EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

058.0

... gelegentlich kann - in einer dafür besonders aufgeschlossenen Subkultur - eine Promenade einen intensiveren Rhythmus annehmen - PROMENADE (31), NACHTLEBEN (33) -, vielleicht hat jede Promenade etwas davon an sich.

 

❖ ❖ 

 

Ganz so wie eine Person phantastische Vorgänge träumt und dabei innere Zwänge loswird, die durch den Alltag nicht abgedeckt werden, braucht auch eine Stadt ihre Träume.

 

Normalerweise sind in der heutigen Welt gebotene Vergnügungen entweder gesund und harmlos - ins Kino gehen, fernsehen, radfahren, Tennis spielen, mit dem Hubschrauber fliegen, spazierengehen, ein Fußballspiel besuchen - oder eindeutig krank und sozial destruktiv - Heroin spritzen, rücksichtsloses Autofahren, Gewalttätigkeit in Gruppen.

Aber der Mensch hat ein starkes Bedürfnis danach, verrückte, unterbewußte Vorgänge auszuleben, ohne sie so weit zu entfesseln, daß sie sozial destruktiv werden. Es gibt - kurz gesagt ein Bedürfnis nach gesellschaftlich akzeptierten Aktivitäten, die im äußeren sozialen Leben der Rolle von Träumen entsprechen.

In ursprünglichen Gesellschaften wurden solche Prozesse durch Riten, Medizinmänner und Schamanen ermöglicht. In der westlichen Zivilisation stand für diese äußere Anerkennung „geheimen" Lebens der Zirkus, Jahrmarkt und Karneval zur Verfügung. Im Mittelalter hatte der Marktplatz selbst schon einen Gutteil dieser Atmosphäre.

Heute ist diese Art von Erfahrung im großen und ganzen verschwunden. Zirkus und Karneval sind ausgetrocknet. Aber das Bedürfnis besteht weiter. Wir stellen uns etwas in folgender Richtung vor: Straßentheater, Clowns, verrückte Spiele im Freien und in Häusern; während bestimmter Wochen können Leute im Vergnügungspark wohnen; einfache Lebensmittel und Unterkunft sind gratis; Tag und Nacht kommen Leute zusammen; Schauspieler mischen sich in die Menge und beziehen einen wohl oder übel in unabsehbare Vorgänge ein; Schaukämpfe — wie bei Fellini sind Clowns, Tod, Verrückte durcheinander-gemischt.

Denken wir an den buckligen Zwerg im Narrenschiff, dem einzigen Vernünftigen auf dem Schiff, der sagt: „Jeder hat ein Problem; ich habe den Vorteil, es auf dem Rücken zu tragen, wo es jeder sehen kann."

 

Daraus folgt:

Halt einen Teil der Stadt als Vergnügungspark frei —Halt einen Teil der Stadt als Vergnügungspark frei —Schaubuden, Wettkämpfe, Darbietungen, Schaustellungen, Tombolas, Tanz, Musik, Straßentheater,Clowns, Transvestiten, groteske Einlagen, wo Leute ihre eigene Verrücktheit zeigen können; leg eine breite Fußgängerstraße durch dieses Gebiet; entlang dieser Straße leg Buden und schmale Durchgänge an; an einem Ende ein Freilichttheater; vielleicht mit einer direkten Verbindung der Bühne zur Straße, sodaß beide ineinander übergehen.

 Eine Muster Sprache 58 VERGNÜGUNGSPARK

 

❖ ❖ 

 

Tanzen auf der Straße, Imbißstände, ein oder zwei Außenräume, ein Platz beim Theater, Zelte und Markisen werden es noch lebendiger machen — KLEINE PLÄTZE (61), TANZEN AUF DER STRASSE (63), ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN (69), IMBISSSTÄNDE (93), FUSSGÄNGERSTRASSE (100), MARKISENDÄCHER (244) ...

 

< Zurück zu 57 Weiter zu 59 >

 

057.0

... Straßen, Radwege und Hauptfußgängerwege werden lagelmäßig bestimmt durch PARALLELE STRASSEN (23), PROMENADE (31), ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN (49), GRÜNE STRASSEN (51), NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52), RADWEGE UND STÄNDER (56). Einige darunter sind für Kinder ungefährlich, ändere weniger. Jetzt muß zum Abschluß, um das System von Wegen und Straßen zu vervollständigen, zumindest ein Ort -.Mitten im Herz der Städte definiert werden, wo Kinder völlig frei und sicher sind. Richtig angewendet, kann dieses Muster eine große Rolle beim Entstehen des NETZWERKS DES LERNENS (18) spielen. 

 

❖ ❖ 

 

Wenn es Kindern nicht möglich ist, die gesamte Erwachsenenwelt um sie herum zu erforschen, können sie nicht erwachsen werden. Moderne Städte sind jedoch so gefährlich, daß man Kindern nicht erlauben kann, sie frei zu erforschen.

 

Daß Kinder Zugang zur Erwachsenenwelt haben sollen, ist als Notwendigkeit so einleuchtend, daß es keiner Erklärung bedarf. Die Erwachsenen übermitteln Kindern ihr Ethos und ihre Lebensweise durch ihre Handlungen, nicht durch Erklärungen. Kinder lernen durch Machen und Nachmachen. Beschränkt sich die Ausbildung des Kindes auf Schule und Haus, und bleiben all die großen Aufgaben und Unternehmungen einer modernen Stadt geheimnisvoll und unzugänglich, so :kann das Kind unmöglich erfahren, was erwachsen sein wirklich heißt, jedenfalls kann es unmöglich einen Zugang durch Nachmachen finden.

Diese Trennung zwischen der Kinderwelt und der Erwachsenenwelt ist unbekannt bei Tieren und unbekannt in traditionellen Gesellschaften. In einfachen Dörfern verbringen Kinder .den Tag an der Seite von Bauern auf den Feldern, an der Seite von Leuten, die Häuser bauen, kurz, an der Seite aller täglichen Verrichtungen der Männer und Frauen rund um sie: beim Töpfern, Geld zählen, Krankenpflegen, Beten, Getreide mahlen, Diskutieren über die Zukunft des Dorfes.

Aber in der Stadt ist das Leben so gewaltig und so gefährlich, daß man Kinder sich nicht allein herumtreiben lassen kann. Da ist die ständige Gefahr durch schnell fahrende Autos und Lastwagen und durch gefährliche Maschinen. Da ist die kleine, re, aber beunruhigende Gefahr des Entführtwerdens, der Vergewaltigung oder des Überfalls. Und da ist für ganz kleine Kinder die einfache Gefahr, sich zu verirren. Ein kleines Kind weiß eben nicht genug, um sich in der Stadt zurecht zu finden.

Das Problem scheint fast unlösbar. Wir glauben aber, daß es zumindest teilweise gelöst werden kann, indem man jene Teile der Stadt vergrößert, wo kleine Kinder sich allein aufhalten können, und indem man diese geschützten Kinder-„Gürtel" so breit verteilt und verzweigt, daß sie das ganze Spektrum von Erwachsenenaktivitäten und -lebensformen berühren.

Wir stellen uns innerhalb des größeren Radwegnetzes einen sorgfältig entwickelten Kinderradweg vor. Der Weg verläuft neben und durch interessante Teile der Stadt; und er ist relativ sicher. Er ist Teil des ganzen Systems und wird deshalb von jedermann benutzt. Er ist kein spezieller „Kinderweg" — was abenteuerlustige Heranwachsende sofort vertreiben würde — aber er hat einen besonderen Namen und vielleicht eine besondere Farbkennzeichnung.

Eine Muster Sprache 57 KINDER IN DER STADT

Der Weg ist immer Radweg. Er verläuft nirgends neben Autos. Wo er den Straßenverkehr kreuzt, sind Ampeln oder Brücken. Entlang des Weges gibt es viele Häuser und Geschäfte — Erwachsene sind in der Nähe; besonders Ältere verbringen gerne täglich einige Zeit an diesem Weg sitzend oder fahren selbst herum — nebenbei beobachten sie die Kinder.

Das Wichtigste ist: die Schönheit dieses Weges besteht darin daß er jene Funktionsbereiche und Teile der Stadt berührt oder sogar durchquert, die normalerweise kaum zugänglich sind:

Wo Zeitungen gedruckt werden, wo Milch vom Land ankommt und abgefüllt wird, der Kai, die Werkstatt, wo Türen und Fenster gemacht werden, die Zufahrt hinter den Gasthäusern, der Friedhof.

 

Daraus folgt:

Entwickle als Teil des Radwegnetzes ein Wegesystem, das besonders sicher ist - völlig getrennt von Autos, mit Ampeln und Brücken an den Kreuzungen, mit Häusern und Geschäften, sodaß es immer im Blickfeld ist. Leg diesen Weg durch jede Nachbarschaft, sodaß Kinder ihn ohne Querung einer Hauptstraße erreichen können. Leg diesen Weg durch die ganze Stadt, durch Fußgängerstraßen, durch Werkstätten, Montagehallen, Warenhäuser, Umsteigestellen, Druckereien, Bäckereien - durch all das interessante und unsichtbare" Leben einer Stadt, sodaß Kinder frei auf Fahrrädern und Dreirädern herumstreifen können.

 Eine Muster Sprache 57 KINDER IN DER STADT 1

 

❖ ❖ 

 

Säume den Kinderweg mit Fenstern, besonders von häufig benützten Räumen, sodaß der Blick hinaus den Weg sichert STRASSENFENSTER (164); im Verlauf soll der Weg alle für Kinder wichtigen Orte berühren - SPIELEN MIT ANDEREN KINDERN (68), ABENTEUERSPIELPLATZ (73), LADENSCHULEN (85), KINDERHAUS (86) -, er soll aber auch andere Phasen des Lebenszyklus berühren - ÜBERALL ALTE MENSCHEN (40), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT (43), GRABSTÄTTEN (70), LOKALER SPORT (72), TIERE (74), TEENAGERGESELLSCHAFT (84) ...

 

< Zurück zu 56
Weiter zu 58 >

 

056.0

... innerhalb einer LOKALVERKEHRSZONE (11) konzentrieren 'sich kleine Fahrzeuge wie Fahrräder, Elektrokarren, vielleicht sogar Pferde, die ein System von Radwegen brauchen. Die Radwege spielen eine wichtige Rolle beim Entstehen der Lokalverkehrszonen und tragen auch zur Ausbildung der ÖRTLICHEN STRASSEN IN SCHLEIFEN (49) und des NETZES VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52) bei.

 

❖ ❖ 

 

Fahrräder sind billig, gesund und gut für die Umwelt; aber die Umwelt ist nicht für sie eingerichtet. Fahrräder auf Straßen werden von Autos gefährdet; Fahrräder auf Wegen gefährden Fußgänger.

 

Um die Umwelt sicher für Fahrräder zu machen, müssen folgende Probleme gelöst werden:

  1. Fahrräder sind gefährdet, wo sie auf starken Autoverkehr treffen oder ihn kreuzen.
  2. Sie sind auch durch geparkte Autos gefährdet. Geparkte Autos erschweren es dem Radfahrer, andere Leute zu sehen, und sie erschweren es anderen Leuten, ihn zu sehen. Noch dazu muß der Radfahrer gewöhnlich nahe an geparkten Autos fahren und ist ständig in Gefahr, daß jemand vor ihm eine Autotüre aufmacht.

  3. Fahrräder gefährden Fußgänger auf Fußgängerwegen; es ist aber oft naheliegend, mit dem Rad auf Fußgängerwegen statt auf Straßen zu fahren, weil das die kürzesten Wege sind.

  4. Durch starken Radverkehr — etwa um Schulen und Universitäten — kann eine Fußgängerzone genauso zugrunde gelichtet werden wie durch Autos.

Eine einleuchtende Lösung dieser Probleme wäre die Schaffung eines völlig unabhängigen Systems von Radwegen. Es ist aber zu bezweifeln, ob das eine gangbare oder wünschenswerte Lösung ist. Die Studie „Students an Wheels" (Jany, Putney und Ritter, Department of Landscape Architecture, University of Oregon, Eugene, Oregon, 1972) zeigt, daß Radfahrer und Nicht-Radfahrer ein gemischtes System vorziehen, wenn es einigermaßen sicher ist.

Auch wir glauben, daß Radwege im wesentlichen auf Straßen und entlang Fußgängerwegen verlaufen sollen: wenn Fahrräder auf ein separates System gezwungen werden, wird es mit Sicherheit durch Abkürzer über andere Wegenetze mißachtet werden. Und Gesetze, die Fahrräder vollständig von Straßen.- und Wegesystemen fernhalten wollten, würden eine Entmutigung für das ohnehin beeinträchtigte Radfahren darstellen. Wo immer es also möglich ist, sollten Radwege mit Straßen und Hauptfußgängerwegen zusammenfallen.

Wo Radwege mit Hauptstraßen zusammenfallen, müssen sie von der Fahrbahn getrennt werden. Die Lage des Radfahrers ist schon sicherer, wenn der Radweg gegenüber der Straße etwas erhöht oder durch eine Baumreihe getrennt ist.

Wo Radwege entlang lokaler Straßen laufen, sollte auf der betreffenden Seite nicht geparkt werden; die Oberfläche des Radweges kann auf gleicher Höhe und einfach Teil der Straße sein. Ein Artikel von Bascome im Oregon Daily Emerald (Oktober 1971) schlug vor, daß Radwege an Straßen immer auf der. sonnigen Straßenseite liegen sollten.

Wo Radwege mit Hauptfußgängerwegen zusammenfallen, sollten sie von diesen getrennt sein, vielleicht gegenüber den Fußgängern eine Stufe tieferliegend. Hier würde der Höhenunterschied dem Fußgänger ein Gefühl der Sicherheit gegenüber den Fahrrädern geben.

Ruhige Wege und bestimmte Fußgängerzonen sollten von Fahrrädern ebenso vollständig befreit sein wie von Autos, und zwar aus denselben Gründen. Das kann erreicht werden, inE, dem das Radwegsystem diese Orte umfährt oder indem diese Orte von Stufen oder niedrigen Mauern umgeben sind, die Radfahrer zum Absteigen und Schieben zwingen.

 

Daraus folgt:

Errichte ein Wegenetz, das für Radfahrer bestimmt. ist, mit folgenden Eigenschaften: die Radwege sind eindeutig durch eine besondere, leicht erkennbare Oberfläche gekennzeichnet (z. B. roter Asphalt). Soweit möglich verlaufen sie entlang örtlicher Straßen oder entlang von Hauptfußgängerwegen. Entlang einer örtlichen Straße kann der Radweg im Niveau der Straße verlaufen - wenn möglich auf der sonnigen Seite; ent-verlaufen - wenn möglich auf der sonnigen Seite; entlang eines Hauptfußgängerweges trenn den Radweg ab und leg ihn eine Stufe tiefer. Führ das Radwegsystembis höchstens 30 m von jedem Gebäude entfernt und versorge jedes Gebäude mit einem Radständer in der Nähe des Haupteingangs.

Eine Muster Sprache 56 RADWEGE UND STÄNDER

 

❖ ❖ 

 

Ordne die Fahrradständer auf einer Seite des Haupteingangs an, sodaß die Räder nicht die natürliche Bewegung zum und vom Gebäude behindern — HAUPTEINGANG (110); versieh sie und den Weg von den Ständern zum Eingang mit einem Schutzdach — ARKADEN (119); halt die Räder von ruhigen Wegen und ruhigen Gärten fern — RUHIGE HINTERSEITEN (59), GARTENMAUER (173) ...

 

< Zurück zu 55 Weiter zu 57 >

 

055.0

... dieses Muster ist eine Ergänzung zum NETZ VON FUSS - UND FAHRWEGEN (52) und zur STRASSENÜBERQUERUNG (54). Es stimmt zwar, daß Fußgängerwege im Sinne unseres Wegenetzes in den meisten Fällen quer zu den Straßen und nicht neben ihnen laufen werden. Ab und zu jedoch, besonders entlang größerer PARALLELER STRASSEN (23), wird es zwischen einer Straßenüberquerung und der nächsten Wege neben der Straße geben müssen. Das folgende Muster beschreibt die besondere Ausbildung solcher Wege. 

 

❖ ❖ 

 

Wo in Städten schnellfahrende Autos und Fußgänger zusammenkommen, beherrschen die Autos die Fußgänger. Das Auto ist König, die Leute fühlen sich unterlegen.

 

Die Lösung dafür ist nicht die vollständige Trennung der Fußgänger von den Autos; es liegt in der Natur der Sache, daß sie aufeinandertreffen, zumindest fallweise — NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52). Was kann man an den Stellen machen, wo sie zusammenkommen?

Auf einer gewöhnlichen Straße bewirken die Autos, daß Fußgänger sich unterlegen und gefährdet fühlen, weil die Gehsteige zu schmal sind und zu tief liegen. Wenn der Gehsteig zu schmal ist, fürchtet man, hinunter zu fallen oder hinunter gestoßen zu werden — und es kann immer passieren, daß man genau vor ein Auto gerät. Wenn der Gehsteig zu niedrig liegt, fürchtet man, daß ein Auto, wenn es außer Kontrolle gerät, leicht auf den Gehsteig auffahren und einen zermalmen kann. Daraus folgt klarerweise, daß Fußgänger sich entspannt, selbstbewußt, sicher und frei in ihren Bewegungen fühlen werden, wenn ihre Gehwege sowohl breit genug sind, um die Autos in sicherer Entfernung zu halten, und hoch genug, um ein zufälliges Auffahren eines Autos auszuschließen.

Betrachten wir zunächst die Breite. Welches ist die richtige Breite für einen erhöhten Gehweg? Das berühmte Beispiel sind natürlich die Champs Elysees, wo die Gehsteige über 10 m breit sind, also ausgesprochen großzügig. Unserer Erfahrung nach ist ein halb so breiter Gehsteig entlang einer typischen verkehrsreichen Geschäftsstraße immer noch bequem; aber bei weniger als 3 m oder 4 in Breite beginnt ein Fußgänger, sich bedrängt und von den Autos bedroht zu fühlen. Ein gewöhnlicher Gehsteig ist oft weniger als 2 m breit; und dann 'sind für die Leute die Autos wirklich präsent. Wie kommen wir zu der zusätzlichen Breite, die die Leute für ihr Wohlbefinden brauchen? Eine Möglichkeit: statt die Gehsteige entlang beider Straßenseiten zu legen, können wir einen doppelt breiten, erhöhten Gehweg nur entlang einer Seite anordnen, mit Straßenübergängen in Abständen von 60 m bis 90 m. Das bedeutet natürlich, daß nur auf einer Straßenseite Geschäfte sein können.

 

055.1

Traditioneller erhöhter Gehweg in Pichucalis, Mexiko.

 

Wie hoch soll ein erhöhter Gehsteig liegen? Unsere Versuche ergeben, daß sich Fußgänger ab einer Höhe von etwa 45 cm über den Autos sicher fühlen. Dafür gibt es eine Reihe möglicher Gründe.

Ein möglicher Grund: Wenn das Auto tief unten ist und die Fußgängerwelt wirklich höher liegt, haben Fußgänger symbolisch das Gefühl, daß sie wichtiger sind als die Autos und fühlen sich deshalb sicher. Ein anderer möglicher Grund: Es könnte sein, daß das Auto den Fußgänger wegen der dauernden unausgesprochenen Möglichkeit bedrängt, daß ein außer Kontrolle geratener Wagen jederzeit auf den Randstein geraten und ihn niederfahren kann. Auf den gewöhnlichen Randstein von 15 cm kann ein Wagen leicht auffahren. Die Gewißheit, daß ein Auto nicht auf den Randstein auffahren kann, hat der Fußgänger erst bei einer Randsteinhöhe, die größer ist als der Radius eines Autoreifens (25-40 cm).

Noch ein möglicher Grund: Die Augenhöhe der meisten Menschen liegt zwischen 130 cm und 160 cm. Ein normales Auto hat eine Gesamthöhe von 140 cm. Größere Menschen können über Autos hinwegschauen; aber auch für sie füllen die Autos das Gesichtsfeld, da die normale Blickrichtung einer stehenden Person etwa 10° unter der Horizontalen liegt (Henry Dreyfus, The Measure of Man, New York, 1958, Blatt F). Um einen 3,5 m entfernten Wagen völlig unter der Sichtlinie eines Fußgängers verschwinden zu lassen, müßte er sich auf einer Straße befinden, die 45 cm bis 75 cm unterhalb der Ebene des Fußgängers liegt.

Eine Muster Sprache 55 ERHÖHTER GEHWEG

 

Daraus folgt:

Wir kommen zu dem Ergebnis, daß jeder Fußgängerweg neben einer Straße, auf der schnell gefahren wird, etwa 45 cm über der Straße liegen sollte, mit einer niedrigen Mauer oder einem Geländer oder einer Balustrade entlang der Kante zur Markierung. Leg den erhöhten Gehweg nur auf einer Straßenseite an — und mach ihn so breit wie möglich.

 Eine Muster Sprache 55 ERHÖHTER GEHWEG 1

 

❖ ❖ 

 

Schütz den erhöhten Gehweg vor der Straße durch eine niedrige Mauer — SITZMAUER (243). Eine über dem Gehsteig errichtete Arkade wird mit ihren Säulen noch mehr Komfort und Sicherheit vermitteln — ARKADEN (119). Am Ende eines Blocks oder wo immer ein Wagen vorfahren könnte, um jemand ein- oder aussteigen zu lassen, leg Stufen in den erhöhten Gehweg, und zwar breit genug, daß man dort sitzen und bequem warten kann — SITZSTUFEN (125) ...

 

< Zurück zu 54 Weiter zu 56 >

Förderer:


Wien Kultur