57 KINDER IN DER STADT
... Straßen, Radwege und Hauptfußgängerwege werden lagelmäßig bestimmt durch PARALLELE STRASSEN (23), PROMENADE (31), ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN (49), GRÜNE STRASSEN (51), NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52), RADWEGE UND STÄNDER (56). Einige darunter sind für Kinder ungefährlich, ändere weniger. Jetzt muß zum Abschluß, um das System von Wegen und Straßen zu vervollständigen, zumindest ein Ort -.Mitten im Herz der Städte definiert werden, wo Kinder völlig frei und sicher sind. Richtig angewendet, kann dieses Muster eine große Rolle beim Entstehen des NETZWERKS DES LERNENS (18) spielen.
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Wenn es Kindern nicht möglich ist, die gesamte Erwachsenenwelt um sie herum zu erforschen, können sie nicht erwachsen werden. Moderne Städte sind jedoch so gefährlich, daß man Kindern nicht erlauben kann, sie frei zu erforschen.
Daß Kinder Zugang zur Erwachsenenwelt haben sollen, ist als Notwendigkeit so einleuchtend, daß es keiner Erklärung bedarf. Die Erwachsenen übermitteln Kindern ihr Ethos und ihre Lebensweise durch ihre Handlungen, nicht durch Erklärungen. Kinder lernen durch Machen und Nachmachen. Beschränkt sich die Ausbildung des Kindes auf Schule und Haus, und bleiben all die großen Aufgaben und Unternehmungen einer modernen Stadt geheimnisvoll und unzugänglich, so :kann das Kind unmöglich erfahren, was erwachsen sein wirklich heißt, jedenfalls kann es unmöglich einen Zugang durch Nachmachen finden.
Diese Trennung zwischen der Kinderwelt und der Erwachsenenwelt ist unbekannt bei Tieren und unbekannt in traditionellen Gesellschaften. In einfachen Dörfern verbringen Kinder .den Tag an der Seite von Bauern auf den Feldern, an der Seite von Leuten, die Häuser bauen, kurz, an der Seite aller täglichen Verrichtungen der Männer und Frauen rund um sie: beim Töpfern, Geld zählen, Krankenpflegen, Beten, Getreide mahlen, Diskutieren über die Zukunft des Dorfes.
Aber in der Stadt ist das Leben so gewaltig und so gefährlich, daß man Kinder sich nicht allein herumtreiben lassen kann. Da ist die ständige Gefahr durch schnell fahrende Autos und Lastwagen und durch gefährliche Maschinen. Da ist die kleine, re, aber beunruhigende Gefahr des Entführtwerdens, der Vergewaltigung oder des Überfalls. Und da ist für ganz kleine Kinder die einfache Gefahr, sich zu verirren. Ein kleines Kind weiß eben nicht genug, um sich in der Stadt zurecht zu finden.
Das Problem scheint fast unlösbar. Wir glauben aber, daß es zumindest teilweise gelöst werden kann, indem man jene Teile der Stadt vergrößert, wo kleine Kinder sich allein aufhalten können, und indem man diese geschützten Kinder-„Gürtel" so breit verteilt und verzweigt, daß sie das ganze Spektrum von Erwachsenenaktivitäten und -lebensformen berühren.
Wir stellen uns innerhalb des größeren Radwegnetzes einen sorgfältig entwickelten Kinderradweg vor. Der Weg verläuft neben und durch interessante Teile der Stadt; und er ist relativ sicher. Er ist Teil des ganzen Systems und wird deshalb von jedermann benutzt. Er ist kein spezieller „Kinderweg" — was abenteuerlustige Heranwachsende sofort vertreiben würde — aber er hat einen besonderen Namen und vielleicht eine besondere Farbkennzeichnung.
Der Weg ist immer Radweg. Er verläuft nirgends neben Autos. Wo er den Straßenverkehr kreuzt, sind Ampeln oder Brücken. Entlang des Weges gibt es viele Häuser und Geschäfte — Erwachsene sind in der Nähe; besonders Ältere verbringen gerne täglich einige Zeit an diesem Weg sitzend oder fahren selbst herum — nebenbei beobachten sie die Kinder.
Das Wichtigste ist: die Schönheit dieses Weges besteht darin daß er jene Funktionsbereiche und Teile der Stadt berührt oder sogar durchquert, die normalerweise kaum zugänglich sind:
Wo Zeitungen gedruckt werden, wo Milch vom Land ankommt und abgefüllt wird, der Kai, die Werkstatt, wo Türen und Fenster gemacht werden, die Zufahrt hinter den Gasthäusern, der Friedhof.
Daraus folgt:
Entwickle als Teil des Radwegnetzes ein Wegesystem, das besonders sicher ist - völlig getrennt von Autos, mit Ampeln und Brücken an den Kreuzungen, mit Häusern und Geschäften, sodaß es immer im Blickfeld ist. Leg diesen Weg durch jede Nachbarschaft, sodaß Kinder ihn ohne Querung einer Hauptstraße erreichen können. Leg diesen Weg durch die ganze Stadt, durch Fußgängerstraßen, durch Werkstätten, Montagehallen, Warenhäuser, Umsteigestellen, Druckereien, Bäckereien - durch all das interessante und unsichtbare" Leben einer Stadt, sodaß Kinder frei auf Fahrrädern und Dreirädern herumstreifen können.
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Säume den Kinderweg mit Fenstern, besonders von häufig benützten Räumen, sodaß der Blick hinaus den Weg sichert STRASSENFENSTER (164); im Verlauf soll der Weg alle für Kinder wichtigen Orte berühren - SPIELEN MIT ANDEREN KINDERN (68), ABENTEUERSPIELPLATZ (73), LADENSCHULEN (85), KINDERHAUS (86) -, er soll aber auch andere Phasen des Lebenszyklus berühren - ÜBERALL ALTE MENSCHEN (40), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT (43), GRABSTÄTTEN (70), LOKALER SPORT (72), TIERE (74), TEENAGERGESELLSCHAFT (84) ...
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