127 STUFEN DER INTIMITÄT **

 

 

...  wenn man bereits ungefähr die Lage der Gebäudeflügel weiß — GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107) —, die ANZAHL DER STOCKWERKE (96) und wo der HAUPTEINGANG (110) liegt, kann man eine grobe Einteilung der wichtigsten Bereiche In jedem Stockwerk vornehmen. Überaus wichtig ist in jedem Gebäude die Beziehung zwischen öffentlichen und privaten Bereichen.

 

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Wenn man die verschiedenen Bereiche eines Gebäudes nicht entsprechend ihrem Grad an Privatheit anordnet, sind die Besuche von Fremden, Freunden, Gästen, Kunden oder Verwandten immer ein wenig unangenehm.

 

In jedem Gebäude — ob Wohnhaus, Büro, öffentliches Gebäude oder Sommerhaus — brauchen die Leute eine Abstufung von Schauplätzen mit unterschiedlichen Graden der Intimität. Ein Schlafzimmer oder Boudoir ist der intimste Bereich; ein Wohnzimmer im hinteren Teil des Hauses oder ein Arbeitszimmer ist schon weniger intim; ein gemeinschaftlicher Bereich oder die Küche zählt noch mehr zu den öffentlichen Bereichen; und:eine Veranda an der Front oder der Eingangsraum ist schon ganz öffentlich. Wenn eine Abstufung dieser Art gegeben ist, können die Menschen jedem Treffen eine andere Bedeutung geben; indem sie entsprechend der Abstufung den passenden Ort auswählen. In einem Gebäude, dessen Räume so stark miteinander verflochten sind, daß sie keine Stufen der Intimität. erkennen lassen, kann der Ort für irgendein Treffen nicht so sorgsam ausgewählt werden; daher ist es auch nicht möglich, dem Treffen durch die Wahl des Raumes noch eine zusätzliche Bedeutung zu geben. Diese Homogenität des Raumes, bei der jedes Zimmer dasselbe Maß an Intimität hat, macht sämtlicht Nuancen sozialer Beziehungen zunichte.

Wir veranschaulichen diese allgemeine Tatsache anhand eines Beispiels aus Peru - ein Fall, mit dem wir uns eingehend beschäftigt haben. In Peru werden Freundschaften sehr ernst genommen, und sie bestehen auf verschiedensten Ebenen. Zufällige Bekannte aus der Nachbarschaft werden möglicherweise nie die Wohnung betreten. Formelle Freunde wie etwa der Priester, der Freund der Tochter oder die Freunde aus der Arbeit werden zwar hereingebeten, ihre Besuche beschränken sich aber eher auf den besser ausgestatteten, schöneren Teil des Hauses - auf die sala. Dieser Raum ist vom zwanglosen Durcheinander der restlichen Wohnung abgeschirmt. Verwandte und enge Freunde werden wahrscheinlich in den Wohnraum (come-dor-estar) eingeladen, wo die Familie normalerweise den Großteil der Zeit verbringt. Einigen wenigen Verwandten und freunden, und insbesondere Frauen, wird gestattet, die Küche oder ändere Arbeitsräume und vielleicht die Schlafzimmer zu betreten. Auf diese Weise bewahrt die Familie sowohl ihre Privatheit als auch ihr Ehrgefühl.

Das Phänomen der Stufen der Intimität läßt sich besonders bei einer fiesta beobachten. Obwohl das ganze Haus voll von .Leuten ist, kommen einige von ihnen nie über die sala hinaus; manche kommen nicht einmal über die Schwelle der Eingangstür. Andere wieder gehen direkt bis zur Küche durch, wo das Essen gekocht wird, und bleiben dort den ganzen Abend lang. Jeder einzelne kann den Grad der Intimität, der ihn mit der Familie verbindet, genau einschätzen und weiß, wie weit er sich entsprechend dem festgesetzten Maß an Vertrautheit in die Wohnung vorwagen darf.

Selbst sehr arme Leute versuchen, wenn es irgendwie geht, eine sala zu haben; wir haben in den barriadas viele davon gesehen. In den modernen Häusern und Wohnungen in Peru werden sala und Wohnraum jedoch kombiniert, um so Platz zu sparen. Nahezu jeder, mit dem wir darüber sprachen, klagte über diese Situation. Nach unseren Erfahrungen darf eine Wohnung in Peru auf keinen Fall das Prinzip der Intimitätsstufen verletzen.

Diese Stufen der Intimität haben in Peru ungewöhnlich viel Bedeutung. Aber in irgendeiner Form gibt es dieses Muster fast in.jedem Kulturkreis. Man kann es in völlig unterschiedlichen Kulturen finden — vergleiche die Grundrisse von afrikanischen Siedlungen, traditionellen japanischen Häusern oder frühen amerikanischen Kolonialhäusern —, und es läßt sich auch auf fast alle Gebäudetypen anwenden — vergleiche ein Haus, ein kleines Geschäft, ein großes Bürogebäude und sogar eine Kirche. Es ist fast so etwas wie ein archetypisches Ordnungsprinzip für alle Gebäude des Menschen. Sämtliche Gebäude und sämtliche Teile eines Gebäudes, in denen klar definierte Gruppen von Menschen leben, brauchen eine bestimmte Abstufung von der „Front" zur „Hinterseite", von den sehr formellen Räumen an der Front bis zu den sehr intimen Räumen an der Hinterseite.

In einem Büro könnte die Reihenfolge so aussehen: Eingangs räum, Kaffeeküche und Empfangsbereiche, Büros und Arbeitsräume, private Aufenthaltsräume.

 Eine Muster Sprache 127 STUFEN DER INTIMITÄT

In einem kleinen Geschäft könnte die Reihenfolge so aussehen: Geschäftseingang, Selbstbedienung, Verkaufspult, Bereich hinter dem Ladentisch, Privatbereich für die Angestellten.

In einem Wohnhaus: Tor, Veranda, Eingang, Sitzbank, Gemeinschaftsbereich und Küche, privater Garten, Bettnische.

Eine Muster Sprache 127 STUFEN DER INTIMITÄT 1

Und in einem formelleren Haus könnte die Reihenfolge mit einer Art peruanischer sala — einem Empfangs- oder Wohnzimmer für Gäste — beginnen.

 Eine Muster Sprache 127 STUFEN DER INTIMITÄT 2

 

Daraus folgt:

Leg die Räume eines Gebäudes in einer Reihenfolge an, die beim Eingang und den öffentlichsten Teilen eines Gebäudes beginnt, dann allmählich in privatere Bereiche übergeht und schließlich zu den intimsten Teilen führt.

 Eine Muster Sprache 127 STUFEN DER INTIMITÄT 3

 

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Sorg dafür, daß die Gemeinschaftsbereiche nicht nur im vorderen Teil des Gebäudes, sondern auch inmitten der Aktivität liegen, und daß alle Wege zwischen den privateren Räumen an den Gemeinschaftszimmern vorbeiführen — GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129). Gestalte den EINGANGS-:RAUM (130) von Privathäusern als den formellsten und öffentlichsten Ort und ordne die privaten Bereiche so an, daß jeder ein eigenes Zimmer hat, in dem er allein sein kann — DAS EIGENE ZIMMER (141). Leg Badezimmer und Toiletten auf halbem Weg zwischen den Gemeinschafts- und Privatbereichen an, damit sie von beiden Seiten leicht erreichbar sind — BADERAUM (144); sieh in allen verschiedenen Bereichen der Intimität Sitzgelegenheiten vor und gestalte sie der jeweiligen Intimitätsstufe entsprechend - MEHRERE SITZPLÄTZE (144). In Büros beginn die Abstufung mit ENTGEGENKOMMENDEM EMPFANG (149) und beende sie mit HALBPRIVATEM BÜRO (152) ...

 

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