252 LICHTINSELN **
... dieses Muster dient als Ergänzung zu kleinen sozialen Räumen wie NISCHEN (179) und ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183), zu größeren Orten wie den GEMEINSCHAFTSBEREICHEN IN DER MITTE (129), zum EINGANGSRAUM (130) und zur FLEXIBLEN BÜROFLÄCHE (146) und bei der Möblierung von Zimmern wie bei ATMOSPHÄRE BEIM ESSEN (182), RUNDER SITZPLATZ (185) und VERSCHIEDENE SESSEL (251). Es hilft sogar bei der Entstehung WARMER FARBEN (250).
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Gleichmäßige Beleuchtung - das Faible der Beleuchttungstechniker - ist völlig zwecklos. In Wirklichkeit zerstört sie die soziale Beschaffenheit eines Raums und gibt den Menschen ein Gefühl der Unsicherheit und Orientierungs- und Haltlosigkeit.
Sehen wir uns dieses Bild an. Das ist eine Eierkartondecke, über die Dutzende von Leuchtstoffröhren gleichmäßig verteilt sind. Mit diesem mißglückten Versuch, den Himmel zu imitieren, soll möglichst kontrastloses, gleichmäßiges Licht erzeugt werden.
Das Unternehmen basiert aber auf zwei Fehlern. Zuerst einmal ist das Licht im Freien nahezu nie gleichmäßig. Die meisten natürlichen Stellen, und vor allem die Bedingungen, unter denen sich der menschliche Organismus entwickelte, haben fleckenartiges Licht, das sich von Minute zu Minute und von Ort zu Ort ändert.
Noch wichtiger ist die Gegebenheit der menschlichen Natur, daß der Raum, den wir als sozialen Raum benutzen, teilweise durch Licht bestimmt wird. Bei völlig gleichmäßigem Licht wird die soziale Funktion des Raums völlig zerstört: Es fällt den Leuten sogar schwer, zwanglose Gruppen zu bilden. Befindet sich eine Gruppe in einem gleichmäßg beleuchteten Bereich, gibt es keine Lichtabstufungen, die den Grenzen der Gruppe entsprechen; dadurch wird die Gruppe in ihrer Definition, ihrem Zusammenhalt, ihrer „Existenz" geschwächt. Befindet sich die Gruppe innerhalb einer „Lichtinsel", deren Größe und Grenze denen der Gruppe entspricht, wird die genaue Definition, der Zusammenhalt, ja die phänomenologische Existenz der Gruppe gefördert.
Eine mögliche Erklärung bieten die von Hopkinson und Longmore durchgeführten Versuche, die zeigten, daß kleine, helle Lichtquellen die Aufmerksamkeit weniger ablenken als große, weniger helle Flächen. Die beiden Autoren schließen daraus, daß man bei örtlicher Beleuchtung über einem Arbeitstisch konzentrierter arbeiten kann, als bei gleichmäßiger Allgemeinbeleuchtung. Daraus läßt sich logischerweise folgern, daß das für den Zusammenhalt einer Gruppe notwendige hohe Maß an Aufmerksamkeit zwischen Personen wahrscheinlich bei örtlicher Beleuchtung eher aufrechterhalten werden känn als bei gleichmäßiger Allgemeinbeleuchtung. (Siehe R. G. Hopkinson und J. Longmore, „Attention and Distraction in the Lighting of Workplaces", Ergonomics, 2, 1959, S. 321 ff. Neu herausgegeben in R. G. Hopkinson, Lighting, London: HMSO, 1963, S. 261— 268.)
Die von uns angestellten Beobachtungen bestätigen diese Überlegungen. Im International House der University of California, Berkeley, gibt es einen großen Raum, der im allgemeinen als Wartezimmer und Aufenthaltsraum für Gäste und Bewohner dient. In dem Raum gibt es 42 Sitzplätze, 12 davon in der Nähe einer Leuchte. In den zwei Beobachtungszeiträumen zählten wir insgesamt 21 Personen, die in dem Zimmer saßen; 13 von ihnen setzten sich in die Nähe von Leuchten. Diese Zahlen zeigen, daß die Leute lieber nahe dem Licht sitzen (X2 = 11,4, Irrtumswahrscheinlichkeit 0,1%). Dabei war däs Allgemeinbeleuchtungsniveäu im Raum hoch genug zum Lesen. Wir schließen daraus, daß Menschen tatsächlich „Lichtinseln" bevorzugen.
Diese Beobachtungen lassen sich im Alltag hunderte Male nachvollziehen. In jedem guten Restaurant bildet jeder Tisch eine Lichtinsel, weil man weiß, daß das zu einer privaten, intimen Atmosphäre beiträgt. Der gemütliche alte Fauteuil in der Wohnung, der „Lieblingssessel" hat sein eigenes Licht inmitten des Halbdunkels — damit man sich vom Familientrubel zurückziehen und in Ruhe die Zeitung lesen kann. Auch über den Eßtischen in den Wohnungen hängt oft eine einzelne Lampe — das Licht scheint fast wie ein Klebstoff für die um den Tisch versammelten Leute zu wirken. Das dürfte auch für größere Räume gelten. Denken wir nur an die Parkbank unter einer vereinzelten Straßenlampe und an die private Welt, die dadurch für ein Liebespaar geschaffen wird. Oder an die Solidarität einer Gruppe von Fernfahrern in einer Raststätte, die an einem hell erleuchteten Kaffeestand ihren Kaffee trinken.
Zum Schluß noch eine Warnung. Dieses Muster ist leicht zu verstehen; und währscheinlich wird man schnell damit übereinstimmen. Es ist allerdings nicht so einfach, wirklich funktionierende Lichtinseln in einer Umgebung zu schaffen. Wir kennen viele mißglückte Versuche: zum Beispiel Orte, wo kleine Lampen die gleichmäßige Beleuchtung auflösen sollen, aber in keiner Weise mit den Stellen übereinstimmen, wo sich die Leute im Raum am ehesten versammeln.
Daraus folgt:
Häng die Leuchten niedrig auf und voneinander entfernt, sodaß einzelne Lichtinseln entstehen, die Sessel und Tische wie Luftblasen umgeben, damit der soziale Charakter der durch sie geschaffenen Räume betont wird. Bedenke, daß Lichtinseln nur dann möglich sind,wenn es dazwischen dunklere Stellen gibt.
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Verwende nahe dem Licht farbige Lampenschirme, Tapeten und Vorhänge, damit das von ihnen reflektierte Licht eine warme Farbe hat - WARME FARBEN (250) ...
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