EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

156.0

... wenn. Menschen älter werden, bekommt eine einfache, befriedigende Arbeit für den Lebensunterhalt immer mehr Bedeutung. Das folgende Muster legt das Bedürfnis nach einer solchen Entwicklung als einen Teil jeder Familie fest. Es trägt zur Bildung der FAMILIE (75) und des HÄUSCHENS FÜR ALTE (155) bei und ist eine natürliche Verschönerung des EIGENEN ZIMMERS (141).

 

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Das Erlebnis erfüllter Arbeit ist im Alter eine Voraussetzung für den Seelenfrieden. Unsere Gesellschaft verhindert dieses Erlebnis jedoch, indem sie eine Kluft schafft zwischen Arbeitsleben und Ruhestand, zwischen Arbeitsplatz und Wohnung.

 

Zuerst einmal, was meinen wir mit „erfüllter Arbeit"? Das ist Arbeit, bei der sich alle Fäden im Leben einer Person zü einer Tätigkeit verknüpfen: Die Tätigkeit bildet eine vollständige, echte Entfaltung des Menschen, der dahinter steht. Diese Art von Arbeit entsteht nicht über Nacht, sondern entwickelt sich ganz allmählich. Es handelt sich um Arbeit, die so stark mit der Lebensform eines Menschen verknüpft ist, daß sie naturgemäß zu Hause oder ganz in der Nähe der eigenen Wohnung entsteht: Wenn sie sich frei entwickeln kann, gehen der Arbeitsplatz und die Wohnung allmählich ineinander über und werden eins.

Es kann sich dabei um dieselbe Arbeit handeln, die -jemand ein ganzes Leben lang ausgeführt hat — aber als erfüllte Arbeit nimmt sie einen tiefergehenden, genauer umrissenen und einzigartigeren Charakter an. Da ist zum Beispiel der Bürokrat, der am Schluß die ganze Papierarbeit durchschaut und die innere Ordnung seiner Arbeit versteht. Er beginnt, diese Ordnung an die Welt weiterzugeben. Das ist das Thema von Kurosawas schönstem Film, Ikiru: Einmal wirklich Leben. Es kann sich aber auch um Arbeit handeln, die jemand als Freizeitbeschäftigung, abseits vom Beruf, anfängt und die sich allmählich ausdehnt und ihn immer mehr in Anspruch nimmt, bis sie ganz an die Stelle seines alten Berufs tritt.

Das Problem ist, daß sehr viele Menschen niemals die Erfahrung erfüllter Arbeit machen, vor allem, weil die Menschen während ihres Arbeitslebens weder Zeit noch Platz haben, sie zu entwickeln. Die Marktwirtschaft unserer Tage zwingt die meisten Menschen, ihre Arbeit den Regeln der Büros, Fabriken und Einrichtungen anzupassen. Und im allgemeinen ist die Arbeit sehr aufreibend - zum Wochenende haben die Leute keine Energien mehr, um eine neue, anstrengende Art von Arbeit anzufangen. Auch in den selbst verwalteten Werkstätten und Büros, wo die Arbeiter den Arbeitsablauf spontan selbst festlegen, wird die Arbeit von der Nachfrage des Marktes bestimmt. Hier bleibt eben so wenig Zeit für die langsame Entwicklung einer „erfüllten Arbeit" - die von innen heraus entsteht und am Märkt vielleicht nicht immer viel gilt.

Um dieses Problem zu lösen, muß zuerst ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, das jemandem, sagen wir vom mittleren Alter an, die Möglichkeit bietet, allmählich eine Art der erfüllten Arbeit zu entwickeln, die zu ihm passt. Wenn sich die Leute zum Beispiel ab dem 40. Lebensjahr einmal pro Woche einen freien Tag nehmen könnten, der dann nur halb bezahlt wird, könnten sie sich in ihrer Wohnung oder Nachbarschaft allmählich eine Werkstatt einrichten. Würde diese Freizeit im Laufe der Jahre erhöht, könnte jemand verschiedene Formen der Arbeit ausprobieren und dann schrittweise das Berufsleben durch die erfüllte Arbeit ersetzen.

Wir bringen die erfüllte Arbeit bewusst mit der Arbeit im Alter in Verbindung, denn wenngleich sie bereits früher im Leben beginnen sollte, wird sie im Alter zu einer Notwendigkeit. Die Alterskrise - Lebensintegrität gegenüber Verzweiflung und Zynismus - kann nur von einem Menschen gelöst werden, der sich mit einer erfüllten Arbeit beschäftigt - siehe LEBENSZYKLUS (26). Menschen, die die Möglichkeit haben, solche Arbeit zu entwickeln und sie mit der Welt um sie herum in Beziehung zu setzen, werden ihre Alterskrise erfolgreich bewältigen können; andere werden in Verzweiflung stürzen.

 

Daraus folgt:

Gib jedem Menschen, vor allem wenn er alt wird, die Möglichkeit, sich in seiner Wohnung oder nahe davoneinen eigenen Arbeitsplatz einzurichten. Mach daraus einen Platz, der langsam wachsen kann, der anfangs vielleicht nur einer Wochenendbeschäftigung dient und allmählich zu einer vollständigen, produktiven und gemütlichen Werkstatt anwächst.

 Eine Muster Sprache 156 ERFÜLLTE ARBEIT

 

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Leg die Werkstatt baulich entsprechend den Richtlinien In WERKSTATT IM HAUS (157) an und mach sie zur Straße hin offen,  das heißt, zu einem Teil des örtlichen Straßenlebens - PRIVAT- TERRASSE AN DER STRASSE (149), ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165) ...

 

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155.0

... im Muster ÜBERALL ALTE MENSCHEN (40) haben wir erklärt, daß es in jeder Nachbarschaft eine ausgewogene Zahl von alten Menschen geben sollte, die zum Teil an einem gemeinschaftlichen Platz leben, zum Großteil aber in der Nachbarschaft verstreut leben. Das folgende Muster setzt nun die Beschaffenheit der Häuser für alte Menschen genauer fest: sowohl jener Häuser, die Teil einer Gruppe sind, als auch jener, die einzeln zwischen größere Häuser eingefügt sind. Wie wir sehen werden, ist es offenbar wünschenswert, daß jede Familie ein solches Häuschen an ihr Haus angeschlossen hat — FAMILIE (75). So wie VERMIETBARE RÄUME (153) und das HÄUSCHEN FÜR TEENAGER (154) kann auch dieses Häuschen in schwierigen Zeiten vermietet oder für andere Zwecke verwendet werden.

 

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Alte Leute stehen, besonders wenn sie einsam sind, vor einem schrecklichen Dilemma. Einerseits gibt es unentrinnbare Einflüsse, die sie in die Unabhängigkeit treiben: Ihre Kinder ziehen weg, die Umgebung verändert sich, ihre Freunde und Ehepartner sterben. Andererseits bringt es das zunehmende Alter mit sich, daß alte Menschen von einfachen Gegebenheiten und einfachen Verbindungen zur Gesellschaft um sie herum abhängig werden.

 

Dieser Konflikt spiegelt sich oft im Konflikt ihrer Kinder wider. Einerseits fühlen sich Kinder verantwortlich für ihre Eltern, weil sie natürlich deren wachsendes Bedürfnis nach Fürsorge und Komfort spüren. Andererseits werden, wenn die Familie kleiner wird, die Eltern-Kind-Konflikte akuter, und nur wenige Leute können sich wirklich vorstellen, daß sie in der Lage oder gewillt sein werden, für ihre alten, schwachen Eltern zu sorgen.

Dieser Konflikt kann teilweise gelöst werden, wenn jedes Haus mit einer Kernfamilie irgendwo in seiner Nähe ein kleines Häuschen hat, in dem ein Großvater oder eine Großmutter leben kann — weit genug entfernt, um unabhängig zu sein, und doch so nahe, daß Bindungen spürbar sind und daß sie sich in schwierigen Situationen oder beim Herannahen des Todes betreut fühlen.

Der Konflikt ist aber allgemeinerer Natur. Selbst wenn wir die vielschichtigen Probleme einer Eltern-Kind-Beziehung allesamt beiseite lassen, bleibt die Tatsache bestehen, daß alte Menschen mit zunehmendem Alter vor immer größeren Schwierigkeiten stehen. Der Sozialstaat versucht die Fürsorge der Großfamilie durch Zahlungen zu ersetzen — durch Sozialversicherung und Renten. Dieses Einkommen ist immer gering; und durch die Inflation wird es noch weniger. In den USA lebt ein Viertel der Bevölkerung über 65 von weniger als $ 4000 pro Jahr. Viele alte Menschen in unserer Gesellschaft müssen in kleinen, schäbigen Zimmern leben, an der Hinterseite irgendeines heruntergekommenen alten Wohnheims. Sie können sich keine anständige Wohnung leisten, weil es keine anständigen kleinen Häuser gibt, die einem geringeren Einkommen und verringerten Aktivitäten entsprechen.

Dieser zweite Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach einem wirklich kleinen, bescheidenen Platz und dem Bedürfnis nach sozialem Kontakt, einem Blick auf die Passanten, jemandem, dein man zuwinken kann, einem Sitzplatz an der Sonne, kann so wie der erste Konflikt durch Häuschen gelöst werden. Er kann gelöst werden, wenn es viele kleine Häuschen gibt, die zwischen den Häusern der Gemeinschaften verstreut und an Fußwegen liegen — klein genug, um wirklich billig sein zu können.

 

Daraus folgt:

Bau kleine Häuschen speziell für alte Menschen. Errichte einige von ihnen auf den Grundstücken größerer, Häuser, für einen Großelternteil; die anderen errichte auf eigenen Parzellen, die viel kleiner als normale Parzellen sind. Leg diese Häuschen in jedem Fall ebenerdig an, direkt an der Straße, wo Leute vorbeigehen, und in der Nähe der Dienstleistungseinrichtungen einer Gemeinschaft und nahe den Gemeinschaftsflächen.

 Eine Muster Sprache 155 HÄUSCHEN FÜR ALTE

 

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Der wichtigste Teil eines Häuschens für Alte ist vielleicht die Veranda an der Vorderseite und die Bank vor der Tür, direkt an der Straße - PRIVATTRRASSE AN DER STRASSE (140), BANK VORDER TÜR (242); was das übrige betrifft, ordne das Häuschen im großen und ganzen entsprechend der Anlage eines HAUSES FÜR EINE PERSON (78) an; triff Vorkehrungen für ERFÜLLTE ARBEIT (156); und statte das Häuschen mit einem STRASSENFENSTER (164) aus. Was die Form des Häuschens betrifft, beginn bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191) und DIE KONSTRUKTION FOLGT DEN SOZIALEN RÄUMEN (205)...

 

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154.0

... in jedem Haus mit Teenagern - DIE FAMILIE (75), HAUS FÜR EINE KLEINFAMILIE (76) - muß deren Zimmern besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden - DAS EIGENE ZIMMER (141): Wenn möglich, sollten diese Zimmer an das Haus angebaut, aber trotzdem getrennt sein und so angelegt werden, daß später auch als VERMIETBARE RÄUME (153) verwendbar sind.

 

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Wenn der Bereich des Teenagers in einem Hais seinem Bedürfnis nach einer gewissen Unabhängigkeit entspricht, wird dieser junge Mensch ständig im Konflikt mit seiner Familie sein.

 

In den meisten Familienwohnungen sind die Zimmer für Kinder und Jugendliche im Grunde gleich. Aber wenn Kinder zu Jugendlichen werden verändert sich ihre Beziehung zur Familie beträchtlich. Sie hängen immer weniger von der Familie ab; sie tragen mehr Verantwortung; ihr Leben außerhalb der Wohnung entfaltet sich und nimmt sie zunehmend Anspruch. Meistens wollen sie mehr Unabhängigkeit; dann und wann brauchen sie noch wirklich den Rückhalt der Familie; manchmal empfinden sie Ängste vor den verwirrenden Vorgängen in ihrem Inneren und um sie herum. All das stellt neue Anforderungen an die Organisation der Familie und dernentsprechend auch an die Organisation der Wohnung.

Um jungen Menschen wirklich über diese Zeit hinwegzuhelfen, muß das Familienleben ein sorgsam ausgewogenes Gleichgewicht haben. Es muß dem Unternehmungsgeist und der Unabhängigkeit breiten Raum geben und gleichzeitig ständigen; Rückhalt bieten, egal was passiert. Das amerikanische Familien leben scheint dieses ausgewogene Verhältnis jedoch nie herstellen zu können. Untersuchungen über das Familienleben Jugendlicher geben das Bild endloser kleinlicher Streitereien, Tyranneien, Vergehen und Versöhnungen wider. Als sozialer Prozess scheint die Adoleszenz mehr darauf ausgerichtet zur. sein, das Bewusstsein junger Frauen und Männer zu brechen;.. als ihnen dabei zu helfen, sich in der Welt zurechtzufinden. (Siehe zum Beispiel Jules Henry, Culture Against Man, New York: Random House, 1963.)

Räumlich gesehen, laufen diese Probleme auf folgendes hinaus: Teenager brauchen einen autonomeren und charakteristischeren Platz im Haus, eher eine Ausgangsbasis für unabhängiges Handeln, als ein Kinderzimmer oder eine Bettnische. Sie bauchen einen Platz, den sie nach Belieben aufsuchen und verlassen können, einen Platz, an dem ihre Privatsphäre  respektiert wird. Gleichzeitig brauchen sie die Möglichkeit, ein Nahverhältnis  zur Familie aufbauen zu können, das mehr auf Gegenseitigkeit und nicht mehr so streng auf Abhängigkeit beruht wie früher. Was offensichtlich gebraucht wird, ist ein Häuschen, das in seiner Organisation und Lage das ausgewogene Verhältnis zwischen neuer Unabhängigkeit und neuer Verbundenheit zur Familie darstellt.

Das Häuschen des Teenagers könnte aus dem alten Kinderzimmer entstehen, indem Sohn und Vater dort eine Wand durchbrechen und den Raum vergrößern. Es könnte gleich von Anfang mitgebaut werden, in der Absicht, später eine Hauswerkstatt daraus zu machen oder einen Ort, an dem der Großvater seinen Lebensabend verbringt, oder auch vermietbare Räume. Das Häuschen könnte sogar eine völlig freistehende Konstruktion im Garten sein, aber in diesem Fall ist eine sehr starke Verbindung zum Hauptgebäude notwendig: vielleicht ein kurzer überdachter Weg vom Häuschen in die Hauptküche. Selbst bei Reihenhäusern oder Geschoßwohnungen kann man den Teenagern Zimmer mit eigenem Eingang geben.

Ist die Idee von Teenager-Häuschen für Eltern annehmbar? Silverstein befragte zwölf in Foster City, einem Vorort von San Francisco, lebende Mütter, ob sie für ihre Familie gern ein Teenager-Häuschen hätten. Ihre Bedenken gegen diese Idee konzentrierten sich auf drei Einwände:

  1. Das Häuschen würde nur ein paar Jahre lang sinnvoll sein und dann leerstehen.
  2. Das Häuschen würde die Familie auseinander reißen; es würde den Teenager isolieren.
  3. Es würde dem Teenager zu große Freiheiten beim Kommen und Gehen bieten.

Um diese Einwänden zu entkräften, schlug Silverstein dann drei Modifikationen vor:

Um den ersten Einwand zu entkräften, muß der Raum auch als Werkstatt, Gästezimmer, Arbeitszimmer und Bereich für die Großmutter funktionieren und aus Holz sein, damit er mit einfachem Werkzeug leicht verändert werden kann.

Um den zweiten Einwand zu entkräften, muß das Häuschen an das Haus anschließen, aber einen eigenen Eingang haben; das Häuschen sollte durch einen kurzen Vorraum oder durch einen Verbindungsgang an das Haus anschließen oder auf der Hinterseite des Grundstücks, hinter dem Haus liegen.

Um den dritten Einwand zu entkräften, muß die Lage des Häuschens so gewählt werden, daß auf dem Weg zur Straße ein wichtiger Gemeinschaftsbereich des Hauses liegt — die Küche, der Innenhof.

Er diskutierte diese Veränderungen wieder mit denselben Müttern. Elf der zwölf Frauen waren nun der Meinung, daß die veränderte Version ihre guten Seiten hatte und einen Versuch wert war. Diese Angaben sind nachzulesen bei Murray Silver-stein, The Boy's Room: Twelve Mothers Respond to an Architectural Pattern, University of California, Department of Architecture, Dezember 1967.

Hier sind einige mögliche Varianten, die diese Modifikationen aufweisen.

Eine Muster Sprache 154 HÄUSCHEN FÜR TEENAGER

Bei den Komantschen „ ... bekam der Junge nach der Pubertät ein eigenes Zelt, in dem er schlief, seine Freunde einlud und den Großteil seiner Zeit verbrachte". (Abram Kardiner, Psychological Frontiers of Society, New York: Columbia University Press, 1945, S. 75.)

 Eine Muster Sprache 154 HÄUSCHEN FÜR TEENAGER 1

Und schließlich ein Text von Simone de Beauvoir:

Schon mit zwölf Jahren hatte ich darunter gelitten, zu Hause keinen Winkel für mich allein zu haben. Als ich in Man Journal die Geschichte einer englischen Collegestudentin las, betrachtete ich sehnsüchtig den Farbdruck von ihrem Zimmer: ein Schreibtisch, ein Sofa, Regale voller Bücher; zwischen fröhlich getönten Wänden arbeitete sie, las sie und trank Tee, ganz ungestört: wie ich sie beneidete! Zum ersten mal hatte ich einen Blick in ein Leben getan, das glücklicher war als das meine. Und jetzt endlich besaß auch ich mein eigenes Reich! Meine Großmut-ler hatte aus ihrem Salon sämtliche Sessel, Tischchen und Nippsachen entfernt. Ich hatte Möbel aus rohem Holz gekauft, und meine Schwester half mir, sie braun zu beizen. Ich besaß einen Tisch, zwei Stühle, eine große Truhe, die als Sitzgelegenheit und Rumpelkammer diente, Regale für meine Bücher und ein Sofa, das zu der orangefarbenen Tapete fasste, mit der ich die Wände verkleiden ließ. Auf meinem Balkon im fünften Stock thronte ich hoch über den Platanen der Rue Denfert - Rochereau und dem Löwen von Belfort. Als Heizung diente mir ein roter Petroleumofen, der sehr schlecht roch: mir schien, als verteidige dieser Geruch meine Einsamkeit, und ich mochte ihn gern. Wie herrlich, meine Tür schließen zu können und geschützt vor allen Blicken meine 'Tage zu verbringen! Lange Zeit blieb mir die Ausstattung der Zimmer, die ich bewohnte, gleichgültig. Es hing wohl mit dem Bild in Mon Journal zusammen, daß ich Zimmer mit Diwan und Bücherbord bevorzugte; ich fand mich jedoch mit jeder Art von Behausung ab: wenn ich pur die Tür hinter mir zumachen konnte, war ich überglücklich.

Ich bezahlte meiner Großmutter eine Miete, und sie behandelte mich Mit derselben Diskretion wie ihre übrigen Pensionäre; niemand kontrollierte mein Kommen und Gehen. Ich konnte beim Morgengrauen nach Hause kommen oder die ganze Nacht im Bett lesen, bis Mittag schlafen, vierundzwanzig Stunden lang eingeschlossen bleiben oder plötzlich auf die Straße laufen. (Simone de Beauvoir, In den besten Jahren", Reinbek ,bei Hamburg, Rowohlt, 1961. S. 13 -14.)

 

Daraus folgt:

Um den Übertritt in das Erwachsenenleben bei einem Jugendlichen zu unterstreichen, mach aus seinem Bereich daheim eine Art Häuschen, das auch räumlich den Beginn seiner Unabhängigkeit ausdrückt. Schließ das Häuschen an das Haus an, aber so, daß es sich deutlich davon abhebt, weit entfernt vom Elternschlafzimmer liegt und einen eigenen Eingang und möglicherweise ein eigenes Dach hat.

 Eine Muster Sprache 154 HÄUSCHEN FÜR TEENAGER 2

 

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Leg das Häuschen so an, daß es einen RUNDEN SITZPLATZ (185) und eine BETTNISCHE (188) enthält, aber kein eigenes Bad oder eine eigene Küche - es ist wichtig, daß diese mit der Familie geteilt werden: So kann der Jugendliche den Kontakt zur Familie aufrechterhalten. Leg den Raum so an, daß ei bei Gelegenheit als Gästezimmer, vermietbarer Raum, Werkstatt und so weiter verwendet werden kann - VERMIETBARE RÄUME (153), WERKSTATT IM HAUS (157). Wenn er in einem oberen Geschoss hegt, richte eine getrennt verlaufende, eigene OFFENE TREPPE (158) ein. Was die Form des Häuschens und seine Konstruktion betrifft, beginn bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191) und DIE KONSTRUKTION FOLGT DEN SOZIALEN RÄUMEN (205) ...

 

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... das folgende Muster ist das erste, das den Rahmen für Nebengebäude festsetzt. Richtig angewandt, kann es zur Entstehung von anderen Mustern beitragen: KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN (45), DIE FAMILIE (75), SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80), KLEINE UNBÜROKRATISCHE DIENSTLEISTUNGEN (81), FLEXIBLE BÜROFLÄCHE (146), HÄUSCHEN FÜR TEENAGER (154), HÄUSCHEN FÜR ALTE (155) und HAUSWERKSTATT (157). Ganz allgemein macht es jedes Gebäude flexibler und für mehr verschiedene Situationen nutzbar.

 

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Das Leben in einem Gebäude ändert sich und der:. Raumbedarf nimmt periodisch zu und ab. Das Gebäude muß imstande sein, sich diesen ungleichmäßigen Zu- und Abnahmen des Raumbedarfs anzupassen.

 

Wenn eine Familie oder Arbeitsgruppe kleiner wird, weil ein oder zwei Leute weggehen, sollte der leer werdende Platz ganz einfach neu verwendet werden können. Sonst finden sich die. Zurückbleibenden in einer leeren Hülle wieder, die für sie zu groß ist. Möglicherweise müssen sie das Haus sogar verkaufen und umziehen, weil sie sich die Erhaltung eines so großen Objekts nicht mehr leisten können.

Da die Ab- oder Zunahme praktisch nie vorhersehbar ist, sollte die Abteilung von Raum auch wieder rückgängig zu machen sein. Zur Zeit nicht benutzte Räume, die an Außenstehende abgegeben oder vermietet werden, könnten eines Tages wieder gebraucht werden, wenn sich die Umstände ändern und die Arbeitsgruppe oder Familie wieder größer wird.

Um Gebäuden die dazu nötige Flexibilität zu geben, müssen einige Teile davon relativ unabhängig sein. In Wirklichkeit: sollten einige Räume bereits von vornherein so angelegt werden, daß sie vermietbar sind, wenn sich die Größe der Gruppe ändert. Diese Zimmer brauchen eine Art von Verbindung zum übrigen Haus, die ermöglicht, daß sie einerseits abgeschlossen und getrennt sind und andererseits ebenso einfach wieder in das Haus integriert werden können. Im allgemeinen bedeutet das einen eigenen Eingang von außen, entweder ein eigenes Bad oder direkten Zugang zu einem Badezimmer und vielleicht Zugang zur Küche.

In Dänemark hat Ole Dybbroe ein Wohnbauprojekt entwickelt bei dem dieses Muster die Grundlage für die Gestalt der Häuser bildet. Die Häuser, die er in Enfamiliehuset 1970 (Lands-bankernes Reallänefond, stiftedes den 9. maj 1959) beschreibt, wachsen langsam, und jeder Teil davon kann entweder mit dem größeren Haushalt verbunden oder als unabhängige Einheit bewohnt werden. Hier ist sein Grundriß für ein „vierteiliges" Haus.

 Eine Muster Sprache 153 VERMIETBARE RÄUME

Obwohl das Vermieten im allgemeinen verheerende Auswirkungen auf die Umwelt hat — siehe DAS EIGENE HAUS (79) —, haben unsere Erfahrungen gezeigt, daß die direkte Vermietung, bei der die Eigentümer im Hauptgebäude wohnen, noch die gesundeste Form des Vermietens ist. Der Hauseigentümer ist tatsächlich da und deshalb mit der Qualität des Lebens um ihn herum und mit dem Zustand des Gebäudes unmittelbar konfrontiert — nicht wie abwesende Vermieter, die an Grund- oder Hausbesitz nur wegen der Einnahmen interessiert sind. Und 'die Mieter sind für gewöhnlich Mieter auf Zeit, die sich lieber ein Zimmer mieten, als die Bürden eines Besitzers auf sich zu nehmen. Selbst in diesem Fall würde für den Eigentümer eine idealere Situation geschaffen, wenn er einen Teil des Gebäudes im Eigentum vergeben könnte und bestimmte Optionen auf das Rückkaufrecht für die betreffende Wohnfläche hätte. Da solche subtilen gesetzlichen Formen von Eigentum jedoch nicht ext.. stieren, ist die direkte Vermietung nach unserer Ansicht die einzige Form des Vermietens ohne sozial und baulich zerstörerische Auswirkungen.

 

Daraus folgt:

Mach zumindest einen Teil des Gebäudes vermietbar: Gib diesem Teil einen eigenen Eingang zusätzlich zur normalen Verbindung mit dem übrigen Haus. Sorg dafür, daß der normale Zugang leicht abgeschlossen werden kann, ohne dadurch die Erschließung des Hauses zu zerstören, und dafür, daß man von diesem Teil direkten Zugang zu einem Baderaum hat, ohne durch das Hauptgebäude gehen zu müssen.

 Eine Muster Sprache 153 VERMIETBARE RÄUME 1

 

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Leg die vermietbaren Räume so an, daß sie auch als HÄUSCHEN FÜR TEENAGER (154), HÄUSCHEN FÜR ALTE (155) oder WERKSTATT IM HAUS (157) verwendet werden können; statte den eigenen Eingang mit einer ZONE VOR DEM EINGANG (112) aus; wenn die Räume in oberen Geschossen liegen, gib ihnen mit Hilfe von OFFENEN TREPPEN (158) einen eigenen Zugang zur Straße. Und gib den Räumen LICHT VON ZWEI SEITEN (159) und DIE FORM DES INNENRAUMS (191) ...

 

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