EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

160.0

... angenommen, die Lage der Gebäudekante steht bereits fest - zuletzt durch LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) und davor durch die Lage der Gebäudeflügel und deren Innenräume sowie durch die Innenhöfe, Gärten und Straßen zwischen den Gebäuden — GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), POSITIVER AUSSENRAUM (106). Das folgende Muster schafft die Bedingungen für einen Bereich zwischen drinnen und draußen. Dieser „Bereich" wird häufig als eine Kante betrachtet, als ein dünner Strich auf dem Papier, eine Wand. Aber das ist völlig falsch ...

 

❖ ❖ 

 

Ein  Gebäude wird meist als etwas betrachtet, das sich nach innen wendet — den Räumen zu. Die wenigsten Menschen denken bei einem Gebäude an etwas, das auch nach außen gerichtet sein muss.

 

Aber solange sich ein Gebäude nicht ebenso sorgsam und positiv wie nach innen zum umgebenden Äußeren wendet, bleibt der Raum um das Gebäude nutzlos und leer — mit dem Effekt, daß es langfristig sozial isoliert wird, weil man ein Niemandsland durchqueren muss, um hinzugelangen.

Man braucht sich beispielsweise nur einmal diesen Stahl- und Glasblock aus dem Maschinenzeitalter anzusehen. Man kann sich dem Gebäude nur beim Eingang nähern — der Raum rundherum ist nicht für Menschen gemacht.

 

160.1

An der Kante kann sich kein Leben entwickeln.

 

Und nun sehen wir uns dieses ältere, einladendere Gebäude an, das fortlaufend von Bänken, Galerien, Balkonen, Blumen Ecken zum Sitzen und Stellen zum Bleiben umgeben ist. Diese Gebäudekante lebt. Allein durch die einfache Tatsache, daß man aus ihr einen positiven Ort gemacht hat, an dem die Leute gern sind, ist sie mit der Welt um sie herum verbunden.

 160.2

Eine Kante, die benutzt werden kann.

 

Man muß sich die Auswirkung dieses kleinen Unterschiedes vorstellen. Das maschinenähnliche Gebäude ist von seiner Umgebung abgeschnitten, isoliert, eine Insel. Das Gebäude mit der lebenden Gebäudekante ist mit der Umgebung verbunden, es ist Teil des sozialen Gefüges, Teil der Stadt, Teil der Menschen, die rundherum wohnen und leben.

Dieser Kontrast wird durch folgende empirische Nachweise untermauert: Die Menschen halten sich in offenen Räumen offenbar gern an den Rändern auf — und wenn diese Ränder lebendig sind, um so lieber. Bei der Beobachtung menschlichen Verhaltens in Außenräumen stellte beispielsweise Jan Gehl fest, daß „sowohl bei stehenden als auch sitzenden Personen ein ausgeprägter Hang besteht, sich in der Nähe von irgend etwas aufzuhalten — einer Fassade, einer Säule, einem Möbelstück usw." [„Mennesker til Fods (Pedestrians)", Arkitekten, Ni. 20, 1968]. Dieser Hang der Leute, sich an den Rändern von Räumen aufzuhalten, wird auch im Muster AKTIVITÄTSNISCHIEN (124) besprochen.

Würde diese Neigung auch beim Außenraum so ernst genommen werden wie im Hausinnern, dann würden die Außenwände der Gebäude in Wirklichkeit ganz anders aussehen, als sie es heute tun. Sie wären eher wie Plätze — die Wände wären nach innen und nach außen gewunden, und das Dach würde dar überreichen, so daß kleine Plätze für Bänke, Plakate und Ankündigungen entstünden und die Leute etwas zum Anschauen hatten. Damit die Nischen die richtige Tiefe hätten, müssten sie dort und da an die 2 m tief sein — siehe die Überlegungen zum ZWEI-METER-BALKON (167).

Richtig angelegt, ist eine solche Kante ein Bereich zwischen Bereichen: Sie verstärkt die Verbindung zwischen drinnen und draußen, fördert die Bildung von Gruppen über diesen Grenzbereich hinweg, unterstützt Bewegungen, die auf einer Seite beginnen und auf der anderen aufhören, und ermöglicht Aktivitäten entweder an oder direkt auf diesem Grenzbereich. Ein sehr Wesentliches Denkmodell.

 

Daraus folgt:

Vergiss nicht, die Kante des Gebäudes als ein „Ding", einen „Ort", eine Zone, zu der ein Volumen gehört, zu behandeln und nicht als Linie oder Grenzfläche, die keine Dicke hat. Sorg für Ausnehmungen an der Gebäudekante, die zum Stehenbleiben einladen. Leg vertiefte und überdachte Stellen an, Plätze zum Sitzen, Anlehnen und Spazieren gehen, vor allem an jenen Punkten entlang der Kante, die interessante Blicke auf ,das >Leben in der Umgebung bieten.

 Eine Muster Sprache 160 DIE GEBÄUDEKANTE

 

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Verwende Arkaden, Galerien, Veranden und Terrassen - ARKADEN (119), ZIMMER IM FREIEN (163), DIE GALERIE RUNDHERUM (166), ZWEI-METER-BALKON (167), VERBINDUNG ZUM BODEN (168); achte vor allem auf die Sonne - SONNIGE STELLE (161), ABGESTUFTE NORDFRONT (162) - und leg Sitzgelegenheiten und Fenster an, die das Gefühl der Verbindung verstärken - SITZSTUFEN (125), STRASSENFENSTER (164), PLÄTZE ZUM SITZEN (241), BANK VOR DER TOR (242) ...

 

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159.0

... steht die Lage der wichtigsten Räume in einem Gebäude fest, müssen wir ihre tatsächliche Form bestimmen: und das geschieht im wesentlichen durch die Lage der Außenkante. Die Lage der Außenkante ist bereits durch die allgemeine Form des Gebäudes festgelegt — GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), POSITIVER AUSSENRAUM (106), LANGES SCHMALES HAUS (109), DACHKASKADE (116). Das folgende Muster ergänzt nun die Arbeit von GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), indem es jeden einzelnen Raum genau dort anlegt, wo er sein muss, um Licht zu bekommen. Dadurch bildet sich die Linie der Gebäudekante entsprechend der Lage der einzelnen Räume. Das darauffolgende Muster behandelt dann die Form der Kante.

 

❖ ❖ 

 

Wenn Menschen die Wahl haben, halten sie sich lieber in Räumen auf, die Licht von zwei Seiten haben, während Räume, die nur von einer Seite Licht haben, unbenutzt und leer bleiben.

 

Dieses Muster entscheidet vielleicht mehr als irgendein anderes Muster über Gelingen oder Misslingen eines Raums. Die Anordnung des Tageslichts in einem Raum und das Vorhandensein von Fenstern auf zwei Seiten sind etwas Wesentliches. Wenn man ein Zimmer mit Licht von nur einer Seite baut, kann man ziemlich sicher sein, daß das reine Geldverschwendung ist. Die Leute werden das Zimmer, wenn es sich vermeiden lässt, nicht betreten. Natürlich — wenn alle Räume nur Licht von einer Seite haben, müssen die Leute sie benutzen. Aber wir können annehmen, daß sie sich dort im Grunde nicht wohlfühlen, daß sie am liebsten gar nicht dort wären und gern wieder gehen würden — weil wir natürlich genau wissen, was die Leute tun, wenn sie die Wahl haben.

Unsere Untersuchungen auf diesem Gebiet sind eher formlos und im Laufe mehrerer Jahre entstanden. Die Problematik war uns seit längerem bewusst — wie vielen anderen Baumeistern auch. (Wir haben sogar gehört, daß „Licht von zwei Seiten" ein Lehrsatz der alten Beaux-Arts-Tradition.) Unsere Untersuchungsmethoden waren jedenfalls sehr einfach: In jedem Ge_ bände, in das wir kamen, prüften wir immer wieder nach, ob das Muster so stimmte. Vermieden die Menschen tatsächlich Zimmer, die nur von einer Seite Licht hatten, und zogen sie die zweiseitig beleuchteten vor - wie dachten sie über diese Frage?

Wir sind das Problem mit unseren Freunden durchgegangen, in Büros, in vielen Wohnungen - und die überwältigende Mehrheit maß dem Licht von zwei Seiten Bedeutung zu. Die Leute sind sich des Musters halb oder ganz bewusst - sie verstehen genau, was gemeint ist.

 159.1 2

Mit Licht von zwei Seiten ... und ohne.

 

Wem diese Nachweise zu sehr als vom Zufall bestimmt erscheinen, der sollte am besten selbst einmal Beobachtungen anstellen. Man muss dazu nur an dieses Muster denken und all die Gebäude, auf die man im Alltagsleben stößt, daraufhin überprüfen. Wir glauben, daß man auf diese Weise genauso wie wir feststellen wird, daß Räume, die man intuitiv als angenehm und freundlich empfindet, dieses Muster haben, und die, die man als unangenehm und unfreundlich empfindet, nicht. Kurz gesagt, kann man also allein anhand dieses Musters zwischen freundlichen und unbehaglichen Räumen unterscheiden.

Die Bedeutung dieses Musters rührt zum Teil von der sozialen Atmosphäre her, die es in einem Raum schafft. Zimmer mit natürlichem Licht von zwei Seiten erzeugen um Menschen und Gegenstände herum weniger Blendung; daher sieht man die Dinge nuancierter; und was am wichtigsten ist, man liest genau die feinen Veränderungen im Gesichtsausdruck einer Person und ihre Handbewegungen . . . und versteht dadurch besser, was sie sagen will. Licht von zwei Seiten ermöglicht den Menschen, einander zu verstehen.

In einem Raum mit Licht von einer Seite sind die Helligkeitsunterschiede auf Wänden und Fußböden sehr groß, sodaß der am weitesten vorn Fenster entfernte Teil des Raums im Vergleich zum nahe dem Fenster liegenden Teil unangenehm dunkel ist. Dazu kommt noch - da die Innenflächen des Raums wenig Licht reflektieren -, daß die Innenwand gleich neben dem Fenster normalerweise dunkel ist, was Unbehagen und Blendung beim Blick gegen das Fenster bewirkt. In einseitig belichteten Räumen verhindert die Blendung rund um die Gesichter der Leute, daß sie einander verstehen.

Wenn sich diese Blendung auch durch zusätzliche künstliche Beleuchtung oder entsprechend entworfene Fensterlaibungen verringern lässt, ist der einfachste und grundlegendste Weg, Blendung zu verhindern, jedem Raum zwei Fenster zu geben. Das Licht von jedem Fenster erhellt jeweils die neben dem anderen Fenster liegende Wand und verringert so den Kontrast zwischen diesen Wänden und der Himmelsfläche draußen. Für nähere Einzelheiten und Illustrationen siehe R. G. Hopkinson, Architectural Physics: Lighting, London: Building Research Station, 1963, S. 29, 103.

Ein ausgezeichnetes Beispiel für die völlige Mißachtung dieses Musters ist Le Corbusiers Wohnblock in Marseille. Jede einzelne Wohneinheit ist sehr lang und relativ schmal und wird nur von einem Ende - und zwar vom schmalen - aus beleuchtet. Die Räume sind unmittelbar bei den Fenstern sehr hell und überall sonst dunkel. Und als Folge dessen ist die durch den Hell-Dunkel-Kontrast um die Fenster herum entstehende Blendung äußerst störend.

Bei einem kleinen Gebäude ist es einfach, jedem Raum Licht in zwei Seiten zu geben: Bei einem Raum in jeder der vier Hausecken erledigt sich das Problem von selbst.

Um dieselbe Wirkung bei einem etwas größeren Haus zu erzielen, ist es notwendig, die Außenwände durch Winkel zu brechen und Ecken anzulegen. Das Nebeneinanderlegen von kleinen und großen Räumen hilft ebenso.

 159.3

Brich den Rand durch Winkel.

 

Bei einem noch größeren Gebäude könnte es sogar notwendig sein, im Grundriß eine Art von systematischen Erweiterungen einzubauen oder die Gebäudekante noch mehr zu brechen, damit jeder Raum Licht von zwei Seiten hat.

Aber egal wie ausgeklügelt wir den Grundriß machen oder wie sorgfältig wir die Gebäudekante dahinwinden - manchmal ist es natürlich trotzdem unmöglich. In diesen Fallen können die Räume unter zwei Bedingungen die Wirkung des Lichts von zwei Seiten erzielen. Erstens, wenn das Zimmer nicht sehr tief ist - nicht mehr als zirka 2,5 m - und mindestens zwei Fenster nebeneinander hat. Das Licht fällt von der hinteren Wand zurück und auf die Wand zwischen den beiden Fenstern, sodaß das Licht noch immer den blendungsfreien Charakter, wie bei zweiseitiger Belichtung hat.

Und wenn das Zimmer ganz einfach mehr als 2,5 m tief sein, muß, aber nicht von zwei Seiten beleuchtet werden kann, dann kann man das Problem lösen, indem man die Decke sehr hoch macht, die Wände ganz weiß malt und große, hohe Fenster in sehr tiefe Fensterlaibungen einsetzt, die die Blendung ausgleichen. Die Elisabethanischen Speisesäle und Wohnzimmer der Herrschaftshäuser in Georgia wurden oft so gebaut. Es ist aber nicht leicht, das richtig zu machen.

 

Daraus folgt:

Leg jeden Raum so an, daß er zumindest auf zwei Seiten an den Außenraum grenzt, und dann setz diese Außenwände Fenster, sodaß in jeden Raum natürliches Licht aus mehr als einer Richtung fällt.

 Eine Muster Sprache 159 LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM 1

 

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Lass dich von diesem Muster nicht zu allzu ausgefallenen ::Grundrissen hinreißen - sonst zerstörst du die Einfachheit des POSITIVEN AUSSENRAUMS (106), und wirst es beim Überdachen des Gebäudes schwer haben - ANORDNUNG DER DÄCHER (209). Denk daran, daß dieses Muster im wesentlichen auch mit Fenstern an einer Seite verwirklicht werden kann, wenn der Raum ungewöhnlich hoch ist, wenn er im Vergleich zur Länge der Fensterwand nicht tief ist, wenn er große Fenster und weißgestrichene Wände hat und massive, tiefe Fensterlaibungen, die sicherstellen, daß die großen Fenster mit dem Licht von draußen keine Blendung erzeugen.

Leg die einzelnen Fenster so an, daß sie einen schönen Ausblick bieten - FENSTER MIT BLICK AUF DIE AUSSENWELT (192), TÜREN UND FENSTER NACH BEDARF (221); und mach aus einem der Fenster im Zimmer etwas Besonderes, so daß sich um diese Stelle herum ein eigener Platz bildet - PLATZ AM FENSTER (180). Verwende TIEFE LAIBUNGEN (223) und GEFILTERTES LICHT (238) ...

 

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158.0

... die meisten der vorhergehenden Muster — VERMIETBAR RÄUME (153), HÄUSCHEN FÜR TEENAGER (154), ERFÜLLTE ARBEIT (156), WERKSTATT IM HAUS (157) — können in den oberen Stockwerken liegen, sofern sie direkte Verbindungen zur Straße haben. Ganz allgemein gilt, daß viele der in früheren Mustern besprochenen Haushalte, öffentlichen Ämter und Arbeitsgruppen in den oberen Geschossen nur dann gut funktionieren, wenn sie direkte Verbindungen zur Straße haben. Beispielsweise in einer Arbeitsgemeinschaft brauchen SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80), KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81), KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148) direkten Zugang zur öffentlichen Straße, wenn sie in den oberen Geschossen eines Gebäudes liegen. Und in den einzelnen Haushalten braucht das HAUS FÜR EINE KLEINFAMILIE (76), HAUS FÜR EIN PAAR (77) und HAUS FÜR EINE PERSON (78) ebenfalls direkte Verbindungen zur Straße, damit die Leute nicht durch die unteren Geschosse gehen müssen. Das folgende Muster beschreibt die offenen Stiegen, die für diese vielen einzelnen Verbindungen zur Straße verwendet werden können. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Schaffung von FUSSGÄNGERSTRASSEN (100).

 

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Stiegenhäuser im Hausinneren beschränken die Verbindung zwischen den oberen Stockwerken und dem Leben auf der Straße so sehr, daß sie sozial enorm schädlich sein können.

 

Es ist ganz einfach eine Tatsache, daß eine Wohnung im ersten Stock eines Gebäudes wunderbar ist, wenn sie eine direkte Stiege zur Straße hat, und weniger wunderbar, wenn sie nur eine von mehreren Wohnungen ist, die über eine innere Stiege erschlossen sind. Die folgende, vielleicht etwas langwierige Erörterung versucht diese entscheidende und triviale. Erkenntnis zu erklären.

In einer traditionellen Kultur, wo Gebäude bei Bedarf erweitert werden, sind Außenstiegen zu den oberen Stockwerken durchaus üblich. Und halbe „Außen"-Stiegen — geschützt durch Wände und Dächer, aber trotzdem zur Straße hin offen — sind ebenso üblich.

 158.1 3

Die Schönheit offener Stiegen.

 

In den industrialisierten, autoritären Gesellschaften liegen im Gegensatz dazu die meisten Stiegen im Hausinnern. Sie sind von inneren Vorhallen und Gängen aus erschlossen; die oberen Stockwerke sind vom direkten Zugang zum Leben auf der Straße abgeschnitten.

 158.4

Das ist keine offene Treppe - lass dich nicht täuschen.

 

Dieser Unterschied ist kein zufälliges Nebenprodukt von Brandschutzvorschriften oder Konstruktionsmethoden. Viel' mehr stellt es den grundlegenden Unterschied dar zwischen einer freien anarchischen Gesellschaft, in der es einen offenen Gedankenaustausch unter Gleichen gibt, und einer hoch zentralisierten, autoritären Gesellschaft, in der die meisten Individuen großen Regierungs- und Wirtschaftsorganisationen dienstbar sind.

Wir behaupten sogar, daß der zentrale Eingang, der die Leute wie durch einen Trichter in ein Gebäude führt, schon von seiner Beschaffenheit her Macht ausstrahlt; das Muster vieler offener Stiegen, die von den öffentlichen Straßen direkt zu den Privattüren führen, strahlt hingegen Unabhängigkeit, beliebiges Kommen und Gehen aus.

Am besten zeigt sich das dort, wo der zentrale Eingang zweifelsohne eine Quelle sozialer Kontrolle darstellt. Bei Arbeitsplätzen mit einem zentralen Eingang und einer Stechuhr können die Arbeiter nur mit der Lochkarte ein- und ausgehen, und wenn sie das Gebäude zu einer unüblichen Zeit verlassen, müssen sie sich dafür rechtfertigen. In manchen Studentenwohnheimen müssen sich die Studenten beim Kommen und Gehen eintragen; und wenn sie bis zur „Sperrstunde" -nicht zurück sind, gibt es Probleme.

Dann gibt es Fälle mit subtilerer Kontrolle. In einem Mehrfamilienhaus oder an einem Arbeitsplatz, wo man nach Belieben kommen und gehen kann, ist es nicht ungewöhnlich, daß der Haupteingang abgesperrt bleibt. Die Hausbewohner haben natürlich einen Schlüssel zu dem Gebäude; ihre Freunde haben aber keinen. Ist die Eingangstür abgesperrt — sagen wir, am Abend dann sind sie völlig abgeschnitten von spontanen,unerwarteten Besuchen, die eben nur dort möglich sind, wo alle Wege bis unmittelbar vor die Schwelle privaten Territoriums öffentlich zugänglich sind.

Es gibt aber auch eine noch subtilere Form der Kontrolle: In diesem Fall hat der zentrale Eingang nicht ausdrücklich die Aufgabe sozialer Kontrolle; sagen wir einmal, die Tür ist ständig offen — und trotzdem vermittelt sie Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Grundfreiheiten ein unangenehmes Gefühl. Der einzelne, zentrale Eingang entspricht genau dem Muster, das ein Tyrann anordnen würde, der gern das Kommen und Gehen der Leute unter Kontrolle hätte. Diese Form des Eingangs erzeugt selbst in einer relativ freizügigen Gesellschaft Unbehagen.

Das mag leicht paranoid klingen. Es geht aber um folgendes: Eine Gesellschaft, die auf individuelle Freiheit setzt, versucht soziale Strukturen aufzubauen, die von der Person oder Gruppe, die „am Ruder" ist, nicht leicht beherrscht werden können.

Sie versucht die sozialen Strukturen zu dezentralisieren, sodaß es viele Zentren gibt und keine Gruppe übermäßig viel Kontrolle hat.

Ein bauliches Umfeld, das dieses Ideal der individuellen Freiheit unterstützt, wird sicher jenen Strukturen den Vorzug eben, die den Menschen erlauben, nach Belieben zu kommen - und zu gehen. Und es wird diese Rechte zu schützen versuchen, indem es sie von Anfang an in den Grundriß von Gebäuden und Städten einplant. Wenn wir uns in einem Gebäude, 'das räumlich zu stark zentralisiert und autoritär angelegt ist, unbehaglich fühlen, dann deshalb, weil wir uns in Bezug auf unsere persönliche Freiheit schutzlos fühlen; wir spüren, daß eines unserer Grundrechte auf dem Spiel steht und daß es von der räumlichen Struktur der Umgebung nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Offene Treppen, die eine Ausweitung der öffentlichen Welt darstellen und wirklich bis zur Schwelle jedes einzelnen Haushalts und jeder Arbeitsgruppe führen, lösen dieses Problem. Diese Räume sind dann direkt mit der Welt draußen verbunden. Von der Straße aus erkennt man jeden Eingang als echten Bereich von Menschen — und nicht von Großunternehmen und Institutionen, die die tatsächliche oder potentielle Macht zur Tyrannei haben.

 

Daraus folgt:

Beseitige Stiegenhäuser im Hausinnern von Institutionen so weit wie möglich. Verbinde alle selbständigen Haushalte, öffentlichen Ämter und Arbeitsgruppen in den oberen Geschossen von Gebäuden direkt mit draußen. Tue das mit Hilfe von offenen Treppen, die von der Straße aus direkt zugänglich sind. Überdach die Stiege, wenn es das Klima erfordert, aber lass sie in jedem Fall auf ebener Erde offen, ohne eine Tür, so daß sie wie eine Verlängerung der Straße funktioniert. Und bau oben keine Gänge. Mach stattdessen dort, obere Einheiten eine Stiege teilen, offene Podeste oder eine offene Arkade.

 Eine Muster Sprache 158 OFFENE TREPPEN

 

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Wo die Stiege bis zum Boden reicht, mach einen Eingang, der die Familie von Eingängen, die es in einer Straße bereits gibt, ergänzt — FAMILIE VON EINGÄNGEN (102); mach aus den Absätzen und dem Ende der Stiege, wo sie ans Dach grenzt, Gärten, in denen etwas wächst und die Leute in der Sonne sitzen können — DACHGARTEN (118), SONNIGE STELLE (161). Vergiß nicht auf SITZSTUFEN (125), und bau die Stiege gemäß ANLEGEN DER STIEGE (195) ...

 

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157.0

... in der Mitte einer HAUSGRUPPE (37) oder eines EIGENEN HEIMES (79) muß es einen Raum oder ein Nebengebäude geben, das locker mit dem Haus verbunden und von außen zuging lich ist. Das ist die Werkstatt. Das folgende Muster zeigt, wie wichtig Werkstätten sind, wie weit verbreitet und allgegenwärtig und — wenn sie einmal gebaut sind — wie leicht erreichbar und öffentlich zugänglich sie stets sein sollten. Dieses Muster bekräftigt die Muster STREUUNG DER ARBEITSPLÄTZE (9)NETZWERK DES LERNENS (18) und MÄNNER UND FRAUEN (27).

 

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Je mehr sich die Dezentralisierung der Arbeit durchsetzt, desto wichtiger werden Werkstätten zu Hause.

 

Wir haben in STREUUNG DER ARBEITSPLÄTZE (9), NETZWERK DES LERNENS (18), MÄNNER UND FRAUEN (27), SELBST VERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80) und anderen Mustern erklärt, daß wir uns eine Gesellschaft vorstellen, in der Arbeit und Familie viel enger miteinander verknüpft sind, als es heute der Fall ist; eine Gesellschaft, in der die Menschen — Geschäftsleute, Künstler, Handwerker, Ladenbesitzer, Fachleute — bei ihrer Arbeit, sei es allein oder in kleinen Gruppen, viel mehr Bezug zu ihrer unmittelbaren Umgebung haben als heute.

In einer solchen Gesellschaft ist die Werkstatt im Hüls Viel mehr als eine Hobbywerkstatt im Keller oder in der Garage. Sie, wird zu einem wesentlichen Bestandteil jedes Hauses; für das Funktionieren des Hauses so wichtig wie die Küche oder die:. Schlafzimmer. Und ihre wichtigste Eigenschaft ist wohl ihre- Beziehung zum öffentlichen Leben auf der Straße. Für die meisten von uns ist das Arbeitsleben relativ öffentlich. Im Vergleich zur häuslichen Abgeschiedenheit ist es sicherlich eine, öffentliche Angelegenheit. Selbst dort, wo es nur wenig Verbindung zur Öffentlichkeit gibt, können sowohl die Arbeitenden als auch die Gemeinschaft voneinander profitieren, wenn diese Verbindung verstärkt wird.

Im Fall der Werkstatt im Haus erweist sich die öffentliche ,Natur der Arbeit als besonders wertvoll. Sie führt die Werkstatt aus dem Bereich eines Hinterhof-Hobbys heraus und in die Domäne der Öffentlichkeit. Die Leute, die dort arbeiten, haben einen Blick auf die Straße; sie sind den Blicken der Passanten ausgesetzt. Und diese lernen etwas dazu über die Beschaffenheit der Gemeinschaft. Vor allem den Kindern kommt dieser Kontakt entgegen. Und je nach der Art der Arbeit hat die Verbindung zur Öffentlichkeit die Form einer Geschäftsfront, eines Fahrwegs zum Laden und Entladen von Materialien, einer Arbeitsbank im Freien, eines kleinen Besprechungszimmers usw.

Wir empfehlen deshalb Vorkehrungen für eine richtige Werkstatt mit allen Eigenschaften eines echten Arbeitsplatzes und mit einem gewissen Grad von Verbindung zum öffentlichen Leben auf der Straße: zumindest einem Blickkontakt, so daß man hinein- und hinaus sieht; und vielleicht einer vollständigen Verbindung in Form einer offenen Geschäftsfront.

 

Daraus folgt:

Richt zu Hause einen Platz ein, wo richtig gearbeitet werden kann; nicht nur zum Hobby, sondern berufsmäßig. Modifiziere die Flächenwidmungsbestimmungen, um so die Ansiedlungen von bescheidenen, ruhigen Betrieben in Wohngebieten zu fördern. Stell für die Werkstatt vielleicht ein paar Dutzend Quadratmeter zur Verfügung; und leg sie so an, daß sie von der Straße aus gesehen wird und der Besitzer ein Schild anbringen kann.

 Eine Muster Sprache 157 WERKSTATT IM HAUS

 

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Richt in der Werkstatt eine Ecke ein, in der sich besonders angenehm arbeiten lässt - LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEN RAUM (159), ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183); eine. starke Verbindung zur Straße - ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165), FENSTER MIT BLICK AUF DIE AUSSENWELT (192); vielleicht einen sonnigen Platz für warme Tage - SONNIGE STELLE (161). Was die Form der Werkstatt und ihre Konstruktion betrifft, fang bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191) an ...

 

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