EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

026.0

... eine echte Gemeinde vermittelt ein vollständiges Spektrum menschlicher Erfahrung und menschlichen Lebens — GEMEINDE VON 7000 (12). Das gilt ebenso für eine gute Nachbarschaft, wenn auch in geringerem Maße — IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14). Zur Erfüllung dieses Anspruchs müssen Gemeinden und Nachbarschaften die ganze Spannweite des Lebens beinhalten, sodaß eine Person in ihrer Gemeinde die volle Breite und Tiefe des Lebens kennen lernen kann.

 

❖ ❖ 

 

Die ganze Welt ist Bühne

Und alle Frauen und Männer bloße Spieler.

Sie treten auf und gehen wieder ab,

Sein Leben lang spielt einer manche Rollen.

Durch sieben Akte hin.

 

 

Zuerst das Kind,

Das in der Wärtrin Armen greint und spuckt,

Der weinerliche Bube, der mit Ranzen

Und glattem Morgenantlitz wie die Schnecke

Ungern zur Schule kriecht: dann der Verliebte,

Der wie ein Ofen seufzt mit Schmerzenslied

Auf seiner Liebsten Lider; dann der Soldat

Voll toller Flüch' und unrasiert seit Wochen,

Auf Ehre eifersüchtig, schnell mit Händeln,

Bis in die Mündung der Kanone suchend

Die Seifenblase Ruhm. Und dann der Richter

Im runden Bauche, mit Kapaun gestopft,

Mit strengem Blick und regelrechtem Bart,

Voll weiser Sprüch' und neuester Exempel

Spielt seine Rolle so. Das sechste Alter

Macht den besockten, hagern Pantalon,

Brill' auf der Nase, Beutel an der Seite;

Die jugendliche Hose, wohl geschont,

'ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden;

Die tiefe Männerstimme, umgewandelt

Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt

In seinem Ton. Der letzte Akt, mit dem

Die seltsam wechselnde Geschichte schließt,

Ist zweite Kindheit, gänzliches Vergessen,

Ohn' Augen, ohne Zahn, Geschmack und alles.

 

Aus: W. Shakespeare: Wie es Euch gefällt

Übersetzt v. A. W. v. Schlegel, 2. Aufzug, 7. Szene.

 

 

Zum vollen Ausleben jedes der sieben Alter muß in der Gemeinde jede Altersstufe als Zeitabschnitt deutlich gekennzeichnet sein. Und diese deutliche Kennzeichnung wird nur dann erlebbar sein, wenn der Vorgang des Übertritts von einer Altersstufe zur nächsten durch Feiern und Auszeichnungen begangen wird.

In einer gesichtslosen Vorstadtkultur sind dagegen die sieben Altersstufen überhaupt nicht gekennzeichnet; sie werden nicht gefeiert, der Übertritt von einem Alter ins nächste wird fast nicht mehr wahrgenommen. Das Leben wird dadurch entstellt. Die Leute können weder in einer Altersstufe Erfüllung finden, noch gelingt ihnen der Übergang von einer zur anderen. Wie die 60jährige mit grellrotem Lippenstift auf ihren Falten klammern sie sich an etwas, was sie nie ganz hatten.

Diese Behauptung beruht auf zwei Gedankengängen.

A. Der Lebenszyklus ist eine eindeutige psychologische Realität. Er besteht aus unterschiedlichen Stufen, von denen jede ihre Schwierigkeiten und ihre besonderen Vorteile hat.

B. Die Entwicklung von einer Stufe in die andere ist nicht zwangsläufig und findet tatsächlich nicht statt, wenn die Gemeinde keine ausgeglichenen Lebenszyklen umfaßt.

 

A. Die Realität des Lebenszyklus.

Niemand bezweifelt, daß das Leben einer Person verschiedene Stufen durchläuft - von der Kindheit bis zum hohen Alter. Was jedoch nicht so leicht verstanden wird, ist der Gedanke, daß jede Altersstufe eine eigene Wirklichkeit ist, mit jeweils besonderen Schwierigkeiten und Kompensationen, daß mit jeder Stufe bestimmte charakteristische Erfahrungen einhergehen.

Die geistvollste Arbeit in diesem Sinn stammt von Erik Erik-son: "Identität und Lebenszyklus", Drei Aufsätze. Frankfurt: Suhrkamp, 1966, und "Kindheit und Gesellschaft", Zürich-Stuttgart: Pan Verlag, 1957.

Erikson beschreibt die Phasenfolge, die ein Mensch während seiner Reife durchläuft, und schreibt jeder Phase eine bestimmte Entwicklungsaufgabe zu - die erfolgreiche Lösung eines bestimmten Lebenskonflikts. Der Mensch muß diese Aufgabe lösen, bevor er rückhaltlos in die nächste Phase fortschreiten kann. Wir fassen die Stufen in Eriksons Schema zusammen, ausgehend von seinen Tabellen:

  1. Vertrauen/Mißtrauen: Der Säugling; die Mutter-Kind-Beziehung; der Kampf um das Vertrauen in die Umwelt.
  2. Autonomie/Scham und Zweifel: Das Kleinkind; die Eltern-Kind-Beziehung; der Kampf, auf eigenen Beinen zu stehen, trotz der Erfahrung autonom zu werden angesichts von Scham und Zweifel. Fähigkeiten zur Selbstbestimmung zu entwickeln.
  3. Initiative/Schuld: Das Kind; die Familienbeziehung, der Freundeskreis; der Tatendrang und die Integrität des eigenen Handelns; der Lerneifer und das Bedürfnis, etwas zu machen; die durch Angst und Schuldgefühl gezügelte Aggression.
  4. Tätigkeit/Minderwertigkeit: Der/die Heranwachsende; die Beziehung zur Nachbarschaft und zur Schule; die Anpassung an die Instrumente der Gesellschaft; der Sinn für die eigene Fähigkeit, etwas gut zu machen, allein oder mit anderen, gegen die Erfahrung des Versagens und der Unzulänglichkeit.
  5. Identität/Identitätsverlust: Jugend, Adoleszenz; die Beziehung zu Gleichaltrigen und Gruppen außerhalb; die Suche nach Vorbildern für das Erwachsenenleben; die Suche nach Kontinuität des eigenen Charakters gegenüber Verwirrung und Zweifel; das Abwarten; eine Zeit der Suche und des Anschlusses an Glaubensformen und Weltanschauungen.
  6. Intimität/Isolierung: Der/die junge Erwachsene; Freunde, Sexualität, Arbeit; das Bemühen, sich in bezug auf andere festzulegen; sich im anderen verlieren und finden, gegenüber Vereinzelung und Zurückgezogenheit.
  7. Schaffenskraft/Stagnation: Der/die Erwachsene; die Einstellung zur Arbeitsteilung und die Gründung des gemeinsamen Haushalts; das Bestreben, etwas zu errichten und zu führen, etwas zu schaffen, gegenüber dem Versagen und dem Gefühl der Stagnation.
  8. Integrität/Verzweiflung: Das hohe Alter; die Beziehung einer Person zur Welt, zu ihresgleichen, zur Menschheit; das Gewinnen von Weisheit; Liebe zu sich selbst und seinesgleichen; die Sicht des Todes aus der Kraft des eigenen erfüllten Lebens; gegenüber der Verzweiflung eines nutzlosen Lebens.

 

B. Die Entwicklung durch die Stufen des Lebenszyklus ist jedoch nicht zwangsläufig.

Sie hängt davon ab, daß eine ausgeglichene Gemeinschaft da ist, eine Gemeinde, die den Hintergrund für das Geben und Nehmen dieser Entwicklung bildet. In jedem Lebensstadium haben Menschen der Gemeinschaft etwas Unersetzliches zu geben oder von ihr zu empfangen, und gerade dieser Austausch hilft der Person bei der Lösung der in der jeweiligen Stufe auftretenden Probleme. Nehmen wir den Fall eines jungen Paares und seines neugeborenen Kindes. Die Beziehung zueinander ist in jeder Hinsicht wechselseitige. Natürlich ist das Kind „abhängig" von den Eltern, deren Pflege und Liebe zur Lösung des kindlichen Vertrauenskonflikts notwendig sind. Aber gleichzeitig ermöglicht das Kind den Eltern die Erfahrung des Aufziehens und Führens, mit der sie den schöpferischen Konflikten des Erwachsenseins begegnen können.

Wir mißverstehen die Situation, wenn wir sie vereinfachen und die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes als mit dieser oder jener Persönlichkeit ausgestattet betrachten, die nun unveränderlich bleibt und auf das arme kleine Ding einwirkt. Denn dieses schwache und sich verändernde kleine Wesen bringt die ganze Familie weiter. Säuglinge beherrschen und erziehen ihre Familie nicht weniger als um e ehrt; man kann eigentlich sagen, die Familie zieht einen Säugling auf, indem sie von ihm aufgezogen wird. Welche biologischen Reaktionsmuster und Entwicklungspläne auch immer vorgegeben sein mögen, sie müssen als Möglichkeiten veränderlicher Muster wechselseitiger Regelung betrachtet werden. [Erikson, a. a.]

Ähnliche Muster wechselseitiger Regelung gibt es zwischen den sehr Alten und den sehr Jungen; zwischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Kindern und Kleinkindern, Teenagern und jüngeren Teenagern, jungen Männern und alten Frauen, jungen Frauen und alten Männern und so weiter. Und diese Muster müssen durch die ausschlaggebenden sozialen Einrichtungen und die entsprechenden Bestandteile der Umwelt zum Leben gebracht werden — also durch die Schulen, Kindergärten, Wohnungen, Café&, Schlafzimmer, Spielplätze, Arbeitsstätten, Ateliers, Gärten, Friedhöfe. . . .

Anscheinend ist jedoch der ausgeglichene Hintergrund für den normalen Ablauf des Lebenszyklus verloren gegangen. Es ist immer weniger möglich, zu jeder Zeit mit dem gesamten Lebenszyklus Kontakt zu haben. Statt natürlicher Gemeinden mit ausgeglichenem Lebenszyklus haben wir Pensionistendörfer, Schlafstädte, Teenager-Kultur, Arbeitslosenghettos, Universitätsstädte, Massenfriedhöfe, Industrieparks. Unter diesen Bedingungen hat man geringe Chancen, die Konflikte der einzelnen Altersstufen im Lebenszyklus zu lösen.

Um wieder eine Gemeinschaft mit ausgeglichenen Lebenszyklen zu schaffen, muß dieser Gedanke erst einmal zum Leitprinzip der Gemeinschaftsbildung werden. jedes Bauvorhaben, sei es ein Zubau, eine neue Straße oder ein Spital, kann für das richtige Gleichgewicht als förderlich oder hinderlich betrachtet werden. Vielleicht können die Instandsetzungspläne für Gemeinden in The Oregon Experiment, Kapitel V, eine nützliche Rolle dabei spielen.

Aber dieses Muster ist nur ein Hinweis auf die erforderliche Arbeit. Jede Gemeinde muß selbst das vorhandene relative Gleichgewicht in dieser Hinsicht untersuchen und dann. einen Entwicklungsprozeß entwerfen, der in die richtige Richtung führt. Das Problem ist überaus interessant und lebenswichtig. Weitere Überlegungen, Versuche und theoretische Arbeiten sind erforderlich. Wenn Erikson recht hat und diese Arbeit unterbleibt, könnte es geschehen, daß Vertrauen, Autonomie, Initiative, Tätigkeit, Identität, Intimität, Schaffenskraft und Integrität sich überhaupt nicht mehr entwickeln.

 

STUFE WICHTIGE RAHMEN ÜBERGANGSRITEN
     
1. SÄUGLING Vertrauen Haus, Krippe, Kindergarten, Garten Geburtsort, Einrichten der Wohnung... Weg von der Krippe, sich eigenen Platz schaffen
2. JUNGES KIND Autonomie Der eigene Platz, Bereich des Paares, Bereich der Kinder, gemeinsames Essen und Spielen Gehen, sich einen Ort schaffen, besonderer Geburtstag
3. KIND Initiative Raum zum Spielen, Eigener Platz, gemeinschaftliches Land, Nachbarschaft, Tiere Erste Abenteuer in der Stadt ...  Treffen
4. JUGENDLICHE(R) Tätigkeit Das Haus der Kinder, Schule, eigener Platz, Abenteuerspiele, Klub, Gemeinschaft Pupertätsriten, privater Eingang, sich selbst weiterhelfen
5. JUNGE LEUTE Identität Hütte, Teenager-Gesellschaft, Herbergen, Lehrling, Stadt und Region Diplom, Heirat, Arbeit, Bauen
6. JUNGE ERWACHSENE Intimität Haushalt, Bereich des Paares, Kleine Arbeitsgruppen Geburt des Kindes, Schaffung sozialen Wohlstandes, ... Bauen
7. ERWACHSENER Schaffenskraft Arbeitsgemeinschaft, Familienrat, ein Zimmer für sich selbst Besonderer Geburtstag, Zusammenkunft, Wechsel der Arbeit
8. ALTE PERSON Integrität Arbeit zu Hause, Häuschen, die Familie, unabhängige Regionen  Tod, Begräbnis, Grabstätten

 

Daraus folgt:

Sichere das Vorhandensein und das Gleichgewicht des vollständigen Lebenszyklus in jeder Gemeinde. Mach das Ideal des ausgeglichenen Lebenszyklus zum Leitprinzip für die Entwicklung von Gemeinschaften.

Das bedeutet:

  1. Jede Gemeinde umfaßt eine ausgeglichene Zahl von Menschen in jeder Stufe des Lebenszyklus, von den Kleinkindern bis zu den ganz Alten; und sie enthält auch die ganze Spannweite der Ausstattung, die alle diese Lebensstufen brauchen.
  2. Die soziale und bauliche Struktur der Gemeinde ermöglicht den rituellen Übertritt von einer Lebensstufe zur nächsten.

Eine Muster Sprache 26 LEBENSZYKLUS

 

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Für die Übergangsriten bietet sich ganz konkret GEHEILIGTER BODEN (66) an. Andere geeignete Muster für die sieben Lebensalter und die Übertrittszeremonien sind MISCHUNG DER HAUSHALTE (35), ÜBERALL ALTE MENSCHEN (40), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), LOKALES RATHAUS (44), KINDER IN DER STADT (57), GEBÄRHÄUSER (65), GRABSTÄTTEN (70), DIE FAMILIE (75), DAS EIGENE HEIM (79), MEISTER UND LEHRLINGE (83), TEENAGER-GESELLSCHAFT (84), LADENSCHULEN (85), KINDERHAUS (86), VERMIETBARE RÄUME (153), HÄUSCHEN FÜR TEENAGER (154), HÄUSCHEN FÜR ALTE (155), ERFÜLLTE ARBEIT (156), EHEBETT (187) ...

 

 

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025.0

... Wasser ist immer kostbar. Unter den besonderen natürlichen Orten, die unter HEILIGE STÄTTEN (24) fallen, behandeln wir die Meeresküsten, Seen und Flußufer als eigenen Gegenstand, weil sie unersetzbar sind. Ihre Erhaltung und ihr richtiger Gebrauch erfordern ein besonderes Muster.

 

❖ ❖ 

 

Menschen fühlen sich von großen Wassermassen angezogen. Aber das Streben der Menschen zum Wasser kann es auch zerstören.

 

Entweder wird das Ufer durch Straßen, Schnellstraßen und Industrien zerstört und so verschmutzt und verdorben, daß es praktisch unzugänglich ist, oder das Ufer bleibt erhalten und fällt in privaten Besitz.

 

025.1

Zugang zu Wasser ist abgeschnitten.

 

Das Bedürfnis der Menschen nach Wasser ist lebendig und tief. (Siehe z.B. C. G. Jung, Symbole der Wandlung, wo Jung Wassermassen, die in Träumen vorkommen, als verdichtete Darstellungen des Unbewußten sieht.)

Zur Lösung des Problems muß man verstehen, daß es völlig natürlich ist, wenn Menschen in der Nähe des Wassers leben wollen, daß aber der Boden unmittelbar am Rand des Wassers dem gemeinschaftlichen Gebrauch vorbehalten werden muß. Daher dürfen Straßen, die das Ufer zerstören können, nicht an das Wasser heranführen. In der Nähe des Wassers sind sie nur das Wasser heranführen. In der Nähe des Wassers sind sie nur zulässig, wenn sie im rechten Winkel dazu liegen.

 

025.2

Leben am Rand des Wassers.

 

Die Breite des Landgürtels entlang des Wassers kann je nach Gewässerart, Bebauungsdichte und ökologischen Bedingungen unterschiedlich sein. Entlang einer dichten Bebauung genügt eine einfache Steinpromenade. Entlang einer lockeren Bebauung kann sich ein öffentlicher Park hunderte Meter über den Strand hinaus erstrecken.

 

Daraus folgt:

Behandle die natürlichen Gewässer in der Nähe menschlicher Siedlungen mit großer Rücksicht. Belaß unmittelbar am Wasser immer einen Landgürtel mitunmittelbar am Wasser immer einen Landgürtel mitgemeinschaftlicher Nutzung. Laß dichte Besiedlungnur in großen Abständen bis direkt ans Wasser zu.

Eine Muster Sprache 25 ZUGANG ZUM WASSER

 

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Die Breite des Landstreifens variiert nach Gewässerart und ökologischen Bedingungen. In einem Fall kann es bloß eine schmale Steinpromenade sein - PROMENADE (31). In einem anderen Fall kann es ein Dünenstreifen hunderte Meter über den Strand hinaus sein - DAS LAND (7). Keinesfalls bau Straßen entlang des Wassers näher als 1,5 km; leg stattdessen alle Zufahrtstraßen rechtwinkelig zum Ufer, in großen Abständen - PARALLELE STRASSEN (23). Wenn Parken möglich sein soll, laß nur kleine Parkplätze zu - KLEINE PARKPLÄTZE (103) ...

 

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024.0

... es gibt in jeder Region und in jeder Stadt, sogar in jeder Nachbarschaft besondere Orte, die zu Symbolen der Gegend und der Verwurzelung ihrer Bewohner geworden sind. Diese Orte können Schönheiten der Natur oder historische Denkmäler aus vergangenen Epochen sein. Auf jeden Fall sind sie in irgendeiner Weise wesentlich. 

 

❖ ❖ 

 

Die geistigen Wurzeln und die Verbindungen zur Vergangenheit gehen den Menschen verloren, wenn die physische Welt, in der sie leben, diese Wurzeln nicht bewahrt.

 

Unsystematische Untersuchungen in unseren Gemeinden führen uns zu der Annahme, daß die Meinungen über solche Stätten, die die Beziehung der Menschen zum Land und zur Vergangenheit verkörpern, in erstaunlichem Maße übereinstimmen. Anscheinend bestehen „die" heiligen Stätten eines Gebietes als objektive kommunale Wirklichkeiten.

Wenn das so ist, müssen sie erhalten und hervorgehoben werden. Die Zerstörung von Stätten, die nach allgemeiner Übereinstimmung Teil des gemeinschaftlichen Bewußtseins geworden sind, schlägt unweigerlich tiefe Wunden in die Gemeinschaft.

Traditionelle Gesellschaften haben die Bedeutung dieser Stätten stets anerkannt. Berge stellen Ziele besonderer Pilgerfahrten dar; Flüsse und Brücken werden zu Heiligtümern. Ein Gebäude oder ein Baum, ein Fels oder ein Stein nimmt Kräfte an, durch die Menschen mit ihrer Vergangenheit in Verbindung treten können.

Die moderne Gesellschaft jedoch ignoriert die psychologische Bedeutung solcher Stätten oft. Sie werden planiert, verbaut, verändert — aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen, ohne Rücksicht auf einfache, aber fundamentale emotionale Erfahrungen; manchmal werden sie von den Verantwortlichen gar nicht erkannt.

Wir schlagen die folgenden zwei Schritte vor:

 

1. Wenn es um irgendein geographisches Gebiet geht - egal wie groß oder klein -, frag möglichst viele Menschen, welche Stätten und Orte für sie die engste Verbindung zu dieser Gegend darstellen; welche Stätten am stärksten wesentliche Werte der Vergangenheit repräsentieren und welche ihre Verbindung zur Gegend symbolisieren. Besteh dann darauf, daß diese Stätten gezielt erhalten werden.

2. Wenn diese Stätten festgelegt und ihre Erhaltung gesichert ist, verbessere sie in einer Weise, die ihre öffentliche Bedeutung verstärkt. Nach unserer Meinung ist der beste Weg, eine solche Stätte in ihrer Wirkung zu verstärken, das Anlegen einer Reihe von Vorbereichen, durch die die Leute hindurchgehen, wenn sie sich der Stätte nähern. Dieses Prinzip der „ineinander liegenden Bezirke" ist unter dem Muster GEHEILIGTER BODEN (66) ausführlich behandelt.

Ein Garten, den man nur durch eine Reihe äußerer Gärten erreichen kann, bewahrt sein Geheimnis. Ein Tempel, der nur durch eine Reihe von Vorhöfen erreicht werden kann, bleibt etwas Besonderes in der Erinnerung eines Menschen. Die Großartigkeit eines Berggipfels wird gesteigert, wenn die Hochtäler, aus denen man ihn sieht, schwer zu erreichen sind; die Schönheit einer Frau wird gesteigert, wenn die Enthüllung langsam vor sich geht; die Schönheit eines Flußufers mit seinen Strudeln, Wasserratten, kleinen Fischen und wilden Pflanzen wird durch zu direkten Zutritt zerstört; ebenso hält auch die Ökologie einer allzu direkten Annäherung nicht stand: das Ding wird einfach aufgezehrt.

Um die heilige Stätte herum müssen wir also eine Reihe von Bereichen bauen, die sich schrittweise steigern und in der Stätte selbst ihren Höhepunkt haben. Sie wird zu einem inneren Heiligtum, das im Kern liegt. Wenn die Stätte sehr groß ist etwa ein Berg -, kann dasselbe Verfahren auf bestimmte Orte angewendet werden, von denen sie zu sehen ist - ein inneres Heiligtum, das nach vielen Stufen erreicht wird, das aber nicht der Berg selbst ist, sondern etwa ein Garten, der einen besonders schönen Blick auf den Berg bietet.

 

Daraus folgt:

Egal ob heilige Stätten groß oder klein sind, in der Egal ob heilige Stätten groß oder klein sind, in der Mitte von Städten, in Nachbarschaften oder in der Einöde, sorg für strenge Bestimmungen zum absoluten Schutz dieser Stätten, damit unsere Wurzeln in der sichtbaren Umgebung nicht zerstört werden.

Eine Muster Sprache 24 HEILIGE STÄTTEN

 

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Leg an jede heilige Stätte einen Bereich oder eine Reihe von Bereichen, wo Leute sich entspannen und unterhalten können und die Stätte trotzdem gegenwärtig ist - RUHIGE HINTERSEITEN (59), DIE AUSSICHT DES MÖNCHS (134), PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171), SITZPLATZ IM GARTEN (176). Vor allem schirm den Zugang zur Stätte ab, sodaß sie nur zu Fuß erreichbar ist, und zwar durch eine Reihe von Toren und Schwellen, die sie allmählich enthüllen - GEHEILIGTER BODEN (66)....

 

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023.0

... in früheren Mustern haben wir vorgeschlagen, daß Städte in Lokalverkehrszonen unterteilt werden, deren Straßen zwar an die Ringstraßen anschließen, aber interne Fahrten durch das Gebiet verhindern — LOKALVERKEHRSZONEN (11), RINGSTRASSEN (17) —, und daß diese Lokalverkehrszonen weiter in Gemeinden und Nachbarschaften unterteilt sind, wobei alle Hauptstraßen in den Grenzen zwischen Gemeinden und Nachbarschaften liegen — SUBKULTUR-GRENZE (13), NACHBARSCHAFTSGRENZE (15). Wie sollen diese Straßen nun angeordnet sein, um den Verkehrsfluß im Sinne der LOKALVERKEHRSZONEN (11) zu steuern und die Grenzen der kleineren Einheiten aufrechtzuerhalten?

 

❖ ❖ 

 

Das rasterförmige Straßenmuster ist überholt. Die Städte ersticken im Verkehrsstau. Autos können auf Schnellstraßen durchschnittlich 100 km/h erreichen, aber bei Fahrten durch die Stadt liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit nur bei 15-25 km/h.

In vielen Fällen wollen wir freilich die Autos loswerden, statt sie schneller zu machen. Dieser Punkt wird in LOKALVERKEHRS-ZONEN (11) ausführlich behandelt. Aber außerhalb der Bereiche, wo Kinder spielen, Leute gehen oder radfahren, muß es trotzdem bestimmte Straßen geben, auf denen Autos fahren. Die Frage ist: wie müssen diese Straßen beschaffen sein, damit sie von Autos rasch und ohne Stau befahren werden können?

Es stellt sich heraus, daß die Durchschnittsgeschwindigkeit auf heutigen Straßen vor allem durch Querverkehr eingeschränkt wird: durch Linksabbiegen über die Gegenverkehrs-richtung und Vier-Richtungs-Kreuzungen. (G. F. Newell, „The Effect of Left Turns an the Capacity of Traffic Intersection", Quarterly of Applied Mathematics, XVII, April 1959, S. 67-76.)

Um den Verkehr zu beschleunigen, muß man also ein Netz von Hauptstraßen schaffen, in dem es keine Vier-Richtungs-Kreuzungen und kein Linksabbiegen über den Gegenverkehr gibt. Das ist leicht zu erreichen, wenn die Hauptstraßen als parallele Einbahnen mit wechselnder Richtung in einem Abstand von vielleicht 100 m angelegt werden und wenn diese Parallelstraßen nur durch größere Schnellstraßen verbunden sind, die sie in Abständen von 3-5 km queren.

Eine Muster Sprache 23 PARALLELE STRASSEN

Dieses Muster ist in drei Publikationen ausführlich dargestellt worden („The Pattern of Streets", C. Alexander, AIP Journal, September 1966; Criticism by D. Carson und P. Roosen Runge, und Alexanders Antwort in AIP Journal, September 1967). Für die vollständige Ableitung aller Entwurfsdetails verweisen wir auf diese Arbeiten. Die Darstellung hier ist eine stark zusammengefaßte Version. Wir konzentrieren uns auf die irreführende Frage der erforderlichen Umwege, weil das für viele Leute der überraschendste Aspekt des ganzen Gedankengangs ist.

Das Muster der parallelen Straßen enthält keine Querstraßen gleichen Ranges und verursacht daher viele Umwege, die im heutigen Rastermuster nicht nötig sind. Auf den ersten Blick scheint es, als wären diese Umwege unzumutbar lang. In den oben genannten Arbeiten wird genau nachgewiesen, daß sie sich in Grenzen halten. Wir fassen die Argumente zusammen.

 Eine Muster Sprache 23 PARALLELE STRASSEN 1

 *) Die Daten für die Verteilung der Fahrtlängen erhielten wir von*) Die Daten für die Verteilung der Fahrtlängen erhielten wir von Edward M. Hall: "Travel Characteristics of Two San Diego Suburban Developments", Hlghway Research Board Bulletin 2039, Washington, D.C., 1958, S. 1-19, Bild 11. Diese Daten sind typisch für Großstadtgebiete der westlichen Welt.

 

Die wahrscheinliche Länge des Umwegs für eine beliebige Fahrt gegebener Länge kann in unserem System paralleler Straßen als Funktion der Entfernung zwischen den kreuzenden Schnellstraßen berechnet werden. Weiters kann die Wahrscheinlichkeit jeder bestimmten Fahrtlänge aus Erhebungen von Fahrten in Großstadtbereichen entnommen werden. Aus diesen Wahrscheinlichkeiten kann man schließlich eine durchschnittliche Fahrtlänge und durchschnittliche Umwege berechnen.

Wir sehen also, daß sogar, wenn die kreuzenden Schnellstraßen 3 km voneinander entfernt sind, die Umwege wegen der fehlenden Querstraßen nur 5% betragen. Gleichzeitig aber steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrten von 25 km/h auf 75 km/h, also auf das Dreifache. Die bedeutende Zeit- und Kraftstoffersparnis rechtfertigt die geringe Zunahme der Weglänge bei weitern.

Auf der Tabelle der Umwege wird man auch bemerken, daß die längsten Umwege bei den kürzesten Fahrten stattfinden. Wir haben schon früher — LOKALVERKEHRSZONEN (11)— dargelegt, daß man zur Erhaltung der städtischen Umweltqualität den Gebrauch des Autos für sehr kurze Fahrten einschränken und stattdessen das Gehen, Radfahren, Autobusse und Pferde fördern muß. Das Muster der parallelen Straßen paßt also genau zu den Bedürfnissen der Lokalverkehrszonen. Es macht längere Fahrten viel effizienter, erschwert dagegen sehr kurze Fahrten mit dem Auto und schafft so genau die innere Verkehrsstruktur, die die Lokalverkehrszonen brauchen.

Das Muster erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich; tatsächlich ist es in vielen Teilen der Welt bereits vorhanden und hat sich bewährt. Bern z.B. ist eine der wenigen europäischen Städte, die nicht an akuten Verkehrsproblemen leiden. Auf einem Stadtplan von Bern sieht man, daß seine Altstadt aus fünf langen parallelen Straßen gebildet ist und fast keine Querstraßen hat. Wir glauben, daß dieses Muster der Grund für die geringe Überlastung der Altstadt ist. In vielen großen Städten wird heute dieser Einsicht in Form von immer zahlreicheren Einbahnen schrittweise Rechnung getragen: in New York die abwechselnden Einbahnen der Avenues, in der Innenstadt von San Francisco die Einbahnen der Hauptstraßen.

Eine Muster Sprache 23 PARALLELE STRASSEN 2 

Daraus folgt:

Innerhalb einer Lokalverkehrszone leg überhaupt Innerhalb einer Lokalverkehrszone leg überhauptkeine kreuzenden Hauptstraßen an; errichte statt des-sen ein System von parallelen Einbahnen in wechselnder Richtung, die den Verkehr zu den RINGSTRASSEN (17) weiterleiten. In bestehenden Städten bau diese Struktur schrittweise auf, indem Hauptstraßen nach und nach als Einbahnen geführt und querende Straßen auf-gelassen werden. Leg die parallelen Straßen mindestens 100 m auseinander (damit Nachbarschaften da-zwischen Platz haben), aber nicht weiter als 300 oder 400 m.

Eine Muster Sprache 23 PARALLELE STRASSEN 3

 

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Die Parallelstraßen sind die einzigen Durchfahrtsstraßen in einer LOKALVERKEHRSZONE (11). Für die Zufahrt von den parallelen Straßen zu öffentlichen Gebäuden, Hausgruppen und Einzelhäusern leg sichere, langsame, schmale Straßen, jedoch keine Durchfahrtsstraßen an — ÖFFENTLICHE STRASSEN IN SCHLEIFEN (49), GRÜNE STRASSEN (51) — und mach ihre Kreuzungen mit den Parallelstraßen T-förmig — T-KREUZUNGEN (50). Leg das Fußwegesystem rechtwinkelig zu den parallelen Straßen, und zwar überall dort, wo die beiden parallel laufen, in erhöhter Lage — NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52), ERHÖHTER GEHWEG (55). Sieh eine STRASSENÜBERQUERUNG (54) vor, wo Wege die Parallelstraßen kreuzen...

 

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