EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

054.0

... nach der Anleitung von PARALLELE STRASSEN (23) und NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52) werden Wege nach und nach rechtwinklig zu Hauptstraßen entstehen — nicht neben ihnen entlang wie heute üblich. Dadurch entsteht eine völlig neue Situation, die nur funktioniert, wenn sie auch baulich völlig neu behandelt wird.

 

❖ ❖ 

 

Wo Wege Straßen überqueren, haben die Autos die Macht, die Leute beim Gehen einzuschüchtern und zu unterdrücken, auch wenn die Leute von Rechts wegen Vorrang haben.

 

Das ist immer der Fall, wenn der Weg und die Straße auf gleicher Höhe liegen. Kein Aufwand an aufgemalten Linien, Übergängen, Verkehrsampeln, knopfdruckgesteuerten Signalregelungen kann die Tatsache aus der Welt schaffen, daß ein .Auto eine Tonne oder mehr wiegt und jeden Fußgänger überrollt, wenn der Fahrer nicht bremst. Meistens bremst der Fahrer ja. Aber jeder weiß von genügend Fällen, in denen Bremsen versagt haben oder Fahrer eingeschlafen sind, sodaß die ständige Vorsicht und Angst bestehen bleibt.

Die Menschen werden sich beim Überqueren einer Straße nur dann entspannt und sicher fühlen, wenn die Überquerung ein bauliches Hindernis ist, das physisch dafür sorgt, daß die Autos bremsen und den Fußgängern den Vorrang lassen müssen. An vielen Stellen ist es gesetzlich vorgesehen, daß Fußgänger den Vorrang vor Automobilen haben. An den entscheidenden Punkten aber, wo Wege die Straßen überqueren, gibt die Willi--phe Anordnung den Autos den Vorrang. Die Straße ist durchgehend, glatt, schnell und unterbricht den Fußgängerweg an der Kreuzungsstelle. Diese durchgehende Straßenoberfläche impliziert in Wirklichkeit den Vorrang des Autos.

Wie sollen Übergänge aussehen, die den Bedürfnissen der Fußgänger gerecht werden?

Die Tatsache, daß Fußgänger sich durch Autos weniger gefährdet fühlen, wenn sie sich etwa 45 cm höher befinden, wird im nächsten Muster ERHÖHTER GEHWEG (55) erörtert. Umso mehr gilt dieses Prinzip, wo Fußgänger eine Straße überqueren müssen. Die querenden Fußgänger müssen von der Straße aus äußerst gut sichtbar sein. Die Autos sollten außerdem gezwungen sein, beim Heranfahren an den Übergang abzubremsen. Wenn der Fußweg 15 cm bis 30 cm über der Fahrbahn liegt und die Fahrbahn schräg auf ihn hinaufführt, werden beide Forderungen erfüllt. Eine Neigung von 1 : 6 oder weniger ist für Autos ungefährlich und hart genug, sie zum Bremsen zu bringen. Um den Übergang aus der Entfernung noch leichter sichtbar und das Recht des Fußgängers, sich hier zu bewegen, noch deutlicher zu machen, könnte der Fußgängerweg am Rand der Straße durch eine Überdachung markiert sein — MARKISENDÄCHER (244).

 

054.1

Fast ein Sraßenübergang ... aber die Schwelle fehlt.

 

Wir wissen, daß dieses Muster eher ungewöhnlich ist. Deshalb halten wir es für wesentlich, daß der Leser es nicht schematisch bei jeder Straße anwendet, sondern nur an solchen Straßen, wo es dringend erforderlich ist. Wir schließen daher die Darstellung dieses Problems mit der Beschreibung eines einfachen Experiments, mit dem man entscheiden kann, ob ein bestimmter Straßenübergang so behandelt werden muß.

Geh öfters und zu verschiedenen Tageszeiten zu der betreffenden Straße. Zähl jedesmal die Sekunden, die du vor dem Überqueren der Straße warten mußt. Beträgt die durchschnittliche Wartezeit mehr als zwei Sekunden, dann empfehlen wir die Anwendung des Musters. (Das bezieht sich auf Buchanans Feststellung, daß Straßen für Fußgänger bedrohlich werden, wenn ihre Verkehrsmenge Leute, die sie zu Fuß überqueren wollen, durchschnittlich zwei Sekunden oder länger aufhält. Siehe die ausführliche Erläuterung in Colin Buchanan: Verkehr in Städten, Essen 1964.) Wenn dieses Experiment nicht durchführbar ist oder die Straße noch gar nicht gebaut ist, kann man die Notwendigkeit aufgrund des unten stehenden Diagramms abschätzen. Das Diagramm zeigt, welche Kombinationen von Verkehrsmenge und Straßenbreite in der Regel eine durchschnittliche Wartezeit von über zwei Sekunden bewirken.

Eine Muster Sprache 54 STRASSENÜBERQUERUNG

Eine letzte Bemerkung. Dieses Muster wird sich vielleicht nicht ausführen lassen, wo noch Verkehrsplaner das letzte Wort haben. Trotzdem ist diese funktionelle Frage von entscheidender Bedeutung und muß beachtet werden. Eine große breite Straße mit mehreren stark befahrenen Spuren kann eine fast unüberschreitbare Barriere bilden. In diesem Fall kann man :das Problem zumindest teilweise lösen, indem man Inseln schafft — mindestens eine in der Mitte und vielleicht noch Weitere zwischen den einzelnen Spuren. Dies wirkt sich sehr -:auf die Überquerbarkeit aus, und zwar aus einem einfachen Grund. Wenn man eine breite Straße überqueren will, muß man warten, bis in allen Spuren gleichzeitig eine Lücke auftritt. Das Warten auf ein Zusammentreffen der Lücken ist das :schwierige. Wenn man aber von Insel zu Insel „hüpfen" kann, immer bei einer Lücke in einer Spur, über eine Spur nach der anderen, ist die Überquerung im Nu geschafft - weil die Lücken in einzelnen Spuren viel häufiger sind als die großen Lücken in allen Spuren gleichzeitig. Wenn also das Anheben des Übergangs nicht möglich ist, schaff zumindest Inseln, wie z.B. Trittsteine.

 

Daraus folgt:

An jedem Punkt, wo ein Fußgängerweg eine Straße kreuzt, wo der Verkehr so stark ist, daß er die Leute beim Überqueren mehr als zwei Sekunden aufhält,mach einen „Knoten" an der Übergangsstelle: verenge die Straße auf die bloße Breite der Spuren; setz den Fußgeherweg durch den Übergang fort, und zwar etwa 30 cm über der Straßenfläche; schaff Inseln zwischen den Spuren; laß die Straße auf den Übergang schräg anlaufen (max. 1: 6); kennzeichne den Fußweg seitlich mit einer Überdachung, damit man ihn sieht.

 Eine Muster Sprache 54 STRASSENÜBERQUERUNG 1

 

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Verbreitere den Fußweg auf einer Seite der Straße zu einem kleinen Platz, wo sich Imbißstände u. dgl. um eine Bushaltestelle gruppieren können - KLEINE PLÄTZE (61), BUSHALTESTELLE (92), IMBISSSTÄNDE (93); leg ein oder zwei Buchten als Stellplätze für Autobusse und Autos an - KLEINE PARKPLÄTZE (103) -, und wenn ein Weg nach dem Übergang entlang der Straße laufen muß, führ ihn nur auf einer Seite und mach ihn so breit wie möglich, auf höherem Niveau als die Straße - ERHÖHTER GEHWEG (55). Bau die Überdachung vielleicht als Pergola oder Markise - LAUBENWEG (174), MARKISENDÄCHER (244) ...

 

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053.0

... auf den verschiedenen Ebenen einer Stadtstruktur gibt es jeweils identifizierbare Einheiten. Es gibt Nachbarschaften IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14) -, Gruppen - HAUSGRUPPE (37) -, Gruppen von Arbeitsstätten - GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41); und es gibt viele kleinere Gebäudekomplexe rund um bestimmte Erschließungsbereiche - GEBÄUDEKOMPLEX (95), ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98). Am deutlichsten entsteht ihre Identität dadurch, daß man einen eindeutigen Torweg passieren muß, um ins Innere zu gelangen - dieses Tor stellt eine Schwelle dar, und dadurch entsteht die Einheit.

 

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jeder Teil einer Stadt - groß oder klein -, der von seinen Benützern in irgendeiner Weise als Bezirk identifiziert werden soll, wird gestärkt, besser unterscheidbar, gekennzeichnet und erlebbar, wenn die Zugangswege an der Grenze durch Tore markiert sind.

 

Um viele Teile einer Stadt sind Grenzen gezogen. Gewöhnlich sind diese Grenzen in den Köpfen der Menschen. Sie markieren das Ende einer Art von Tätigkeit, einer Art von Örtlichkeit und den Anfang einer anderen. In vielen Fällen werden die Aktivitäten selbst schärfer, deutlicher, lebendiger, wenn die Grenze nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch physisch in der Welt vorhanden ist.

Eine Grenze um einen wichtigen Bezirk, sei es eine Nachbarschaft, ein Gebäudekomplex oder irgendein anderer Bereich, hat ihre kritischsten Punkte dort, wo Wege die Grenze überqueren. Wenn der Punkt, an dem der Weg die Grenze überquert, unsichtbar ist, dann ist die Grenze im Grunde nicht vorhanden. Sie ist nur vorhanden und erlebbar, wenn die Überquerung gekennzeichnet ist. Und vorn Wesen her kann die Überquerung einer Grenze durch einen Weg nur durch ein Tor markiert sein. Deshalb spielen alle Formen von Torwegen eine so wichtige Rolle in unserer Umwelt.

Ein Torweg kann viele Formen haben: ein Tor im wörtlichen Sinn, eine Brücke, ein Durchgang zwischen eng aneinander stehenden Gebäuden, eine Allee, eine Toreinfahrt durch ein Gebäude. Sie alle haben dieselbe Funktion: sie markieren den Punkt, wo ein Weg eine Grenze überquert und tragen dazu bei, die Grenze aufrechtzuerhalten. Sie alle sind „Dinge" — nicht bloß Löcher oder Zwischenräume, sondern feste Wesenheiten.

  

053.1 4

Torwege markieren die Stelle des Übergangs.

 

In jedem Fall ist das entscheidende Gefühl, das dieses feste Ding vermitteln muß, das Gefühl des Übergangs.

 

Daraus folgt:

Markiere jede Grenze in der Stadt, die eine wichtige menschliche Bedeutung hat - die Grenze einer Hausgruppe, einer Nachbarschaft, eines Bezirks - durch große Tore an den Eintrittsstellen der Hauptzugangswege.

 Eine Muster Sprache 53 HAUPTTORE

 

❖ ❖ 

 

Mach aus den Toreinfahrten feste Elemente, sichtbar von jeder Zugangsrichtung. Sie können den Weg einfassen, ein Loch durch ein Gebäude stanzen, eine Brücke oder einen deutlichen Geländesprung bilden — vor allem aber sollen es „Dinge" 'sein, genau in der Art, wie es für den HAUPTEINGANG (110) beschrieben ist, aber eben größer. Wenn möglich, betone das Gefühl des Übergangs für jemand, der durch den Torweg geht, durch einen Wechsel des Lichts, der Oberfläche, der Aussicht, durch fließendes Wasser, durch einen Wechsel der Höhenlage — ZONE VOR DEM EINGANG (112). In jedem Fall behandle das Haupttor als Ausgangspunkt der Fußgängererschließung innerhalb des Bezirks — ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) ...

 

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052.0

... Straßen haben wir durch PARALLELE STRASSEN (23), ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN (49), GRÜNE STRASSEN (51) geregelt; Hauptwege durch KNOTEN DER AKTIVITÄT (30), PROMENADE (31) und WEGE UND ZIELE (120). Das folgende Muster regelt die Beziehung zwischen diesen beiden.

 

❖ ❖ 

 

Autos bilden eine Gefahr für Fußgänger; aber viele Vorgänge spielen sich genau dort ab, wo Autos und Fußgänger zusammenkommen.

 

Eine allgemeine Routine der Planung ist es, Fußgänger und Autos zu trennen. Dadurch werden Fußgängerbereiche menschlicher und sicherer. Diese Routine läßt aber die Tatsache außer Acht, daß Autos und Fußgänger auch einander brauchen, und daß in Wirklichkeit ein Großteil des städtischen Lebens gerade dort stattfindet, wo diese beiden Systeme sich überschneiden. Viele der bedeutendsten Stellen in Städten, Piccadilly Circus, Times Square, die Champs Elysées, leben davon, daß Fußgänger und Fahrzeuge dort aufeinandertreffen. Neue Städte wie Cumbernauld in Schottland, wo die beiden völlig getrennt sind, haben selten die selbe Lebendigkeit.

Für den kleineren Maßstab eines Wohngebietes gilt dasselbe. Ein großer Teil des täglichen sozialen Lebens findet dort statt, wo Autos und Fußgänger zusammenkommen. In Lima z. B. wird das Auto als Verlängerung des Hauses verwendet: besonders Männer sitzen oft in geparkten Autos bei ihren Häusern, trinken Bier und unterhalten sich. In der einen oder anderen Weise gibt es so etwas überall. Gespräche und Diskussionen entstehen ganz natürlich rund um die Plätze, wo die Leute ihre Autos waschen. Straßenhändler stellen sich dorthin, wo Autos und Fußgänger zusammentreffen; sie brauchen so viel Verkehr wie möglich. Kinder spielen auf Parkplätzen — vielleicht weil sie spüren, daß hier die Leute ankommen und wegfahren, und natürlich, weil sie die Autos lieben. Und doch ist es gleichzeitig wesentlich, Fußgänger von Fahrzeugen getrennt zu halten: um Kinder und alte Leute zu schützen und das Dasein der Fußgänger friedlich zu erhalten.

 

052.1 2

 Kinder lieben Autos.

 

Um diesen Konflikt zu lösen, muß eine solche Anordnung von Fußgängerwegen und Straßen gefunden werden, daß die beiden getrennt sind, sich aber oft überschneiden, wobei die Überschneidungspunkte als wichtige Brennpunkte aufgefaßt werden. Allgemein gesprochen erfordert das zwei rechtwinkelig zueinander liegende Netze, eines für Straßen, eines für Wege, jedes in sich zusammenhängend und durchgehend. Die beiden Netze müssen einander in kurzen Abständen kreuzen, und zwar jeweils im rechten Winkel. (Nach unseren Beobachtungen sollte so ziemlich jeder Punkt auf einem Fußwegenetz näher als 50 m von der nächsten Straße liegen.)

Eine Muster Sprache 52 NETZ VON FUSS UND FAHRWEGEN

In der Praxis gibt es für die Form dieser Beziehung zwischen Straßen und Wegen verschiedene Möglichkeiten.

Eine Möglichkeit liegt in dem System schneller, etwa 100 m entfernter Einbahnen, das in PARALLELE STRASSEN (23) beschrieben ist. Die Fußwege laufen dann zwischen den Straßen im rechten Winkel zu ihnen, wobei die Gebäude von den Wegen aus zugänglich sind. Wo die Wege die Straßen kreuzen, gibt es kleine Parkplätze mit Raum für Kioske und Geschäfte.

Eine Muster Sprache 52 NETZ VON FUSS UND FAHRWEGEN 1

Man kann das Prinzip auch auf ein bestehendes Wohngebiet anwenden — wie in der folgenden Reihe von Plänen, die von den People's Architects, Berkeley, California, stammt. Sie zeigt sehr schön und einfach, wie man ein Fußwegenetz in einem bestehenden Straßenraster schaffen kann, indem man in jeder Richtung jede zweite Straße sperrt. Wie die Zeichnungen zeigen, ist das auch schrittweise möglich.

Eine Muster Sprache 52 NETZ VON FUSS UND FAHRWEGEN 2

Wieder anders ist unser Wohnprojekt in Lima. Hier sind die beiden Systeme folgendermaßen angelegt:

Eine Muster Sprache 52 NETZ VON FUSS UND FAHRWEGEN 3

In all diesen Fällen sehen wir ein umfassendes Muster, in welchem Straßen und Wege gewissermaßen zugleich entstehen — und deshalb richtig aufeinander bezogen sind. Es ist jedoch wichtig, sich klarzumachen, daß es in der Mehrzahl der praktischen Anwendungen dieses Musters nicht erforderlich ist, Straßen und Wege gleichzeitig anzuordnen. Im Normalfall besteht schon ein Straßensystem; die Wege können einer nach dem anderen schrittweise im rechten Winkel zu den bestehenden Straßen angelegt werden. Langsam, ganz langsam wird durch die Summe dieser Einzelentscheidungen ein zusammenhängendes Wegenetz entstehen.

Schließlich ist zu beachten, daß diese Art der Trennung von Autos und Fußgängern nur bei mittleren oder mittelhohen Verkehrsdichten angemessen ist. Bei geringen Dichten (etwa einer bekiesten Sackgasse, an der ein halbes Dutzend Häuser liegen), können Wege und Straßen offensichtlich zusammengelegt werden. Man braucht dann nicht einmal Gehsteige — GRÜNE STRASSEN (51). Bei sehr hohen Dichten, wie den Champs Elysees oder dem Piccadilly Circus, besteht ein Großteil des Reizes in Wirklichkeit gerade in der Tatsache, daß die Fußwege neben den Straßen entlanglaufen. Die beste Lösung in diesen Fällen sind besonders breite Gehsteige — ERHÖHTER GEHWEG (55) —, die durch ihre Breite die Lösung des Konflikts enthalten.

Die der Straße abgewandte Seite ist sicher — die Kante an der Straße der Ort, wo die Aktivitäten vor sich gehen.

 

Daraus folgt:

Wenn die Verkehrsdichten nicht sehr hoch oder sehr niedrig sind, leg Fußgängerwege rechtwinkelig zu den Straßen an, nicht daneben entlang, sodaß die Wege allmählich ein zweites Netz bilden, das sich vom Straßensystem unterscheidet. Das kann schrittweise geschehen — selbst wenn jeweils nur ein Weg angelegt wird. Aber leg sie immer in die Mitte des „Blocks", sodaß sie quer zu den Straßen laufen.

Eine Muster Sprache 52 NETZ VON FUSS UND FAHRWEGEN 4

 

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Wo Wege entlang größerer Straßen verlaufen müssen — was eigentlich vorkommt — bau sie 45 cm höher als die Straße, nur an einer Seite der Straße und doppelt so breit wie gewöhnlich — ERHÖHTER GEHWEG (55); auf GRÜNEN STRASSEN (51)(51) können die Wege in der Straße liegen, die ja nur aus Gras und Pflastersteinen bestehen; aber selbst dann sind gelegentliche Schmale Wege rechtwinkelig zu den grünen Straßen sehr schön. Leg die Wege im einzelnen entsprechend WEGEN UND ZIELEN (120) an; form sie gemäß der FORM VON WEGEN (121). Behandle Schließlich die wichtigsten Straßenüberquerungen als Übergänge, und zwar angehoben auf die Ebene des Fußweges, sodaß Autos beim Darüberfahren abbremsen müssen — STRASSENÜBERQUERUNG (54) ...

 

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051.0

... das folgende Muster bestimmt zum Teil den Charakter der örtlichen Straßen. Obwohl es bloß die Straßenoberfläche und die Lage der Parkplätze definiert, kann das allmähliche Entstehen dieses Musters in einem Gebiet schrittweise zur Bildung von ÖRTLICHEN STRASSEN IN SCHLEIFEN (49), T-KREUZUNGEN (50) und GEMEINSCHAFTSFLÄCHEN (67) herangezogen werden. Angeregt wurde dieses Muster durch eine schöne Straße im Norden Dänemarks. Sie wurde von Anne-Marie Rubin angelegt und ist hier abgebildet.

 

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Es gibt zuviel heißen harten Asphalt in der Welt. Eine örtliche Straße, die nur als Zufahrt zu Gebäuden dient, braucht ein paar Steine für die Autoräder; sonst nichts. Der größte Teil kann immer noch grün bleiben.

 

In einem typischen dünnbesiedelten amerikanischen Stadtrandgebiet sind mehr als 50% des Bodens mit Beton- oder Asphaltbelag bedeckt. In manchen Gebieten, wie im Stadtgebiet von Los Angeles, sind es mehr als 65%.

Diese Beton- und Asphaltflächen haben schreckliche Auswirkungen auf die örtliche Umwelt. Sie zerstören das Mikroklima; sie nützen die Sonnenenergie nicht, die auf sie fällt; sie sind unangenehm zum Gehen; man kann nirgends sitzen; nirgends können Kinder spielen; die natürliche Entwässerung des Bodens wird zugrunde gerichtet; Tiere und Pflanzen können kaum überleben.

Tatsache ist, daß Asphalt und Beton nur für Hochgeschwindigkeitsstraßen angebracht sind. Sie sind unangebracht und völlig unnötig auf örtlichen Straßen, wo nur einige Autos ein-und ausfahren. Sind die örtlichen Straßen gepflastert, breit und zügig wie Hauptstraßen, dann ermutigen sie die Fahrer, mit 50 oder 60 km/h an unseren Häusern vorbeizufahren. Auf örtlichen Straßen braucht man dagegen eine grasbewachsene Oberfläche, die der vorwiegenden Nutzung von Gemeinschaftsflächen zwischen den Häusern entspricht, mit gerade so viel harter Pflasterung, wie für die wenigen Autos, die tatsächlich darauf fahren, nötig ist.

Die beste Lösung ist eine Grasfläche mit eingesetzten Pflastersteinen. Diese Kombination nimmt Rücksicht auf Tiere und Kinder und macht aus der Straße einen Brennpunkt der Nachbarschaft. An heißen Sommertagen ist die Luft über der Grasfläche um 6° bis 8° kühler als die Luft über einer Asphaltstraße. Die Autos sind in die Anordnung einbezogen, aber sie beherrschen sie nicht.

  

051.0

Pflastersteine.

 

Natürlich wirft dieses Schema sofort die Frage nach dem Parken auf. Wie ist das zu lösen? Man kann Parken auf grünen Straßen vorsehen, solange es nur für die Bewohner und deren Gäste ist. Wenn der Parkraumbedarf aus Einkaufsstraßen und Arbeitsstätten sich auf Straßen ausbreitet, die als ruhige Wohngebiete gedacht waren, dann ändert sich der Charakter des Wohngebietes drastisch. Die Bewohner reagieren gewöhnlich auf diese Situation empfindlich. Oft bedeutet es, daß sie vor ihren eigenen Häusern nicht parken können. Die Nachbarschaft wird zu einem Parkplatz für Fremde, die sich nicht weiter kümmern und nur ihre Autos unterbringen.

Die grüne Straße funktioniert nur, wenn sie auf dem Prinzip beruht, daß die Straße nicht mehr Parkplätze vorsehen muß und darf, als ihre Leute brauchen. Parken für Gäste kann man auf kleinen Parkplätzen an den Enden der Straße vorsehen. Parken für die Leute in den einzelnen Häusern und Werkstätten ist entweder auf denselben Parkplätzen oder in den Zufahrten der Gebäude möglich.

Das heißt nicht, daß Handel, Geschäfte und Unternehmen in Wohngebieten ausgeschlossen sind. Wie wir in STREUUNG DER ARBEITSSTÄTTEN (9)ARBEITSSTÄTTEN (9) gesagt haben, ist es vielmehr äußerst wichtig, solche Funktionen in Nachbarschaften einzubauen. Der spingende Punkt ist jedoch, daß Betriebe, die in eine Nachbarschaft einziehen, nicht glauben dürfen, daß sie ein Recht auf ein großes Ausmaß freien Parkraums haben. Sie müssen für das Parken zahlen, und zwar in einer Weise, die mit den Umweltbedürfnissen der Nachbarschaft im Einklang steht.

 

Daraus folgt:

Auf örtlichen, für den Durchgangsverkehr geschlossenen Straßen pflanz Gras über die ganze Oberfläche und setz nur gelegentlich Pflastersteine ein, um eine Oberfläche für die Räder jener Autos zu bilden, die die Zufahrt brauchen. Mach keine Unterscheidung zwischen Straße und Gehsteig. Wo die Häuser sich auf die Straßen öffnen, leg mehr Steine oder Kies, damit die Autos auf ihr Grundstück einbiegen können.

 Eine Muster Sprache 51 GRÜNE STRASSEN

 

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Wenn eine Straße eine grüne Straße ist, ist sie so angenehm, daß sie von selbst Aktivität anzieht. In diesem Fall sind die Wege und die grüne Straße dasselbe — GEMEINSCHAFTSFLÄCHEN (67). Aber auch wenn die Straße grün ist, kann es schön sein, gelegentlich sehr kleine Gassen, einige Fuß breit, im rechten Winkel zu den grünen Straßen anzulegen, nach dem Muster NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52). Damit die Straße grün bleibt, ist es auch wichtig, die geparkten Autos in Zufahrten der einzelnen Grundstücke oder auf ganz kleinen Parkplätzen an den Enden der Straße zu halten, die für Bewohner und ihre Besucher reserviert sind — KLEINE PARKPLÄTZE (103). Obstbäume und Blumen machen die Straße noch schöner — OBSTBÄUME (170), ERHÖHTE BLUMENBEETE (245) — und die Pflastersteine, die die Radspuren zum Fahren bilden, können mit Zwischenräumen verlegt werden, mit Gras, Moos und Blumen in den Spalten zwischen den Steinen — FUGEN IM PFLASTER (247) ...

 

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