219 GEWÖLBTE DECKEN **

 

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... eine Tatsache haben wir bereits erläutert: übliche Balken oder Plattendecken sind unrationell und verschwenderisch, weil die zur Aufnahme der Biegung verwendeten zugfesten Baustoffe weniger häufig sind als solche, die nur Druck aufnehmen können - RATIONELLE KONSTRUKTION (206), GUTE BAUSTOFFE (207) -, und daß es deshalb anzustreben ist, nach Möglichkeit Gewölbe zu verwenden. Das folgende Muster behandelt die Form und den Bau solcher Gewölbe. Die Gewölbe sind eine Weiterführung der ANLAGE DER GESCHOSSDECKEN (210) und der RANDBALKEN (217); vor allem tragen sie dazu bei, VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190) in verschiedenen Räumen entstehen zu lassen.

 

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Gesucht ist eine Gewölbeform, die die Nutzlast des darüber liegenden Geschosses aufnimmt, der Decke des darunter liegenden Raumes eine Form gibt, und sowenig Biege- und Zugspannungen wie möglich erzeugt, sodaß man auf druckfeste Baustoffe zurückgreifen kann.

 

Die Gewölbeform ist durch zwei Einschränkungen bestimmt: die Decke kann an der Außerkante des Raumes nicht niedriger als etwa 1,80 m (äußer gelegentlich in Dachräumen); und die Raumhöhe in der Mitte des Raumes sollte in Beziehung zur Raumgröße stehen (2,40 m bis 3,60 m bei großen Räumen, 2,10 m bis 2,70 rn bei mittleren Räumen und 1,80 m bis 2,20 in in sehr kleinen Nischen und Ecken - siehe VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190).

Aus konstruktiven Überlegungen wissen wir, daß eine Schalenkuppel über einem kreisförmigen Grundriß praktisch keine Biegemomente erzeugen wird, wenn ihre Stichhöhe mindestens 13 - 20% ihres Durchmessers beträgt. (Dies ergibt sich aus Studien und Versuchen mit Schalenkonstruktionen und wird durch eigene Computerstudien bestätigt.) Für einen 2,50 m breiten Raum bedeutet das eine Stichhöhe von etwa 45 cm und eine Raumhöhe von 2,20 m bis 2,50 m in der Mitte; für einen 4,50 m breiten Raum eine Stichhöhe von 60 cm bis 90 cm und eine Raumhöhe von 2,40 m bis 3,00 in in der Mitte.

Glücklicherweise entsprechen diese Gewölbehöhen genau den geforderten Raumhöhen. Wir können also sagen, daß das ideale Gewölbe für einen Aufenthaltsraum in einer Höhe von 1,80 m bis 2,10 m ansetzt und eine Stichhöhe von 13% bis 20% des kleineren Durchmessers aufweist.

Für ein Gewölbe mit kreisförmigem oder elliptischem Querschnitt über einem quadratischen oder rechteckigen Raum gibt es verschiedene Möglichkeiten.

  1. Ein Gewölbetyp entsteht, indem man diagonale Rippen von Ecke zu Ecke errichtet und dann quer zu den Rippen gerade lineare Bauteile auflegt.Eine Muster Sprache 219 GEWÖLBTE DECKEN
  2. Ein anderer Typ ist die reine Kuppelform mit Eckzwickeln.Eine Muster Sprache 219 GEWÖLBTE DECKEN 1

  3. Ein weiterer beruht auf einem rechtwinkeligen Raster von Bogenrippen. Die Randrippen sind völlig flach, die mittleren haben die größte Krümmung. Im Ergebnis ist jeder Teil des Gewölbes in zwei Richtungen gekrümmt und die Ecken sind leicht abgeflacht.Eine Muster Sprache 219 GEWÖLBTE DECKEN 2

 

Jedes dieser drei Gewölbe hat Vorteile bei unterschiedlichen Bedingungen. Das erste ist am leichtesten zu konstruieren, aber es hat einen statischen Nachteil: seine Oberflächen sind nur in einer Richtung gekrümmt - da sie aus geraden linearen Elementen zusammengesetzt sind - und können daher nicht die Tragfähigkeit eines doppelt gekrümmten Gewölbes erreichen. Das zweite ist am schwersten anzulegen; es ergibt sich aber auf natürliche Weise aus der Verschneidung einer Kugelform mit einem rechteckigen Prisma. Wollte man ein Gewölbe auf der Schalungsform eines Ballons machen, der zwischen die Randbalken hinaufgeschoben wird, wäre der zweite Typ am leichtesten anzuwenden. In der speziellen, von uns angewendeten Bautechnik ist der dritte Typ der günstigste, weil es besonders einfach ist, die Bogenrippen anzulegen, die die Schalung bilden. Er ist an den Ecken abgeflacht, sodaß Biegemomente entstehen und zugfeste Materialien erforderlich werden können. Wir haben aber festgestellt, daß bei Leichtbeton eine Bewehrung gegen das Schwinden genügt, die ohnedies notwendig ist.

Wir beschreiben nun eine sehr einfache Weise, ein Gewölbe zu errichten. Wie erinnerlich, war es uns ganz wichtig, daß das Gewölbe schrittweise aufgebaut und jeder Raumform ohne Schwierigkeiten angepaßt werden kann. Unsere Technik ist nicht nur billig und einfach. Sie ist auch eine der wenigen uns bekannten Methoden, ein Gewölbe einer beliebigen Raumform anzupassen. Sie funktioniert für rechteckige Räume, für fast rechteckige Räume und für Räume mit äusgefallenen Formen. Sie ist auf Räume beliebiger Größe anwendbar. Die Höhe des Gewölbes kann je nach seiner Lage im Gesamtzusammenhang der Decken und Raumhöhen variieren - VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190), DIE KONSTRUKTION FOLGT DEN SOZIALEN RÄUMEN (205), ANLAGE DER GESCHOSSDECKEN (210).

Zunächst spannt man Latten im Abstand von 30 cm in einer Richtung von einem Randbalken zum gegenüberliegenden, und biegt jede Latte in der Form des beabsichtigten Gewölbes. Danach flicht man Latten im gleichen Abstand in die andere Richtung, sodaß sich ein Korb ergibt. Die Latten können auf die Randbalken rund um den Raum genagelt werden. Man erhält einen unerhört starken und stabilen Korb.

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Fertiger Lattenrost.

Dann legt man Sackleinen über den Lattenrost und heftet es an, sodaß es fest spannt. Das Sackleinen streicht man mit einer dicken Schicht Polyesterharz, so daß es steif wird.

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Sackleinen auf dem Lattenrost.

Die Häut aus Sackleinen und Polyester ist fest genug, 2,5 cm bis 5 cm Leichtbeton zu tragen. Zuvor legt man eine Lage Maschendraht als Schwindbewehrung über das versteifte Sackleinen. Dann trägt man mit der Kelle eine 2,5 cm bis 5 cm starke Schicht Leichtbeton auf. Auch hier ist der in GUTE BAUSTOFFE (207) beschriebene Leichtbeton von 650 — 1000 kg /m³ zu verwenden.

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Polyesterharz auf Sackleinen.

Die nun gebildete Schale ist fest genug, den Rest des Gewölbes und den Fußboden darüber zu tragen.

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Leichtbeton drauf.

Das übrige Gewölbe sollte erst gegossen werden, wenn alle Kanten geformt, die Pfeiler des nächsten Geschosses positioniert und alle Leitungen verlegt sind — siehe KASTENPFEILER (216), PLATZ FÜR LEITUNGEN (229). Um das Gewicht des Gewölbes niedrig zu halten, sollte sogar der Leichtbeton noch mit 50 Prozent Hohlräumen und Rohrleitungen versehen werden. Als Hohlräume kann man alles verwenden: leere Bierdosen, Weinkrüge, Rohre, Polyuretan-Klötze. Oder die Hohlräume können auch fast wie die Gewölbe selbst gemacht werden, also mit zusätzlichen Bogen aus Latten zwischen einzelnen Pfeilern, von denen Sackleinen zum Gewölbe gespannt wird. Die Zeichnung zeigt die Vorgangsweise.

Ein Gewölbe von 5 mal 6 Metern ähnlich dem in unseren Bildern, wurde durch eine computergestützte finite Element-Berechnung analysiert. Der Beton wurde mit 650 kg/ m³ Perlit-beton angenommen, mit einer Druckfestigkeit von 400 N/cm². Die Zugfestigkeit ist mit 23 N/cm² und der Biegewiderstand mit 114 Nm angenommen. Diese Ziffern beruhen äuf der Annahme, daß der Beton unbewehrt ist. Das Eigengewicht wurde unter der Annahme von 50 Prozent Hohlräumen mit 2,9 kN/m³ angesetzt, die Nutzlast mit 2,4 kN/m³.

Eine Muster Sprache 219 GEWÖLBTE DECKEN 3

Nach dieser Berechnung tritt unter einer solchen Belastung dieser Kuppel die größte Druckspannung in der Nähe der Grundlinie, mittig an allen vier Seiten auf und beträgt 82 N/cm². Der Horizontalschub ist am stärksten in den Viertelpunkten aller vier Seiten und beträgt 7,88 kN. Die größte Zugspannurig von 22 N/cm² tritt an den Ecken auf. Die größte Biegebeanspruchung ist 44,5 Nm. Alle diese Beanspruchungen liegen unterhalb der Grenzwerte des Gewölbes — durch die Schwindbewehrung wird dieses aber noch zusätzlich verstärkt.

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Obwohl dieses Gewölbe eine unreine Form ist (es enthält quadratische Flächen zwischen den Latten, die in Wirklichkeit gegenüber der Gesamtform des Gewölbes durchhängen), zeigt die Berechnung also, daß sein konstruktives Verhalten dem eines reinen Gewölbes nahe genug kommt, um im wesentlichen als druckbeanspruchte Konstruktion zu wirken. Es gibt kleine örtliche Biegebeanspruchungen; in den Eckbereichen der Kuppel treten kleine Zugbeanspruchungen auf. Aber der zum Verhindern des Schwindens benötigte Maschendraht kann diese Spannungen aufnehmen.

Noch einige andere Arten, ein solches Gewölbe zu bauen:

Zunächst einmal können statt des Lattenrostes aus Holz viele andere Materialien verwendet werden: Plastikstreifen, dünne Metallrohre, Bambus. Zum Versteifen des Sackleinens können außer Polyester auch andere Harze verwendet werden. Ist kein Harz verfügbar, dann kann die Form für das Gewölbe wie beschrieben aus Latten gemacht werden, die aber dann mit Maschendraht überspannt und mit in Mörtel getränktem Sackleinen belegt werden, auf das nach dem Erhärten der Beton aufgebracht wird. Man könnte auch mit Leim versteifte Matten, vielleicht sogar Papiermaschee verwenden.

Es ist auch denkbar, ähnliche Gewölbe mit völlig anderen Mitteln zu erzeugen: etwa mit pneumatischen Membranen oder Ballons. Und natürlich sind auch Gewölbe nach ganz traditionellen Methoden denkbar: aus Ziegeln oder Steinen, wie die schönen Gewölbe in Renaissancekirchen, gotischen Kathedralen etc.

 

Daraus folgt:

Bau Geschoßdecken in der Form elliptischer Gewölbe mit einer Stichhöhe zwischen 13 und 20 Prozent der kürzeren Spannweite. Verwende eine Bauweise, die es ermöglicht, das Gewölbe jeder beliebigen Raumform anzupassen, nachdem die Wände und Pfeiler errichtet sind; verwende unter keinen Umständen vorgefertigte Gewölbe.

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Wenn das Gewölbe in der Hauptsache steht, markiere die Lage aller Pfeiler des darüberliegenden Geschosses - VERTEILUNG DER PFEILER (213). Wo Pfeiler mehr als einen halben Meter vorn Randbalken entfernt zu stehen kommen, verstärk das Gewölbe mit Rippen und zusätzlicher Bewehrung, um die Vertikalkräfte aufzunehmen.

Bring alle oberen Pfeiler in Position, bevor das Gewölbe gegossen wird, sodaß beim Gießen der Beton die Pfeiler unten umfaßt und sie fest verankert, ähnlich wie sie in den Fundamenten verankert sind - WURZELFUNDAMENTE (214).

Die Unterseite des Gewölbes wird gemalt oder verputzt WEICHE INNENWÄNDE (235). Der Fußboden an der Oberseite wird entweder gewachst oder poliert oder mit weichen Materialien belegt - FUSSBODEN (233) ...

 

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