EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

062.0

... nach dem HÖCHSTENS VIER GESCHOSSE (21) sind die meisten Dächer in der Gemeinde nicht höher als vier Geschosse, also. etwa 12-15 m. Es ist aber wichtig, daß diese Höhenbegrenzung. in bestimmten Fällen durch höhere Gebäude mit spezieller Funktion durchbrochen wird. Sie können zum Charakter der KLEINEN PLÄTZE (61) und des GEHEILIGTEN BODENS (66) beitragen; sie können ihren Gemeinden eine besondere Identität verleihen - wenn sie nicht öfter vorkommen als jeweils einmal in jeder GEMEINDE VON 7000 (12).

 

❖ ❖ 

 

Irgendwo hoch hinaufzusteigen, von wo aus man hinunterschauen und die eigene Welt erblicken kann scheint ein grundlegender menschlicher Instinkt zu sein.

  

Selbst kleinste Siedlungen haben ein beherrschendes Wahrzeichen - gewöhnlich den Kirchturm. Große Städte haben Hunderte davon. Der Antrieb, solche Türme zu bauen, ist sicher nicht bloß ein christlicher; in den verschiedensten Kulturen und Religionen der ganzen Welt ist es genauso. Persische Dörfer haben Taubentürme, die Türkei ihre Minarette, San Gimignanc hat seine turmförmigen Häuser, Festungen haben ihre Wehrtürme, Athen seine Akropolis, Rio den Zuckerhut.

Diese hochliegenden Orte haben zwei verschiedene, aber einander bedingende Funktionen. Sie ergeben einen Ort, zu. dem die Leute hochsteigen können, von dem aus sie auf ihre Welt hinunterschauen können. Und sie ergeben einen Ort, der die Leute von weit weg sehen und nach dem sie sich in der Ebene orientieren können.

Bei Proust heißt es:

Von weitem, aus einer Entfernung von zehn Meilen in der Runde, zum Beispiel von der Eisenbahn aus gesehen, wenn wir in der letzten Woche vor Ostern ankamen, war Combray nur eine Kirche, die die Stadt in ihrer Gesamtheit in sich verkörperte, von ihr und für sie der Ferne Kunde gab und, wie man beim Näherkommen bemerkte, mit ihrem hohen, düsteren Kragenmantel wie eine gute Hirtin ihre Schafe die grauwalligen Rücken der zusammengeduckten Häuser gegen den Wind zu beschirmen versuchte ...

Den Glockenturm von Saint-Hilaire nahm man schon von sehr weither wahr, denn der zeichntet sein unvergeßliches Bild bereits in den Horizont, bevor noch Combray den Blicken erschien; wenn von dem Zuge aus, der uns in der Woche vor Ostern aus Paris herbeitrug, mein Vater ihn bemerkte, wie er abwechselnd rechts und links auf dem :sichtbaren Streifen Himmel erschien und seinen kleinen blechernen Wetterhahn nach allen Seiten der Windrose wendete, sagte er jedesmal: "Los jetzt nehmt eure Decken, wir sind angekommen."

Marc Proust: Auf' der Suche nach der verlorenen Zeit, Swanns Welt 1-, 1964, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 68, 87)

 

062.1

Oxford: eine Stadt von träumenden Türmen.

 

Hochgelegene Orte sind ebenso wichtig, um von ihnen hin-abzuschauen: Stellen, die eine eindrucksvolle, zusammenfassende Übersicht der Stadt geben. Reisende können sie aufsuchen, um ein Gefühl für die ganze Gegend zu bekommen; und die Bewohner selbst können sich der Form und des Umfangs ihrer Umgebung versichern. Aber diesem Aufsuchen eines hochliegenden Ortes wird die Ursprünglichkeit und Freude fehlen, wenn man mit einem Auto oder einem Aufzug hinaufgelangt. Um die Großartigkeit der Aussicht wirklich zu erfahren, muß man etwas dafür tun, das Auto oder den Aufzug verlassen und hinaufsteigen. Der Vorgang des Hinaufsteigens, auch wenn es nur einige Stufen sind, befreit den Geist und bereitet den Körper vor.

Was die Verteilung betrifft, denken wir an einen dieser Aussichtspunkte für jede Gemeinde von 7000, hoch genug, daß man ihn von der ganzen Gemeinde aus sehen kann. Wenn es Weniger sind, neigen sie dazu, zu bedeutend zu werden und sind als Wahrzeichen weniger wirksam.

 

Daraus folgt:

Errichte da und dort hochliegende Orte als Wahrzeichen an verschiedenen Stellen der Stadt. Sie können sich aus der Topographie ergeben, eigene Türme sein oder auch Bestandteil des Dachs auf dem höchsten Gebäude am Ort - in jedem Fall aber sollte ein Aufstieg zu Fuß damit verbunden sein.

 Eine Muster Sprache 62 AUSSICHTSPUNKTE

 

❖ ❖ 

 

Bearbeite auch den Bereich um den Fuß der Aussichtsstelle, es ist ein natürlicher Standort für einen KLEINEN PLATZ (61); mach an der Stiege, die hinaufführt, Öffnungen mit Aussicht, sodaß man auf der Stiege stehenbleiben, sicher niedersetzen, hinausschauen und beim Hinaufsteigen gesehen werden kann - SITZSTUFEN (125), DIE AUSSICHT DES MÖNCHS (134), OFFENE TREPPEN (158) ...

 

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061.0

... dieses Muster bildet den Kern für einen KNOTEN DER AKTIVITÄT (30): Es kann sogar durch seine bloße Existenz einen Knoten erzeugen, wenn es richtig am Schnittpunkt von häufig benutzten Wegen angeordnet ist. Es kann auch zur Bildung einer PROMENADE (31), einer GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41) oder einer IDENTIFIZIERBAREN NACHBARSCHAFT (14) beitragen, einfach durch die Aktion der Leute, die zusammenkommen. Aber in jedem Fall ist es wichtig, daß der Platz nicht zu groß ist.

 

❖ ❖ 

 

Eine Stadt braucht öffentliche Plätze; sie sind die größten und „öffentlichsten" Räume, die sie hat. Aber wenn sie zu groß sind, schauen sie verlassen aus und sind es auch.

 

Es ist ganz natürlich, daß eine öffentliche Straße an jenen wichtigen Knoten, wo der meiste Betrieb herrscht, breiter wird. Und nur diese verbreiterten, ausgebauchten öffentlichen Plätze können jene öffentlichen Zusammenkünfte, kleine Massenversammlungen, Feste, Feuerwerke, Jahrmärkte, Ansprachen, Tanz, Schreien und Klagen aufnehmen, die alle ihren Platz im Stadtleben haben müssen.

Aber immer gibt es die unerklärliche Versuchung, diese öffentlichen Plätze zu groß zu machen. Immer wieder bauen die Architekten und Planer in modernen Städten Plazas und Plätze, die zu groß sind. Sie sehen auf Zeichnungen gut aus; aber in Wirklichkeit geraten sie trostlos und tot.

Unsere Beobachtungen sprechen stark dafür, daß Orte, die als öffentliche Plätze gedacht sind, sehr klein sein sollten. Als allgemeine Regel haben wir herausgefunden, daß sie mit einem Durchmesser von etwa 18 m am besten funktionieren — bei dieser Größe werden sie oft aufgesucht, sie werden zu Lieblingsplätzen und die Leute fühlen sich dort wohl. Wenn der Durchmesser über 21 m ansteigt, beginnen die Plätze verlassen und unangenehm zu wirken. Ausnahmen sind bedeutende Stadtzentren, die von Menschen wimmeln, wie die Piazza San Marco oder Trafalgar Square.

Welche mögliche funktionelle Ursache haben diese Beobachtungen? Erstens wissen wir aus dem Muster FUSSGÄNGERDICHTE (123), daß ein Platz verlassen zu wirken beginnt, wenn er eine. Größe von mehr als etwa 30 m² pro Person hat.

 061.1

061.2

 Die Plätze in Lima: einer klein und lebendig, der andere riesig und verlassen.

 

Ein Platz mit 30 in Durchmesser wird also bereits verlassen wirken, wenn weniger als 33 Leute da sind. Es gibt wenige Orte in einer Stadt, an denen man mit Sicherheit immer 33 Menscheff erwarten kann. Andererseits sind nur 4 Leute erforderlich, uni einen Platz mit 10 m, und nur 12, um einen mit 18 m Durchmesser zu beleben. Da die Wahrscheinlichkeit, daß 4 oder, 12 Menschen an einem bestimmten Ort sind, viel höher ist als 33, werden die kleineren Plätze einen größeren Teil der Zeit ausreichend belebt sein.

Die zweite mögliche Ursache für unsere Beobachtung bezieht sich auf den Durchmesser. Das Gesicht einer Person ist bei 20 m Entfernung gerade erkennbar; und bei typischen städtischen Lärmverhältnissen kann eine laute Stimme über 20 m gerade noch gehört werden. Das kann bedeuten, daß Menschen sich auf Plätzen mit 20 m Durchmesser oder weniger miteinander verbunden fühlen, ohne sich dessen wirklich bewußt zu sein da sie Gesichter ausmachen und etwas von den Gesprächen um sich herum verstehen können; dieses Gefühl, Teil eines locker geknüpften Platzgefüges zu sein, geht auf größeren Platzräumen verloren. Ähnliches findet sich bei Philip Thiel („An Architectural and Urban Space Sequence Notation", unveröffentlichtes Manuskript, University of California, Department of Architecture, August 1960, S. 5) und bei Hans Blumenfeld ("Scale in Civic Design", Town Planning Review, April 1953, 35-46). Blumenfeld gibt z. B. folgende Zahlen an: das Gesicht einer Person kann bis zu 20 m oder 25 m erkannt werden; als "Portrait", also im Detail, bis zu etwa 15 m.

Unsere eigenen informellen Versuche zeigen folgendes: zwei nörmalsichtige Personen können sich bis zu einer Distanz von 23 in bequem verständigen. Sie können laut miteinander reden und sie können im groben den Gesichtsausdruck sehen. Dieses Maximum von 23 m ist recht zuverlässig. Wiederholte Versuche ergaben immer wieder die gleiche Entfernung ± 10%. Bei 30 m ist eine Sprechverständigung schwierig, auch der Gesichtsausdruck ist nicht mehr eindeutig. Alles über 30 m ist hoffnungslos.

 

Daraus folgt:

Mach einen öffentlichen Platz viel kleiner als man sich zunächst vorstellt; gewöhnlich nicht mehr als 15-18 in breit, auf keinen Fall mehr als 21 m. Das gilt allerdings nur für die Breite, in der Länge kann ersicher größer sein.

 Eine Muster Sprache 61 KLEINE PLÄTZE

 

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Eine noch bessere Abschätzung der Platzgröße: schätz die Anzahl der Leute, die typischerweise anwesend sein werden (sagen wir P), und begrenze die Platzfläche mit 15-30 Pm² FUSSGÄNGERDICHTE (123); umgib den Platz mit Nischen für diverse Aktivitäten, wo Leute zusammenkommen - AKTIVITÄTSNISCHEN (124); leg Gebäude so um den Platz, daß sie ihm einen bestimmten Umriß geben, mit Blicken hinaus in andere größere Plätze - POSITIVER AUSSENRAUM (106), HIERARCHIE VON AUSSENRÄUMEN (114), GEBÄUDEFRONTEN (122), SITZSTUFEN (125); und um die Mitte des Platzes so nützlich wie die Ränder zu machen, stell ETWAS FAST IN DIE MITTE (126) ...

 

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060.0

... in der Mitte der Wohnviertel und in der Nähe aller Arbeitsstätten müssen kleine Grünflächen sein - IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41). Natürlich ist es am sinnvollsten, wenn diese Grünflächen so liegen, daß sie zur Bildung der Grenzstreifen, der Nachbarschaften und der Rückseiten beitragen - SUBKULTUR-GRENZE (13), NACHBARSCHAFTSGRENZE (15), RUHIGE HINTERSEITEN (59).

 

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Die Menschen brauchen grüne offene Flächen, wo sie hingehen können; sie benützen sie auch, wenn sie nicht weit weg sind. Wenn aber die Entfernung mehr als drei Minuten beträgt, setzt sich das Bedürfnis dem-gegenüber nicht durch.

 

Durch Parks soll dieses Bedürfnis befriedigt werden. Aber was man gewöhnlich unter Parks versteht, sind eher große Anlagen, die in großen Abständen in der Stadt verteilt sind. Sehr wenige Leute leben nicht weiter als drei Minuten von einem Park entfernt.

Obwohl das Bedürfnis nach Parks sehr wichtig ist, obwohl es sogar eine Lebensnotwendigkeit für Menschen darstellt, sich bei Spazierengehen, Laufen und Spielen im Grünen erholen zu können, ist doch dieses Bedürfnis nach unseren Beobachtungen sehr anfällig. Parks werden nur von solchen Leuten wirklich täglich benützt, die weniger als drei Minuten von ihnen entfernt wohnen. Die übrigen, die weiter als 3 Minuten wohnen, brauchen die Parks nicht weniger; aber die Entfernung verhindert die Benützung, und so können sie sich nicht regenerieren, wie es notwendig wäre.

Dieses Problem ist nur zu lösen, indem Hunderte kleiner Parks - oder Grünflächen - so breit und zahlreich verstreut sind, daß jedes Wohnhaus und jede Arbeitsstätte in der Stadt nicht weiter als drei Minuten vom nächsten entfernt ist.

Der Bedarf nach Parks in einer Stadt ist allgemein anerkannt. Ein typisches Beispiel für dieses Bewußtsein geben die Ergebnisse einer Umfrage des Berkeley City Planning Department von 1971 über Freiräume. Die Umfrage zeigte, daß die große Mehrheit der Leute, die in Geschoßwohnungen leben, zwei Arten von Außenräumen haben wollen: (a) einen angenehmen, benützbaren privaten Balkon und (b) einen ruhigen öffentlichen Park in Gehentfernung.

Die entscheidende Wirkung der Entfernung auf die Brauchbarkeit solcher Parks ist allerdings weniger gut bekannt und einsichtig. Um dieses Problem zu untersuchen, besuchten wir einen kleinen Park in Berkeley und fragten 22 Leute im Park, wie oft sie hierher kämen und wie weit sie zu gehen hatten. Insbesondere stellten wir jeder Person drei Fragen:

  1. Sind Sie gegangen oder gefahren?
  2. Wieviele Blocks sind Sie gegangen?
  3. Vor wie vielen Tagen waren Sie das letzte Mal hier?

Aufgrund der ersten Frage schieden wir fünf Befragte aus, die mit dem Auto oder mit dem Rad gekommen waren. Die dritte Frage gab für jede Person einen Hinweis auf die Häufigkeit der Parkbesuche pro Woche. Wenn einer z.B. vor drei Tagen das letzte Mal hier war, können wir schätzen, daß er normalerweise einmal pro Woche kommt. Das ist zuverlässiger, als wenn man direkt nach der Häufigkeit fragt, da es auf einer sicheren Tatsache und nicht auf einem vagen Urteil beruht.

Wir stellen nun eine Tabelle der Ergebnisse zusammen. In die erste Spalte schreiben wir die Zahl der Blocks, die die Leute zum Park zurücklegten. In die zweite Spalte schreiben wir ein Maß für die Fläche des Kreisringes, der diesem Radius entspricht. Die Fläche des Kreisringes entspricht proportional der Differenz von zwei Quadratzahlen. Das Flächenmaß des Kreisrings bei drei Blocks ist z.B. 3² - 2² = 5.

In die dritte Spalte kommt die Anzahl der Leute aus dieser Entfernung, jeweils multipliziert mit der Anzahl von Besuchen pro Woche. Das gibt uns ein Maß für die Gesamtzahl der Besuche pro Woche aus diesem Kreisring.

In die vierte Spalte schreiben wir die Anzahl der Besuche pro Woche dividiert durch die Flächenzahl des Kreisrings. Wenn wir annehmen, daß die Bewohner über die ganze Fläche mit annähernd gleicher Dichte verteilt sind, ergibt dies ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, daß eine beliebige Person in einem gegebenen Kreisring innerhalb einer Woche den Park besuchen wird.

 

 Radius R Blocks  Flächenmaß des Kreisrings bei Radius R  Besuche/Woche  P (relative Wahrscheinlichkeit der Besuche je Person log. P.
1 1 19,5 19,5 1,29
2 3 26 8,7 0,94
 3 5 11 2,2 0,34
4 7 6 0,9 0,951
5 9 0 - -
6 11 0 - -
7 13 0 - -
8 15 0 0,4 0,601
9 17 0 - -
10 19 3 0,2 0,301
11 21 0 - -
12 23 2,5 0,1 0,01

 Analyse des Benützungsmusters einer lokalen Grünfläche

 

In die fünfte Spalte schreiben wir den Logarithmus dieser Wahrscheinlichkeitsziffer (10 log P).

Eine flüchtige Durchsicht dieser Daten zeigt, daß die Wahrscheinlichkeitsziffer P zwischen einem und zwei Blocks auf diE Hälfte und zwischen zwei und drei Blocks um den Faktor 4 fällt. Von dann an wird der Abfall schwächer. Dies weist daraus hin, daß die Art die Parkbenützung sich radikal ändert, wenn jemand mehr als drei Blocks entfernt wohnt.

Sehen wir uns genauer die Beziehung zwischen der Entfer• nung und dem Logarithmus von P an. Normalerweise wird diE Häufigkeit des Zugangs zu einem gegebenen Zentrum sich entsprechend irgendeiner abfallenden Funktion zur Entfernung verhalten, etwa P = a-bR, wo R den Radius bedeutet und a und b bestimmte Konstanten. Das würde bedeuten: wenn Verhalter und Motivation in bezug auf die Entfernung konstant wären würden wir beim Auftragen des Logarithmus von P gegen der Radius eine gerade Linie erhalten. Jede Abweichung von dei Geraden zeigt uns eine Schwelle, an der Verhalten und Motivation wechseln. Das Diagramm sieht so aus:

Eine Muster Sprache 60 ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE

Wir sehen, daß die resultierende Kurve S-förmig ist. Sie beginnt mit einem bestimmten Winkel zu fallen, wird an einer Stelle viel steiler und flacht dann wieder ab. Offensichtlich gibt es eine Schwelle irgendwo zwischen 2 und 3 Blocks, wo sich Verhalten und Motivation der Leute drastisch ändern.

Die Benützungsfrequenz jener Leute, die sehr nahe bei einer „Grünfläche wohnen, zeigt eine deutliche Abhängigkeit — sie hat ein starkes Gefälle und reagiert sehr empfindlich auf zunehmende Entfernung. Bei jenen dagegen, die weiter von einer Grünfläche entfernt wohnen, scheint die Benützungsfreqenz weniger abhängig zu sein (was sich durch die flachere Kurvenneigung ausdrückt); ihr Verhalten reagiert nicht so empfindlich äuf zunehmende Entfernung. Es ist, als ob die Leute mit leichtem Zugang zu einer Grünfläche eine volle, freie Aufgeschlossenheit für sie entfalten; während Leute in größerer Entfernung das Bewußtsein dafür verloren haben und sich ihr Gefühl für die Annehmlichkeiten einer Grünfläche verringert hat — für diese Leute ist die Grünfläche kein vitales Element der Wohnumgebung mehr.

Offensichtlich können die Menschen innerhalb eines Radius von zwei oder drei Straßenblöcken (drei Minuten Gehentfernung) ihr Bedürfnis nach einem Park befriedigen, eine größere Entfernung dagegen beeinträchtigt diese Möglichkeit ernsthaft.

Dieses Ergebnis ist eher unerwartet. Wir wissen, daß Leute, die nahe einer Grünfläche wohnen, ziemlich oft dorthin gehen, vermutlich weil sie die Erholung brauchen. Leute, die mehr als drei Minuten von der Grünfläche wohnen, brauchen die Erholung vermutlich auch. Aber in ihrem Fall verhindert die Entfernung, daß sie ihrem Bedürfnis nachkommen. Es scheint also, daß zur Befriedigung dieses Bedürfnisses jeder - das bedeutet; jedes Wohnhaus und jede Arbeitsstätte - einen solchen Park innerhalb von drei Minuten Gehentfernung haben muß.

Eine Frage bleibt. Wie groß muß eine Grünfläche für diesen Bedarf sein? Im funktionellen Sinn ist das leicht zu beantworten ten. Sie muß groß genug sein, daß man zumindest in ihrer Mitte das Gefühl hat, in Kontakt mit der Natur und weg vorn Wirbel und Betrieb zu sein. Wir schätzen, daß eine Grünfläche für diese Anforderung etwa 6000 m² und in der schmalen Richtung mindestens 50 m Breite haben sollte.

 

Daraus folgt:

Leg eine öffentliche Grünfläche innerhalb von drei Minuten Gehentfernung - etwa 200-250 m - von jedem Wohnhaus und jeder Arbeitsstätte. Das bedeutet, da die Grünflächen gleichmäßig in 500 m Abständen übel die Stadt verteilt sein müssen. Mach die Grünflächen in der schmalen Richtung mindestens 50 m breit und mindestens 6000 m² groß.

 Eine Muster Sprache 60 ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE 1

 

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Beachte vor allem alte Bäume und erhalte sie — PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171); bilde die Grünfläche so aus, daß sie einen oder Mehrere positive, zimmerartige Räume bildet und umgib sie mit Bäumen, Mauern oder Gebäuden, nicht aber mit Straßen und Autos — POSITIVER AUSSENRAUM (106), GARTENMAUER (173); reserviere vielleicht einen Teil der Grünfläche für bestimmte Gerneinschaftsfunktionen — GEHEILIGTER BODEN (66), GRABSTÄTTEN (70), LOKALER SPORT (72), TIERE (74), SCHLAFEN IN DERÖFFENTLICHKEIT (94) ...

 

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059.0

... Tanzen auf der Straße, Imbißstände, ein oder zwei Außenräume, ein Platz beim Theater, Zelte und Markisen werden es noch lebendiger machen — KLEINE PLÄTZE (61), TANZEN AUF DER STRASSE (63), ÖFFENTLICHES ZIMMER IM FREIEN (69), IMBISSSTÄNDE (93), FUSSGÄNGERSTRASSE (100), MARKISENDÄCHER (244) ...

 

❖ ❖ 

 

Jeder, der im Lärm, in Büros mit vielen Leuten arbeiten muß, braucht Pausen und Erholung in Ruhe in einer natürlicheren Umgebung.

 

 

Die Promenade entlang der Seine, mitten durch Paris, ist eine klassische „ruhige Hinterseite" mitten in einer Stadt. Vorn Geschäft und vom Verkehr kommen Leute herunter, um am Fluß entlang zu schlendern, wo eine ruhige und nachdenkliche Stimmung herrscht.

Sehr oft hat man das Bedürfnis nach solchen Orten in Universitäten erkannt; da gibt es ruhige Spazierwege, die Leute zum Nachdenken, zur Erholung oder zu privaten Gesprächen benutzen. Ein schönes Beispiel ist die Universität von Cambridge: Jedes callege hat seine „Rückseite" - ruhige Höfe, die zum Fluß Cam reichen. Aber das Bedürfnis nach ruhigen Hinterseiten ist nicht auf Universitäten beschränkt. Es besteht überall, wo Menschen in dichtbevölkerten, lärmbelasteten Gebieten arbeiten.

Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, könnten wir uns alle Gebäude mit einer Vorder- und einer Hinterseite vorstellen. Wenn man die Vorderseite dem Straßenleben zuordnet - Autos, Einkauf, Zulieferung -, dann kann die Hinterseite der Ruhe gewidmet sein.

Wenn die Hinterseite ruhig sein soll, ein Ort, wo man nur: natürliche Geräusche hören kann - Wind, Vögel, Wasser muß sie geschützt sein. Gleichzeitig muß sie von den Gebäuden, zu denen sie gehört, etwas entfernt sein. Das könnte ein Spazierweg in einiger Entfernung hinter den Gebäuden sein, vielleicht durch kleine Privatgärten getrennt, in seiner Länge durch richtige Mauern und dichte Bepflanzung völlig geschützt.

Ein uns bekanntes Beispiel ist der Weg durch die Einfriedung der Kathedrale in Chichester. Auf jeder Seite dieses Weges ist eine hohe Ziegelmauer; entlang des Weges sind Blumen gepflanzt. Er führt von der Kathedrale weg, parallel zur Hauptstraße der Stadt, aber in einer gewissen Entferung von ihr. Auf diesem Weg, weniger als einen Block von den belebtesten Straßenkreuzungen der Stadt, kann man die Bienen summen hören.

Wenn man eine Anzahl solcher Wege miteinander verbindet, entsteht langsam ein bandähnliches System kleiner Hinterseiten, angenehmer Gassen abseits vom Wirbel der Straße. Da das Geräusch von Wasser beim Entstehen dieser Art von Ruhe eine bedeutende Rolle spielt, sollten diese Wege immer an TEICHE UND BÄCHE (64) anschließen. Je länger diese Wege sind, umso besser.

 

Daraus folgt:

Versieh die Gebäude in den belebten Stadtteilen mit ruhigen „Hinterseiten" auf der lärmabgewandten Seite. Leg entlang der ruhigen Hinterseite einen Weg an, genügend entfernt vom Gebäude im vollen Sonnenlicht, aber durch Mauern und Gebäude und die kleine Entfernung vom Lärm geschützt. Der Weg soll keine Abkürzung für eiligen Fußgängerverkehr sein. Verbinde ihn mit anderen Wegen, sodaß sich ein langes Band ruhiger Gassen ergibt, die an den örtlichen Teichen und Flüssen und an den örtlichen Grünflächen zusammenlaufen.

 Eine Muster Sprache 59 RUHIGE HINTERSEITEN

 

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Wenn möglich, leg die Hinterseiten zum Wasser - TEICHE UND BÄCHE (64), STEHENDES WASSER (71) - und zu noch vorhandenen großen Bäumen außerhalb des Verkehrs - PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171); verbinde sie mit ERREICHBAREN GRÜNFLÄCHEN (60); und schütz sie vor Lärm durch Mauern oder Gebäude GARTENMAUER (173) ...

 

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