146 FLEXIBLE BÜROFLÄCHE
... angenommen, die wichtigsten Bereiche einer Werkstätte oder eines Büros sind bereits angelegt — SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80), VERBINDUNG ZWISCHEN BÜROS (82); so wie im Wohnhaus ist auch hier die grundlegende Anordnung bereits durch STUFEN DER INTIMITÄT (127) und GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129) gegeben. Das folgende Muster hilft innerhalb dieses allgemeinen Rahmens, den Arbeitsplatz genauer zu bestimmen, und ergänzt dadurch diese größeren Muster.
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Ist es möglich, eine Art Raum zu schaffen, der speziell auf die Bedürfnisse arbeitender Menschen abgestimmt ist und trotzdem eine Unzahl an verschiedenen Anordnungen und Kombinationsmöglichkeiten bietet?
Jede menschliche Organisation durchläuft eine Reihe von Veränderungen. In den Büros sind die Arbeitsgruppen, ihre Größe und Funktion — oft unvorhersehbaren — Veränderungen unterworfen. Wie muß ein Büroraum angelegt sein, um dem zu entsprechen?
Die Standardmethoden, an dieses Problem der Flexibilität des Büroraums heranzugehen, sind folgende: (1) ein ununterbrochener modularer Raum mit modularen Trennwänden. (in voller oder halber Höhe) und (2) ein das ganze Stockwerk einnehmender, ununterbrochener Raum mit niedrigen Decken: und ohne Trennwände (bekannt als „Bürolandschaft").
Aber keine der beiden Lösungen funktioniert wirklich; Keine bietet echte Flexibilität. Sehen wir sie uns der Reihe nach an,
Wir erörtern zuerst die Lösung mit den Trennwänden. Naiv betrachtet scheint es einzuleuchten, dieses Problem mit Hilfe von beweglichen Trennwänden zu lösen. In der Praxis, steht man aber vor einer Reihe von Schwierigkeiten.
- Leicht bewegliche Trennwände haben geringes Gewicht und schaffen nur unzureichende akustische Isolierung.
- Leicht bewegliche Trennwände, die auch akustisch isolieren, sind normalerweise sehr teuer.
- Die tatsächlichen Kosten für das Umstellen von Trennwänden sind so hoch, daß die Trennwände selbst in sehr flexiblen" und „modularen" Organisationen nur sehr selten :umgestellt werden.
- Das schwerwiegendste Problem: In der Regel ist es nicht lich kleine Veränderungen am Trennwand-System vorzunehmen. Es passiert äußerst selten, daß eine Arbeitsgruppe gerade dann kleiner wird, wenn die Gruppe nebenan wächst und mehr Platz braucht. Um für die expandierende Gruppe Platz Zu schaffen, muß ein Großteil des Büros umgruppiert werden, aber das verursacht so viele Störungen, daß viele Büroleiter zu einfacheren Lösungen greifen — sie lassen die Trennwände, wie sie sind, und setzen die Leute um.
- Schließlich liegt es in der Natur eines Büroraums, daß gewisse informelle, provisorische Anordnungen mit der Zeit immer dauerhafter werden (zum Beispiel Möbel, Aktenschränke, „Besitzergreifung" bestimmter Räume oder Fenster). Die „Besitzer" wehren sich dann gegen Veränderungen. Obwohl sie zum Umzug bereit sind, wenn es um die Ausdehung ihrer eigenen Arbeitsgruppe geht, widersetzen sie sich, wenn der Umzug Teil einer allgemeinen Umgruppierung im Büro ist, die durch die Ausdehnung oder Verkleinerung einer anderen Ar,Schließlich liegt es in der Natur eines Büroraums, daß gewisse informelle, provisorische Anordnungen mit der Zeit immer dauerhafter werden (zum Beispiel Möbel, Aktenschränke, „Besitzergreifung" bestimmter Räume oder Fenster). Die „Besitzer" wehren sich dann gegen Veränderungen. Obwohl sie zum Umzug bereit sind, wenn es um die Ausdehung ihrer eigenen Arbeitsgruppe geht, widersetzen sie sich, wenn der Umzug Teil einer allgemeinen Umgruppierung im Büro ist, die durch die Ausdehnung oder Verkleinerung einer anderen Arbeitsgruppe bewirkt wurde.
Das modulare Trennwand-System funktioniert deshalb nicht, weil die Trennwände in Wirklichkeit zu gewöhnlichen Wänden werden; sie sind aber, was die Festlegung eines Territoriums und die Lärmisolierung betrifft, nicht so effektiv wie wirkliche Winde; dazu kommt noch, daß Trennwände nicht unbedingt das Bedürfnis nach einem halb abgegrenzten Arbeitsbereich, wie es in ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183) beschrieben wird., befriedigen. Daher ist klar, daß das Problem nicht wirklich .durch ein System beweglicher Trennwände gelöst werden kann.
Die Lösung mit einer Bürolandschaft bietet, da es keine Trennwände gibt, wirklich mehr Flexibilität. Dieses System ist jedoch nur für Arbeiten geeignet, bei denen weder ein 'starkes Maß an Privatsphäre noch eine intensive Zusammenarbeit innerhalb einer einzelnen Arbeitsgruppe erforderlich ist. Untersuchungen von Brian Wells haben darüber hinaus deutlich gemacht, daß Büroangestellte lieber in kleineren Arbeitsräumen als in größeren arbeiten — siehe KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148) Wells zeigt, daß sich die Leute, wenn sie die Wahl zwischen verschieden großen Büros haben, für Schreibtische in kleinen Büros statt in großen entscheiden. Er zeigt weiter, daß Arbeitsgruppen in kleinen Büros viel mehr Zusammenhalt haben (bestimmt durch einen größeren Prozentsatz an internen soziometrischen Wahlmöglichkeiten) als Arbeitsgruppen in großen Büros. (Pilkington Research Unit, Office Design: A Study of Environment, Department of Building Science, University of Liverpool, 1965, S. 113-121.)
Weder flexible Trennwände noch Bürolandschaften scheinen also wirklich zu funktionieren. Keine der beiden Lösungen schafft einen Raum, der sich speziellen Arbeitsanforderungen anpassen läßt und wirklich flexibel ist. Ein Hinweis auf eine völlig andere Methode zur Schaffung von Flexibilität ist die Tatsache, daß Organisationen, die in zu Büroräumen umgewidmeten Häusern untergebracht sind, diesbezüglich überhaupt keine Schwierigkeiten haben. Tatsächlich scheint es so zu sein, daß diese alten Gebäude viel mehr Flexibilität bieten als die durch Module geteilten Büros. Der Grund dafür ist einfach. In diesen alten Häusern gibt es viele kleine Räume, ein paar große Räume und viele teilweise abgegrenzte Räume, die meist auf verschiedenste Weise miteinander verbunden sind.
Obwohl diese Räume eigentlich für Familien gedacht waren, hat sich erwiesen, daß sie auch der natürlichen Struktur von Arbeitsgruppen entsprechen: Es gibt kleine Räume für private und halbprivate Büros, etwas größere Räume für Arbeitsgruppen mit zwei bis sechs Leuten, gewöhnlich auch einen Raum, in dein sich bis zu 12 Personen versammeln können, und einen Gemeinschaftsbereich um die Küche und das Esszimmer herum. Weiters gibt es in jedem Raum verschiedene Wände, halbhohe Wände und Fensterplätze, die Umstellungen im Raum ermöglichen.
Obwohl die Wände natürlich nicht augenblicklich verändert werden können, ist das Haus wirklich anpassungsfähig. Veränderungen in den Arbeitsgruppen können innerhalb weniger Minuten und ohne Kosten vorgenommen werden, indem man einfach gewisse Türen aufmacht oder verschließt. Auch die akustischen Eigenschaften sind hervorragend, da die meisten Wände aus soliden, oft auch tragenden Mauern bestehen.
Gelegentlich ist es möglich, ein Büro oder eine Arbeitsstätte wie ein Wohnhaus zu bauen — wenn man rechtzeitig genug däs Nötige über die Arbeitsgruppe weiß und so die Mischung der Zimmer und größeren Räume auf ihre speziellen Bedürfnisse abstimmen kann. Aber in den meisten Fällen ist zum Zeitpunkt des Bauens noch nicht bekannt, welche Arbeitsgruppe diesen Raum benutzen wird. In diesem Fall ist ein spezieller Entwurf wie bei einem Haus nicht möglich. Stattdessen muß eine Art von Raum geplant und gebaut werden, der im Gebrauch von seinem System her schrittweise in die „hausartige" Raumstruktur >übergeführt werden kann.
Die Art von Raum, die das ermöglicht, ist weder „Lagerhaus"-fläche noch „Bürolandschaft", sondern bietet die Möglichkeiten, die man braucht, in Form von Pfeilern und verschiedenen Deckenhöhen, die zu Umgestaltungen im Gebrauch anregen. Wenn die Pfeiler so stehen, daß ein paar an sie befestigte Trennwände Abteilungen und Räume in Räumen zu bilden beginnen, dann kann man sicher sein, daß die Leute den Raum wirklich so umwandeln, wie sie ihn brauchen, wenn sie erst einmal da arbeiten.
Was die geometrische Anordnung der Pfeiler betrifft, haben wir -festgestellt, daß sie dann am besten funktioniert, wenn es im wesentlichen einen mittleren Raum gibt — mit Seitenschiffen — und die Möglichkeit, aus den einzelnen Feldern der Seitenschiffe Arbeitsplätze zu machen. Die Zeichnung unten vermittelt ungefähr eine Vorstellung dieser Idee sowie der Art und Weise, wie sich dieses Muster im Laufe der fahre verändern läßt.
Natürlich steht einem, von dieser allgemeinen Richtlinie ausgehend, eine fast unendliche Vielzahl an Aufteilungs- und Kombinationsmöglichkeiten offen. Im einen Fall können die Räume eher einfach sein, mit in einer Reihe angelegten Abteilungen. Im anderen Fall sind die Felder vielleicht eher verschachtelt angelegt, mit unterschiedlich großen Zimmern und Räumen dazwischen. Die Details sind unwichtig. Worauf es ankommt, ist die allgemeine Lage der Pfeiler und, natürlich die Gewähr, daß sie ausreichend Licht haben — LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159).
Daraus folgt:
Leg die Bürofläche in Gebäudeflügeln mit offenem Raum an, mit freistehenden Pfeilern rundherum, sodaß sie ineinander übergehende, halbprivate und gemeinschaftliche Bereiche bildet. Leg genug Pfeiler an, damit die Leute sie im Laufe der Jahre auf verschiedenste Weise ausfachen können - aber immer nur mit semipermanenten Wänden.
Wenn die Arbeitsgruppe bereits vor dem Bau bekannt ist, gestalte den Raum eher wie ein Wohnhaus, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Schaff in jedem Fall viele verschiedene Räume im ganzen Büro - vergleichbar mit den vielen unterschiedlichen Größen und Raumtypen in einem großen alten Haus.
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Das Licht ist entscheidend. Die Abteilungen dieser Art von Arbeitsräumen müssen entweder frei stehen (sodaß sie Licht aus den Nischen bekommen), oder die gänze Abteilung muß so kurz sein, daß sie von den zwei Enden her genug Licht bekommt - LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159). Verwende VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190) und DER PLATZ AM PFEILER (226), um die richtige Mischung möglicher Räume herzustellen. Leg den Arbeitsraum vor allem so an, daß die Leute zu zweit oder zu dritt arbeiten können, immer teilweise in Kontakt und teilweise isoliert - KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148) und HALBPRIVATE BÜROS (152). Richte im vorderen Teil einen freundlichen Empfangsbereich ein - ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG (149); und in den Gemeinschaftsbereichen in der Mitte sorg für einen Ort, wo die Leute jeden Tag gemeinsam essen können - GEMEINSAMES ESSEN (147) ...
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