EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

... innerhalb der durch STUFEN DER INTIMITÄT (127), FLEXIBLE BÜROFLÄCHE (146) und KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148) vorgegebenen, allgemeinen Anordnung von Gruppenräumen und individuellen Arbeitsräumen gestaltet das folgende Muster die einzelnen Räume und Büros selbst. Es hilft auch dabei, die Organisation dieser größeren Muster entstehen zu lassen.

 

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Welches ist das richtige Verhältnis von Alleinsein und Austausch in der Büroarbeit?

 

Ein völlig privates Büro hat verheerende Auswirkungen:auf die menschlichen Beziehungen in einer Arbeitsgruppe und begünstigt die üblen Eigenschaften von Bürohierarchien. Ebern so gibt es aber Momente, in denen eine Privatsphäre wesentlich ist; und bis zu einem gewissen Grad muß jede Art von Arbeit frei von unerwarteten Unterbrechungen bleiben.

Jeder, der einmal in einem Büro gearbeitet hat, kann zu diesem Thema etwas sagen. Wir selbst haben dieses Problem als Mitglieder eines Arbeitsteams von Architekten von den verschiedensten Seiten her erlebt. Die besten Hinweise, die;wir geben können, entstammen unserer Erfahrung als Arbeitsgruppe.

Im Laufe der vergangenen sieben Jahre verlegten wir unsere Büros mehrmals. Einmal zogen wir in ein großes, altes Haus ein: groß genug, daß einige von uns private Räume hatten; während sich die anderen die Räume teilten. Innerhalb weniger Monate war unser sozialer Zusammenhalt als Gruppe so gut wie verloren. Die Gruppe funktionierte nur noch formal; die lockere Kommunikation hörte auf; die ganze Atmosphäre änderte sich: Aus einem Umfeld, das die Entwicklung unserer Gruppe förderte, wurde eine Büro-Bürokratie, wo sich die Leute Termine miteinander ausmachten, Nachrichten in eigens angelegten Fächern hinterlegten und vor dem Eintreten lieber an jeder Tür klopften.

Eine Zeit lang waren wir nicht in der Lage, irgendeine interessante Arbeit zustande zu bringen.

Allmählich wurde uns klar, daß das Umfeld im Haus eine wichtige Rolle dabei spielte. Als wir speziell darauf zu achten begannen, merkten wir, daß die noch funktionierenden Zimmer — die Orte, an denen wir zusammenkamen, um über eine Arbeit zu sprechen — eine ganz bestimmte Eigenschaft hatten: Sie waren nur halbprivat, obwohl es darin deutlich festgelegte Arbeitsplätze gab.

Als wir darüber nachdachten, fanden wir, daß nahezu jeder Ort, an dem wir gut zusammenarbeiteten, diese Eigenschaften aufwies: Keines dieser Büros war völlig privat; die meisten waren für mehr als eine Person angelegt; aber selbst wenn eines nur für eine Person war, hatte es eine Art Gemeinschaftsbereich am Eingang, und es stand jedem frei, kurz hineinzuschauen und für einen Moment zu bleiben. Und die Tische selbst wären immer zu privaten Bereichen im Inneren und an den Rändern der Räume zusammengestellt, sodaß die Türen auf diese Art immer weit offen stehen konnten. Daraufhin stellten wir die Büros um, bis jedes eine Version dieses Musters war.

Das Muster funktioniert so gut, daß wir es jedem, der in einer ähnlichen Situation ist, empfehlen.

 

Daraus folgt:

Vermeide abgeschlossene, getrennte oder private Büros. Mach jeden Arbeitsraum, egal ob für eine Gruppe von zwei, drei Leuten oder für eine Person, halboffen zu den anderen Arbeitsgruppen und der unmittelbaren Umgebung. Leg an den Eingang, gleich innerhalb der Tür, einen bequemen Sitzbereich, den oder die tatsächlichen Arbeitsbereiche aber von der Tür entfernt, weiter hinten.

 Eine Muster Sprache 152 HALBPRIVATES BÜRO

 

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Gestalte jedes Büro im Detail entsprechend der FORM DES INNENRAUMS (191); gib ihm zumindest auf zwei Seiten Fenster - LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159); leg die einzelnen Arbeitsbereiche in die Ecken - ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183) -, und zwar so, daß man aus dem Fenster sehen. kann - FENSTER MIT BLICK AUF DIE AUSSENWELT (192); mach den Sitzbereich neben der Tür möglichst gemütlich - RUNDER SITZPLATZ (185) ...

 

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151.0

... innerhalb von Organisationen und Arbeitsstätten - UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT (43), LOKALES RATHAUS (44), MEISTER UND LEHRLINGE (83), FLEXIBLE BÜROFLÄCHE (146), KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148) - gibt es zwangsläufig auch Besprechungszimmer, Gruppenzimmer, Klassenzimmer der einen oder anderen Art. Die Untersuchung solcher Besprechungszimmer zeigt, daß die beste Verteilung - sowohl nach Größe als auch nach Lage - eher unerwartet ausfällt.

 

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Je größer Versammlungen sind, desto weniger kommt dabei heraus. Trotzdem stecken viele Institutionen ihr Geld und ihre Aufmerksamkeit oft in große Besprechungszimmer und Vortragssäle.

Wir besprechen zunächst bloß die Größe von Versammlungen. Es wurde nachgewiesen, daß die Zahl der Menschen in einer Gruppe sowohl Einfluß auf die Zähl jener hat, die nie sprechen, als auch auf die Zahl jener, die das Gefühl haben, ihre Ideen nicht vorbringen zu können. So hat beispielsweise Bernard Bass (Organizational Psychology, Boston: Allyn, 1965, S. 200) den Versuch unternommen, eine Verbindung zwischen Gruppengröße und Teilnahme herzustellen. Die Ergebnisse dieses Versuchs sind in der folgenden Graphik dargestellt.

 Eine Muster Sprache 151 KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER

Es gibt keinen besonderen, natürlichen Grenzwert für die Größe einer Gruppe; klar ist aber, daß die Zahl jener, die nie sprechen, sehr schnell steigt. In einer Gruppe von 12 Personen spricht einer nie. In einer Gruppe von 24 Personen sprechen sechs nie.

Ähnliche Grenzwerte ergeben sich auch für die Entfernung einzelner Sprechender voneinander. Edward Hall hat als oberste Grenze für durchschnittlich. läute Stimmen eine Entfernung von 2,5 rn festgelegt; ein Mensch mit gutem Sehvermögen kann Einzelheiten des Gesichtsausdrucks bis zu 4 in sehen; zwei Leute, die 2,5 in bis 2,7 m voneinander entfernt sind, können einander einen Gegenstand reichen, wenn sie sich strecken; das scharfe Sehfeld (der Bereich der Macula) umfaßt einen Bliccwinkel von 12 Grad horizontal und 3 Grad vertikal - was bei Entfernungen bis zu 3 Metern ein Gesicht, aber nicht zwei einschließt. (Siehe Edward Hall, The Silent Language, New York: Doubleday, 1966, S. 118-119.)

Deshalb funktioniert eine kleine Gruppendiskussion am besten, wenn die Mitglieder der Gruppe annähernd in einem Kreis mit nicht mehr als rund 2,5 in Durchmesser sitzen. Bei diesem Durchmesser beträgt der Kreisumfang etwa 8 m. Da jeder Sitzplatz an die 70 cm braucht, können nicht mehr als etwa 12 Leute in diesem Kreis sitzen.

Weiters bringen wir Nachweise dafür, daß Versammlungen in Institutionen und Arbeitsgruppen ganz von sich aus zu dieser Größe tendieren.

Die folgenden Histogramme zeigen die verschiedenen Größenverhältnisse von Unterrichtsklassen an der Universität Oregon im Herbst 1970 und das Mengenverhältnis der verfügbaren Klassenräume in den verschiedenen Größenordnungen. Wir glauben, daß diese Zahlen für viele Universitäten gelten. Auf den ersten Blick ist aber gleich klar, daß es zu viele große Unterrichtsräume und zu wenige kleine gibt. Die meisten der tatsächlich veranstalteten Kurse sind relativ kleine Seminare und Treffen von Arbeitsgruppen, während die meisten Räume für 30 bis 150 Personen ausgerichtet sind. Diese großen Unterrichtsräume entsprachen vielleicht den Lehrmethoden von früher, für die Unterrichtspraxis unserer Zeit sind sie aber nicht geeignet.

Eine Muster Sprache 151 KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER 1

Wir stellten fest, daß die Versammlungen amtlicher Ausschüsse, Gremien und Kommissionen eine ähnliche Verteilung aufweisen. Unter den verschiedenen städtischen Gremien, Kommissionen und Ausschüssen haben 73 Prozent eine durchschnittliche Teilnehmerzahl von 15 Leuten oder weniger. Trotzdem werden diese Versammlungen in Zimmern abgehalten, die für mehr als 15 Personen gedacht sind. Auch hier werden die meisten Versammlungen in zu großen Räumen abgehalten; die Zimmer sind halbleer; die Leute sitzen eher in den hinteren Reihen; die Sprecher stehen vor Reihen von leeren Sitzplätzen. Die für eine gute Versammlung typische persönliche Atmosphäre kann unter diesen Umständen nicht entstehen.

Schließlich entspricht die räumliche Verteilung von Besprechungszimmern den tatsächlichen Besprechungen oft eben so wenig wie die Größenverteilung. Die nebenstehenden Histogramme vergleichen die Aufteilung der Unterrichtsräume in verschiedenen Fachbereichen der Universität Oregon mit der Aufteilung der Fakultätsbüros und Studentenräume.

Auch hier hät diese Diskrepänz nachteilige Auswirkungen auf die Gruppendynamik kleiner Besprechungen. Besprechungen funktionieren am besten, wenn die Besprechungszimmer bei den Büros der Teilnehmer liegen. Dann können Diskussionen, die im Besprechungszimmer beginnen, im Büro oder Laboratorium fortgesetzt werden. Wenn die Besprechungszimmer weit entfernt von den Büros liegen, wird die Möglichkeit dieser Art von informeller Besprechung drastisch reduziert.

 Eine Muster Sprache 151 KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER 2

Daraus folgt:

Mach mindestens 70 Prozent aller Besprechungszimmer wirklich klein — für 12 Personen oder weniger. Leg sie in den öffentlichsten Teilen des Gebäudes an und teil sie gleichmäßig auf die Arbeitsstätten auf.

 Eine Muster Sprache 151 KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER 3

 

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Gestalte Besprechungszimmer wie jedes andere Zimmer und achte vielleicht besonders darauf, daß keine Blendung auftritt LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) -, und darauf, daß die Zimmer einigermaßen rund oder quadratisch und nicht zu lang oder schmal sind - RUNDER SITZPLATZ (185). Die Leute werden sich am wohlsten fühlen, wenn es viele verschiedene Sessel gibt, die verschiedenen Temperamenten, Stimmungen, Größen und Figuren entsprechen - VERSCHIEDENE SESSEL (251). Eine Leuchte über dern Tisch oder über der Mitte der Gruppe trägt zum Zusammenhalt bei - LICHTINSELN (252). Was die Raumform im einzelnen betrifft, fang mit DIE FORM DES INNENRAUMS (191) an.

 

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150.0

... jedem Büro, in jeder Werkstatt, in öffentlichen Ämtern, Bahnhöfen oder Kliniken, wo Menschen warten müssen - UMSTEIGESTELLE (34), GESUNDHEITSZENTRUM (47), KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81), VERBINDUNG ZWISCHEN BÜROS (82) -, ist ein spezieller Platz zum Warten wichtig, und noch wichtiger ist, daß dieser Platz nicht die abstoßende, beklemmende Ausstrahlung der üblichen Wartezimmer hat, in denen die Zeit nicht vergehen will.

 

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Der Vorgang des Wartens birgt Konflikte in sich.

 

Auf der einen Seite ist alles, worauf Menschen warten - der Arzt, ein Flugzeug, eine geschäftliche Verabredung -, mit Ungewißheiten verbunden, sodaß sie gezwungenermaßen eine Zeitlang herumstehen, warten und nichts tun.

Andererseits können sie diese Wartezeit gewöhnlich nicht genießen. Ihre Dauer ist nicht vorhersagbar, also müssen sie in unmittelbarer Nähe der Tür bleiben. Da sie nie genau wissen, wann sie drankommen, können sie nicht einmal einen kleinen Spaziergang machen oder sich draußen hinsetzen. Sie müssen in der Enge des Wartezimmers bleiben und warten, bis sie dran sind. Aber das ist natürlich eine äußerst zermürbende Angelegenheit: Niemand steht gern auf Abruf bereit. Kafkas bedeutendste Werke, Das Schloß und Der Prozeß handeln beide fast ausschließlich davon, wie diese Art von Atmosphäre einen Menschen zerstören kann.

Das klassische „Wartezimmer" trägt nichts zur Lösung dieses Problems bei. Ein enges, düsteres, kleines Zimmer, in dem die Leute einander anstarren, nervöse Unruhe, ein oder zwei Zeitschriften zum Durchblättern - das ist genau die Situation, die zur Schaffung des Konflikts beiträgt. Nachweise für die nervtötende Wirkung dieser Situation liefert Scott Briar (Welfare From Below: Recipients' Views of the Public Welfare System", in jacobus Tenbroek, Hrsg., The Law and the Poor, San Francisco: Chandler Publishing Company, 1966, 5.52). Wir wissen alle, daß die Zeit langsämer zu vergehen scheint, wenn wir uns langweilen oder besorgt oder unruhig sind. Briar stellte fest, daß Wartende in Wohlfahrtsämtern immer glaubten, länger gewartet zu haben, als es tatsächlich der Fall war. Manche dachten sogar, viermal so lang gewartet zu haben.

Das grundlegende Problem ist demnach folgendes: Wie können Menschen die Wartezeit sinnvoll verbringen - die Minuten oder Stunden des Wartens ebenso voll erleben wie die restlichen Stunden des Tages - und trotzdem zur Stelle sein' wenn der Moment oder die Person, auf den oder die man gewartet hat, kommt?

Man erreicht das am besten, indem man das Warten mit einer anderen Tätigkeit verbindet: einer Aktivität, die ändere Leute miteinschließt, die im Grunde gar nicht zum Warten dort sind einem Cafe', Billardtischen, Tischen, einem Lesezimmer, .Wobei die Aktivitäten und Sitzgelegenheiten so nähe sind, daß man hört, wenn der Geschäftspartner (oder das Flugzeug oder was  auch immer) bereitsteht. In der Kinderklinik im San Francisco General Hospital hat man beispielsweise neben dem Eingang einen kleinen Spielplatz gebaut, der sowohl den wartenden Kindern als auch den Kindern aus der Nachbarschaft als Spielfläche dient.

 150.1

Wartezimmer in der Kinderklinik.

 

In einem anderen uns bekannten Beispiel wurde entlang einer Terrasse, wo die Leute auf ihren Termin warteten, ein Platz zum Hufeisenwerfen eingerichtet. Die Wartenden begannen unweigerlich Hufeisenwerfen zu spielen, andere beteiligten sich, andere wieder hörten auf, wenn sie aufgerufen wurden - so ergab sich ein angenehmer Übergang vom Hufeisenwurfplatz zur Terrasse und weiter zu den Büros.

Warten kann aber auch die Situation hervorrufen, daß jemand plötzlich über freie Zeit verfügt und die Umgebung ihn unterstützt, in sich zu gehen und ein paar Minuten der Ruhe und des Nachdenkens zu genießen — also ganz das Gegenteil der oben beschriebenen Aktivitäten.

Die richtige Atmosphäre ergibt sich ganz von allein, wenn der Wartebereich einige ruhige, geschützte Plätze hat, die nicht das beklemmende Gefühl des Wartens hervorrufen. Einige Beispiele: eine Sitzgelegenheit in der Nähe einer Bushaltestelle, unter einem Baum, von der Straße abgeschirmt; ein Fenstersitz, von dem aus das Treiben auf der Straße beobachtet werden kann; ein geschützter Sitzplatz in einem Garten, eine Schaukel oder eine Hängematte; ein dunkler Platz und ein Glas Bier, weit genug von Durchgängen entfernt, damit man nicht immer aufschaut, wenn jemand kommt oder geht; ein ruhiger Platz an einem Fischteich.

Zusammenfassend gilt also, daß wartende Menschen die Möglichkeit haben sollten, zu tun und zu lassen, was sie wollen. Wenn sie vor der Tür des Beamten warten wollen, können sie das tun. Wenn sie aufstehen, einen kleinen Spaziergang machen oder etwas spielen möchten, gern einen Kaffee hätten oder andere Leute beobachten wollen, können sie das tun. Wenn sie irgendwo allein sitzen und tagträumen möchten, können sie das tun. Und all das ohne Angst, den Platz in der Warteschlange zu verlieren.

 150.2

Ruhiges Warten.

 

Daraus folgt:

Schaff an Stellen, wo oft Leute warten (auf einen Bus, auf einen Termin, auf ein Flugzeug), eine Atmosphäre, die aus dem Warten etwas Positives macht. Kopple das Warten mit einer anderen Aktivität — Zeittungen, Kaffee, Billardtische, Wurfspiele; etwas, das Leute miteinschließt, die nicht nur zum Warten dort sind. Und auch das Gegenteil: schaff einen Platz, der einen Wartenden zum Tagträumen anregt; ruhig; wirkliche Stille.

 Eine Muster Sprache 150 EIN PLATZ ZUM WARTEN

 

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Der aktive Teil könnte ein Fenster zur Straße haben - STRASSENFENSTER (164), PLATZ AM FENSTER (180) -, ein Cafe - STRASSENCAFÉ (88) -, Spiele, wirkliche Miteinbeziehung der Passanten - ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165). Der ruhige Teil könnte mit einem ruhigen Sitzplatz im Garten ausgestattet sein - SITZPLATZ IM GARTEN (176) -, mit einem Platz zum Dösen - SCHLAFEN IN DER ÖFFENTLICHKEIT (94) -, vielleicht mit einem Fischteich - STEHENDES WASSER (71). Insofern der Wartebereich ein Raum oder eine Gruppe von Räumen ist, wird seine genaue Form durch LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) und DIE FORM DES INNENRAUMS (191) bestimmt.

 

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... bei einem öffentlichen Gebäude oder einem Büro, wo viele Leute ein- und ausgehen — SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND. BÜROS (80), KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81), GASTHOF (91), FLEXIBLE BÜROFLÄCHE (146) —, spielt der Bereich des EINGANGSRAUMS (130) eine wichtige Rolle; er muß von Anfang an die richtige Atmosphäre haben. Das folgende Muster wurde ursprünglich von Clyde Dorsett vorn National Institute of Mental Health im Zuge eines Programms für kommunale Nervenheilanstalten entworfen.

 

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Hast du jemals ein öffentliches Gebäude betreten und bist dort am Empfang wie ein Paket behandelt worden?

 

Damit sich jemand willkommen fühlt, muß man ihn so willkommen heißen, wie man das zu Hause täte; auf ihn zugehen, ihn begrüßen, ihm einen Sessel anbieten, ihm etwas zu essen oder zu trinken anbieten und ihm den Mantel abnehmen.

In den meisten Einrichtungen müssen Ankommende zum Empfang gehen; die Empfangsperson bleibt passiv und bietet nichts an. Um entgegenkommend zu wirken, muß die Empfangsperson die Initiative ergreifen — dem Ankommenden entgegengehen und ihn begrüßen, ihm einen Sessel, etwas zu essen, einen Platz am Kamin und Kaffee anbieten. Da der erste Eindruck zählt, sollte der Besucher zuallererst auf diese Atmosphäre stoßen.

Ein gutes, uns bekanntes Beispiel dafür ist die Rezeption des Browns Hotels in London. Man betritt das Hotel durch einen kleinen, unauffälligen Eingang, der wie der Eingang zu einem Wohnhaus wirkt. Man geht durch zwei oder drei Zimmer; dann kommt man in den Hauptraum, in dem zwei alte Schreibtische stehen. Der Rezeptionist kommt einem aus einem im inneren Teil liegenden Büro entgegen, bittet einen, in einem gemütlichen Sessel neben einem der Schreibtische Platz zu nehmen und setzt sich neben einen, während man sich registriert.

Der Grund, warum die meisten Empfangsbereiche nicht im entferntesten an diese Qualität herankommen, liegt darin, daß der Empfangstisch eine Barriere bildet, so daß durch den Tisch und die Einrichtung eine Anstaltsatmosphäre entsteht, die dem Gefühl, willkommen zu sein, widerspricht.

 

Daraus folgt:

Stell unmittelbar innerhalb des Eingangs eine Reihe von Dingen bereit, die das Gefühl vermitteln, willkommen zu sein - weiche Sessel, Kaminfeuer, Kleinigkeiten zum Essen, Kaffee. Leg den Empfangstisch so an, daß er nicht zwischen der Empfangsperson und dein Empfangsbereich steht, sondern schräg an einer Seite - damit er oder sie aufstehen kann, um den Eintretenden entgegenzugehen, sie zu begrüßen und ihnen einen Platz anzubieten.

 Eine Muster Sprache 149 ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG

 

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Wähl die Läge des Kamins sorgfältig, damit er einen Anziehungspunkt bildet - DAS FEUER (181); statte den Arbeitsplatz im Empfang so aus, daß man gut arbeiten und Besucher trotz; dem entgegenkommend behandeln kann - ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183)ARBEITSPLATZES (183); gib dem Raum LICHT VON ZWEI SEITEN (159); richte für Wartende vielleicht eine Nische oder einen Platz am Fenster ein - EIN PLATZ ZUM WARTEN (150), NISCHEN (179), PLATZ AM FENSTER (180). Sorg dafür, daß der Bereich um den Empfangstisch heller als die Umgebung ist - WECHSEL VON HELL UND DUNKEL (135). Was die Form des Empfangsbereichs betrifft, beginn bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191)...

 

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