EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

... nun kann man den dicken Wänden, möglicherweise auch niedrigen Decken, den letzten Schliff geben — DICKE WÄNDE (197), VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190).

 

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Wie kann dem Bedürfnis nach einem Versteck entgegengekommen werden; dem Verlangen, etwas zu verbergen; dem Reiz, etwas Kostbares zu verlegen und dann neu zu entdecken?

 

Wir glauben, daß Menschen gern eine geheime Stelle in ihrer ,Wohnung haben: eine Stelle, die auf eine ganz besondere Weise benutzt und nur zu ganz besonderen Anlässen enthüllt wird.

In einem Haus mit einer derartigen Stelle zu leben, ist eine ganz andere Erfahrung. Es regt einen dazu an, etwas Kostbares dort aufzubewahren, etwas zu verbergen, nur manche in das Geheimnis einzuweihen und andere nicht. Es ermöglicht einem, etwas Wertvolles ganz für sich aufzuheben, so daß es nie jemand findet, bis man einmal zu einem Freund sagt: „Jetzt Zeige ich dir was ganz Besonderes", und ihm die Geschichte, die dahintersteckt, erzählt.

Die Tatsache, daß dieses Verlangen wirklich vorhanden ist, findet starke Unterstützung in Gaston Bachelards Poetik des Raumes (Frankfurt am Main: Ullstein, 1975, S. 108, 111). Wir zitieren aus Kapitel IV und V:

Das Thema der Schubladen, der Truhen, der Schlösser und der Schränke wird uns wieder mit dem unergründlichen Vorrat der Innerlichkeitsträumereien in Kontakt bringen.

Der Schrank und seine Fächer, der Schreibtisch und seine Schubladen, die Truhe mit dem doppelten Boden sind wirkliche Organe des geheimen psychologischen Lebens. Ohne diese „Objekte", neben einigen anderen ebenso wertvollen, würden unserem inneren Leben die äußeren Modelle der Innerlichkeit fehlen. Gleich uns, durch uns, für uns haben sie eine Innerlichkeit.

Wenn man den Dingen die gehörige Freundschaft entgegenbringt, kann man den Schrank nicht öffnen, ohne ein wenig zu zittern.

Unter dem rötlichen Holz ist das Innere des Schrankes eine sehr weiße Mandel. Ihn zu öffnen, ist ein Erlebnis der Weiße.

Eine Anthologie des „Kästchens" würde ein großes Kapitel Psychologie enthalten. Die komplizierten Möbelstücke, die der Handwerker herstellt, sind ein sehr deutliches Zeugnis für ein Bedürfnis nach Gekeimnissen, eine Intelligenz des Verstecks. -Es handelt sich nicht nur darum ein Wertstück sicher aufzubewahren. Es gibt kein Schloss, das der rücksichtslosen Gewaltanwendung widerstehen könnte. Jedes Schloss ruft nach dem Einbrecher. Welche psychologische Schwelle ist ein Schloss!

 

Daraus folgt:

Mach eine vielleicht nur einen Quadratmeter groß Stelle im Haus, die abgesperrt und geheim ist; eine Stelle, die man praktisch unmöglich entdecken kann so lange sie einem nicht gezeigt wurde; eine Stelle, wo die Dokumente oder andere wichtigere Geheimnisse.

 Eine Muster Sprache 204 GEHEIMFACH

 

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Zu den klassischen Formen geheimer Stellen zählen Wandtafel, die beiseite geschoben werden kann und eine Öffnung freigibt, das lose Brett unter dem Teppich, die Falltür - SCHRÄNKE ZWISCHEN RÄUMEN (198), VERBREITERN DER AUSSEWÄNDE (211), GEWÖLBTE DECKEN (219) ...

 

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203.0

... die Orte, die vor allem den Kindern zum Spielen vorbehalten Sind ABENTEUERSPIELPLATZ (73), KINDERHAUS (86), BEREICH DER KINDER (137) — und DICKE WÄNDE (197) können durch ein besonderes Detail verschönert werden.

 

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Kinder lieben kleine, höhlenartige Orte.

 

Im Laufe des Spielens suchen sich kleine Kinder höhlenartige Räume, wo sie hinein- oder darunter kriechen können — alte Lattenverschläge, unter Tische, in Zelte usw. (Siehe dazu L E. White, „The Outdoor Play of Children Living in Flats", Living in Towns Leo Kuper, Hrsg., London, 1953, S. 235-264.)

 Eine Muster Sprache 203 HÖHLEN FÜR KINDER

Sie versuchen besondere Orte für sich und ihre Freunde zu machen — die Welt um sie herum ist zum Großteil „Erwachsenenwelt" —, und sie versuchen eine Stelle zu schaffen, die Kindergröße hat.

Wenn Kinder in einer solchen „Höhle" spielen, braucht jedes Kind etwa einen halben Quadratmeter für sich; Kinder spielen gern in Gruppen, daher sollten diese Höhlen groß genug dafür sein: Diese Gruppen bestehen aus drei bis fünf Kindern — das wären etwa 1,5 m² bis 2,5 m², und weitere 1,5 m² für Spiele und Bewegungsfreiheit, die man ungefähr als größtes Ausmaß für Höhlen annehmen kann.

 

Daraus folgt:

Bau überall dort, wo Kinder spielen, im Haus, in der Nachbarschaft, in der Schule, kleine „Höhlen". Bau sie in von selbst übrig gebliebene Stellen ein, unter Stiegen, unter den Arbeitsflächen in der Küche. Mach niedrige Decken - 75 cm bis 120 cm - und einen kleinen Eingang.

 Eine Muster Sprache 203 HÖHLEN FÜR KINDER 1

 

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Bau die Höhlen richtig in das Material der Wand- ein; VERBREITERN VERBREITERN DER AUSSENWÄNDE (211). Mach die Türen sehr klein, damit sie zu den Höhlen passen — eine extreme Version der NIEDRIGEN TÜR (224) ...

 

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202.0

... im gesamten Gebäude — MEHRERE SITZPLÄTZE (142) - gib es Nischen, Eingänge, Ecken und Fenster, wo eingebaute Sitz bänke hinpassen — EINGANGSRAUM (130), NISCHEN (179), FENSTERPLATZ (180). Das folgende Muster hilft bei ihrer endgültiger Form.

 

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Eingebaute Sitzbänke sind etwas Großartiges.Jeder mag sie. Durch sie wirkt ein Gebäude gemütlich und luxuriös. Aber in Wirklichkeit funktionieren sie meistens nicht. Sie sind an der falschen Stelle„ oder zu eng, oder die Rückenlehne hat keine Neigung oder sie schauen in die falsche Richtung, oder die Sitzfläche ist zu hart. Dieses Muster zeigt, wie man eine eingebaute Sitzbank baut, die wirklich funktioniert.

 

Warum funktionieren eingebaute Sitzbänke so selten? Die Gründe dafür sind einfach, und die Fehler lassen' sich relativ leicht beheben. Das Problem ist allerdings von entscheidender Bedeutung. Falsch angelegte Sitzbänke werden einfach nicht benützt und sind eine Platzverschwendung, hinausgeworfenes Geld und eine verpaßte Gelegenheit. Was sind die entscheidenden Voraussetzungen?

Lage: Für gewöhnlich werden eingebaute Sitzbänke gern in einer unauffälligen Ecke untergebracht — dort lassen sie sich am leichtesten in die Konstruktion und die Wand einfügen. Als Folge dessen stehen sie aber häufig an einer abgeschiedenen Stelle. Wenn man eine Sitzbank einbaut, sollte man überlegen, wo man ein Sofa oder einen gemütlichen Sessel hinstellen würde — und die Sitzbank genau dort hinstellen, und nicht in ein verlorenes Eck.

Breite und Bequemlichkeit: Eingebaute Sitzbänke sind- oft zu hart und zu eng, und haben eine zu steile Rückenlehne. Niemand sitzt gern auf einem Brett, zumindest nicht für lange. Mach die Sitzbank so breit wie einen wirklich bequemen Sessel (mindestens 45 cm), mit einer leicht geneigten Rückenlehne (nicht senkrecht), und sorg für warme, weiche Polster auf der Sitzfläche und Lehne, sodass sie wirklich bequem ist.

Aussicht: Die meisten Menschen möchten etwas sehen, wenn sie sitzen — sei es andere Menschen oder eine Aussicht. Oft sitzt man auf eingebauten Sitzbänken mit dem Rücken zur Aussicht oder von den anderen Menschen im Zimmer weggedreht. Leg die Sitzbank so an, daß jemand etwas Interessantes sehen kann, wenn er darauf Platz nimmt.

 

Daraus folgt:

Nimm, bevor du eine Sitzbank baust, einen alten Lehnsessel oder ein Sofa her und stell es dort auf, wo du die Sitzbank einbauen möchtest. Schieb den Sessel so lange hin und her, bis dir seine Lage wirklich gefällt. Lass ihn dort ein paar Tage stehen. Probiere, ob du wirklich gern dort sitzt, und verschieb ihn wieder, wenn das noch nicht so ist. Wenn du eine Stellung gefunden hast, die dir gefällt und wo du oft und gern sitzt, dann weißt du, daß es die richtige ist. Nun bau eine ebenso breite und gut gepolsterte Sitzbank - und deine eingebaute Sitzbank wird funktionieren.

 Eine Muster Sprache 202 EINGEBAUTE SITZBANK

 

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Wenn du die Lage der Sitzbank bestimmt hast, dann integriere die Bank in die DICKEN WÄNDE (197), damit sie ein Teil der Konstruktion ist und nicht nur etwas Hinzugefügtes — VERBREITERN DER AUSSENWÄNDE (211) ...

 

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... überall dort, wo es offene Regale gibt, und in jedem Zimmer, in dem man gern Topfpflanzen, Bücher, Teller, Papierkram, Schachteln, schöne Vasen und kleine Reiseandenken, aufbewahrt, ist Platz notwendig, wo diese Dinge ungestört liegen können, ohne ein Durcheinander im Zimmer zu erzeugen - DICKE WÄNDE (197), OFFENE REGALE (200)...

 

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In jedem Haus und an jedem Arbeitsplatz gibt es einen täglichen „Verkehr" von Gegenständen, die man am häufigsten braucht. Wenn diese Dinge nicht griffbereit sind, wird der Alltag mühsam, eine ständige Fehlerquelle; Dinge werden vergessen, verlegt.

 

Der Kern des Problems liegt in dem Wort „griffbereit". Das ist buchstäblich zu nehmen und sollte auch so verstanden werden. Wenn jemand nach etwas greift, sind seine Hände ungefähr in Hüfthohe. Wenn es in Zimmern, Gängen und an Türen da und dort Flächen in Hüfthohe gibt, werden daraus ganz natürlich Stellen, wo man etwas abstellt und später wieder mitnimmt. Wechselgeld, Bilder, offene Bücher, ein Apfel, ein,Paket, eine Zeitung, die Post, einen Zettel: diese Dinge sind auf einem hüfthohen Bord griffbereit. Gibt es keine solche Fläche, dann werden die Sachen entweder weggelegt, vergessen oder verloren, oder sie sind im Weg und müssen ständig beiseitegeräumt werden.

Außerdem ergeben Dinge, die auf einem hüfthohen Bord am ehesten abgelegt werden, eine natürliche, ständig wechselnde Sammlung der alltäglichsten Dinge — der Dinge, die am stärksten mit dem Leben jedes einzelnen verbunden sind. Und da diese Dinge für jede Person andere sind, trägt das hüfthohe Bord dazu bei, daß ein Raum ohne zusätzlichen Aufwand einen einzigartigen, persönlichen Charakter erhält.

 

Daraus folgt:

Bau zumindest in einem Teil der wichtigen Räume, in denen Leute leben und arbeiten, hüfthohe Borde, Mach sie lang, 25 cm bis 40 cm tief, mit Regalen oder einem Schrank darunter. Lass dazwischen Platz für Sitzgelegenheiten, Fenster und Türen frei.

 Eine Muster Sprache 200 OFFENE REGALE 1

 

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Bau das Bord direkt in die Gebäudekonstruktion ein VERBREITERN DER AUSSENWÄNDE (211). Es ist eine gute Stelle für persönliche Gegenstände — DINGE AUS DEINEM LEBEN (253) ...

 

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