EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

168.0

... das folgende Muster trägt zur Entstehung der GEBÄUDEKANTE (160) mit ARKADEN (119), von PRIVATTERRASSE AN STRASSE (140), GALERIE RUNDHERUM (166) und ZWEI-METER-BALKON (167) bei, indem es beschreibt, wie der Fußboden des Gebäudes in den umliegenden Boden und die Gärten hinaus reicht.

 

❖ ❖ 

 

Ein Haus wirkt isoliert von der Natur rundherum, wenn seine Fußböden nicht direkt mit dem das Haus umgebenden Erdboden verbunden sind.

 

Das lässt sich am leichtesten verstehen, wenn man Häuser, die scharf vom Erdboden getrennt sind, mit jenen vergleicht, wo es eine enge Verbindung zwischen beiden gibt. Sehen wir uns zuerst dieses Haus an, wo es keinen Übergang gibt.

 168.1

Ein Durchschnittshaus - aber betrachte es genau. Es hat absolut nichts von diesem Muster.

 

Zwischen Innen- und Außenraum herrscht eine abrupte Trennung. Es gibt keine Möglichkeit, teilweise drinnen und trotzdem noch mit dem Draußen verbunden zu sein; das Hausinnere bietet keinerlei Möglichkeiten, bloßfüßig hinauszutreten und den Tau zu spüren oder von einer Kletterpflanze Blüten abzuzwicken, weil es nahe dem Haus keine Fläche gibt, auf die man hinaustreten kann, ohne daß nicht andere Empfindungen als im Haus drinnen geweckt werden.

Vergleich das Haus auf dem großen Bild, wo eine solche Kontinuität besteht. Hier gibt es eine Nahtstelle zwischen den Bereichen, deren Oberfläche mit dem Hausinnern verbunden ist - und dennoch ganz im Freien liegt. Diese Fläche ist Teil der Erde - und doch ein wenig glatter, ein wenig ausgetretener, sauberer; wenn man sie betritt, ist es nicht so, als trete man mit bloßen Füßen auf ein Feld - es ist so, als würde die Erde auf dieser kleinen Fläche selbst zu einem Teil des inneren Terrains.

Wenn man die beiden Beispiele vergleicht, so lässt sich kaum daran zweifeln, daß hier bestimmte Gefühle mitspielen, und wir haben keine Bedenken, dieses Muster als eines der grundlegendsten zu bezeichnen. Über Ursprünge und Bedeutung können wir jedoch nur vage Vermutungen anstellen.

Als wahrscheinlichste Erklärung können wir uns vorstellen, daß die Erdverbundenheit und Verwurzelung des Menschen mit seiner körperlichen Verbindung zur Erde in Zusammenhang stehen könnte. Es ist sehr einleuchtend, und jeder kann für sich selbst feststellen, daß die Zufriedenheit in seinem Leben zunimmt, wenn er sich verwurzelt fühlt, wenn er „mit beiden Beinen fest auf der Erde steht", wenn er die Dinge des Lebens mit einem gesunden Menschenverstand sieht - und nicht in einem Himmel voller Pläne und Phantasien schwebt. Den Weg zu dieser Verwurzeltheit muß jeder allmählich und ganz für sich zurücklegen - aber es könnte durchaus sein, daß er dabei von dem Maß, in dem seine räumliche Umwelt mit der Erde verwurzelt und verbunden ist, unterstützt oder behindert wird.

Baulich gesehen, sind jene Gebäude als verwurzelt zu betrachten, die zumindest an einem Teil ihres Umfangs von Terrassen, Wegen, Stufen, Kies und natürlichen Erdoberflächen umgeben sind und so den Fußboden mit dem umliegenden Boden verbinden. Diese Flächen bestehen aus natürlicheren Materialien, als sie bei den Fußböden im Hausinnern verwendet werden, und andererseits sind sie künstlicher als naturbelassene Erde, Lehm und Gras. Ziegelterrassen, Fliesen und gestampfte Erde, ins Fundament eingebunden, tragen zu dieser Verbindung bei; jedes Haus sollte, wenn möglich, mehrere solcher Nahtstellen haben, die auf den gewachsenen Boden hinausreichen und den Außenraum zum Hausinnern hin öffnen.

 

Daraus folgt:

Verbinde das Gebäude mit dem Erdboden durch eine Reihe von Wegen, Terrassen und Stufen um die Kante herum. Leg sie absichtlich so an, daß die Grenze nicht eindeutig ist - damit man nicht genau sagen kann, wo das Gebäude aufhört und der Erdboden anfängt.

 Eine Muster Sprache 168 VERBINDUNG ZUM BODEN

 

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Verwend die Verbindung zum Boden für die Gestaltung des Fußbodens von Zimmern im Freien, Eingängen und Terrassen — EINGANGSRAUM (130), PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE  (140), ZIMMER IM FREIEN (163), TERRASSIERTER HANG (169); versuch die Terrassen in die Hauswand, in die Kante der Bodenplatte durchgehend einzubinden, damit bereits die Gebäudekonstruktion als mit der Erde verbunden erlebt wird BODEN-PLATTE (215); für die Oberfläche der Terrasse verwend Dinge wie handgeschlagene Ziegel und weichgebrannte, bröcklige, hellbraune Fliesen — WEICHGEBRANNTE FLIESEN UND ZIEGEL (248); und bei den Wegen, die ein wenig weiter vom Haus entfernt sind, lass Fugen im Pflaster, damit Gras und Blumen dazwischen wachsen — FUGEN IM PFLASTER (247) ....

 

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167.0

... an verschiedenen Stellen mit ARKADEN (119) lind einer GALERIE RUNDHERUM (166) kann man sich eine Art von Balkon, Veranda, Terrasse, Vorbau oder Arkade entlang der Gebäudekante oder teilweise in sie integriert vorstellen. Das folgende Muster legt die Tiefe dieser Arkade, dieser Veranda oder dieses Balkons fest, um sicherzustellen, daß sie wirklich funktionieren.

 

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Balkone und Veranden, die weniger als 1,8 Meter tief sind, werden kaum benutzt.

 

Balkone und Veranden werden oft sehr klein angelegt, um Geld zu sparen; aber wenn sie zu klein sind, könnten sie genauso gut gleich weggelassen werden.

Ein Balkon wird zu aller erst einmal dann richtig benutzt, wenn genug Platz vorhanden ist, damit zwei oder drei Leute in einer kleinen Gruppe bequem beisammensitzen und die Beine ausstrecken können, Platz für einen kleinen Tisch ist, auf den man Gläser und Tassen stellen und die Zeitung legen kann. Kein Balkon funktioniert, wenn er so schmal ist, daß die Leute in einer Reihe sitzen müssen und alle in eine Richtung schauen. Die entscheidende Größe ist schwer festzulegen, aber sie hegt zumindest bei 1,8 Metern. Die folgende Zeichnung und das Bild zeigen ungefähr, warum:

Eine Muster Sprache 167 ZWEI METER BALKON

167.1

1,8 m tief

 

Unsere Beobachtungen haben gezeigt, daß es erstaunliche Unterschiede zwischen tiefen und zu wenig tiefen Balkonen gibt. Nach unseren Erfahrungen bringt es so gut wie kein Balkon von 90 oder 120 cm Tiefe zustande, belebt und benützt sein, während von den Balkonen mit mehr als 1,8 m Tiefe praktisch keiner nicht benützt wird,

 167.2 3

Schmale Balkone sind nutzlos.

 

Zwei weitere Eigenschaften haben auf die Häufigkeit der Benützung eines Balkons wesentliche Auswirkungen: die Umschließung und die Zurücksetzung ins Gebäude.

Was die Umschließung betrifft, hat sich herausgestellt, daß bei den tieferen Balkonen jene am meisten benützt werden, die halb umschlossen sind - durch Pfeiler, Holzjalousien, rosenbewachsene Spaliere. Offenbar fühlen sich die Leute in der dadurch geschaffenen teilweisen Privatheit wohler - siehe DURCHBROCHENE WAND (193).

Und die Zurücksetzung scheint eine ähnliche Wirkung zu haben. Auf einem auskragenden Balkon müssen die Leute außerhalb des Baukörpers sitzen; dem Balkon fehlt die Privatsphäre, er wird häufig als instabil empfunden. In einer englischen Untersuchung („Private Balconies in Flats and Maisonettes", Architect´s Journal, März 1975, S. 372-376) gaben zwei Drittel der Befragten an, daß sie ihren Balkon nie benutzten, weil er zu wenig Privatheit bot, und sagten, daß sie lieber einen zurückgesetzten Balkon hätten, weil sie sich darauf im Gegensatz zum auskragenden Balkon sicherer fühlen würden.

 Eine Muster Sprache 167 ZWEI METER BALKON 1

Daraus folgt:

Bau jede Veranda, jede Galerie oder Terrasse mindestens 1,8 m tief. Setz, wenn möglich, zumindest einen Teil davon in das Gebäude zurück, damit er nicht ganz vorsteht und durch eine Linie vom Gebäude getrennt ist, und umschließe ihn teilweise.

 Eine Muster Sprache 167 ZWEI METER BALKON 2

 

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Umschließ den Balkon mit einer niedrigen Mauer - SITZMAUER (243) -, starken Pfeilern - DER PLATZ AM PFEILER (226) - und halboffenen Wänden oder Abschirmungen - DURCHBROCHENE WAND (193). Mach ihn zur Sonne hin offen - SONNIGE STELLE(161). Behandle ihn als ZIMMER IM FREIEN (163), und entnimm die Einzelheiten für seine Gestalt und Konstruktion der FORM DES INNENRAUMS (191) ...

 

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166.0

... wir beschäftigen uns weiterhin mit der Ergänzung der GEBÄUDEKANTE (160). Nehmen wir an, daß überall, wo es sinnvoll ist, Arkaden gebaut wurden - ARKADEN (119); dennoch gibt es noch immer Flächen am Außenrand, aus denen gemäß dern Muster GEBÄUDEKANTE (160) ein positiver Räum gemacht werden muß - aber bis jetzt wurde in keinem Muster erklärt, wie das baulich umgesetzt werden kann. Das folgende Muster zeigt, wie man die Gebäudekante perfektionieren kann. Es ergänzt DACHGARTEN (118) und ARKADEN (119) und trägt dazu bei, die FUSSGÄNGERSTRASSE (100) zu beleben.

 

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Wenn die Menschen nicht von einem Gebäude auf einen Balkon oder eine Terrasse hinaustreten und einen Ausblick auf den Außenraum vor dem Gebäude haben können, dann werden weder sie selbst noch die Leute draußen eine enge Verknüpfung des Gebäudes mit der öffentlichen Welt empfinden können.

 

Die Bedeutung der Gebäudekante haben wir bereits in zwei Mustern besprochen: in GEBÄUDEKANTE (160) selbst und in ARKADEN (119). In beiden Fällen erklärten wir, wie man mit der Gebäudekante und den Arkaden einen Raum für die außerhalb des Gebäudes befindlichen Menschen schaffen kann, in dem sie sich enger mit dem Gebäude verbunden fühlen. Diese Muster behandeln also kurz gesagt das Problem der Verbindung vorn Standpunkt der Leute außerhalb des Gebäudes.

In diesem Muster erörtern wir dasselbe Problem - allerdings vom Standpunkt der Leute in einem Gebäude. Wir glauben ganz einfach, daß jedes Gebäude zumindest eine Stelle, und besser noch eine ganze Reihe von Stellen braucht, an denen die Leute zwar noch im Gebäude, aber doch in Kontakt mit den Menschen und dem Geschehen draußen sein können. Dieses Problem wird auch in PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE (140) erörtert. Aber dort beschäftigen wir uns nur mit einem sehr wichtigen. und höchst spezifischen Aspekt dieses Bedürfnisses. Im vorliegenden Muster gehen wir davon aus, daß es sich hier um ein ganz generelles Bedürfnis handelt: Es ist, um es ganz deutlich zu sagen, eine grundlegende, allumfassende Notwendigkeit, die immer wieder für alle Gebäude gilt.

Dieses Bedürfnis ist bereits ausführlich dokumentiert worden. (Siehe zum Beispiel Anthony Wallace, Housing and Social Structure, Philadelphia Housing Authority, 1952; Federal Housing Authority, The Livability Problem of 1,000 Families,Washington, D. C., 1945.)

Fenster zur Straße haben zwar durchaus ihre Verdienste, genügen aber einfach diesem Bedürfnis nicht. Sie nehmen meist nur einen geringen Teil der Wand ein und können nur benutzt werden, wenn man an der Kante des Raums steht. Es sollen aber viel reichere und spannendere Situationen möglich sein. Wir brauchen entlang der Gebäudekante in den oberen Stockwerken Stellen, wo wir uns bequem stundenlang in Kontakt mit der Straße aufhalten können — beim Kartenspielen,  an einem heißen Tag beim Arbeiten, beim Essen, beim Balgen mit den Kindern oder beim Aufbau der Modelleisenbahn, bei; Wäschetrocknen oder -zusammenlegen, beim Basteln, beim Abrechnen des Haushaltsgelds.

166.1 4

Vier Beispiele für dieses Muster.

 

Kürz gesagt, können fast alle grundlegenden Situationen im Leben durch die Qualitäten einer Galerie rundherum bereichert  werden. Deshalb verlangen wir, daß jedes Gebäude entlang seiner Kante möglichst viele Versionen davon haben sollte - Veranden, Arkaden, Balkone, Markisen, Terrassen und Galerien.

 

Daraus folgt:

Bali überall, wo es möglich ist, und in jedem Stock-Bali überall, wo es möglich ist, und in jedem Stockwerk, Veranden, Galerien, Arkaden, Balkone, Nischensitzplätze im Freien, Markisen, von Lauben umschlostsene Zimmer und ähnliches an den Kanten eines Gebäudes - vor allem dort, wo sie auf öffentliche Räume und Straßen hinausgehen -, und verbind sie durch Türen direkt mit den Zimmern im Gebäudeinneren.

 Eine Muster Sprache 166 DIE GALERIE RUNDHERUM

 

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Vorsicht: Sorg dafür, daß diese Stellen nicht künstlich aufgesetzt sind. Mach sie wirklich brauchbar; such die Stellen entlang der Gebäudekante, die eine direkte und sinnvolle Verbindung mit dem Leben im Hausinnern ergeben - den Raum außerhalb des Treppenabsatzes, den Raum auf der einen Seite der Schlafzimmernische und so weiter.

Diese Stellen sollten ein integraler Bestandteil des Gebäudes sein und Sitzplätze, Tische, Möbel, Plätze zum Stehen und Plaudern und zum Arbeiten im Freien enthalten — alle öffentlich einsehbar — PRIVATTERRASSE AN DER SIRASSE (140), ZIMMER, IM FREIEN (163); mach die Stellen so tief, daß sie wirklich nutzbar sind — ZWEI-METER-BALKON (167) —, mit starken Pfeilern, so daß sich zumindest eine teilweise Umschließung ergibt — DURCHBROCHENE WAND (193), DER PLATZ AM PFEILER (226) ...

 

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165.0

... viele Stellen in einer Stadt gelingen nur dann, wenn: sie- zu den vorbeikommenden Menschen hin offen sind - viel offener als ein STRASSENFENSTER (164). Die UNIVERSITÄT ALS OFFENER MARKT (43), das LOKALE RATHAUS (44); der KRANZ VON GEMEINSCHAFTSPROJEKTEN (45), ein MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN (46), das GESUNDHEITSZENTRUM (47), das STRASSENCAFE (88) oder PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101) sind Beispiele dafür. Das folgende Muster behandelt die Form der Öffnung.

 

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Der Anblick von geschäftigem Treiben regt selbst zur Geschäftigkeit an. Wenn die Leute von der Straße aus bestimmte Bereiche einsehen können, wird Welt weiter, reicher und leichter begreifbar; und entstehen Gelegenheiten zum Kommunizieren und Lernen.

 

Das Service-Center hat eine Geschäftsfront, wobei alle Fenster lang dieser Front liegen. Ein Mann geht an der Tür vorbei. Dabei schaut er in das Center hinein, aber nur für eine Sekunde lang — offenbar will er nicht zuviel Interesse zeigen. Dann sieht er eine Anzeigetafel Fenster und bleibt stehen, um sie zu lesen. Während er liest, schaut er an der Tafel vorbei ins Center, um zu sehen, was drinnen los ist. Nach ein paar Sekunden geht er zurück und betritt das Center. (A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers, C. E. S., 1968, S. 251]

Es gibt viele Methoden, die Verbindung zur Straße herzustellen.

  1. Zuerst die gängigste Art: Die Wand entlang der Straße besteht im wesentlichen aus Glas, und wenn man hineinblickt, sieht man irgendeine interessante Aktivität. Ein Gemeinschaftszentrum in Berkeley zog von einem renovierten, abseits der Straße gelegenen Haus in einen renovierten Möbelausstellungsraum um, der von der Straße her zur Gänze einsehbar war. Die Zahl der Leute, die hinein kamen, stieg nach dem Umzug stark an. Zum Teil deshalb, weil das Zentrum nun in einer viel belebteren Fußgängerstraße lag. Aber auch die völlige Einsehbarkeit spielte eine Rolle: Von den Leuten, die am Zentrum vorbeikamen, wandten sich zirka 66 Prozent um und schauten hinein, und 7 Prozent blieben stehen - entweder um eine Anzeige zu lesen oder um genauer zu schauen, was drinnen vorging.
  2. Durch die Verbindung mit Glas werden die Leute jedoch nur relativ passiv ins Geschehen miteinbezogen. Eine tatsächlich offene Wand - eine Schiebewand oder ein Rolladen - schafft im Vergleich dazu eine viel wertvollere und aktive Verbindung. Bei einer offenen Wand hört man, was drinnen vorgeht, man spürt, wie es dort riecht, man kann Worte wechseln und entlang der ganzen Öffnung eintreten. Straßencafés, offene Imbißstände oder Werkstätten mit einer offenen Garagentür sind Beispiele dafür.
    Auf unserem Weg von der Schule nach Hause gingen wir jeden Tag an der Werkstatt vorbei. Es war eine Möbelwerkstatt, und wir standen normalerweise an der Schwelle und sahen den Männern zu, wie sie Sessel und Tische machten, wie die Sägespäne flogen und wie die Möbelbeine an der Drehbank gedrechselt wurden. Es gab eine niedrige Mauer, und der Werkmeister 'befahl uns, draußen zu bleiben; aber auf der Mauer durften wir sitzen, und das taten wir auch, manchmal stundenlang.
  3. Die offenste Form: Die Aktivität ist nicht nur auf einer Seite des Wegs sichtbar und hörbar, sondern erstreckt sich zu einem Teil über den Weg, so daß Leute, die den Gehsteig entlanggehen, plötzlich mitten durch die Aktivität gehen. Die extreme Version davon ist ein Geschäft, das von beiden Seiten in.den Weg hineinreicht und auf jeder Seite Waren ausgestellt hat Bei einer etwas gemäßigteren Version erstreckt sich das Dach des Gebäudes über den Weg, die Wand ist völlig offen, und das Pflaster des Weges setzt das des „Inneren" fort.

Wie die Öffnung auch immer aussieht, wesentlich dabei ist, daß die normalen Aktivitäten drinnen für die Leute draußen so einladend wirken, daß sie hinschauen und daß sich eine wenn auch noch so unbedeutende Beziehung herstellt. Die Ärzte des Pioneer Health Center in Peckham waren von diesem Prinzip so. überzeugt, daß sie den Turnsaal, das Schwimmbad, die Tanzfläche, die Cafeteria und das Theater im Gesundheitszentrum so anlegten, daß die Passanten nicht umhin konnten, die Leute drinnen, von denen sie manchmal welche kannten, zu sehen:

... da wird getanzt, und am Abend, wenn das ganze Gebäude so hell erleuchtet ist, daß es die Aufmerksamkeit der Passanten anzieht, sieht man im Hauptgebäude sich bewegende Silhouetten ...

... man darf nicht vergessen, daß man dort nicht nur den Fortgeschrittenen zusehen kann, sondern daß jede Leistungsstufe vorhanden ist. Dieser Punkt ist entscheidend, um zu verstehen, in welchem Ausmaß das Sehen als Anreiz dienen und eigenständiges Handeln unter den dort versammelten Zusehern fördern kann. Normalerweise sie der Zuschauer, der irgendeiner Aktivität beiwohnt, nur die Profis; und dieser Trend hat Jahr für Jahr geradezu alarmierend zugenommen. Das Publikum strömt massenweise herbei, um Experten beim Spiel zuzschauen, aber je glänzender die „Stars" werden, desto mehr findet sich jeder einzelne in der Menge in seiner Inaktivität bestärkt, weil er ohnehin unfähig ist und es daher den Versuch nicht wert ist. Nicht alle Formen der Aktion regen also zum eigenständigen Handeln an: Vielmehr weckt das Sehen einer Aktivität, die innerhalb der Möglichkeiten des Zuschauers liegt, eine Versuchung, der man schließlich nicht widerstehen kann. Obwohl für unser Experiment nur wenig Zeit blieb wurde diese Tatsache mehr als genug bestätigt, wie die zunehmenden. Aktivitäten im Gesundheitszentrum zeigen. (The Peckham Experiment, I. Pearse and L. Crocker, New Haven: Yale University Press, 1947 S. 67-72.)

 

Daraus folgt:

Leg jeden öffentlichen Raum, dessen Gelingen von seiner Öffnung zur Straße abhängt, auch offen an Mit einer Wand, die weit aufgemacht werden kann, und schließe möglichst einen Teil der Aktivität auf der ans: deren Seite des Fußgängerwegs mit ein, so daß sie sich auf beide Seiten erstreckt und die Leute auf ihrem Weg mittendurch gehen.

Es gibt Dutzende von Formen, um eine solche Öffnung zu bauen. Eine Wand kann beispielsweise sehr billig hergestellt werden: mit einem einfachen hängenden Rolladen aus Sperrholz, der an einer Schiene befestigt ist und untertags völlig zurückgeschoben und nachts vorgezogen und versperrt werden kann.

 Eine Muster Sprache 165 ÖFFNUNG ZUR STRASSE

 

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Begrenz die Öffnung durch eine niedrige, massive Mauer, auf der die Leute sitzen können - SITZMAUER (243); und mach aus dem Teil des Wegs, der daran vorbeiführt, ein Zimmer im Freien - DIE FORM VON WEGEN (121), ZIMMER IM FREIEN (163) ...

 

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