240 SCHMALE DECKLEISTE **
... und dieses Muster perfektioniert die Fugen zwischen WEICHEN INNENWÄNDEN (235) oder SCHUPPIGER AUSSENHAUT (234) und den verschiedenen Böden, Gewölben, Rahmen, Versteifungen und Ornamenten, die an die Wände stoßen oder darin eingebaut sind: KASTENPFEILER (216), RANDBALKEN (217), GEWÖLBTE DECKEN (219), GERAHMTE ÖFFNUNGEN (225) und ORNAMENT (249).
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Totalitäre, fabriksmäßig gefertigte Gebäude brauchen keine Deckleisten, weil sie präzise genug sind, ohne sie auszukommen. Diese Präzision wird aber zu einem schrecklichen Preis erkauft: indem die mögliche Freiheit des Gebäudegrundrisses vernichtet wird.
Ein freies, natürliches Gebäude setzt voraus, daß Deckleisten möglich sind, um so die kleinen Abweichungen im Grundriß oder während des Baus abzudecken.
Wenn man zum Beispiel eine Gipskartontafel an einen Pfeiler nagelt und die Tafel auf der Baustelle zugeschnitten wird, kann der Schnitt Ungenauigkeiten bis zu 12 mm aufweisen. Muß er präziser sein, wird viel Material und Arbeitszeit verschwendet werden, und schließlich gerät auch die Möglichkeit, jeden Teil des Gebäudes an die genauen Feinheiten des Grundrisses und des Bauplatzes anzupassen, in Gefahr.
Als Antwort auf Schwierigkeiten dieser Art ist der moderne Fertigteilbau entstanden. Hierbei sind die Toleranzen tatsächlich sehr gering - 3 mm und sogar weniger -, und deshalb braucht man auch keine Deckleisten, um Ungenauigkeiten abzudecken. Diese Präzision der Bauteile setzt jedoch das äußerst strenge Festhalten am Grundriß voraus. Dieser Aspekt der Konstruktion hat an sich schon die Möglichkeiten des Baumeisters, ein natürliches, organisches und dem Bauplatz angepaßtes Gebäude zu errichten, zunichte gemacht.
Bei dem von uns vorgeschlagenen, weniger rigiden Bauverfahren, das größere Toleranzen erlaubt - auch Fehler von 12 mm oder mehr -, ist die Verwendung von Deckleisten zum Abdecken der Materialverbindungen von entscheidender Bedeutung. Tatsächlich ist die Deckleiste bei dieser Einstellung zum Bauen nicht eine belanglose Dekoration, die als letzte Feinheit angebracht wird, sondern ein wesentlicher Schritt der Konstruktion. Daraus wird ersichtlich, daß die so oft mit älteren Häusern in Verbindung gebrachten und als ein Stück Nostalgie behandelten Deckleisten in Wirklichkeit ein grundlegender Bestandteil des Bauvorgangs von natürlichen Gebäuden sind.
Schließlich noch eine Anmerkung zur tatsächlichen Dimension von Deckleisten: Bei den in den vergangenen 25 Jahren erbauten Gebäuden wäre oft weniger mehr gewesen; es besteht der Trend, anstatt kleiner Deckleisten große, überdimensionierte Abschlüsse zu verwenden. Im Sinn dieser Denkweise mögen 50 oder 75 mm dicke Leisten wegen ihrer Schwere und Wirkung richtig erscheinen. Wir glauben, daß das falsch ist: Zu breite oder zu dicke Deckleisten erfüllen ihren Zweck nicht. Das ist keine Stilfrage. Es gibt einen psychologischen Grund dafür, daß jeder Bauteil an einem Gebäude wenigstens ein paar Deckleisten haben sollte, die etwa 12 bis 24 mm dick sind und nicht mehr.
Vergleichen wir die folgenden zwei Beispiele von Deckleisten. Aus irgendwelchen Gründen entspricht einem das Bild rechts, wo die Deckleisten feiner sind, mehr als das linke.
Der Grund dafür scheint folgender zu sein. Unser Körper und die natürliche Umgebung, in der wir uns entwickelt haben, bestehen aus einer kontinuierlichen Hierarchie von Details, die von feinen, molekularen Strukturen bis zu großen Erscheinungen wie Armen und Beinen (an unserem Körper) oder Stämmen und Zweigen (in unserer natürlichen Umgebung) reichen.
Aus Untersuchungen der kognitiven Psychologie wissen wir, daß jede Stufe in dieser Hierarchie kein Größenverhältnis über 1 : 5, 1 : 7 oder 1 : 10 aufweisen darf, wenn wir sie als natürliche Hierarchie empfinden sollen. Eine Hierarchie, in der es einen Maßstabssprung von 1 20 oder mehr gibt, können wir nicht verstehen. Aufgrund dieser Tatsache muß unsere Umgebung, auch wenn sie vom Menschen gestaltet ist, ein ähnliches Kontinuum an Einzelteilen aufweisen.
Die meisten Materialien haben irgendeine Art von faseriger oder kristalliner Struktur in einer Größenördnung von etwa 0,12 mm. Wenn aber die Dimension der kleinsten Bauteile 50 bis 75 mm beträgt, ergibt sich daraus ein Sprung von 1 : 40 oder 1 : 60 zwischen diesen Teilen und der Feinstruktur des Materials.
Damit wir zwischen der Feinkonstruktion eines Gebäudes und der Feinstruktur des Materials eine Verbindung herstellen können, müssen die kleinsten Bauteile etwa 12 mm haben, sodaß sie nicht mehr als etwa die 10 fache Größe der Korn- oder Fasertextur der Baustoffe haben.
Daraus folgt:
Leg überall dort, wo zwei Materialien aufeinander-treffen, eine Deckleiste über die Verbindungskante. Wähl die Deckleisten so, daß die kleinste in jedem Teil immer etwa 12 mm breit ist. Die Leiste ist aus Holz, Putz, Terrakotta.
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In vielen Fällen kann die Deckleiste zur Bildung der Ornamente verwendet werden - ORNAMENT (249); manchmal kann sie auch farbig sein: selbst kleinste Mengen können dazu beitragen, das Licht im Raum warm zu machen - WARME FARBEN (250) ....
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