EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

... wenn die Hauptstraßen angelegt sind - PARALLELE STRASSEN (23) - und die Lokalstraßen angelegt werden sollen, so gibt dieses Muster an, wie Kreuzungen aussehen sollen. Es hat auch großen Einfluß auf die Anlage der Lokalstraßen und hilft bei der Ausbildung ihres Schleifencharakters - ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN (49).

 

❖ ❖ 

 

Verkehrsunfälle sind auf Kreuzungen zweier Straßen wesentlich häufiger als auf T-Einmündungen.

 

Das ergibt sich aus der Geometrie. Wo sich zwei Straßen mit Richtungsfahrbahnen kreuzen, gibt es 16 Hauptkollisionspunkte im Gegensatz zu dreien für eine T-Einmündung (John Callendar, Time Saver Standards, Fourth Edition, New York, 1966, S. 1230).

 Eine Muster Sprache 50 T KREUZUNGEN

Wir zeigen unten die Lagepläne einer empirischen Untersuchung, in der die Unfallzahlen eines Zeitraums von fünf Jahren für verschiedene Straßenmuster verglichen werden. Sie beweisen klar, daß T-Einmündungen viel weniger Unfälle aufweisen als vierarmige Kreuzungen (aus Planning for Man and Motor von Paul Ritter, S. 307).

Weiteres Material zeigt, daß die T-Einmündung am sichersten ist, wenn sie rechtwinkelig ist. Sobald der Winkel vorn rechten abweicht, ist es für den Fahrer schwer, um die Ecke zu ..sehen, und die Unfallzahlen nehmen zu (Swedish National Board of Urban Planning, „Principles for Urban Planning with Respect to Road Safety", The Scaft Guidelines 1968, Publication Nr. 5, Stockholm, Schweden, S. 11).

Eine Muster Sprache 50 T KREUZUNGEN 1

 

Daraus folgt:

Leg das Straßensystem so an, daß jeweils zwei im Niveau kreuzende Straßen eine dreiarmige T-Einmündung bilden, möglichst in einem Winkel von 90°. Ver. meide vierarmige Kreuzungen und kreuzende Bewegungen.

 Eine Muster Sprache 50 T KREUZUNGEN 2

 

❖ ❖ 

 

An belebten Kreuzungen, wo Fußgängerwege zusammenkommen, mach einen besonderen erhöhten Übergang für Fußgänger, also nicht nur einen gewöhnlichen Schutzweg — STRASSENÜBERQUERUNG (54) ...

 

< Zurück zu 49 Weiter zu 51 >

 

049.0

... Nachbarschaften, Hausgruppen, Gemeinschaften von Arbeitsstätten und Hauptstraßen sind mehr oder weniger definiert — LOKALVERKEHRSZONEN (11), IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14), PARALLELE STRASSEN (23), HAUSGRUPPE (37), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41). Nun kommen wir zur Anlage der lokalen Straßen.

 

❖ ❖ 

 

Niemand will schnellen Durchgangsverkehr vor seinem Haus.

 

Durchgangsverkehr ist schnell, lärmerregend und gefährlich. Zugleich aber sind Autos wichtig und können nicht insgesamt aus den Gebieten, wo Leute wohnen, ausgeschlossen werden. Örtliche Straßen müssen die Zufahrt zu den Wohnungen erlauben, jedoch verhindern, daß der Verkehr durchgeht.

Dieses Problem ist nur zu lösen, indem alle Straßen, an denen Wohnungen liegen, als „Schleifen" ausgelegt sind. Wir definieren eine Schleife als Straße in einem Netz, die so liegt, daß kein Weg auf anderen Straßen des Netzes durch eine Fahrt auf der „Schleife" abgekürzt werden kann.

Die Schleifen selbst müssen so beschaffen sein, daß sie große Verkehrsmengen und große Geschwindigkeiten verhindern: das hängt ab von der Gesamtzahl der von der Schleife erschlossenen Wohnungen, von der Straßenoberfläche, vorn Straßenquerschnitt und von der Zahl der Kurven und Ecken. Nach unseren Beobachtungen ist eine Schleife ungefährlich, solange sie weniger als 50 Autos bedient. Bei eineinhalb Autos pro Wohnung erschließt eine Schleife 30 Wohnungen; bei einem Auto pro Wohnung 50; bei einem halben Auto pro Wohnung 100.

Hier ist ein Beispiel eines ganzen Systems von örtlichen Straßenschleifen, entworfen für eine Gemeinde von 1500 Häusern in Peru.

Eine Muster Sprache 49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN

Auch ein einfacher Raster kann so geändert werden, daß sich: örtliche Straßenschleifen ergeben.

Eine Muster Sprache 49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN 1

Sackgassen sind nach unserer Definition auch Schleifen. Cul-de-sacs sind aber vom sozialen Standpunkt sehr schlecht — ihre Interaktion ist teilweise erzwungen, und sie vermitteln ein Gefühl der Klaustrophobie, weil es nur eine Einfahrt gibt. Wenn der Autoverkehr eine Sackgasse bildet, muß der Fußgängerweg jedenfalls durchgehen, indem er von einer Richtung in den Cul-de-sac kommt und in der anderen Richtung hinaus-, führt.

 Eine Muster Sprache 49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN 2

Beachte auch, daß viele Straßen, die wie Schleifen aussehen, in Wirklichkeit keine sind. Dieser Stadtplan sieht aus als ob er Straßenschleifen hätte. In Wirklichkeit sind nur eine oder zwei dieser Straßen Schleifen im funktionell definierten Sinne.

 Eine Muster Sprache 49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN 3

 

Daraus folgt:

Leg örtliche Straßen in Schleifen an. Eine Schleife wird definiert als Straßenstück, das für Autos, die kein Ziel auf diesem Straßenstück haben, keine Abkürzung darstellt. Keine Schleife darf mehr als 50 Autos versorgen. Halt die Straßen wirklich schmal - 5 m bis 6 m ist genug.

 Eine Muster Sprache 49 ÖRTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN 4

 

❖ ❖ 

 

Leg alle Kreuzungen zwischen örtlichen Straßen als dreiarmige T-Einmündungen an, nie als vierarmige Kreuzungen — T-KREUZUNGEN (50); wo immer die Möglichkeit besteht, daß Leben aus den Gebäuden zur Straße orientiert wird, gib der Straße eine sehr grobe Oberfläche aus Gras und Kies, mit Pflastersteinen für die Autoräder — GRÜNE STRASSEN (51); verleg das Parken weg von der Straße an Zufahrtswege — KLEINE PARKPLÄTZE (103) und VERBINDUNG ZUM AUTO (113); wenn die Straßen nicht sehr ruhig sind, leg die Fußgängerwege im rechten Winkel zu ihnen, nicht parallel, öffne die Gebäude zu diesen Wegen, nicht zu den Straßen — NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52) ...

 

< Zurück zu 48 Weiter zu 50 >

 

048.0

... die meisten Wohnungen sind in Wohnnachbarschaften und in den Hausgruppen innerhalb der Nachbarschaften — IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14), HAUSGRUPPE (37); unseren Mustern entsprechend müssen diese Wohngebiete durch Grenzstreifen mit öffentlichem Grund und Arbeitsstätten voneinander getrennt sein — SUBKULTUR-GRENZE (13), NACHBARSCHAFFSGRENZE (15), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41). Aber auch diese Arbeitsstätten, Grenzstreifen oder Einkaufsstraßen müssen Wohnungen enthalten, in denen Leute leben.

 

❖ ❖ 

 

Überall, wo es eine scharfe Trennung zwischen Wohngebieten und Nichtwohngebieten in einer Stadt gibt, werden die Nichtwohngebiete rasch zu Slums.

 

Die individuellen Rhythmen von Erhaltungsarbeiten und Instandsetzung sind für das Befinden jedes Teils einer Gemeinde wesentlich, weil nur diese Rhythmen eine ständige Folge von Anpassungen und Verbesserungen in der Organisation des Ganzen aufrechterhalten. Slums treten auf, wenn diese Rhythmen zusammenbrechen.

Nun beruhen in einer Stadt die Erhaltungs- und Instandsetzungsprozesse auf der Tatsache des Benutzereigentums. Mit anderen Worten: die Orte, wo die Leute zugleich Nutzer und Eigentümer sind, werden gut erhalten; die Orte, wo sie das nicht sind, neigen zur Verwahrlosung. Wenn Menschen Wohnungen besitzen, die zwischen Geschäften, Arbeitsstätten, Schulen, Dienstleistungen, der Universität etc. liegen, dann wird die Qualität dieser Orte durch die natürliche Vitalität dieser Wohnungen gesteigert. Ihre persönliche und angenehme Wirkung breitet sich aus. Eine Person wird in ihre Wohnung mehr von sich hineinlegen als in die anderen Orte, wo sie sich aufhält. Und es ist unwahrscheinlich, daß eine Person diese Art von Gefühl an zwei Orte wenden kann, an zwei Teile ihres Lebens. Wir schließen daraus: Viele Teile der Umwelt machen den öden Eindruck, daß sich niemand persönlich um sie kümmert, aus dem einfachen Grund, weil tatsächlich niemand dort wohnt.

Nur wo Wohnungen zwischen die anderen Funktionen gemischt sind, jeweils zwei oder drei, in Reihen oder ganz kleinen Gruppen, gibt die persönliche Qualität der Haushalte und ihrer Errichtung den Werkstätten, Büros und Dienstleistungen eine bestimmte Kraft.

 

Daraus folgt:

Bau Wohnungen in das Gewebe von Geschäften, Kleinindustrien, Schulen, öffentlichen Diensten, Universitäten - aller jener Stadtteile, die tagsüber Leute anziehen, aber „Nichtwohngebiete" sind. Die Wohnungen können in Reihen oder „Hügeln" mit Geschäften darunter liegen oder auch freistehende Häuser sein, wenn sie nur mit den anderen Funktionen vermischt sind und das ganze Gebiet „bewohnt" machen.

 Eine Muster Sprache 47 GESUNDHEITSZENTRUM

 

❖ ❖ 

 

Vergewissere dich, daß trotz der Lage in einem öffentlichen Bereich jede Wohnung noch genug privates Territorium hat, daß Leute sich zu Hause fühlen können - DAS EIGENE HEIM (79). Liegen mehrere Wohnungen in einem Bereich, behandle sie als Gruppe oder als Reihe - HAUSGRUPPE (37), REIHENHÄUSER (38) ...

 

< Zurück zu 47 Weiter zu 49 >

 

... die klare Anerkennung des Lebenszyklus als Basis für jedes individuelle Leben wird viel zur Gesundheit der Menschen innerhalb der Gemeinschaft beitragen - LEBENSZYKLUS (26); das folgende Muster beschreibt die besonderen Einrichtungen, mit deren Hilfe die Menschen sich selbst und ihre Gesundheit pflegen können.

 

❖ ❖ 

 

Mehr als 90% der Leute in einem normalen Wohngebiet sind nicht gesund, wenn man einfache biologische Kriterien anlegt. Diese Ungesundheit kann nicht durch Spitäler oder Medikamente geheilt werden.

 

Spitäler gehen von der Krankheit aus. Sie sind sehr teuer; sie sind unpraktisch, weil sie zu zentralisiert sind. Sie neigen eher dazu, Krankheit zu erzeugen, als sie zu heilen, weil Ärzte bezahlt werden, wenn Menschen krank sind.

In der traditionellen chinesischen Medizin dagegen zahlen die Menschen den Arzt nur, wenn sie gesund sind; wenn sie krank sind, muß er sie unentgeltlich behandeln. Die Ärzte haben einen Anreiz, die Menschen bei Gesundheit zu halten.

Ein Gesundheitssystem, das wirklich imstande ist, die Leute gesund zu erhalten, geistig wie körperlich, muß von der Gesundheit, nicht von der Krankheit ausgehen. Daher muß es räumlich dezentralisiert sein, sodaß es dem täglichen Leben der Menschen so nah wie möglich ist. Es muß auch die Menschen bei den Gewohnheiten der täglichen Lebensführung, die sich auf die Gesundheit auswirken, unterstützen. Den Kern der Lösung muß aus unserer Sicht ein System kleiner, breit verteilter Gesundheitszentren darstellen, die körperliche Tätigkeit fördern - Schwimmen, Tanzen, Sport und frische Luft - und die eine ärztliche Betreuung nur als begleitende Nebensache vorsehen.

In der Literatur über das Gesundheitswesen stimmen Untersuchungsergebnisse und theoretische Forderungen immer mehr darin überein, daß Gesundheitszentren dieser Art, die auf dem Prinzip der Gesundheitsvorsorge aufbauen, entscheidend sind. (Siehe z.B. William H. Glazier, „The Task of Medicine" Scientific American, Vol. 228, Nr. 4, April 1973, S. 13 —17; Milton Roemer, „Nationalized Medicine for America", Transaction, September 1971, 5. 31.)

Wir kennen einige Ansätze zu Programmen des Gesundheitswesens in dieser Richtung. In den meisten Fällen bleiben die Programme jedoch hinter den Erwartungen zurück, weil sie trotz guter Absichten dazu neigen, die Kranken zu behandeln, und weil ihre Arbeit nicht auf die Erhaltung der Gesundheit ausgerichtet ist. Nehmen wir z.B. die vom United States National Institute of Mental Health in den späten 60er Jahren geförderten sogenannten „Gemeindezentren für geistige Gesundheit". Auf dem Papier sind diese Zentren dazu bestimm Gesundheit zu fördern, nicht Krankheit zu heilen.

In der Praxis sieht die Sache ganz anders aus. Wir besuchten eines der fortschrittlichsten, in San Anselmo, Kalifornien. Die Patienten sitzen den ganzen Tag herum; ihr Blick ist glasig; halbherzig gehen sie ihrer „Ton-Therapie" oder „Mal-Therapie" nach. Ein Patient kam mit vor Glück leuchtenden Augen zu uns und sagte: „Herr Doktor, das ist ein herrliches Zentrum für geistige Gesundheit; es ist das beste, das ich kenne." Kurz, die Patienten werden als Patienten behandelt; sie verstehen sich selbst als Patienten; in bestimmten Fällen genießen sie sogar ihre Rolle als Patienten. Sie haben keine sinnvolle Beschäftigung, keine Arbeit, nichts Nützliches, das sie am Ende des Tages zeigen können, nichts, worauf sie stolz sind. Trotz allen humanen Absichten bestärkt das Zentrum in Wirklichkeit die Vorstellung der Patienten von ihrer Krankheit und fördert das Krankenverhalten, während es Gesundheit fordert und predigt.

Das gleiche gilt für das Kaiser-Permanente-Programm in Kalifornien. Die Kaiser-Krankenhäuser wurden in einem vor kurzem erschienenen Artikel gefeiert, weil sie „das Schwergewicht nicht mehr auf die Behandlung der Krankheit, sondern auf die Erhaltung der Gesundheit legen" (William H. Glazier, „The Task of Medicine"). Kaiser-Mitgliedern steht jährlich eine mehrphasige Untersuchung zu, die jedem Mitglied ein vollständiges Bild seines Gesundheitszustandes geben soll. Aber der Gesundheitsbegriff, der durch dieses mehrphasige Programm entsteht, ist immer noch „Freiheit von Krankheit". Sein Wäsen ist negativ. Es gibt keinen Ansatz zur positiven Schöpfung und Aufrechterhaltung wirklicher, blühender Gesundheit. Außerdem ist das Kaiser-Zentrum auch nichts anderes als ein riesiges Krankenhaus. Menschen werden als Nummern behandelt; das Zentrum ist zu groß und konzentriert, sodaß Ärzte ihre Patienten unmöglich als Menschen in ihrer natürlichen Gemeinschaft sehen können. Sie sehen sie als Patienten.

Das einzige uns bekannte Gesundheitszentrum, das sich wirklich der Gesundheit, statt der Krankheit widmete, war das berühmte Peckham Health Center in England. Das Peckham Center war ein von zwei Ärzten betriebener Klub, dessen Kern ein Schwimmbad, eine Tanzfläche und ein Cafe bildeten. Zusätzlich gab es Ärztesprechzimmer, und man ging davon aus, daß Familien — nicht Einzelpersonen — neben ihrer Unterhaltung beim Schwimmen und Tanzen sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen konnten. Unter diesen Bedingungen benützten die Leute das Zentrum regelmäßig, bei Tag und Nacht. Die Frage ihrer Gesundheit wurde Teil des normalen Gemeinschaftslebens; und das schuf den Rahmen für eine höchst außergewöhnliche Art der Gesundheitspflege.

Es scheint z. B., daß viele Mütter der Arbeiterklasse im Vor-kriegs-England sich ihrer Körper schämten. Diese Scham ging so weit, daß sie sich schämten, ihre Säuglinge zu halten und zu stillen, und folglich in vielen Fällen ihre Kinder nicht wollten. Das Peckham Center konnte durch seine Betonung der Gesundheit dieses Syndrom gänzlich abbauen. Das Schwimm- und Tanzprogramm zusammen mit den Familienuntersuchungen erlaubte den Frauen, auf ihren Körper stolz zu sein; sie scheuten sich nicht mehr vor ihren Neugeborenen und schämten sich nicht mehr ihrer Körper; die Säuglinge fühlten, daß sie erwünscht waren, und die Fälle von Gemütsstörungen und Kindheitspsychosen unter älteren Kindern gingen in der Bevölkerung von Peckham drastisch zurück, und zwar genau verfolg-bar mit dem Zeitpunkt der Betriebsaufnahme des Centers.

Die Erkenntnis dieses elementaren biologischen Zusammenhanges zwischen körperlicher Gesundheit, Familienleben und Gefühlsleben bezeichnet tatsächlich einen neuen Abschnitt der Humanbiologie. Das wird schön und ausführlich von zwei Ärzten des Peckham Centers beschrieben (Innes Pearse und Lucy Crocker, The Peckham Experiment, A Study in the Living Structure of Society, New Haven: Yale University Press, 1946) Nur wenn biologische Gedanken von dieser Kraft und Tief (ernst genommen werden, werden wirkliche Gesundheitszentren — statt Krankheitszentren — möglich sein.

 

Daraus folgt:

Entwickle schrittweise ein Netz von kleinen Gesundheitszentren in der ganzen Stadt, vielleicht eines für jede Gemeinde von 7000; jedes für die Behandlung vor Alltagsleiden - geistigen und körperlichen, bei Kin» dem und Erwachsenen - ausgerüstet, mit einem funktionellen Schwergewicht auf Erholungs- und Bildungsaktivitäten, die zur Erhaltung der Gesundheit beitragen, wie etwa Schwimmen und Tanzen.

 Eine Muster Sprache 48 WOHNEN DAZWISCHEN

 

❖ ❖ 

 

Die Behandlungsteams müssen klein und unabhängig sein KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81) —, aber untereinander und mit anderen Kliniken koordiniert, wie GEBÄRHÄUSER (65) — in der ganzen Stadt. Gib jedem Zentrum bestimmte Funktionen, die es mit dem normalen Ablauf von örtlicher Arbeit und Erholung verbinden: Schwimmbad, Werkstätten, Sauna, Turnhalle, Gemüsegarten, Gewächshaus. Mach aber aus diesen Einrichtungen keinen zwanghaften geschlossenen „Gesundheitspark" — verknüpf sie vielmehr lose mit anderen Elementen der Stadt — WOHNEN DAZWISCHEN (48), LOKALER SPORT (72), ABENTEUERSPIELPLATZ (73), WERKSTATT IM HAUS (157), GEMÜSEGARTEN (177). Das vielleicht wichtigste untergeordnete Muster für die Erhaltung der Gesundheit ist die-'Möglichkeit zu Schwimmen; im Idealfall versuch ein Schwimmbad in jeden Block zu legen — STEHENDES WASSER (71) ...

 

< Zurück zu 46 Weiter zu 48 >

Förderer:


Wien Kultur