EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

046.0

... wir haben vorgeschlagen, daß Geschäfte weitgehend dezentralisiert und so angeordnet sein sollen, daß sie für die Gemeinschaften, die sie benützen, am besten zugänglich sind NETZ DER NAHVERSORGUNG (19). Die größten Ladengruppen sind in Form von Fußgängerstraßen oder EINKAUFSSTRASSEN (32) angeordnet, die zu ihrem Bestand fast immer einen Markt brauchen werden. Das folgende Muster beschreibt die Form und die ökonomischen Eigenschaften von Märkten.

 

❖ ❖ 

 

Das Bedürfnis nach einem Markt, wo alle verschiedenen Lebensmittel und Haushaltswaren, die man braucht, unter einem einzigen Dach gekauft werden können, ist natürlich und naheliegend. Aber wenn der Markt, wie etwa ein Supermarkt, eine einzige Geschäftsführung hat, sind die Lebensmittel farblos, und es ist kein Vergnügen, dort hinzugehen.

 

Freilich haben die großen Supermärkte durchaus eine große Auswahl von Lebensmitteln. Aber diese „Vielfalt" wird immer noch zentral eingekauft, zentral gelagert, und hat immer noch die Abgestandenheit von Großhandelsware. Außerdem gibt es keinen menschlichen Kontakt mehr, nur Regalreihen und eine lästige Begegnung an der Kasse, wo das Geld entgegengenommen wird.

Der einzige Weg, den menschlichen Kontakt wiederherzustellen, die Vielfalt von Lebensmitteln, all die Liebe, Sorgfalt und Weisheit in bezug auf einzelne Nahrungsmittel, die ein Ladenbesitzer, der weiß, was er kauft, einbringen kann, besteht darin, jene Märkte wieder zu schaffen, in denen einzelne Geschäftsleute verschiedene Waren auf winzigen Verkaufsständen unter einem gemeinsamen Dach verkaufen.

Wie die Dinge liegen, werden Supermärkte wahrscheinlich immer größer und größer werden, sich mit anderen Industriezweigen verbinden und die Entmenschlichung des Markterlebnisses zu Ende führen. Horn und Hardart haben sich z. B. folgendes Schema überlegt:

... die Kundin fährt mit dem Auto oder steigt auf ein Rollband, wird dezent durch das ganze Warenhaus befördert, wählt ihre Lebeneaittel nach auf hinterleuchteten Tafeln dargebotenen Mustern (oder indem sie Behälter mit einem speziellen Schlüssel oder ihrer Kreditkarte öffnet) und sucht Fleisch und andere Produkte über den Bildschirm aus. Sie fährt dann hinüber in einen separaten Lagerhausbereich um ihre Bestellung in Empfang zu nehmen, die mittels Kreditkarte beglichen wird . . Die meisten Menschen blieben unsichtbar . . . (Jennifer Cross, The Supermarket Trap, New York: Berkeley Medallion, 1971).

 

Vergleichen wir das mit der Beschreibung eines Marktplatzes alten Stils in San Francisco:

Wenn man regelmäßig auf den Markt geht, hat man schließlich Lieblingsstände, wie den mit den Pippin- und Haueräpfeln aus Watsonville. Der Farmer schaut beim Auswählen jeden Apfel an und legt ihn in das Säckchen, während er einen daran erinnert, die Äpfel kühl aufzubewahren, sodaß sie frisch und süß bleiben. Zeigt er :Interesse, dann erzählt er einem stolz, von welchem Obstgarten sie kommen und wie sie gezüchtet und gepflegt wurden. Sein Englisch hat einen leichten italienischen Akzent, sodaß man sich über die hellen, blauen Augen, das leicht braune Haar und den langknochigen Körperbau wundert, bis .er einem erzählt, in welchem Gebiet Norditaliens er geboren wurde.

Da ist ein gutaussehender Schwarzer, der, wo die Verkaufsstände aufhören, kleine Berge von Melonen anbietet. Sag ihm, daß du zuwenig davon verstehst, um selbst eine auszuwählen, die übermorgen ausgezeichnet schmeckt, und er wird nicht nur eine auswählen, von der er Sagt, daß sie genau richtig sein wird (was sich auch bestätigt), sondern er wird dir eine Vorlesung über die Auswahl deiner nächsten Melone halten, sei es eine Cranshaw, eine Honig- oder eine Wassermelone, und zwar gleichgültig, wo du sie kaufen wirst. Es liegt ihm daran, daß du immer eine gute Melone kriegst und sie dir schmeckt. („The Farmers :Go to Market", California Living, San Francisco Chronicle Sunday Magazine, 6. Februar 1972.)

 

Das ist zweifellos viel humaner und belebender als das Förderband im Supermarkt. Die kritische Frage liegt bei der Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Gibt es für einen Markt mit vielen Geschäften eine vernünftige wirtschaftliche Grundlage? Oder scheiden Märkte wegen der Effizienz des Supermarktes aus?

Es scheint keine ernsthafteren ökonomischen Hinternisse zu geben als jene, die sich am Beginn jedes Unternehmens ergeben. Das Hauptproblem ist das der Koordination — der Koordination einzelner Geschäfte, die einen zusammenhängenden Markt bilden sollen und der Koordination vieler ähnlicher Geschäfte von verschiedenen Märkten, die als Großeinkäufer auftreten sollen.

Gut gelegene Einzelgeschäfte sind mit Gewinnanteilen von bis zu 5% des Umsatzes konkurrenzfähig („Expenses in Retail Business", National Cash Register, Dayton, Ohio, 5. 15). Nach den Ziffern des National Cash Register bleibt diese Gewinnspanne für gut gelegene Lebensmittelgeschäfte gleich, unabhängig von der Größe. Die kleinen Geschäfte werden von den Supermärkten oft unterboten, weil sie allein liegen und deshalb dem Käufer an einer Stelle nicht dieselbe Auswahl wie ein Supermarkt bieten können. Wenn aber viele solcher kleinen Geschäfte gebündelt sind, einen zentralen Standort haben und zusammen eine dem Supermarkt vergleichbare Auswahl bieten, dann können sie wirksam mit den Supermarktketten konkurrieren.

Die Effizienz, die den Kettengeschäften bleibt, ist die des Großeinkaufs. Aber auch das kann ausgeglichen werden, wenn Gruppen ähnlicher Geschäfte aus der ganzen Stadt ihren Bedarf koordinieren und als Großeinkäufer verhandeln. In der Bay Area z. B. gibt es eine Reihe von Blumenverkäufern, die ihr Geschäft von kleinen Karren aus auf der Straße betreiben. Obwohl jeder Verkäufer sein Geschäft unabhängig betreibt, schließen sich beim Einkauf alle zusammen. Sie gewinnen beim Großeinkauf ihrer Blumen und unterbieten die etablierten Blumenhändler um zwei Drittel.

Es ist natürlich schwer, einen Markt mit vielen Geschäften in Gang zu bringen — sowohl was den Platz als auch was die Finanzierung betrifft. Wir schlagen für den Anfang eine sehr grobe und einfache Struktur vor, die im Laufe der Zeit ausgefüllt und verbessert werden kann. Der Markt auf dem Photo, in Lima, begann mit nichts als freistehenden Säulen und Gängen. Die Läden — meist nicht größer als zwei mal drei Meter — wurden allmählich zwischen die Säulen eingebaut.

 

046.1

Ein Markt in Peru ...

Eine Muster Sprache 46 MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN

Ein eindrucksvolles Beispiel einer einfachen Holzstruktur, die Ein eindrucksvolles Beispiel einer einfachen Holzstruktur, die im Lauf der Jahre verändert und vergrößert wurde, ist der Pike Place Market in Seattle, Washington.

 Eine Muster Sprache 46 MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN 1

 

Daraus folgt:

Statt der modernen Supermärkte richte eine Reihe von Marktplätzen ein, jeden bestehend aus vielen klei-neren Geschäften, die selbständig und spezialisiert sind (Käse, Fleisch, Gemüse, Obst usw.). Als Konstruktion bau ein Minimum: ein Dach, Säulen zur Definition von Gängen, und elementare Dienstleistungen.Innerhalb dieser Struktur laß die verschiedenen Geschäfte ihre eigene Umgebung schaffen, die ihrem individuellen Geschmack und Bedarf entspricht.

 Eine Muster Sprache 46 MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN 2

 

❖ ❖ 

 

Mach die Gänge breit genug für kleine Lieferwagen und für dichten Fußgängerverkehr - vielleicht 2 m bis 3,5 m breit - PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101); halt die Stände möglichst , klein, sodaß die Miete niedrig bleibt - vielleicht nur 2 in mal 3 m - wenn Geschäfte mehr Platz brauchen, können sie zwei Einheiten einnehmen - GESCHÄHE IN PRIVATBESITZ (87); markier die Stände nur mit Säulen an den Ecken - PFEILER IN DEN ECKEN (212); laß vielleicht die Besitzer ihre Dächer selbst machen - MARKISENDÄCHER (244); führ die Gänge nach außen. sodaß der Markt zu einer direkten Fortsetzung der umliegenden Fußgängerwege in der Stadt wird - FUSSGÄNGERSTRASSE (100) ...

 

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045.0

... das LOKALE RATHAUS (44) verlangt kleine örtliche Verwaltungszentren im Herzen jeder Gemeinde. Das folgende Muster bereichert das lokale Rathaus und andere öffentliche Institutionen dieser Art — UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT (43) und GESUNDHEITSZENTRUM (47) —, indem es Raum für gemeinschaftliche Aktionen hinzufügt.

 


 

Das lokale Rathaus wird kein wahrer Teil der rundum lebenden Gemeinde sein, wenn es nicht selbst von allen möglichen kleinen gemeinschaftlichen Aktivitäten und Projekten umgeben ist, die von den Leuten selbst in die Wege geleitet werden.

 

Ein lebendiger Prozeß der Gemeindeselbstverwaltung bedarf einer ständigen Aufeinanderfolge von spontanen, frei agierenden Polit- und Dienstleistungsgruppen, jede mit einer wirklichen Chance, ihre Ideen vor den Stadtbewohnern zu testen. Die räumliche Möglichkeit ist entscheidend für diesen Gedanken: Dieser Prozeß wird abgeblockt, wenn die Leute nicht in einem Büro mit ganz wenig Geld anfangen können.

Die Geometrie dieses Musters leiten wir von fünf Anforderungen ab:

  1. Kleine Bewegungen von Basisgruppen, in ihren Anfängen unpopulär, spielen eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft. Sie liefern eine kritische Opposition zu geltenden Ideen; ihr Vorhandensein hängt direkt mit der Redefreiheit zusammen. Sie sind ein grundlegender Teil der Selbstregulierung einer florierenden Gesellschaft, die immer dann Gegenbewegungen hervorbringt, wenn etwas auf falsche Gleise gerät. Solche Bewegungen brauchen einen Ort, wo sie so hervortreten können, daß ihre Ideen unmittelbar in die Öffentlichkeit gelangen. Während diese Zeilen geschrieben wurden, litten in der East Bay etwa 30 oder 40 spontane Gruppen am Mangel eines solchen Ortes: Alcatraz Indians, Bangla Desh Relief, Solidarity Films, Tenant Action Project, November 7th Movement, Gay Legal Defense, No an M, People"s Translation Service. . . .
  2. In der Regel aber sind diese Gruppen klein und haben sehr wenig Geld. Um solche Aktivitäten aufrecht zu erhalten, muß die Gemeinde jeder solchen Gruppe ein Minimum an Raum bieten, kostenlos, mit einer bestimmten Zeitbegrenzung. Der Raum muß wie ein kleines Geschäft sein und Schreibmaschinen, Kopierer und Telefon haben; ein Versammlungsraum muß leicht zugänglich sein.

  3. Um die Atmosphäre offener Debatte zu fördern, müssen diese Geschäftsräume nahe am Rathaus und an den Hauptstraßen des öffentlichen Lebens sein. Wenn sie in der Stadt verstreut sind, vorn Rathaus entfernt, können sie sich neben den bestehenden Mächten nicht ernsthaft behaupten.
  4. Der Raum muß gut sichtbar sein. Er muß so gebaut sein, daß die Gruppe ihre Ideen herüberbringen kann, zu den Leuten auf der Straße. Und der Raum muß so organisiert sein, daß er der natürlichen Tendenz von Stadtverwaltungen entgegenwirkt, sich abzuschließen und von der Gemeinde abzusondern, wenn sie einmal an der Macht sind.

  5. Um diese Gruppen in natürlichen Kontakt mit der Gemeinde zu bringen, sollten schließlich die Geschäfte so angelegt sein, daß sie einige ständige Geschäfte und Einrichtungen des Gemeindebedarfs einschließen können - Friseur, Café, Wäscherei.

 

Diese fünf Anforderungen ergeben einen Kranz von eher offenen Geschäftsräumen rund um das lokale Rathaus. Dieser Kranz von Räumen ist eine bauliche Verkörperung des politischen Prozesses in einer offenen Gesellschaft: jedermann hat Zugang zu Raum und Ausstattung, die für eine Kampagne erforderlich sind, und die Chance, seine Ideen in die öffentliche Arena zu bringen.

 

Daraus folgt:

Laß das Entstehen von ladenartigen Räumen rund um das lokale Rathaus zu, ebenso rund um jedes andere geeignete Gemeinschaftsgebäude. Richte diese Läden auf einen belebten Weg aus und überlaß sie für eine Mindestmiete spontanen Gemeinschaftsgruppen für politische Arbeit, Versuchsaktivitäten, Forschungs-und Rechtshilfegruppen. Keine ideologischen Einschränkungen.

 Eine Muster Sprache 45 KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN

 


 

Mach die einzelnen Läden klein, kompakt und leicht zugänglich wie GESCHÄFTE IN PRIVATBESITZ (87); laß dazwischen kleine Plätze zum Herumgehen — ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN (69). Verwende sie zur Gestaltung der Gebäudekante GEBÄUDEFRONTEN (122), GEBÄUDEKANTE (160) - und öffne sie zur Straße — ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165) ...

 

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044.0

... entsprechend der GEMEINDE VON 7000 (12) teilt sich das politische und wirtschaftliche Leben der Stadt in kleine, selbst verwaltete Gemeinden. In diesem Fall brauchen die lokalen Verwaltungsvorgänge eine wirkliche Arbeitsstätte; und diese Arbeitsstätte kann durch ihre Anlage und ihren Standort als baulicher und sozialer Mittelpunkt zum Entstehen und zur Aufrechterhaltung der GEMEINDE VON 7000 viel beitragen.

 

❖ ❖ 

 

Lokale Gemeindeverwaltung und lokale Einflußnahme durch die Bewohner wird es nur geben, wenn jede Gemeinde wirklich ihr eigenes Rathaus hat, das den Kern ihrer politischen Aktivität bildet.

 

In MOSAIK AUS SUBKULTUREN (8), GEMEINDE VON 7000 (12) und IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14) haben wir dargelegt, daß jede Stadt aus selbst verwalteten Gruppen bestehen muß, und zwar auf zwei verschiedenen Ebenen: den Gemeinden mit einer Bevölkerung von 5000 bis 10.000 und den Nachbarschaften mit einer Bevölkerung von 200 bis 1000.

Diese Gruppen werden nur dann genügend politische Kraft für ihre eigenen, örtlich bestimmten Pläne haben, wenn sie einen Anteil der von ihren Bewohnern erbrachten Steuern verwalten und wenn die Mitglieder der Gruppen eine echte, tägliche Zugangsmöglichkeit zur örtlichen Verwaltung haben, von der sie vertreten werden. Beides erfordert, daß jede Gruppe ihren eigenen — auch noch so bescheidenen — Verwaltungssitz hat, wo sich die Leute aus der Nachbarschaft wohlfühlen und wo sie etwas erreichen können.

Das daraus entstehende bauliche Bild einer Stadtverwaltung ist genau das Gegenteil von den riesigen Rathäusern, die in den letzten 75 Jahren gebaut wurden. Ein lokales Rathaus würde zwei wesentliche Eigenschaften haben:

1. Es ist öffentliches Gemeindegebiet der Gruppe, die dort vertreten wird. Es ist so angelegt, daß es Leute zur spontanen Mitarbeit, zur politischen Debatte einlädt. Der Freiraum um das Gebäude ist so gestaltet, daß er Leute, die sich dort versammeln oder aufhalten, verträgt.

2. Es liegt im Herzen der örtlichen Gemeinde und ist zu Fuß für jeden, der dort vertreten wird, erreichbar.

 

1. Das Rathaus als Gemeindeterritorium.

An der Schwäche der Gemeindeverwaltung ist zum Teil der politische Stil schuld, den die Rathausbürokratien schaffen und aufrechterhalten. Aber — so glauben wir — diese Situation wird weitgehend ermöglicht und unterstützt durch den baulichen Charakter des Rathauses. Mit anderen Worten, die bauliche Präsenz eines Rathauses untergräbt die örtliche Gemeindeverwaltung, auch wenn die Rathausbediensteten der Idee der „Nachbarschaftspartizipation" wohlwollend gegenüberstehen.

Der Schlüssel zum Problem liegt in der Erfahrung der Machtlosigkeit auf Gemeindeebene. Wenn jemand ins Rathaus geht, um in einer Nachbarschafts- oder Gemeindeangelegenheit etwas zu unternehmen, ist er von Anfang an in der Defensive: das Gebäude und die Bediensteten des Rathauses dienen der ganzen Stadt; sein Problem ist sehr klein im Vergleich zu den Problemen der Stadt als ganzer. Außerdem ist jeder sehr beschäftigt und abweisend. Er soll Formulare ausfüllen und sich Termine geben lassen, obwohl vielleicht die Beziehung dieser Formulare und Termine zu seinem Problem nicht sehr klar ist. Bald fühlen sich die Leute in den Nachbarschaften weiter und weiter vorn Rathaus entfernt, d. h. auch entfernt vom Zentrum der Beschlußfassung und von den Beschlüssen selbst, die schließlich ihr Leben beeinflussen. Rasch entsteht ein Syndrom der Machtlosigkeit.

In einer früheren Veröffentlichung haben wir Beweismaterial zum Wachstum dieses Syndroms vorgestellt (A Pattern Lan-guage Which Generates Multi-Service Centers, Center for Environmental Structure, Berkeley, 1968, S. 80-87). Dort entdeckten wir, daß zentralisierte Dienstleistungsprogramme sehr wenige Menschen in den Zielgebieten erreichten; das Personal dieser Zentren nahm rasch eine Beamtenmentalität an, auch wenn es eigens zur Unterstützung von Nachbarschaftsprogrammen ausgewählt worden war. Was am schädlichsten war: die Zentren selbst wurden als fremde Orte betrachtet, und sie in Anspruch zu nehmen, war im ganzen eine lähmende Erfahrung.

Wie alle Syndrome kann dieses nur gebrochen werden, wenn es gleichzeitig an verschiedenen Fronten angegriffen wird. Das heißt zum Beispiel: man organisiert die Nachbarschaften und Gemeinden, um die Kontrolle über die sie betreffenden Funktionen zu übernehmen; man revidiert die Stadtverfassungen, um örtlichen Gruppen Macht zu übertragen; man schafft Orte in Gemeinden und Nachbarschaften, die als Basis für die Festigung dieser Macht dienen — die lokalen Rathäuser.

Wie könnten diese lokalen Rathäuser aussehen, wenn sie wirklich das Machtlosigkeitssyndrom brechen sollen?

Man kann beweisen, daß Menschen ihre Bedürfnisse artikulieren können und wollen, wenn man ihnen den richtigen Rahmen und die richtigen Mittel gibt. Diesen Rahmen zu schaffen, geht Hand in Hand mit der Organisation der Gemeinde. Wenn das lokale Rathaus zur Quelle wirklicher Macht der Nachbarschaft werden soll, muß es zum Organisationsprozeß der Gemeinde beitragen. Das bedeutet im wesentlichen, daß das Gebäude um den Prozeß der Gemeindeorganisation herum errichtet wird und daß der Ort eindeutig als Gemeindeterritorium erkennbar ist.

Wenn wir die Idee der Gemeindeorganisation und des Gemeindeterritoriums ins Bauliche übersetzen, ergeben sich zwei räumliche Elemente: eine Arena und eine Zone für Gemeindeprojekte.

Die Gemeinde braucht ein öffentliches Forum, mit einer Tonanlage, Bänken, Wänden, um etwas aufzuschreiben, einen Ort, wo die Leute sich frei versammeln können: einen Ort, der der Gemeinde gehört, wo die Leute von selbst hingehen, wenn sie glauben, daß in einer Sache etwas getan werden sollte. Dieses öffentliche Forum nennen wir Arena.

Außerdem braucht die Gemeinde einen Ort, wo den Leuten Schaufenster, Arbeitsraum, Besprechungszimmer, Büroeinrichtung zur Verfügung stehen. Wenn eine Gruppe etwas unternehmen will, braucht sie Schreibmaschinen, Kopierer, Telefone etc., um ein Projekt auf die Beine zu stellen und Gemeindeunterstützung auf breiterer Basis zu erringen - und dafür braucht man billige und leicht zugängliche Büroflächen. Diese Flächen nennen wir die Zone der Gemeinschaftsprojekte - siehe KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN (45).

 

2. Der Standort des lokalen Rathauses.

Wenn die Leute in diese lokalen Rathäuser kommen sollen, muß man die Frage ihrer Standorte sorgfältig überlegen. Aufgrund früherer Arbeiten über den Standort von Dienstleistungszentren sind wir überzeugt, daß schlecht situierte Rathäuser zugrunde gehen können: in Gemeinschaftszentren, die an größeren Kreuzungen liegen, kommen zwanzigmal soviel Menschen wie in solche, die zwischen Wohnblöcken versteckt sind.

Die folgende Tabelle zeigt z. B. die Anzahl von Menschen, die in ein Dienstleistungszentrum kamen, als es an einer Wohnstraße lag, im Vergleich mit der Zahl von Menschen, die kamen, nachdem es auf eine Hauptgeschäftsstraße verlegt wurde, nahe einer wichtigen Fußgängerkreuzung.

 

  Zahl der unangemeldeten Besucher pro Tag Zahl der Besucher mit Terminen pro Tag
Vor dem Umzug 1-2 15-20
2 Monate nach dem Umzug 15-20 ca. 50
6 Monate nach dem Umzug ca. 40 ca. 50

Einzelheiten dieser Untersuchung sind in A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers (S. 70 —73) enthalten. Wir zogen dort den Schluß, - daß Gemeinschaftszentren einen Block von wichtigen Fußgängerkreuzungen entfernt sein können, daß sie aber bei größerer Entfernung als örtliche Dienstleistungszentren praktisch ausfallen.

Diese Information muß den verschiedenen Maßstäben der Nachbarschaft und der Gemeinde angepaßt werden. In einer Nachbarschaft von 500 stellen wir uns das Nachbarschaftsrathaus als etwas ganz kleines und informelles vor; vielleicht nicht einmal ein eigenes Gebäude, sondern ein Zimmer mit einem anliegenden Freiraum, an einer wichtigen Ecke der Nachbarschaft. In einer Gemeinde von 7000 braucht man etwas mehr: ein Gebäude in der Größe eines großen Einfamilienhauses, mit einem Außenbereich, der als Forum und Versammlungsplatz ausgebildet ist, und zwar an der Hauptpromenade der Gemeinde.

 

Daraus folgt:

Zur Verwirklichung einer örtlichen Politik für örtliche Funktionen richte für jede Gemeinde von 7000 und sogar für jede Nachbarschaft ein kleines Rathaus ein;leg es in die Nähe der belebtesten Kreuzung der Gemeinde. Teil das Gebäude in drei Teile: eine Arena für öffentliche Diskussion, öffentliche Dienstleistungen außen um die Arena herum und Mietfläche für spontane Gemeinschaftsprojekte.

Eine Muster Sprache 44 LOKALES RATHAUS

 

❖ ❖ 

 

Leg die Arena so, daß sie das Herz der Gemeinde an einer Kreuzung bildet; mach sie klein, sodaß eine Menge dort leicht zusammenfinden kann - KNOTEN DER AKTIVITÄT (30), KLEINE PLÄTZE (61), FUSSGÄNGERDICHTE (123). Halt die öffentlichen Dienstleistungen um diesen Platz so klein wie möglich - KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81); und sieh genug Platz für Gemeinschaftsprojekte vor, in einem Ring um das Gebäude, sodaß sie die Außenansicht des Rathauses bilden KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN (45) ...

 

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043.0

... das NETZWERK DES LERNENS (18) hat dargelegt, wie eine ganze Gesellschaft sich mit Hilfe dezentralisierter Lernmöglichkeiten dem Bildungsprozeß widmen kann. Zu diesem Netzwerk des Lernens kann eine Universität viel beitragen, die den Bildungsprozeß als normalen Teil des Erwachsenenlebens betrachtet, und zwar für alle Mitglieder dieser Gesellschaft.

 

❖ ❖ 

 

Konzentrierte, abgeschlossene Universitäten mit engen Aufnahmerichtlinien und strengen Auswahlverfahren darüber, wer unterrichten darf, sind für die Möglichkeiten des Lernens tödlich.

 

Die ursprünglichen mittelalterlichen Universitäten waren einfach Sammelbecken für Lehrer, die die Studenten anzogen, weil sie etwas zu bieten hatten. Es waren Marktplätze für Ideen, über die ganze Stadt verteilt, wo Leute sich nach den Ideen und Kenntnissen umsehen konnten, die ihnen sinnvoll erschienen; im Gegensatz dazu tötet die isolierte und überverwaltete Universität von heute die Vielfalt und Intensität der verschiedenen Ideen ab und beschränkt auch die Möglichkeit des Studenten, sich nach Ideen umzusehen.

Um diese Art akademischer Freiheit und die Gelegenheit zum Austausch und zum Entstehen von Ideen wiederzugewinnen, sind zwei Dinge notwendig.

Erstens muß die soziale und physische Umwelt einen Rahmen liefern, der Individualität und Freiheit des Denkens ermutigt statt abschreckt. Zweitens muß die Umwelt einen Rahmen liefern, der den Studenten ermutigt, selbst nach den tragfähigen Ideen zu suchen - einen Rahmen also, der ihm ein Maximum an Möglichkeiten gibt und ihn einer großen Vielfalt von Ideen aussetzt, sodaß er sich selbst entscheiden kann.

Das Bild, das diese Art von Rahmen am klarsten beschreibt, ist das Bild des traditionellen Marktplatzes, wo hunderte von kleinen Verkaufsständen - die eine je bestimmte Spezialität und besondere Geschmacksrichtung entwickeln, durch deren authentische Qualität sie Leute fesseln können - so angeordnet sind, daß ein potentieller Käufer frei herumgehen und die Waren vor dem Kauf mustern kann.

Was würde ein Zuschnitt der Universität nach diesem Modell bedeuten?

1. Jedermann kann Vorlesungen hören. Zunächst einmal gibt es an einem Universitätsmarkt kein Aufnahmeverfahren. Jeder, egal welchen Alters, kann kommen und eine Stunde zu nehmen suchen. Das „Vorlesungsverzeichnis" der Universität wird einfach veröffentlicht und in Zeitungen und im Rundfunk in Umlauf gesetzt sowie öffentlich in der ganzen Region plakatiert.

2. Jedermann kann eine Vorlesung halten. In gleicher Weise kann an einem Universitätsmarkt jeder kommen und einen Kurs anbieten. Es gibt keine strenge Unterscheidung zwischen Lehrern und dem Rest der Bevölkerung. Wenn sich Leute als Teilnehmer am Kurs melden, dann ist er eingerichtet. Es wird sicher Gruppen von Lehrern geben, die sich zusammenschließen und aufeinander abgestimmte Kurse anbieten; Lehrer können auch bestimmte Vorbedingungen setzen und die Teilnehmerzahl regulieren, wie sie es für richtig halten. Aber wie auf einem wirklichen Marktplatz schaffen die Studenten den Bedarf. Wenn über einen bestimmten Zeitraum niemand kommt, um am Unterricht eines Professors teilzunehmen, dann muß er sein Angebot ändern oder einen anderen Lebensunterhalt suchen.

Viele Kurse können, wenn sie einmal organisiert sind, in Wohnungen oder Sälen irgendwo in der Stadt stattfinden. Einige jedoch werden mehr Raum oder besondere Einrichtungen brauchen, und alle Lehrgänge werden Zugang zu Bibliotheken und verschiedenen anderen Gemeinschaftseinrichtungen brauchen. Der Universitätsmarkt braucht also eine bauliche Struktur, die seine soziale Struktur aufnimmt.

Mit Sicherheit kann ein Markt nie die Form eines isolierten „Campus" haben. Er wird eher offen und öffentlich sein, in die Stadt verwoben, vielleicht mit einer oder zwei Straßen, wo sich Universitätseinrichtungen konzentrieren.

In einer früheren Version dieses Musters, die speziell für die Universität von Oregon in Eugene verfaßt war, haben wir den baulichen Rahmen für einen Marktplatz der Ideen im Detail beschrieben. Unsere Empfehlung lautete:

Mach aus der Universität eine Reihe von kleinen Gebäuden, An einem Fußgängerweg, von denen jedes ein oder zwei Lehrprojekte enthält. Leg alle horizontale Erschließung zwischen diesen Projekten, soweit sie öffentlich ist, ins Erdgeschoß. Das bedeutet, daß alle Projekte sich direkt zum Fußgängerweg öffnen und daß die Obergeschosse der Gebäude durch Stiegen und Eingänge direkt mit dem Boden verbunden sind. Verbinde alle Fußgängerwege untereinander, sodaß sie - wie ein Marktplatz ein großes Fußwegesystem darstellen, an dem viele Eingänge und Öffnungen liegen. Im großen gesehen führt dieses Muster dazu, daß die Umgebung aus einer Reihe verhältnismäßig niedriger Gebäude besteht, die sich auf ein zusammenhängendes System von Fußgängerwegen öffnen, wobei jedes Gebäude eine Reihe von Eingängen und Stiegen enthält, die etwa 15 in voneinander entfernt sind.

Diese Vorstellung von der Universität als offener, in der Stadt verteilter Markt halten wir noch immer für richtig. Die meisten Einzelheiten sind in anderen Mustern in diesem Buch angegeben: GEBÄUDEKOMPLEX (95), FUSSGÄNGERSTRASSE (100), ARKADEN (119) und OFFENE TREPPEN (158).

Wie soll schließlich ein Universitätsmarkt verwaltet werden? Wir wissen es nicht. Am vernünftigsten scheint ein Gutschein-System zu sein, wo jeder Zugang zu bezahlten Gutscheinen hat. Es ist auch eine Methode erforderlich, die Bezahlung und die Hörerzahl auszugleichen, sodaß Lehrer nicht bloß nach der Zahl der aufgenommenen Studenten bezahlt werden. Man braucht schließlich auch eine Methode der Bewertung, sodaß den Stadtbewohnern eine zuverlässige Information über Kurse und Lehrer zur Verfügung steht.

Es gibt verschiedene Versuche im Bereich der Hochschulausbildung, die zur Lösung dieser Verwaltungsprobleme beitragen könnten. Die Open University of England, die verschiedenen „freien" Universitäten, wie Heliotrope in San Francisco, die 20 Zweigstellen der University Without Walls an verschiedenen Orten der Vereinigten Staaten, die Universitäts-Weiterbildungsprogramme, die ihre Kurse ganz auf Berufstätige abstimmen —all das sind Beispiele von Institutionen, deren Experimente sich auf verschiedene Aspekte des Gedankens eines Universitätsmarktes beziehen.

 

Daraus folgt:

Richte die Universität als einen offenen Markt der Hochschulbildung ein. Vom sozialen Standpunkt heißt das, daß die Universität für Menschen aller Altersstufen offen ist, und zwar auf Ganztags-, Teilzeit- und Einzelkursbasis. Jedermann kann Lehrtätigkeit anbieten. Jedermann kann Lehrveranstaltungen besuchen.Baulich hat der Universitätsmarkt eine zentrale Straßenkreuzung mit den wichtigsten Gebäuden und Büros, während die Hörsäle und Laboratorien sich von diesen zentralen Straßen verzweigen - zunächst in kleinen Gebäuden entlang von Fußwegen konzentriert und dann allmählich verstreuter werdend, mit der Stadt verwoben.

 Eine Muster Sprache 43 UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT

 

❖ ❖ 

 

Leg an der zentralen Kreuzung der Universität eine PROMENADE (31) an; gruppiere die Gebäude in der Umgebung der Kreuzung entlang von Straßen - GEBÄUDEKOMPLEX (95), FUSSGÄNGERSTRASSE (100). Dieser zentrale Bereich muß Zugang zu ruhigen Grünflächen - RUHIGE HINTERSEILEN (59) - und einen normalen Anteil an Wohnnutzung - WOHNEN DAZWISCHEN (48) - haben. Was den Unterricht betrifft, sollte er wo immer möglich dem Modell MEISTER UND LEHRLINGE (83) folgen ...

 

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