3 STADT-LAND-FINGER **
... die Verteilung der Städte, die eine ausgeglichene Region ergibt - VERTEILUNG DER STÄDTE (2) -, kann noch verbessert werden, indem man das Verhältnis von Stadtgebiet und offenem Land innerhalb der Städte selbst steuert.
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Fortgesetztes Ausdehnen der Urbanisierung zerstört das Leben und macht die Städte unerträglich. Aber auch die bloße Größe der Städte ist etwas Nützliches und Fruchtbares.
Es ist angenehm, leicht aufs Land zu können, offene Felder und Landwirtschaft zu erleben, auch wilden Pflanzen, Vögeln und Tieren begegnen zu können. Damit dieser Zugang möglich ist, muß jeder Punkt in der Stadt nahe dem offenen Land sein. Gleichzeitig ist es in einer Stadt nur gut zu leben, wenn dichte Beziehungen zwischen Menschen und Tätigkeiten herrschen und wenn sie verschiedene Lebensstile umfaßt. Wegen dieser Beziehungen muß die Stadt zusammenhängend sein, nicht unterteilt. In diesem Muster wollen wir versuchen, diese beiden Tatsachen miteinander in Einklang zu bringen.
Städter brauchen den Kontakt zum bäuerlichen Landleben, um ihre Wurzeln zum Land, das sie ernährt, aufrecht zu erhalten. Eine Gallup-Umfrage von 1972 beweist diese Tatsache klar. ,Dabei wurde die Frage gestellt: "Wenn Sie an einem beliebigen Ort leben könnten, was würden Sie vorziehen: eine Stadt, ein Stadtrandgebiet, eine Kleinstadt oder einen Bauernhof?", und man bekam von 1465 Amerikanern folgende Antwort:
Stadt 13%
Vorstadt 13%
Kleinstadt 32%
Bauernhof 23%
Und diese Unzufriedenheit mit den Städten wird immer größer. 1966 sagten 22 Prozent, daß sie die Stadt vorzögen - 1972, nur sechs Jahre später, fiel diese Zahl auf 13 Prozent. ("Most don't want to live in a city", George Gallup, San Franeiseo Chronicle, Montag, 18. Dezember 1972, S, 12.)
Es ist nicht schwer zu verstehen, warum sich die Städter nach Kontakt mit dem Land sehnen. Vor nur hundert Jahren lebten 85 Prozent der Amerikaner in ländlichen Gegenden; heute leben 70 Prozent in den Städten. Es scheint, daß wir nicht ausschließlich in Städten leben können - zumindest nicht in der Art Städte, die wir bisher gebaut haben -, unser Bedürfnis nach Kontakt mit dem Land sitzt zu tief, es ist eine biologische Notwendigkeit:
Wenn wir uns auch für einzigartig halten, so sind. wir wohl genetisch für ein natürliches Habitat von reiner Luft und abwechslungsreicher grüner Landschaft ebenso programmiert wie jedes andere Säugetier. Entspannt sein und sich gesund fühlen, heißt normalerweise einfach, daß wir dem Körper die Reaktionen erlauben, für die wir in einer Entwicklung von hundert Millionen Jahren ausgestettet worden sind. Physisch und genetisch scheinen wir an die tropische Savanne am besten angepaßt zu sein, als Kulturtiere aber bedienen wir uns der erworbenen Anpassung an Städte. Tausende Jahre hindurch haben wIr versucht in unseren Häusern nicht nur das Klima, sondern. auch den szenischen Hintergrund unserer evolutionären Vergangenheit nachzuahmen: warme, feuchte Luft, grüne Pflanzen und sogar Tiere als Gefährten. Heute, wenn wir es uns leisten können, bauen wir vielletcht sogar einen Wintergarten oder ein Schwimmbad neben unserem Wohnzimmer, kaufen ein Grundstück auf dem Lande oder fahren zumindest mit unseren Kindern auf Urlaub ans Meer. Wir begreifen noch immer nicht unsere spezifischen physiologischen Reaktionen auf die natürliche Schönheit und Vielfalt, auf die Formen und Farben der Natur (vor allem das Grün), auf die Bewegungen und Geräusche anderer Tiere, etwa der Vögel. Es ist jedoch offensichtlich, daß die Natur in unserem täglichen Leben als Teil der biologischen Bedürfnisse betrachtet werden muß. Das darf in der Diskussionen um eine Politik der Lebensqualität nicht vernachlässigt werden. (H. H. Iltis, r. Andres und O. L. Loucks,.ln Population Resources Environment: Issues In Human Ecology, P. R Ehrlich und A H. Ehrlich, San Francisco: Freeman and Co., 1970, S. 204.)
Dennoch wird es für die Städter immer schwieriger, mit dem Landleben in Berührung zu kommen. In der San Francisco Bay- Region gehen jährlich 54 km' freier Fläche verloren (Gerald D. Adams, "The Open Space Explosion", Cry California, Herbst 1970, S. 27-32).
Durch die Störung des Kontakts zwischen den Städtern und dem Land werden die Städte zu Gefängnissen. Der Urlaub am Bauernhof das Landjahr für Stadtkinder, der Pensionist auf dem Land werden ersetzt durch teure Urlaubsorte, Club-Ferien und Pensionistensiedlungen. Und für die meisten ist der einzige übrig bleibende Kontakt der Wochenendexodus aus der Stadt, der die Autobahnen und die wenigen organisierten Freizeitzentren verstopft. Viele Wochenendausflügler kehren am Sonntagabend nervöser in die Stadt zurück als sie sie verlassen haben.
Wenn das Land weit weg ist, wird die Stadt zu einem Gefängnis.
Wenn wir die richtige Verknüpfung zwischen Stadt und Land wiederherstellen oder aufrechterhalten und dabei die Dichte der städtischen Beziehungen beibehalten wollen, muß sich das Stadtgebiet fingerförmig in langen Schlangenlinien in das Ackerland ausdehnen, wie das Schema weiter unten zeigt. Nicht nur die Stadt, sondern auch das angrenzende Ackerland haben dann die Form schlanker Finger.
Die maximale Breite der Stadt-Finger bestimmt sich aus der größten zumutbaren Entfernung zwischen dem Stadtinneren und dem Land. Wir rechnen, daß jeder in 10 Minuten zu Fuß offenes Land erreichen sollte. Das würde eine Maximalbreite von 1,5 km für die Stadt-Finger ergeben.
Die minimale Breite jedes Land-Fingers bestimmt sich aus der kleinsten zumutbaren Größe eines typischen Landwirtschaftsbetriebs. Da 90% aller Betriebe noch unter 200 ha haben und es keinen ernst zunehmenden Beweis dafür gibt, daß Großbetriebe effizienter sind (Leon H. Keyserling,. Agriculture and the Public Interest, Conference on Economic Progress, Washington, D. c., Februar 1965), brauchen die Land-Finger nicht breiter zu sein als 1,5 km.
Die Herbeiführung dieses Musters erfordert eine neue Politik in dreierlei Hinsicht: Was das Ackerland betrifft, muß die Politik das Wiederentstehen kleiner Höfe fördern, solcher, die in die 1,5 km-Landstreifen passen. Zweitens muß die Politik die Tendenz der Städte zum Ausbreiten in alle Richtungen eindämmen. Und drittens muß das Land wirklich öffentlich sein, sodaß die Menschen auch an jene Teile des Landes herankönnen, die privat bewirtschaftet werden. Man stelle sich vor, wie dieses eine Muster das städtische Leben verändern würde. Jeder Städter könnte aufs Land; das offene Land wäre eine halbe "Fahrradstunde vorn Stadtkern entfernt.
Daraus folgt:
Leg Ackerland und Stadtgebiet als ineinandergreifende Finger an, selbst im Zentrum der Großstadt. Die Stadt-Finger sollten nie breiter als 1,5 km, die Land-Finger nie schmäler als 1,5 km sein.
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Wenn das Gelände hügelig ist, leg die Land-Finger in die Täler und die Stadt-Finger auf die höherliegenden Hänge - LANDWIRTSCHAFISTÄLER (4). Zerleg die Stadt-Finger in hunderte unterschiedliche selbstverwaltete Subkulturen - MOSAIK AUS SUBKULTUREN (8) - und leg die wichtigsten Straßen und Eisenbahnlinien durch die Mitte der Stadt-Finger - ÖFFENTLICHES VERKEHRSNETZ (16), RINGSTRASSEN (17) ....
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