges" Herumgehen entlohnt werden. Die logische Folgerung dieser Analyse ist demnach, daß Leute, wenn möglich, überhaupt nicht mehr gehen, sondern den Tag nur noch in Ihren Sesseln vegetierend verbringen sollten.
Tatsache ist, daß Menschen nur dann am besten arbeiten, wenn sie geistig und körperlich gesund sind. Wer gezwungenermaßen den ganzen Tag lang hinter dem Schreibtisch sitzen muß, ohne auch nur einmal die Beine ausstrecken zu können, wird unruhig, kann nicht mehr arbeiten und wird auf diese Weise ineffizient. Ein wenig gehen tut jedem sehr gut. Es tut nicht nur dem Körper gut, sondern ermöglicht den Menschen auch, die Szene zu wechseln, an etwas anderes zu denken, über ein Detail der Vormittagsarbeit oder über eines der täglichen zwischenmenschlichen Probleme im Büro nachzudenken.
Wenn jemand allerdings sehr häufig denselben Weg zurücklegen muß, ist leicht der Punkt erreicht, wo die Länge .des Weges als zeitraubend, lästig und schließlich ineffizient einp funden wird, weil sie den Betreffenden reizbar macht; noch kritischer wird es, wenn jemand gewisse Wege immer mehr vermeidet, weil sie zu lang sind und zu häufig zurückgelegt werden müssen.
Ein Büro läuft dann effizient, wenn die dort arbeitenden Menschen die von ihnen zurückzulegenden Wege nicht als lästig empfinden. Die Wege sollten gerade so kurz sein, daß sie nicht als lästig empfunden werden — noch kürzere Wege sind nicht notwendig.
Wie lästig ein Weg fällt, hängt von dem Verhältnis zwischen Länge und Häufigkeit ab. Man kann viele Male am Tag die drei Meter bis zu einem Ordner gehen, ohne es als Ärgernis zu empfinden; 100 Meter kann man nur ab und zu zurücklegen, ohne sich zu ärgern. In der Graphik unten ist die Störungsschwelle verschiedener Kombinationen von Länge und Häufigkeit dargestellt.
Die Graphik basiert auf 127 Beobachtungen im Rathaus...von Berkeley. Die Leute wurden gebeten, all die Wege, die sie im Laufe einer Arbeitswoche regelmäßig zurücklegten, zu definieren, ihre Häufigkeit festzulegen und dann darzulegen, ob. sie den Weg als lästig empfanden.
Die Linie in der Graphik zeigt den Mittelwert jener Entfernungen an, die entsprechend den verschiedenen Häufigkeitsgraden als störend bezeichnet wurden. Wir definieren die Entfernungen rechts von der Linie als störende Entfernungen Die bei jeder Weghäufigkeit auftretende störende Entfernung ist die Entfernung, die nach unserer Voraussage mindestens 50% der Leute allmählich als ein Ärgernis empfinden.
Bis jetzt beruhte unsere Erörterung der Nähe auf horizontalen Entfernungen. Wie sieht es aber mit Stiegen aus? Welche Rolle spielt die vertikale Entfernung bei der Wahrnehmung von Nähe? Oder, um es genauer auszudrücken, welche horizontale Entsprechung hat ein Stiegenlauf zwischen zwei Geschossen? Nehmen wir an, zwei Abteilungen dürfen nach dem Entfernungsdiagramm nicht weiter als 30 Meter voneinander entfernt sein, und nehmen wir weiter an, daß sie aus irgendeinem Grund in verschiedenen, benachbarten Geschossen liegen. Wie viel von diesen 30 Metern verbraucht die Stiege: Wie weit dürfen die zwei Abteilungen mit der Stiege dazwischen horizontal voneinander entfernt sein?
Die genaue Antwort auf diese Frage kennen wir nicht. Eine unveröffentlichte Studie von Marina Estabrook und Robert Sommer liefert jedoch indirekt einige Anhaltspunkte. Wie wir anhand dieser Studie sehen werden, spielen Stiegen eine weitaus größere Rolle und nehmen weit mehr „Entfernung" in Anspruch, als man annehmen würde.
Estabrook und Sommer untersuchten die Entstehung von Bekanntschaften in einem dreigeschossigen Universitätsgebäude mit verschiedenen Abteilungen. Sie baten die Befragten, all jene Leute im Gebäude zu nennen, die sie außerhalb ihrer eigenen Abteilung kannten. Das Ergebnis sah folgendermaßen aus:
Bekannte Leute in Prozent: | Die Abteilung liegt: |
12,2 | im selben Geschoß |
8,9 | ein Geschoß entfernt |
2,2 | zwei Geschosse entfernt |
Die Befragten kannten 12,2 Prozent der Leute aus anderen Abteilungen, die im selben Stockwerk wie ihre eigene Abteilung lag, 8,9 Prozent der Leute aus anderen Abteilungen, die ein Stockwerk entfernt waren, und nur 2,2 Prozent der Leute von anderen Abteilungen, die zwei Stockwerke entfernt lagen. Kurz gesagt, gibt es praktisch keinen informellen Kontakt zwischen Abteilungen, die durch zwei oder mehr Stockwerke voneinander getrennt sind.
Leider haben wir von Estabrooks und Sommers Erkenntnissen erst erfahren, nachdem unsere Untersuchung über Entfernungen bereits fertig war; deshalb konnten wir das Verhältnis zwischen den beiden Arten von Entfernung noch nicht definieren. Es ist jedoch unbestreitbar, daß eine Stiege einer beträchtlichen horizontalen Entfernung entspricht; und daß zwei Treppengeschosse nahezu die dreifache Wirkung eines einzelnen haben. Ausgehend von diesen Angaben nehmen wir an, daß eine Stiege in ihren Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen und das Gefühl für Entfernungen etwa 30 horizontalen Metern entspricht; und daß zwei Treppengeschosse etwa 100 horizontalen Metern entsprechen.
Daraus folgt:
Berechne bei der Festlegung von Entfernungen zwischen Abteilungen, wie viele Wege zwischen jeweils zwei Abteilungen pro Tag anfallen werden; entnimm der weiter vorne dargestellten Graphik die „störende Entfernung"; sorg dann dafür, daß die räumliche Entfernung zwischen zwei Abteilungen kleiner als die störende Entfernung ist. Rechne für eine Stiege etwa 30 Meter und für zwei Stiegen etwa 100 Meter Entfernung ein.
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Halt dich beim Bau der Gebäude, in denen die Abteilungen untergebracht sind, an HÖCHSTENS VIER GESCHOSSE (21), und entwickle ihre Gestalt aus GEBÄUDEKOMPLEX (95). Bau für jede Arbeitsgruppe in oberen Geschossen eine eigene Stiege, die sie direkt mit der Außenwelt verbindet - FUSSGÄNGERSTRASSE (100), OFFENE TREPPEN (158); gibt es im Haus zwischen den Gruppen innere Gänge, dann leg sie so breit an, daß sie richtige Straßen bilden - PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101); gib jeder Arbeitsgruppe eine eindeutige Identifikation und einen deutlich.- erkennbaren Eingang, so daß die Leute leicht von einem zum. anderen finden - FAMILIE VON EINGÄNGEN (102) ...
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