217 RANDBALKEN *
... dieses Muster ergänzt das der KASTENPFEILER (216). Die Pfeiler werden oben verbunden, sobald sie eingerichtet sind. Sie bilden auch die Unterstützung der Außenkanten der GEWÖLBTEN DECKEN (219). Deshalb muß die Lage der Randbalken auch genau den Kanten der Gewölbe entsprechen, wie sie in ANLAGE DER GESCHOSSDECKEN (210) ausgeteilt wurden.
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Wenn man sich einen Raum vorstellt und ihn baut, indem man zuerst Pfeiler in die Ecken stellt und dann schrittweise die Wände und die Decke einfügt, so braucht der Raum rundherum an seiner oberen Kante eine Lage von Randbalken.
Dieser Balken verbindet die Pfeiler oder Säulen und schafft ein sichtbares Volumen, bevor der Räum fertig ist; wenn die Pfeiler am Boden stehen, braucht man den Randbalken, um dieses Volumen vor den Augen entstehen zu lassen, um den Räum, den man baut, zu sehen, indem die oberen Enden der Pfeiler physisch verbunden werden.
Das sind konzeptionelle Begründungen. Allerdings kommt die gedankliche Einfachheit und Richtigkeit des rundum liegenden Balkens letzten Endes natürlich aus der elementaren Tatsache, daß dieser Balken mehrere aufeinander bezogene konstruktive Funktionen hat, die ihn zu einem wesentlichen Bestandteil jedes natürlich konstruierten Raumes macht. Der Randbalken hat vier konstruktive Funktionen:
- Er bildet die natürliche Verstärkung zwischen der Wand-und der Gewölbeschale, wie sie in RATIONELLE KONSTRUKTION (206) beschrieben sind.
- Er nimmt den Horizontalschub des Deckengewölbes auf, wo dieser nicht von äußeren Strebepfeilern oder anderen Gewölben aufgenommen wird.
- Er wirkt als Sturzbalken, wo Türen und Fenster die Wandschale durchbrechen.
- Er überträgt Lasten von Pfeilern in höherliegenden Geschossen auf die Pfeiler und Wandschalen darunter und verteilt diese Lasten gleichmäßig auf die Pfeiler und Schalen.
Diese Funktionen des Randbalkens zeigen, daß der Balken sowohl mit den darüberliegenden wie mit den darunterliegen-den Wänden und Pfeilern und mit der Decke möglichst ein Kontinuum bilden soll. Folgen wir dem Muster GUTE BAUSTOFFE (207), muß der Balken auch leicht herzustellen und leicht abzulängen sein.
Übliche Träger entsprechen diesen Forderungen nicht. Stahlträger und vorgefertigte oder vorgespannte Stahlbetonträger können nicht leicht so in Wände und Decken eingearbeitet werden, daß sie eine kontinuierliche Einheit mit diesen Schalen bilden. Und was noch wichtiger ist: sie können nicht ohne weiters an der Baustelle auf die genauen Längen der verschiedenen Räume, die sich in einem organischen Grundriß ergeben, zugeschnitten werden.
Holzbalken entsprechen natürlich beiden Forderungen: sie sind leicht zu schneiden und können mit Wand- und Deckenschalen in ihrer gänzen Länge verbunden werden. Doch ist Holz, wie wir in GUTE BAUSTOFFE (207) bereits feststellten, an vielen Orten nicht verfügbar, und selbst wo es verfügbar ist, wird es knapp und — jedenfalls in den für Balken erforderlichen Dimensionen — sehr teuer.
Um den Gebrauch von Holz zu vermeiden, haben wir den hier gezeigten Randbalken konstruiert, der mit unserem Kastenpfeiler in Einklang steht und zusammen mit diesem verwendet werden kann. Für diesen Balken wird zunächst eine Rinne aus Holzplanken auf die Pfeiler genagelt, bevor die Wandschalen gemacht werden; dann wird die Bewehrung eingebracht und mit Leichtbeton mit 1000 kg/ m³ ausgegossen, nachdem die Wände errichtet und ausgegossen sind. Dieser Balken bildet einen ausgezeichneten Zusammenschluß. Die hölzerne Rinne kann zunächst zusammen mit den anderen Außenhautelementen genagelt werden — und die Füllung kann dann zusammenhängend hergestellt werden, indem Pfeiler, Balken, Wände und Gewölbe in einem gemeinsamen Vorgang ausgegossen werden — siehe WANDSCHALEN (218) und GEWÖLBTE DECKEN (219).
Natürlich kann man Randbalken auf viele andere Arten machen. Zunächst gibt es verschiedene Varianten unserer Konstruktion: Die U-förmige Rinne kann aus Hartfaserplatten,
Sperrholz, Leichtbetonfertigteilen sein und in jedem Fall mit Leichtbeton ausgegossen werden. Dann gibt es verschiedene traditionelle Randbalken — wir denken an die japanische Version oder an die frühen amerikanischen Versionen. Und dann gibt es die verschiedensten Konstruktionen, die nicht wirklich gerade Balken sind und doch vertikale Lasten verteilen und Horizontalschübe aufnehmen können. Eine Reihe von Ziegelbögen könnte so funktionieren oder — in einem weit hergeholten Fall — ein Spannring aus Schlingpflanzen.
Daraus folgt:
Bau einen fortlaufenden Randbalken rund um den Raum, der die Horizontalkräfte des darüberliegenden Gewölbes aufnimmt, die vertikalen Lasten aus den oberen Geschossen auf die Pfeiler verteilt, die Pfeiler verbindet und als Sturz über Wandöffnungen wirkt. Stell diesen Balken in einem mit den Pfeilern, Wänden und der Decke darüber sowie mit den Pfeilern und Wänden darunter her.
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Denk bei der Bewehrung daran, daß der Randbalken nicht nur in vertikaler, sondern auch in horizontaler Richtung wirkt. Wenn er das Auflager einer GEWÖLBTEN DECKE (219) bildet, muß er alle verbleibenden auswärtsgerichteten Horizontalschübe aufnehmen, die aus dem Gewölbe wirken. Verstärk die Verbindung zwischen freistehenden Pfeilern und dem Randbalken durch diagonale Streben — SICHTBARE AUSSTEIFUNG (227).
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