EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

010.0

... neben dem MOSAIK AUS SUBKULTUREN (8) ist vielleicht das wichtigste Kennzeichen einer Stadtstruktur das Muster der Zentren intensivsten Stadtlebens. Diese Zentren können durch ihre Vielfalt zur Bildung des Subkulturen-Mosaiks beitragen; ebenso zur Bildung der STADT-LAND-FINGER (3), wenn sich jedes an einer Stelle befindet, wo verschiedene Finger zusammenkommen. Dieses Muster wurde zum ersten Mal von Luis Racionero beschrieben unter dem Titel "Downtowns of 300.000".

 

❖ ❖ 

 

Nur wenige Menschen können sich dem Zauber der Großstadt entziehen. Durch die Zersiedelung aber wird er jedem genommen, außer den Glücklichen oder Reichen, die in der Nähe der größten Zentren leben.

 

Das geschieht notwendigerweise in jeder städtischen Region mit einem einzigen, dicht bebauten Kern. Nah am Kern ist der Boden teuer; nur wenige Menschen können nah genug leben, um echten Zugang zum Stadtleben zu haben; die meisten leben weit außerhalb des Kerns. Sie sind in jeder Hinsicht in der Vorstadt und haben nur gelegentlich Zugang zum Stadtleben. Dieses Problem ist nur lösbar, indem der Kern dezentralisiert wird und eine Anzahl kleinerer Kerne bildet, jeder einer besonderen Lebensart gewidmet, sodaß trotz der Dezentralisierung jeder noch stark genug ist und einen Anziehungspunkt für die ganze Region darstellt.

Der einzelne isolierte Kern entsteht durch einen einfachen Mechanismus. Städtische Dienstleistungen neigen zur Agglomeration. Restaurants, Theater, Geschäfte, Volksfeste, Cafes, Hotels, Nachtklubs, Unterhaltung, spezielle Dienstleistungen tendieren zur Anhäufung, und zwar deshalb, weil jedes Unternehmen dorthin strebt, wo die meisten Leute sind. Sobald sich der Ansatz eines Kerns in der Stadt gebildet hat, lassen sich alle interessanten Dienstleistungen - gerade die interessantesten mit dem größten Besucherpotential - in diesem einen Kern nieder. Der eine Kern wächst immer weiter. Das Stadtzentrum wird riesig. Es wird reich, vielfältig, faszinierend. Aber allmählich steigt mit dem Wachsen des Stadtgebiets die durchschnittliche Entfernung einer Wohnung von diesem Zentrum; die Bodenpreise rund um das Zentrum steigen so sehr, daß Wohnungen von Geschäften und Büros verdrängt werden - bis bald niemand oder fast niemand wirklich mit dem Zauber in Berührung bleibt, der Tag und Nacht in diesem solitären Zentrum herrscht.

Das Problem liegt auf der Hand. Einerseits unternehmen die Leute nur begrenzte Anstrengungen, um Güter und Dienstleistungen zu erlangen, Veranstaltungen zu besuchen, auch wenn es die besten sind. Andererseits kann wirkliche Vielfalt und Auswahl nur bei konzentrierter und zentralisierter Aktivität entstehen; und wenn Konzentration und Zentralisierung zu stark werden, nehmen sich die Leute nicht mehr die Zeit hinzufahren.

Wenn das Problem durch Dezentralisierung der Zentren gelöst werden soll, müssen wir uns fragen, welche Minimalbevölkerung ein Zentralgebiet, das den Zauber der Stadt aufweist, tragen kann. Otis D. Duncan zeigt in "The Optimum Size of Cities" (Cities and SOciety, P. K. Hatt und A. J. Reiss, Hrsg., New York: The Free Press, 1967, S. 759-772), daß Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern einen ausreichenden Markt zur Erhaltung von 61 verschiedenen Branchen von Einzelhandelsgeschäften bilden und daß Städte mit über 100.000 Einwohnern anspruchsvolle Juwelier-, Pelz- und Modehäuser erhalten können. Er zeigt auch, daß Städte mit 100.000 Einwohnern eine Hochschule, ein Museum, eine Bibliothek, einen Zoo; ein Symphonierorchester, eine Tageszeitung, ein Hörfunkstudio unterhalten können, aber daß eine Bevölkerung von 250.000 bis 500.000 Einwohnern erforderlich ist, um eine spezialisierte Ausbildungsstätte wie eine medizinische Fakultät, um eine Oper oder alle Studios aller TV-Sender zu unterhalten.

In einer Studie über die regionalen Einkaufszentren in Chicago stellte Brian K. Berry fest, daß Zentren mit 70 Einzelhandelsbranchen eine Bevölkerung von ungefähr 350.000 Menschen versorgen (Geography of Market Centers and Retail Distribution, New Jersey: Prentice-Hall, 1967, 5.47). T. R. Lakshmanan und Walter G. Hansen zeigten in "A Retail Potential Model" (American Institute of Planners Journal, Mai 1965, S.134-143) daß voll ausgestattete Zentren mit vielfältigem Einzelhandels- und Dienstleistungsspektrum und eben solchen Erholungs-und Kulturaktivitäten für eine Bevölkerung von 100.000 bis 200.000 möglich sind.

Es scheint also durchaus möglich, sehr komplexe und reiche städtische Funktionen in ein Zentrum zu bekommen, das nicht mehr als 300.000 Einwohner bedient. Da es aus den angeführten Gründen so viele Zentren wie möglich geben soll schlagen wir für die Stadtregion Zentren für je 300.000 Einwohner vor, so breit gestreut, daß jede Person in der Region nah genug an einem dieser größeren Zentren ist.

Um das konkreter zu machen, ist es interessant, sich die Entfernungen zwischen diesen Zentren in einer typischen Stadtregion vorzustellen. Bei einer Dichte von 2000 Einwohner/km² (die Dichte der weniger besiedelten Teile von Los Angeles), beträgt der Durchmesser der von 300.000 Einwohnern benötigten Fläche rund 15 km; bei einer höheren Dichte von 30.000 Einwohner/km² (die Dichte im Zentrum von Paris) hat die von 300.000 Einwohnern benötigte Fläche einen Durchmesser von etwa 3 km. Andere Muster unserer Sprache ergeben eine viel dichtere Stadt als Los Angeles, aber eine etwas weniger dichte als das zentrale Paris - HÖCHSTENS VIER GESCHOSSE (21), RINGE VERSCHIEDENER DICHTE (29). Wir nehmen also diese groben Schätzungen als Ober- und Untergrenze. Wenn jedes Zentrum 300.000 Einwohner versorgt, werden diese mindestens 3 km und wahrscheinlich nicht mehr als 15 km auseinander liegen.

Ein Punkt bleibt noch zu klären. Der Zauber einer Großstadt entsteht durch die enorme Spezialisierung von menschlichen Leistungen. Nur in einer Stadt wie New York kann man mit Schokolade überzogene Ameisen essen, einen dreihundert Jahre alten Gedichtband kaufen oder eine karibische Steel-Band mit amerikanischen Folksängern hören. Im Vergleich damit ist eine Stadt von 300.000 mit einer zweitklassigen Oper, ein paar großen Kaufhäusern und einem halben Dutzend guter Restaurants eine Provinzstadt. Es wäre absurd, wenn aus den neuen Stadtzentren für je 300.000, die den Zauber der Stadt erlangen wollen, schließlich ein Haufen zweitklassiger Provinzstädte würde.

Dieses Problem ist nur zu lösen, wenn jeder der Kerne nicht nur einen Einzugsbereich von 300.000 Einwohnern versorgt, sondern auch spezielle Merkmale bietet, die die anderen Zentren nicht haben, sodaß jeder Kern, obwohl er klein ist, in gewisser Hinsicht einige Millionen Einwohner versorgt und daher so anregend und einmalig wird, wie es nur in einer Stadt solcher Größe möglich ist.

Es muß also, wie in Tokyo oder London, das Muster so angelegt sein, daß ein Kern die besten Hotels hat, ein anderer die besten Antiquitäten, einer anderer die Musik und wieder ein anderer Fische und Segelboote. Dann lebt jede Person in Reichweite von mindestens einem Stadtzentrum, andererseits sind alle Stadtzentren einen Besuch wert und haben wirklich den Zauber einer Großstadt.

 

Daraus folgt:

Mach den Zauber der Stadt für jeden Einwohner eines Großstadtgebiets erreichbar. Durch eine gemeinsame Regionalpolitik muß das Wachstum zentraler Bereiche so stark eingeschränkt werden, daß keiner über die Versorgung von 300.000 Einwohnern hinauswächst. Mit diesem Einzugsbereich liegen die Zentren zwischen 3 km und 15 km auseinander.

 

Eine Muster Sprache   10 DER ZAUBER DER STADT Grafik

 

❖ ❖ 

 

Behandle jedes Stadtzentrum als eine Fußgänger- und Lokalverkehrszone - LOKALVERKEHRSZONEN (11), PROMENADE (31) mit guten Verbindungen zu den Außengebieten - ÖFFENTLICHES VERKEHRSNETZ (16); fördere eine reiche Konzentration des Nachtlebens in jedem Zentrum - NACHTLEBEN (33) - und halte zumindest bestimmte Teile frei für spontane Elemente des Straßenlebens - VERGNÜGUNGSPARK (58), TANZEN AUF DER STRASSE (63) ....

 

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009.0

...dieses Muster trägt zur allmählichen Entwicklung des MOSAIKS AUS SUBKULTUREN (8) bei, indem es Familien und Arbeit zusammenlegt und so das Entstehen stark unterschiedlicher Subkulturen mit individuellem Charakter begünstigt.

 

❖ ❖ 

 

Die künstliche Trennung von Wohnung und Arbeit schaff! einen unerträglichen Zwiespalt im Innenleben der Menschen.

 

In moderner Zeit setzen fast alle Städte Zonen für "Arbeit" und andere Zonen für "Wohnen" fest und erzwingen die Trennung meist auf gesetzlichem Weg. Für die Trennung werden zwei Gründe angegeben: Erstens müssen die Arbeitsplätze aus kommerziellen Gründen nahe beisammen sein; zweitens zerstören die Arbeitsstätten die Ruhe und Sicherheit der Wohngebiete.

 

009.1

009.2

Konzentration und Absonderung von Arbeit führt zu toten Nachbarschaften. 

 

Diese Trennung schafft jedoch im Gefühlsleben der Menschen einen entscheidenden Zwiespalt. Kinder wachsen in Gegenden auf, wo es außer an Wochenenden keine Männer gibt; Frauen sind in einer Atmosphäre gefangen, wo von ihnen nur erwartet wird, daß sie hübsche und intelligente Hausfrauen sind; Männer sind gezwungen, den Bruch zu akzeptieren, daß sie den größeren Teil ihres wachen Lebens "in der Arbeit, fern von der Familie" verbringen und dann den anderen Teil "mit der Familie, fern von der Arbeit".

Diese Trennung bestärkt durch und durch die Vorstellung, daß Arbeit eine Plackerei und nur das Famlienleben "Leben" ist - eine schizophrene Ansicht, die enorme Probleme für alle Mitglieder einer Familie aufwirft.

Um diesen Bruch zu überwinden und die Verbindung zwischen Liebe und Arbeit - von zentraler Bedeutung für eine gesunde Gesellschaft - wiederherzustellen, muß eine Neuverteilung aller Arbeitsplätze in die Wohngebiete hinein stattfinden, sodaß Kinder tagsüber in der Nähe von Männern wie auch von Frauen sind, daß Frauen sich vorstellen können, sowohl liebende Mütter und Ehefrauen als auch schöpferisch tätig zu sein, und daß auch Männer eine ständige Verbindung zwischen ihrem Arbeitsleben und ihrem Leben als Ehemann und Vater herstellen können.

Was ist für eine solche Verteilung von Arbeitsstätten erforderlich?

  1. Von jeder Wohnung aus sind innerhalb von 20-30 Minuten hunderte Arbeitsplätze erreichbar.
  2. Viele Arbeitsplätze sind für Kinder und Angehörige zu Fuß erreichbar.
  3. Beschäftigte können gelegentlich nach Hause essen gehen, Wege erledigen, halbtags arbeiten und einen halben Tag zu Hause bleiben.
  4. Eine Anzahl von Arbeitsplätzen ist in den Wohnungen; es gibt viele Möglichkeiten, die Arbeit von der Wohnung aus zu erledigen oder Arbeit mit nach Hause zu nehmen.
  5. Wohngebiete sind vor Verkehr und Lärm "schädlicher" Arbeitsplätze geschützt.

Das einzige Muster von Arbeitsstätten, das diesen Anforderungen gerecht wird, ist ein Muster der Streuung von Arbeitsstätten:
ein Muster, in dem Arbeit stark dezentralisiert ist. Um die Wohngebiete vor Lärm und Verkehr zu schützen, könnten manche störenden Arbeitsstätten in den Grenzstreifen zwischen Wohngebieten, Gemeinden und Subkulturen liegen - siehe SUBKULTURGRENZE (13); andere, weniger störende oder schädliche, könnten direkt in Wohnungen oder Wohngebiete eingebaut werden. In beiden Fällen ist der entscheidende Punkt: Jede Wohnung ist nur einige Minuten von dutzenden Arbeitsplätzen entfernt. Dann wäre jeder Haushalt in der Lage, eine persönliche Ökologie von Wohnen und Arbeiten aufzubauen: Allen Mitgliedern steht es frei, sich einen Arbeitsplatz in der Nähe der Familie und der Freunde zu suchen. Die Leute können sich zum Essen treffen, Kinder können vorbeikommen, die Beschäftigten haben nicht weit nach Hause. Und wenn solche Verbindungen bestehen, werden die Arbeitsplätze selbst zwangsläufig freundlicher werden, mehr wie Wohnungen, wo das Leben nicht für acht Stunden verbannt ist, sondern weitergeht.

In traditionellen Gesellschaften, wo Arbeitsstätten relativ klein und Haushalte vergleichsweise autark sind, ist dieses Muster etwas Natürliches. Aber ist es vereinbar mit den Tatsachen hochentwickelter Technologie und fabrikmäßiger Konzentration der Arbeitskräfte? Wie zwingend ist die Forderung, daß Arbeitsstätten nahe beisammen sein müssen?

Das Hauptargument für die Zentralisierung von Betriebsanlagen und deren ständiges Größenwachstum ist ein ökonomisches. Es ist immer wieder dargelegt worden, daß in größerem Produktionsmaßstab Einsparungen möglich sind, Vorteile, die aus der Produktion einer übergroßen Anzahl von Gütern und Dienstleistungen an einer Stelle entstehen.

Große, zentralisierte Organisationen sind jedoch keine wesentliche Bedingung der Massenproduktion. Viele ausgezeichnete Beispiele zeigen, daß die Arbeit beträchtlich gestreut sein kann, obwohl Güter und Leistungen von enormer Komplexität produziert werden. Eines der besten historischen Beispiele ist die Jura-Vereinigung der Uhrmacher, entstanden in den Schweizer Bergdörfern in den frühen 1870er Jahren. Diese Arbeiter erzeugten Uhren in ihren Hauswerkstätten; jeder blieb unabhängig, obwohl er seine Tätigkeit mit anderen Erzeugern aus den umliegenden Dörfern koordinierte. (Zu einer Beschreibng dieser Vereinigung siehe z. B. George Woodcock, Anarchlsm: A History of Libertarian Ideas and Movements, Cleveland: Meridian Books, 1962, S. 168-169.)

Für unsere Zeit hat Raymond Vernon gezeigt, daß kleine und verstreute Arbeitsstätten in der großstädtischen Wirtschaft New Yorks viel schneller auf wechselnde Nachfragen und Angebote reagieren und daß die Kreativität in der Anhäufung kleiner Unternehmen um ein Vielfaches höher ist als die der schwerfälligeren und zentralisierten Industriegiganten. (Siehe Raymond Vernon: Metropolis 1985, Kapitel 7: External Economies.)

Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst klar machen, daß die Stadt selbst eine ungeheure zentralisierte Arbeitsstätte ist und daß die Vorteile dies,er Zentralisierung potentiell jeder Teilgruppe innerhalb dieser ungeheuren Gemeinschaft von Arbeitsstätten zur Verfügung stehen. In der Tat wirkt die städtische Region als Ganzes zusammen und bewirkt durch ihre Größe Einsparungen, indem sie Tausende von Einzelgruppen in Reichweite zueinander bringt. Wenn man diese Art von "Zentralisierung" richtig weiterentwickelt, kann sie eine unendliche Zahl von Kombinationen zwischen kleinen verstreuten Arbeitsgruppen hervorbringen. Außerdem können die Produktionsmethoden viel flexibler werden. "Wenn wir einmal verstanden haben, daß die moderne Industrie nicht notwendigerweise finanzielle und räumliche Konzentration mit sich bringt, werden - so glaube ich - kleinere Zentren entstehen, und die wirklichen Vorteile der Technologie werden sich breiter verteilen." (Lewis Mumford: Sticks and Stones, New York, 1924, S. 216.)

Vergessen wir nicht, daß sogar so komplizierte und scheinbar zentralisierte Vorhaben wie der Bau einer Brücke oder einer Mondrakete auf diese Weise organisiert sein können. Ein Gebäude aus Verträgen und Sub-Verträgen ermöglicht die Produktion komplizierter industrieller Güter und Leistungen, indem die Tätigkeit hunderter kleiner Firmen kombiniert wird. Das Apollo-Projekt brachte mehr als 30.000 unabhängige Firmen zusammen, die die kompliziertesten Raumfahrzeuge zum Mond herstellten.

Außerdem zeigt sich, daß die Organisationen, die derartige Vielfachverträge abschließen, kleine halbautonome Firmen bevorzugen. Sie wissen instinktiv: Je kleiner und unabhängiger die Gruppe, desto besser das Produkt und die Leistung (Small SeIlers and Large Buyers in American Industry, Business Research Center, College of Business Administration, Syracuse University, New York, 1961).

Um es klarzustellen: Wir meinen keineswegs, daß die Dezentralisierung der Arbeit den Vorrang vor einer hochentwickelten Technologie haben sollte. Wir glauben, daß beide vereinbar sind: Es ist möglich, das menschliche Bedürfnis nach interessanter und schöpferischer Arbeit mit der anspruchsvollen Technologie der modernen Zeit zu verschmelzen. Es ist möglich, Fernsehgeräte, Xerox-Kopierer, IBM-Schreibmaschinen, Autos, Stereoanlagen und Waschmaschinen unter menschlichen Arbeitsbedingungen herzustellen. Wir erwähnen besonders Xerox-und IBM-Geräte, weil sie eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieses Buches gespielt haben. Wir hätten dieses Buch ohne diese Maschinen nicht in der gemeinschaftlichen Weise zustande gebracht, wie es der Fall war; diese Geräte sind ein lebenswichtiger Teil der angestrebten, dezentralisierten Gesellschaft.

 

009.3

Eine kleine Fabrik in Zemun, Jugoslawien; die Arbeitsgruppe baut eine Erntemaschine, die sie aus eigenem Entschluß produziert und auf den Markt bringt.

 

Daraus folgt:

Benutz Flächenwidmung, Gebietsplanung, Steueranreize und alle andern verfügbaren Mittel, um eine Streuung der Arbeitsstätten über die ganze Stadt zu erreichen. Verhindere große Konzentrationen von Arbeitsstätten ohne Familienleben in der Nähe. Verhindere große Konzentrationen von Familienleben ohne Arbeitsstätten in der Nähe.

 

Eine Muster Sprache   9 STREUUNG DER ARBEITSSTÄTTEN Grafik

 

❖ ❖ 

 

Die Streuung der Arbeitsstätten kann die verschiedensten Formen annehmen. Sie kann als Industriegürtel auftreten, wo deine Industrie 1/2 ha oder mehr zwischen Gebieten von Subkulturen einnehmen muß - SUBKULTUR-GRENZE (13), INDUSTRIEBAND (42); sie kann in Form von Arbeitsgemeinschaften auftreten, die in den Wohnbezirken verstreut sind - NACHBARSCHAFTSGRENZE (15), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41); es können individuelle Werkstätten sein, direkt zwischen den Häusern - WERKSTATT IM HAUS (157). Die Größe jeder Arbeitsstätte wird nur durch die Art der Gruppe und den Prozeß der Selbstverwaltung begrenzt. Das wird im einzelnen in SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80) behandelt. ...

 

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008.0

... die Grundstruktur einer Stadt ergibt sich aus der Beziehung zwischen urbanisierten Flächen und offenem Land - STADT-LAND-FINGER (3). Innerhalb der Streifen städtischen Bodens muß das wichtigste Strukturmerkmal die breite Vielfalt von Bevölkerungsgruppen und Subkulturen sein; die dort zusammenleben.

 

❖ ❖ 

 

Der homogene und undifferenzierte Charakter moderner Städte tötet jede Vielfalt der Lebensstile und hemmt die Entstehung individuellen Charakters.

 

Vergleiche drei mögliche Arten der Bevölkerungsverteilung in der Stadt:

1. In der heterogenen Stadt ist die Bevölkerung durchmischt, ungeachtet ihrer Lebensstile oder Kulturen. Das mag abwechslungsreich erscheinen. In Wirklichkeit dämpft es alle kennzeichnenden Unterschiede, hemmt die meisten Möglichkeiten der Differenzierung und fördert die Anpassung. Alle Lebensstile reduzieren sich mehr und mehr auf einen gemeinsamen Nenner. Was heterogen erscheint, stellt sich als homogen und langweilig heraus.

 

Eine Muster Sprache   8 MOSAIK AUS SUBKULTUREN   Die heterogene Stadt

 

2. In einer Stadt, die aus "Ghettos" besteht, haben die Menschen die elementarsten und banalsten Formen der Unterscheidung als Rückhalt - Rasse oder ökonomischen Status. Die Ghettos sind in sich noch homogen und lassen es nicht zu, daß eine merkliche Verschiedenheit der Lebensstile entsteht. Die Menschen in Ghettos sind gewöhnlich gezwungen, dort zu leben, isoliert von der übrigen Gesellschaft, unfähig zur Entwicklung ihrer eigenen Lebensweise, manchmal auch intolerant gegenüber den Lebensweisen anderer.

 

Eine Muster Sprache   8 MOSAIK AUS SUBKULTUREN   Stadt aus Ghettos.

 

3. In einer Stadt, die aus einer großen Zahl relativ kleiner  Subkulturen besteht, von denen jede einen identifizierbaren Ort einnimmt und von den anderen durch ein Stück Nicht-Wohngebiet getrennt ist, können sich neue Lebensweisen entwickeln. Die Menschen können die Art Subkultur wählen, in, der sie leben wollen und doch viele andere Lebensweisen kennen lernen. Jedes Milieu fördert die gegenseitige Unterstützung und den Sinn für gemeinsame Werte. So können Individualitäten entstehen.

 

Eine Muster Sprache   8 MOSAIK AUS SUBKULTUREN   Mosaik aus Subkulturen

 

Dieses Muster eines Mosaiks aus Subkulturen wurde ursprünglich von Frank Hendricks vorgeschlagen. Seine letzte Arbeit, die dieses Thema behandelt, ist "Concepts of environmental quality standards based on life styles", gemeinsam mit Malcolm MacNair (Pittsburgh, Pennsylvania: University of Pittsburgh, Februar 1969). Die diesem Muster zugrundeliegen den psychologischen Bedürfnisse, die die räumliche Trennung funktionierender Subkulturen erfordern, sind beschrieben in:
Christopher Alexander, "Mosaic of Subcultures", Center for Environmental Structure, Berkeley, 1968. Die folgende Darstellung ist ein Auszug aus jener Arbeit.

 

1.

Wir 'sind die hohlen Menschen,
wir sind die ausgestopften Menschen.
aneinandergelehnt,
oben mit Stroh gefüllt. Leider.


Figur ohne Form, Schatten ohne Farbe,
gelähmte Kraft, Geste ohne Bewegung;


T. S. Eliot

 

Viele Menschen, die in Großstadtgebieten leben, haben einen schwachen Charakter. Tatsächlich scheint es geradezu ein Merkmal von Großstadtgebieten zu sein, daß die Leute dort einen ausgesprochen schwachen Charakter haben, verglichen mit dem Charakter, der sich in einfacheren und rauheren Situationen entwickelt. Diese Charakterschwäche ist die Ergänzung zu einem anderen, noch mehr hervortretenden Merkmal von Großstadtgebieten: der Homogenität und dem Mangel an Vielfalt der Bewohner. Freilich, Charakterschwäche und Mangel an Vielfalt sind zwei Seiten einer Münze: einer Situation, in der Menschen ein relativ undifferenziertes Selbst haben. Charakter kann nur in einem Ich entstehen, das sich stark unterscheidet und ein Ganzes ist: Eine Gesellschaft von relativ homogenen Menschen ist definitionsgemäß eine solche, wo das individuelle Ich nicht stark unterschieden ist.

Nehmen wir Zuerst das Problem der Vielfalt. Die Vorstellung von Menschen als Millionen gesichts- und namenloser Zahnräder zieht sich durch die Literatur des 20. Jahrhunderts. Der moderne Wohnbau spiegelt dieses Bild wider und hält es aufrecht. Die große Mehrheit des heutigen Wohnbaus trägt den Stempel der Massenproduktion. Nebeneinander liegende Wohnungen sind identisch. Nebeneinander liegende Häuser sind identisch. Das verheerendste aller Bilder war ein Foto, das vor einigen Jahren in Life als Werbung für eine Bauholzfirma erschien:
Es zeigte einen riesigen Raum voller Leute; alle hatten genau das gleiche Gesicht. Im' Bildtext hieß es: Zur Feier seines Geburtstages tragen die Aktionäre der Gesellschaft nach dem Gesicht des Präsidenten hergestellte Masken.

Das sind nur Bilder und Zeichen. . .. Aber woher kommen all' die beängstigenden Bilder von Einförmigkeit/menschlichen Nummern und menschlichen Zahnrädern? Warum sprechen Kafka, Camus und Sartre zu unserem Herzen?

Viele Schriftsteller haben diese Frage ausführlich beantwortet - (David Riesman, The Lonely :Crowd; Kurt Goldstein,. The Organism; Max Wertheimer, The Story ot Three Days; Abraham Maslow, Motivation and Personality; Rollo May, Man's·Search for Himself etc.). Ihre Antworten laufen alle auf folgenden wesentlichen Punkt hinaus: Wenn eine Person auch eine andere Kombination von  Eigenschaften aufweist als ihr Nachbar, ist sie nicht wirklich anders, solange sie keine starke Mitte hat, solange ihre Einmaligkeit nicht zu einem Ganzen zusammengefaßt und überzeugend ist. In den Großstadtgebieten scheint das heute nicht der Fall zu sein. Die Leute 'sind im einzelnen zwar verschieden, stützen sich aber immer aufeinander, bemühen sich, anderen nicht zu mißfallen und scheuen sich, sie selbst zu sein;

Dinge werden auf diese oder jene Weise erledigt, weil man das so macht', statt, "weil wir es so richtig finden". Der Kompromiß, das Mitmachen, der Geist der Komitees und alles, was damit zusammenhängt - diese Eigenschaften scheinen in Großstadtgebieten bereits als erwachsen, reif und angepaßt. Euphemismen können jedoch die Tatsache nicht verschleiern, daß Menschen, die etwas tun, um mit anderen auszukommen, statt zu tun, woran sie glauben, damit vermeiden, mit ihrem eigenen Ich zurechtzukommen, dazu zu stehen und andere damit zu konfrontieren. Es ist leicht, diese Charakterschwäche mit Zweckmäßigkeit zu begründen. Aber was man auch dafür vorbringen mag, schließlich zerstört Charakterschwäche die Person; niemand mit schwachem Charakter kann sich selbst lieben. Der Selbsthaß, der so entsteht, schafft nicht die Situation, in der eine Person ein Ganzes werden kann.

Im Gegensatz dazu gibt die Person, die ein Ganzes wird, ihre eigene Natur sichtbar nach außen zu erkennen, laut und klar, für jeden wahrnehmbar. Sie fürchtet sich nicht vor ihrem eigenen Ich; sie steht zu dem, was sie ist. Sie ist sie selbst, stolz auf sich, ist sich ihrer Mängel bewußt, bemüht, diese zu ändern, aber trotzdem stolz auf sich und glücklich, sie selbst zu sein.


Es ist aber schwer, das unter der Oberfläche lauernde Ich herauszulassen und zu zeigen. Es ist soviel leichter, nach Idealen zu leben, die andere aufgestellt haben, sein wahres Ich der Gewohnheit zu beugen, sich selbst hinter Bedürfnissen zu verstecken, die nicht die eigenen sind und die einen unbefriedigt lassen.

Es scheint also klar, daß Vielfalt, Charakter und Selbstfindung eng miteinander verwoben sind. In einer Gesellschaft, wo ein Mensen sein eigenes Ich finden kann, wird es eine genügende Vielfalt von Charakteren geben, und zwar von starken Charakteren. In einer Gesellschaft, wo es schwer ist, sein eigenes Ich zu finden, wird die Bevölkerung homogen erscheinen, wird es weniger Vielfalt geben, und die Charaktere werden schwach sein.

Wenn es stimmt, daß die Charaktere heute in Großstadtgebieten schwach sind, und wir das ändern wollen, müssen wir zunächst verstehen, wie diese Wirkung der Großstadt zustande kommt.

 

2.

Wie schafft die Großstadt jene Bedingungen, in denen es für Menschen schwierig ist, sich selbst zu finden?

Wir wissen, d.i,lß das Individuum sein eigenes Ich aus den Werten, Gewohnheiten, Überzeugungen und Einstellungen formt, die ihm seine Gesellschaft vorgibt. [George Herbert Mead: Mind, Self and Society]. In einer Großstadt steht das Individuum vor einer gewaltigen Szene verschiedener Werte, Gewohnheiten, Überzeugungen und Einstellungen. Während.,in einer primitiven Gesellschaft die Person sich bloß in alte tradierten Überzeugungen einfühlen mußte (gewissermaßen war ein Ich bereits fertig vorhanden), mußte in der modernen Gesellschaft ein Ich für sich selbst aus dem umgebenden Chaos der Werte buchstäblich erfinden.

Wenn man jeden Tag Leute mit leicht unterschiedlichem Hintergrund trifft und jeder anders reagiert, obwohl man das Gleiche tut, wird die Situation immer verwirrender. Die Chance, daß man stark und selbstsicher wird, überzeugt von dem, was man ist und was man tut, fällt drastisch. Ständig einer unberechenbaren, sich verändernden sozialen Welt ausgesetzt, bringen die Menschen nicht mehr die Kraft auf sich selbst zu vertrauen; sie lassen sich immer mehr von der Bestätigung anderer leiten; sie schauen, ob Leute lächeln, wenn sie etwas sagen, wenn ja, reden sie weiter, und wenn nicht, halten sie den Mund. In einer solchen Welt ist es für jeden sehr schwer, irgendeine innere Stärke zu entwickeln.

Wenn wir einmal akzeptieren, daß die Formung des Ich ein sozialer Prozeß ist, dann hängt die Formung eines starken sozialen Ich von der Starke der umgebenden sozialen Ordnung ab. Wenn Einstellungen, Werte, Überzeugungen und Gewohnheiten so verschwommen und durcheinander sind wie in einer Großstadt, wird eine Person, die unter diesen Umständen aufwächst, fast zwangsläufig ebenfalls verschwommen und durcheinander sein. Schwacher Charakter ist ein direktes Ergebnis der gegenwärtigen großstädtischen Gesellschaft.

Dieser Gedanke wurde schon von Margaret Mead in äußerst scharfen Worten zusammengefaßt [Culture, Change and Character Structure]. Eine Reihe von Schriftstellern hat diese Ansicht empirisch untermauert:
Hartshome,.H. und May, M. A., Studies in the Nature of Character, New York: Macmillian, 1929; und "A Summary of the Work of the Character Education Inquiry", Religious Education, 1930, Band 25, S. 607-619 und 754-762. "Widersprüchliche Anforderungen an das Kind in verschiedenen Situationen, in denen es sich vor Erwachsenen verantworten muß verhindern nicht nur den Aufbau eines beständigen Charakters, sondern erzwingen sogar die Unbeständigkeit als Preis für Frieden und Selbstachtung." ...

Das ist aber noch nicht alles. Wir haben gesehen wie die Verschwommenheit der Großstadt schwache Charaktere hervorbringt. Verschwommenheit jedoch bewirkt, wenn sie überhand nimmt, eine bestimmte Art oberflächlicher Gleichförmigkeit. Viele Farben, in vielen kleinen Stückchen vermischt, ergeben als Gesamteffekt grau. Dieses Grau fördert selbst wieder die Entstehung schwachen Charakters. In einer Gesellschaft mit vielen Stimmen und vielen Werten klammern sich die Menschen an die wenigen Dinge, die sie gemeinsam haben. In diesem Sinne schreibt Margaret Mead (op. cit. ,Man neigt dazu, alle Werte auf einfache Maßstäbe wie Dollars, Schulnoten oder andere simple Quantitätsmaße zurückzuführen, wodurch die völlig unvergleichbaren Größen vieler verschiedener kultureller Wertsysteme leicht, aber eben oberflächlich in Einklang gebracht werden können. Und Joseph T. Klapper [The Effects of Mass Communication, Free Press, 1960].


"Die Massengesellschaft erzeugt nicht nur eine verwirrende Situation, in der Menschen sich selbst nur schwer finden können - sie bewirkt auch ein Chaos, in dem die Menschen einer nicht zu bewältigenden Vielfalt gegenüberstehen - die Vielfalt wird zu einem Brei, in dem man sich nur auf das Augenfälligste konzentriert." 
... Es scheint also, daß die Großstadt schwachen Charakter auf zwei fast entgegengesetzten Wegen zusammenbringt; erstens, weil die Menschen einem Chaos von Werten ausgesetzt sind; zweitens, weil sie sich an die oberflächliche Gleichförmigkeit klammern, die all diesen Werten gemeinsam, ist. Eine unbestimmbare Mischung von Werten wird dazu neigen, unbestimmbare Menschen hervorzubringen.

 

3.

Offenbar gibt es viele Wege, das Problem zu lösen. Einige davon sind wohl privater Natur. Andere umfassen eine Vielfalt von sozialen Prozessen, einschließlich Bildung, Arbeit, Unterhaltung-und Familie. Ich beschreibe hier eine bestimmte Lösung, die die großmaßstäbliche soziale Organisation der Großstadt betrifft.

Die Lösung ist folgende: Die Großstadt muß aus einer großen Zahl verschiedener Subkulturen bestehen, jede von ihnen stark artikuliert, mit ihren eigenen scharf umrissenen Werten und scharf von den anderen unterschieden. Obwohl aber diese Subkulturen deutlich, unterschieden und getrennt sein sollen, dürfen sie doch nicht abgeschlossen sein; sie müssen untereinander leicht zugänglich sein, sodaß eine Person durchaus von einer zur anderen ziehen und sich einrichten kann, wo es ihr am besten paßt.

Die Lösung beruht auf zwei Annahmen:

  1. Eine Person wird nur dann ihr eigenes Ich finden und dadurch einen starken Charakter entwickeln können, wenn ihren Eigenarten von den umgebenden Menschen und Werten Rückhalt geboten wird.
  2. Um ihr eigenes Ich zu finden, muß sie auch in einem Milieu leben, wo die Möglichkeit vieler verschiedener Wertsysteme ausdrücklich anerkannt und respektiert wird. Genauer gesagt, sie braucht eine breite Vielfalt an Wahlmöglichkeiten, sodaß sie sich nicht über die Natur der eigenen Person täuscht, erkennt, qaß es viele Arten von Leuten gibt, und die findet, deren Werte und Überzeugungen den ihren am nächsten kommt.

... einer der Mechanismen, die dem Bedürfnis der Menschen nach einer verwandten Umgebungskultur zugrunde liegen könnten: Maslow hat darauf hingewiesen, daß der Prozess der Selbstverwirklichung erst beginnen kann, wenn andere Bedürfnisse, wie das nach Nahrung, Liebe und Sicherheit, bereits erfüllt sind. {Motivation and Personality, S. 84-89.] Je größer nun die Durchmischung der Menschen in 'einem lokalen Stadtgebiet und, ,'e unberechenbarer Fremde in der Nähe des Hauses sind, desto ängstlicher und unsicherer wird man. In Los Angeles und New York ist man soweit, daß die Menschen Türen und Fenster ständig abschließen und eine Mutter sich nicht getraut, ihre fünfzehnjährige Tochter zum Briefkasten an der Ecke zu schicken. Menschen furchten sich, wenn sie von Unbekanntem umgeben sind; das Unbekannte ist gefährlich. Aber solange das Problem dieser Angst nicht gelöst ist, wird sie den Vorrang vor allen anderen Lebensäußerungen haben. Selbstverwirklichung ist erst möglich, wenn diese Angst überwunden ist; und das wiederum ist erst möglich, wenn sich die Menschen auf vertrautem Gebiet befinden, unter ihresgleichen, deren Gewohnheiten und Eigenarten sie kennen und denen sie vertrauen.

... Wenn wir jedoch das Vorhandensein unterschiedlicher Subkulturen befürworten, um die Forderungen unserer ersten Annahme zu erfüllen, so meinen wir damit sicherlich nicht so etwas wie geschlossene StammeskuIturen. Das würde gerade der Qualität ins Gesicht schlagen, die die Großstadt so anziehend macht. Es müßte also möglich sein, daß Leute ohne weiters von einer Subkultur zur anderen ziehen und jene wählen, die ihnen am meisten liegt; und das muß zu jeder Zeit ihres Lebens möglich sein. Tatsächlich müßte das Gesetz, wenn es nötig sein sollte, jeder Person freien Zugang zu jeder Subkultur sichern ....

Es scheint also klar, daß die 'Großstadt eine hohe Anzahl untereinander zugänglicher Subkulturen enthalten sollte. Aber warum sollten diese Subkulturen räumlich getrennt sein? Jemand, der nicht räumlich denkt; könnte leicht einwenden, daß diese Subkulturen im selben Raum koexistieren könnten und müßten, da ja die wesentlichen Beziehungen, aus' denen Kulturen entstehen, die Beziehungen zwischen Menschen sind.

Ich glaube, daß diese Ansicht, sollte sie jemand vorbringen, von Grund auf falsch wäre. Ich werde nun mit einigen Argumenten darlegen, daß der erkennbare Ausdruck von Subkulluren Ökologischer Natur ist; daß unterschiedliche Subkulturen nur als solche überdauern, wenn sie tatsächlich im Raum getrennt sind.

Erstens erwarten ohne Zweifel Menschen aus verschiedenen Subkulturen tatsächlich verschiedene Dinge von ihrer Umwelt. Hendricks hat das klar ausgeführt. Menschen verschiedener Altersgruppen, verschiedener Interessen, verschiedener Einstellung- zur Familie, verschiedenen nationalen Hintergrunds brauchen verschiedene Arten von Häusern, verschiedene Arten von Freiräumen außerhalb ihrer Häuser und vor allem brauchen sie verschiedene Arten von Gemeinschaftseinrichtungen. Diese Einrichtungen können sich nur dann auf die Bedürfnisse einer bestimmten Subkultur spezialisieren, wenn sie mit Sicherheit in Anspruch genommen, wenn die Interessenten aus derselben Subkultur in hoher Dichte vorhanden sind. Leute, die reiten wollen, brauchen Reitwege; Deutsche, die ein Angebot deutscher Lebensmittel suchen, können sich zusammenfinden, wie in' der Gegend von German Town in .. New York; alte Leute könnten Parks zum Sitzen brauchen, weniger störenden Verkehr, nahe Pflegeeinchtungen; Junggesellen könnten Imbißstuben mit Schnellgerichten brauchen; Ärmemer, die jeden Morgen eine orthodoxe Messe hören wollen, werden sich rund um eine armenische Kirche sammeln; Stadtstreicher finden sich bei bestimmten Geschäften und ihren Treffpunkten zusammen; Leute mit Kleinkindern können sich bei Kindergärten und offenen Spielplätzen ansiedeln.

Daraus wird klar, daß jede Subkultur ihr eigenes Leben und ihre eigene Umwelt braucht. Aber Subkulturen müssen nicht nur räumlich konzentriert sein, um konzentriertes Leben zu erlauben. Sie müssen auch deshalb konzentriert sein, damit eine Subkultur die andere nicht verwässert: Sie müssen also nicht nur - in sich betrachtet - stark sein, sondern auch voneinander physisch getrennt. ...

Wir brechen das Zitat hier ab. Der übrige Text weist empirisch nach, daß Subkulturen räumlich getrennt sein müssen, während wir - in diesem Buch - dies als zu einem anderen Muster gehörig betrachten. Dieser Gedankengang findet sich mit empirischen Details in SUBKULTUR-GRENZE (13).

 

Daraus folgt:

Tu, was du kannst, für das Gedeihen der Kulturen und Subkulturen in der Stadt, lös die Stadt so weit wie möglich in ein gewaltiges Mosaik kleiner und unterschiedlicher Subkulturen auf, jede mit eigenem räumlichen Bereich und jede mit dem Recht, ihren spezifischen Lebensstil hervorzubringen. Sorg dafür, daß diese Subkulturen klein genug sind, daß jede Person Zugang zur ganzen Vielfalt von Lebensstilen aus den nahe gelegenen Subkulturen hat.

 

Eine Muster Sprache   8 MOSAIK AUS SUBKULTUREN Grafik

 

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Wir stellen uns die kleinsten Subkulturen nicht größer als 50 m im Durchmesser vor; die größten vielleicht etwa 400 m - GEMEINDE VON 7000 (12), IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14), HAUSGRUPPE (37). Damit die Lebensstile jeder Subkultur sich frei entwickeln können, unbeeinträchtigt von den angrenzenden, ist es wesentlich, zwischen die benachbarten Subkulturen einen markanten Bereich von Nicht-Wohngebieten zu legen - SUBKULTUR-GRENZE (13) ....

 

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007.0

... in jeder Region gibt es zwischen den Städten große Gebiete offenen Lands - Ackerland, Parks, Wälder, Wüsten, Weideland; Seen und Flüsse. Die rechtliche und ökologische Situation dieses offenen Lands ist entscheidend für das Gleichgewicht der Region. Richtig angewendet wird dieses Muster zum Gelingen anderer Muster beitragen: DIE VERTEILUNG DER STÄDTE (2), STADT-LAND-FINGER (3), LANDWIRTSCHAFTSTALER (4), MASCHENNETZ VON LANDSTRASSEN (5) und KLEINSTADTE (6).

 

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In meiner Vorstellung ist das Land für den Gebrauch einer riesigen Familie bestimmt, von der viele tot sind, einige am Leben und unzählige noch nicht geboren. - ein nigerianischer Stammesangehöriger.

 

Parks sind tot und künstlich. Landwirtschaften, die als Privateigentum behandelt werden, berauben die Menschen ihres natürlichen biologischen Erbes - des Landes, von dem sie herkommen.

 

007.1

Eigentum ist Diebstahl.

 

In Norwegen, England und Österreich gilt es als selbstverständlich, daß die Leute auf Wiesen ,und Weiden picknicken, spazieren'gehen und spielen dürfen - solange sie Tiere und Ernte schützen., Aber auch umgekehrt - es gibt keine Wildnis, die sich selbst überlassen wird -, sogar die Berghänge werden terrassiert, gemäht, abgeweidet und gepflegt. 

Wir können diese Gedanken zusammenfassen, indem wir sagen, daß es nur eine Art nicht-städtischen Bodens gibt - das Land. Es gibt keine Parks, keine Farmen, keine unerforschte Wildnis. Jedes Stück Land hat Hüter, die das Recht haben, es zu nutzen, wenn es behaubar ist, oder die Verpflichtung, es zu pflegen, wenn es wild ist. Und jedes Stück Land ist im allgemeinen für die Menschen offen, solange sie die organischen Prozesse, die dort vor sich gehen, respektieren.

Den zentralen Begriff hinter dieser Auffassung von Land beschreibt Aldo Leopold in seinem Essay" The Land Ethic" (A Sand County Almanac. New York: Oxford University Press, 1949). Leopold meint, daß unsere Beziehung zum Boden den Rahmen für die nächste große ethische Veränderung in der menschlichen Gemeinschaft darstellen wird:

Diese Erweiterung der Ethik, mit der sich bis jetzt nur die Philosophen beschäftigt haben, ist in Wirklichkeit ein Prozess der ökologischen Entwicklung. Ihre Folgen können sowohl ökologisch als auch philosophisch beschrieben werden. Ökologisch gesehen ist eine Ethik eine Begrenzung der Handlungsfreiheit im Kampf um die Existenz. Philosophisch gesehen ist eine Ethik eine Unterscheidung des sozialen Verhaltens vom asozialen. Das sind zwei Definitionen derselben Sache. Die Sache selbst hat ihren Ursprung im Bestreben voneinander unabhängiger Individuen oder Gruppen, Formen der Kooperation zu entwickeln. Der Ökologe nennt das Symbiosen. Politik und Ökonomie sind fortgeschrittene Symbiosen, in denen der ursprüngliche Wettkampf teilweise durch kooperative Mechanismen ethischen Inhalts ersetzt worden ist...

Alle bisher entwickelte Ethik beruht auf einer einzigen Prämisse, daß das Individuum Mitglied einer Gemeinschaft voneinander abhängiger das Individuum Mitglied einer Gemeinschaft voneinander abhängiger Teile ist. Seine Instinkte veranlassen es zum Kampf um seinen Platz in dieser Gemeinschaft, aber seine Ethik veranlasst es auch zur Kooperation...

Die Ethik des Landes erweitert einfach die Grenzen der Gemeinschaft, um auch den Boden, das Wasser, die Pflanzen, die Tiere, insgesamt gesprochen: das Land einzubeziehen ...

 

Im Rahmen einer solchen Ethik sind als "Stück Natur" für Erholungszwecke aufgefaßte Parks und Campingplätze, die keinen Bezug zum eigentlichen Wert des Landes selbst haben, tot und unmoralisch. Dasselbe gilt für Landwirtschaften, deren Fläche als "Eigentum" der Bauern aufgefaßt wird. Wenn wir das Land weiterhin als Vergnügungsgebiet und als Profitquelle behandeln, werden unsere Parks und Ausflugsziele immer künstlicher, immer mehr Kunststoff, immer mehr Disneyland werden. Und unsere Landwirtschaften werden immer mehr wie Fabriken werden. Die Boden-Ethik ersetzt die Idee öffentlicher Parks und öffentlicher Ausflugsplätze durch einen ganzheitlichen Begriff von Land.

Ein Beispiel, das diese Idee bestätigt, findet sich im Blueprint for Survival; darin wird vorgeschlagen, bestimmte Flußmündungen und Sumpfgebiete traditionellen Gemeinden in Verwaltung zu übertragen. Diese Feuchtgebiete sind die Laichplätze von'Fischen und Schalentieren, die die Grundlage der Nahrungskette für 60 Prozent des gesamten Meeresertrags bilden. Damit können Menschen richtig umgehen, die diese Fauna als wirksamen Teil der Lebenskette respektieren. (The Ecologist, England: Penguin, 1972, S. 41.)

Die Wohnwälder in Japan liefern ein weiteres Beispiel. Ein Dorf entsteht entlang des Waldrands; die Dorfbewohner hüten den Wald. Diesen richtig zu lichten ist eine ihrer Aufgaben. Der Wald steht jedem, der kommen und teilhaben will, zur Verfügung:

Die Bauernhäuser von Kurume-machi stehen in einer Reihe entlang der Hauptstraße, etwa 1112 km weit. Jedes Haus ist von einem Baumgürtel umgeben; die Arten der Bäume sind einander ähnlich, so daß der Eindruck eines einzigen großes Waldes entsteht. Die wichtigsten Bäume sind so angeordnet, daß sie einen Schutzgürtel bilden. Außerdem sind diese kleinen Wälder eine Heimstatt für Vögel, sie halten die Feuchtigkeit, sie liefern Brenn~ und Bauholz, das behutsam geschlägert wird, und sind ein Mittel zur Klimaregelung, da die Temperatur im Innern des Wohnwalds im Sommer kühler und im Winter wärmer ist. Es sollte noch bemerkt werden, daß diese vor mehr als dreihundert Jahren angelegten Wohnwälder immer noch funktionieren, was der sorgfältigen, selektiven Schlägerung und Aufforstung durch die Bewohner zuzuschreiben ist. (John 1. Creech, "Japan - Like a National Park", Yearbook of Agriculture 1963, U. S. Department of Agriculture, 5.525-528.)

 

Daraus folgt:

Betrachte alle Landwirtschaften als Parks mit öffentlichem Zutritt und mach alle Parks der Region zu funktionierenden Landwirtschaften. 

Übergib Teile des Landes in die Verwaltung von Gruppen, Familien und Genossenschaften, wobei jede Verwaltung für ihren Teil verantwortlich ist. Die Verwalter pachten den Boden; es steht ihnen frei, das Land zu pflegen und Richtlinien für seine Nutzung aufzustellen - als Landwirtschaft, Wald, Moorland, Wüste usw. Jedermann darf das Land besuchen, dort wandern, picknicken, es erkunden, Boot fahren - solange er sich an die Richtlinien hält. So gesehen, könnten auf den Feldern einer Landwirtschaft bei einer Stadt im Sommer jeden Tag Leute picknicken.

 Eine Muster Sprache   7 DAS LAND Grafik

 

❖ ❖ 

 

Wir stellen uns in jedem Naturreservat eine begrenzte Zahl von Häusern vor - HAUSGRUPPE (37) -, zu denen ungepflasterte Landwege führen - GRÜNE STRASSEN (51) ....

 

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