EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

086.0

... in jedem Wohnbezirk gibt es hunderte Kinder. Insbesondere kleineren Kindern wird mit den Mustern KINDER IN DE STADT (57) und SPIELEN MIT ANDEREN KINDERN (68) der Zugang zum öffentlichen Leben erleichtert. Diese sehr allgemeinen Vorkehrungen in Form von öffentlichen Flächen müssen jedoch durch eine Art von gemeinschaftlichem Bereich ergänzt werden, wo sie je nach Bedarf für ein paar Stunden oder ein paar Tage ohne ihre Eltern bleiben können. Das folgende Muster ist  ein Bestandteil des NETZWERKS DES LERNENS (18) für Kleinkinder. 

 

❖ ❖ 

 

Das Betreuen kleiner Kinder ist eine viel tiefgreifendere und bedeutungsvollere soziale Aufgabe, als die Bezeichnungen „Babysitting" und „Kinderkrippe" vermuten ließen.

 

In einer Gesellschaft, in der die Mehrzahl der Kinder unter der Obhut von Alleinerziehern oder Paaren ist, muß Müttern und Vätern natürlich die Möglichkeit geboten werden, ihre Kinder beaufsichtigen zu lassen, während sie arbeiten oder Freunde treffen. Zu diesem Zweck gibt es Kindergrippen oder Babysitter. So stellt sich die Situation gewissermaßen aus Sicht der Erwachsenen dar.

Die ebenso dringlichen Bedürfnisse der Kinder bleiben'dabei unbefriedigt. Sie brauchen über ihre Eltern hinaus Kontakt zu anderen Erwachsenen und Kindern; diese Begegnungen mit anderen Erwachsenen und Kindern sollten sehr vielschichtig und umsichtig ablaufen und ebenso komplex und intensiv wie das Familienleben sein — nicht bloß „Schulen", „Kindergärten" und „Spielplätze".

Wenn man sich die Bedürfnisse von Kindern und Erwachsenen näher ansieht, stellt sich klar heraus, daß der Wohnbezirk eine neue Einrichtung bräuchte: ein Kinderhaus, wo Kinder,Tag und Nacht sicher sind und gut betreut werden, mit der gesamten Bandbreite an Möglichkeiten und sozialen Aktivitäten zum Hineinwachsen in die Gesellschaft beitragen.

In den früher üblichen Großfamilien wurden diese Bedürfnisse bis zu einem gewissen Teil befriedigt. Die Vielzahl von ;Erwachsenen und Kindern mit unterschiedlichem Alter wirkte sich positiv auf die Kinder aus. Sie lernten die verschiedensten Lebenslagen kennen und konnten ihre Bedürfnisse nicht nur mit Hilfe von zwei, sondern mehreren Menschen stillen.

Obwohl diese Art der Familie mehr und mehr am Verschwinden ist, wird nach wie vor an der Vorstellung festgehalten, daß Kindererziehung allein Aufgabe der Familie und insbesondere der Mütter ist. Das ist jedoch nicht mehr machbar. Philip Slater erörtert im folgenden die Probleme einer kleinen Kernfamilie, die ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ein oder 'zwei Kinder richtet:

Tür die neue Elterngeneration sind materielle Besitztümer und Erfolg im Beruf vielleicht nicht mehr so wichtig wie für ihre eigenen Eltern. Sie lenken den elterlichen Eifer in andere Bahnen und spornen ihre Kinder dazu an, herausragende Künstler, Schauspieler oder Intellektuelle zu werden. Aber der harte narzistische Kern der alten Kultur wird so lange nicht aufbrechen, bis die Eltern-Kind-Beziehung nicht ihrer :Intensität beraubt ist ...

Um dieses Erziehungsmodell aufzubrechen, braucht es Gemeinschafei, in denen a) Kinder nicht nur von den Eltern sozialisiert werden, und b) Eltern ein eigenes Leben führen können und nicht nur durch ihre Kinder einen Lebensinhalt erhalten (The Pursuit of Loneliness, Boston: Beacon Press, 1971, S. 141-142).

 

Unser Vorschlag für ein Kinderhaus sieht einen Ort vor, an dem die intensive Eltern-Kind-Beziehung dadurch gelockert wird, daß das Kind echte soziale Beziehungen zu einigen anderen Erwachsenen und vielen anderen Kindern eingeht.

  1. Baulich gesehen handelt es sich um ein großes, geräumiges Haus mit einem weitläufigen Garten.
  2. Das Haus liegt in Gehentfernung von den Wohnungen der Kinder. Terence Lee hat herausgefunden, daß Kinder, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen, mehr lernen als jene, die mit dem Bus oder Auto kommen. Dahinter steckt ein einfacher, interessanter Mechanismus. Kinder, die zu Fuß gehen oder radfahren, bleiben mit dem Boden in Berührung und sind dadurch in der Lage, eine Reihe von Erkennungsmerkmalen für die Strecke von ihrem Zuhause zur Schule festzulegen. Kinder, die im Auto zur Schule kommen, wechseln wie: auf einem fliegenden Teppich in Windeseile von einen Ort zum andern und können diese Erkennungsmerkmale, die ihr Zuhause mit der Schule verbinden, nicht erstellen. Sie fühlen sich in der Schule ganz und gar verlassen und fürchten unter Umständen sogar, ihre Mutter verloren zu haben. (T. R. Lee, „On the relation between the school journey and social and emotional adjustment in rural infant children", Britisch Journal:of Educational Psychology, 27: IOI, 1957.)

  3. Die Kernbelegschaft besteht aus zwei oder drei Erwachsenen, die das Haus führen; mindestens einer von ihnen, aber besser noch mehrere leben auch dort. Es ist also für mehrere Leute ein richtiges Zuhause; es wird nicht abends geschlossen,
  4. Die Eltern teilen ihr Haus mit den Kindern, die kommen und gehen können, wie sie wollen, und manchmal für eine Stunde oder einen Nachmittag kommen oder auch ein ,paar Tage bei ihren Eltern leben.

  5. Die Bezahlung könnte anfangs nach Stunden geregelt wer den. Wenn man von einer Grundgebühr von einem Dollar.pro Stunde ausgeht und annimmt, daß ein Kind durchschnittlich 20 Stunden pro Woche im Haus verbringt, bräuchte man für Monatseinnahmen von rund 2500 Dollar ungefähr 30 Kinder als Mitglieder.
  6. Als Hauptanliegen des Hauses gilt die Erziehung .der Kinder in einem erweiterten familiären Umfeld. So könnten sich beispielsweise jeden Tag ein paar Leute aus der Umgebung zu Kaffeerunden im Kinderhaus zusammenfinden und sich dabei unter die Kinder mischen.

  7. Dementsprechend sollte das Haus selbst relativ offen angelegt sein, mit einem durch das Grundstück verlaufenden, öffentlichen Weg. Silverstein hat darauf hingewiesen, daß Kinder die erste Zeit in der Schule nicht so stark als von .der Gesellschaft „getrennt" empfinden, wenn ihre Spielbereiche .zu Hause allen vorbeikommenden Erwachsenen und Kindern .öffenstehen. (Murray Silverstein, „The Child's Urban Envirornment", Bericht über die 71. Bundesversammlung des Eltern- und Lehrerkongresses, Chicago, Illinois, 1967, S. 39-45.)
  8. Für die Sicherheit und gleichzeitig größtmögliche Freiheit der Kleinkinder, ohne sie dabei ganz aus den Augen zu verlieren, können Spielflächen auch in einer leichten Senke und.-von einer niedrigen Mauer umgeben liegen. Ist die Mauer höhe, werden die Leute darauf Platz nehmen — so können sie den Kindern beim Spielen zusehen, und die Kinder können sich mit Passanten unterhalten.

 

Dieses Muster der Kinderhäuser hat sich bereits in einer weitaus extremeren Form, als hier beschrieben, bewährt: In vielen Kibbuzim werden Kinder in gemeinschaftlichen Kinder-den erzogen und besuchen ihre Eltern nur für ein paar Stunden pro Woche. Der Erfolg dieser extremen Version sollte eigentlich alle Zweifel über das Funktionieren einer weitaus milderen Version, wie wir sie vorschlagen, ausräumen.

 

Daraus folgt:

Bau in jeder Nachbarschaft ein Kinderhaus - ein zweites Zuhause für Kinder, ein großes, weiträumiges Haus oder eine Arbeitsstätte -, einen Ort, an dem Kinder ein oder zwei Stunden oder auch eine Woche lang bleiben können. Mindestens einer, der das Haus führt, sollte dort auch leben; es muß rund um die Uhr offen sein und Kindern aller Altersstufen offen stehen; aus der Art, wie es geführt wird, muß klar hervorgehen, daß es eine zweite Familie für Kinder ist, und nicht nur ein Ort, an dem Babysitting angeboten wird.

 Eine Muster Sprache 86 KINDERHAUS

 

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Betrachte das Gebäude als eine Ansammlung von kleinen, miteinander verbundenen Gebäuden - GEBÄUDEKOMPLEX (95); leg einen von den Ortsansässigen häufig benützten Weg direkt durch das Gebäude an, so daß Kinder, die keine Mitglieder-sind, es sehen und durch den Kontakt mit den Kindern im. Haus kennenlernen - PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101); verbinde es mit dem lokalen ABENTEUERSPIELPLATZ (73); behandle die Lehrerwohnung als einen wesentlichen Bestandteil des Inneren - DAS EIGENE HEIM (79); und betrachte den gemeinschaftlichen Raum selbst als den Mittelpunkt einer größeren Familie - DIE FAMILIE (75), GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129) ...

 

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085.0

... im KINDERHAUS (86) werden die ersten Schritte im Lernprozeß gesetzt und die Grundlagen für das NETZWERK DES LERNENS (18) in einer Gemeinde geschaffen. Wenn Kinder älter und unabhängiger werden, müssen diese Muster durch eine Vielzahl von winzigen, über die Lebensfunktionen einer Gemeinschaft verstreuten Einrichtungen - Schulen und doch keine Schulen - ergänzt werden. 

 

❖ ❖ 

 

Etwa im Alter von sechs oder sieben entwickeln Kinder das Bedürfnis, durch eigenständiges Handeln zu lernen und zur Gemeinschaft außerhalb ihres Heims etwas beizutragen. Wenn das Umfeld stimmt, können diese Bedürfnisse grundlegenden Fertigkeiten und Lerngewohnheiten den Weg öffnen.

 

Das richtige Umfeld für ein Kind ist die Gemeinschaft selbst so wie für das Baby, das sprechen lernt, das Zuhause das. richtige Umfeld ist.

Zum Beispiel:

Am ersten Schultag aßen wir in einem der Stadtparks von Lös Angeles zu Mittag. Nach dem Essen rief ich alle zusammen und sagte „Jetzt schauen wir mal, welche Bäume es hier so gibt", worauf alle, murrten. „Na, kommt schon", sagte ich, „ihr lebt mit diesen Pflanzen» also solltet ihr wenigstens ihre Kamen kennen. Wie heißen die, unter denen wir jetzt sitzen?"

Sie blickten alle nach oben und sagten im Chor: „Platanen". Ich fragte, „Welche Art von Platane?", und keiner wußte es. Ich nahm mein. Buch über Bäume in Nordamerika heraus und sagte: „Sehen wir mal nach." In dem Buch waren nur drei Arten von Platanen angeführt davon nur eine von der Westküste, und die hieß kalifornische Platane Ich dachte, daß nun alles klar sei, machte aber weiter: „Vergewissern. wir uns lieber und vergleichen wir die Bäume mit der Beschreibung im Buch." Ich begann den Text vorzulesen: „Blätter: 15 bis 20 Zentimeter lang." Ich nahm ein Maßband aus einer Schachtel, gab es Jeff und sagte „Überprüf mal, ob das stimmt." Er fand heraus, daß die Blätter tatsächlich 15 bis 20 Zentimeter lang waren.

Also las ich weiter: „Höhe ausgewachsener Bäume: 9 bis 15 Meter': Wie sollen wir das überprüfen?" Nun folgte eine große Diskussion, und. schließlich einigten wir uns darauf, daß ich mich an den Baum stellen würde, während sie so weit wie möglich zurückgingen und von dort aus schätzten, wie viele „Buschs" hoch der Baum war. Nach ein wenig multiplizieren hatten wir eine ungefähre Baumhöhe. Nun waren bereits alle ganz begeistert bei der Sache, also fragte ich weiter: „Wie könnten. wir das sonst noch lösen?" Eric war in der siebten Klasse und wußte bereits ein wenig Bescheid über Geometrie, also zeigte er uns, wie man die Höhe mit Hilfe von Triangulierung messen kann.

Ich war froh, daß alle so aufmerksam zuhörten, also las ich weiter. Fast schon am Ende des Absatzes kam dann die entscheidende Angabe: „Durchmesser: 30 bis 90 Zentimeter." Ich gab ihnen das Maßband und sagte: „Meßt mal den Durchmesser von dem Baum dort drüben." Sie gingen zum Baum hinüber und wollten schon zu messen anfangen, als ihnen aufging, daß man den Durchmesser eines Baumes eigentlich nur dann messen kann, wenn man ihn umschneidet. Ich bestand aber darauf, daß wir den Durchmesser wissen müßten, also spannten zwei von ihnen das Maßband neben dem Stamm, und die anderen schätzten mit dem Augenmaß, daß zwischen der einen „Kante" und der anderen 45 Zentimeter lagen.

Ich sagte: „Ist das eine exakte Angabe oder eine ungefähre?" Sie räumten ein, daß es nur eine Schätzung war, also sagte ich: „Wie könnte man es sonst machen?"

„Naja", sagte Daniel daraufhin, „man könnte um den Stamm herum messen, den Kreis dann am Boden auslegen und dann durch die Mitte hindurch messen." Ich war richtig beeindruckt und sagte: „Mach dich an die Arbeit." Währenddessen wandte ich mich wieder an den Rest der Gruppe und bat sie um weitere Lösungsvorschläge.

Eric, der offenbar eine ausgeprägte Vorstellungsgabe hatte und sich den Baum möglichweise mit zwei Seiten vorstellte, sagte: „Man könnte um den Stamm herum messen und das durch zwei teilen." Da ich glaube, daß man aus Fehlern mindestens soviel lernt wie aus Erfolgen, sagte ich: „Gut, versuch es." Inzwischen maß Daniel bereits den Kreis am Boden, und nachdem er die richtigen Punkte auf dem etwas schiefen Kreis ausgewählt hatte, kam er mit derselben Antwort:

45 Zentimeter." Nun gab ich das Maßband an Eric weiter; er maß um den Stamm herum, kam auf 150 Zentimeter, dividierte sie durch zwei und kam auf einen Durchmesser von 75 Zentimetern. Er war natürlich ein bischen enttäuscht, also sagte ich: „Schau mal, deine Überlegung war nicht so schlecht; vielleicht hast du bloß die falsche Zahl genommen. Vielleicht könnte man durch eine andere Zahl dividieren?"

„Man könnte durch drei dividieren", rief Michael und fügte, nachdem er weitergedacht hatte, noch schnell hinzu, „und dann fünf abziehen." Ich sagte: „Großartig! Jetzt habt ihr eine Formel, überprüft sie an dem Baum dort", und deutete auf einen Baum, der nicht mehr als zirka 15 Zentimeter Durchmesser hatte. Sie gingen zum Baum, maßen den Umfang, teilten ihn durch drei, zogen fünf ab und verglichen das Ergebnis mit einem entsprechenden Kreis am Boden. Das Ergebnis war enttäuschend, also schlug ich ihnen vor, noch ein paar Bäume abzumessen. Sie nahmen sich noch ungefähr drei weitere Bäume vor und kamen dann zurück. „Wie ist es gelaufen?"

„Gut", sagte Mark, „das Teilen durch drei hat ganz gut funktioniert, aber das fünf Abziehen klappt nicht so."

„Bringt das Teilen durch drei wirklich was?" fragte ich, und Michael antwortete: „Es ist nicht groß genug."

„Durch wie viel sollte man also teilen?"

„Etwa durch dreieinhalb", sagte Daniel.

„Nein", sagte Michael, „eher durch drei und ein Achtel."

An diesem Punkt standen diese fünf Kinder zwischen 9 und 12. An diesem Punkt standen diese fünf Kinder zwischen 9 und 12 bereits ganz knapp davor, die Zahl π zu entdecken, und ich mußte mich schon sehr anstrengen, um mich zurückzuhalten. Wahrscheinlich hätte ich diese Übung noch ein wenig verlängern können, wenn ich sie gebeten hätte, ein Achtel in Dezimalzahlen auszudrücken, aber ich war zu aufgeregt.

„Hört mal," sagte ich, „ich will euch ein Geheimnis verraten. Es gibt eine magische Zahl, die so außergewöhnlich ist, daß sie sogar einer eigenen Namen hat. Man nennt sie π. Und das Magische daran ist, dass man, wenn man einmal ihre Größe kennt, jeden x-beliebigen Kreis hernehmen kann und mithilfe des Umfangs den Durchmesser oder mit dem Durchmesser den Umfang berechnen kann. Das funktioniert so . . ."

Nach meiner Erklärung spazierten wir durch den Park und berechneten Baumumfänge, indem wir ihren Durchmesser schätzten, oder berechneten den Durchmesser, indem wir den Umfang maßen und durch π dividierten. Später, nachdem ich ihnen das Benützen eines Rechenschiebers beigebracht hatte, erklärte ich ihnen die Zahl π und. ließ sie eine ganze Reihe von „Baum"-Aufgaben" lösen. Noch später wiederholten wir das Ganze mit Telefon- und Lichtmasten, um sicher- zugehen, daß der Begriff π nicht in den Untiefen der abstrakten Mathematik versickerte. Ich selbst habe π trotz des ausgezeichneten Mathematikunterrichts an meiner Mittelschule bis zum College nicht wirklich verstanden. Zumindest für diese fünf Kinder ist π aber etwas Reales; es „lebt" in Bäumen und Telefonmasten. (Charles W. Rusch, „Moboc The Mobile Open Classroom", Schule für Architektur und Planung,: Universität Kalifornien, Los Angeles, November 1973.)

 

Ein paar Kinder in einem Bus, die mit ihrem Lehrer einen Stadtpark besuchen - das geht eben nur mit ein paar Kindern und einem Lehrer. Natürlich kann jede öffentliche Schule einen Lehrer und einen Bus bereitstellen. Was sie nicht bereitstellen kann, sind viele Lehrer für wenig Schüler, weil allein schon durch die Größe der Schulen das gesamte Geld in Verwaltung und Gemeinkosten aufgeht - und das bedingt wiederum höhere Schülerzahlen. Obwohl also allgemein bekannt ist, daß nie ein ausgewogenes Verhältnis von Schülern zu Lehrern Gewähr für einen erfolgreichen Unterricht bietet, vereiteln die Schulen diesen wichtigen Faktor, indem sie ihr Geld der Größe zuliebe verschwenden.

Wie jedoch unser Beispiel andeutet, kann man die Gemein kosten großer, konzentrierter Schulen zurückschrauben und das Verhältnis von Schülern zu Lehrern ausgleichen - und zwar einfach, indem man die Schulen kleiner macht. In den USA gibt es bereits eine Reihe von Gemeinden, wo diese Form der Schulausbildung - Minischulen oder Ladenschulen - erprobt wurde. Siehe zum Beispiel Paul Goodman, „Mini-schoos: a prescription for the reading problem", New York Review of Books, Jänner 1968. Unseres Wissens gibt es bis heute keine systematische, empirische Darstellung dieser Schulversuche.Über die Schulen selbst wurde jedoch bereits viel geschrieben. 'Die vielleicht interessanteste Darstellung stammt von George Dennison, The Lives of Children (New York: Vintage Book, 1969):

Ich möchte klarstellen, daß es mir bei dem Vergleich unserer Methoden mit den öffentlichen Schulen nicht darum geht, die Lehrerschaft zu kritisieren, die den institutionellen Gegebenheiten ausgeliefert und teil-Weise bis zum Wahnsinn überlastet ist ... Mein Anliegen ist vielmehr, die Intimität und Kleinheit unserer Schulen zu einem auf breiter Basis nachvollzogenen Vorbild zu machen, da nur mit Hilfe dieser Faktoren jene Krankheiten geheilt werden können, die in den vergangenen zehn ihren so oft zur Sprache gekommen sind. 

Jetzt, wo soviel über „Mini-Schulen" gesprochen wird (Paul Goodman und Dr. Elliott Shapiro haben dazu äußerst überzeugende Vor-Schläge eingebracht), ist es nur angebracht zu sagen, daß das genau das ist, was wir waren: die erste Mini-Schule ...

 

Dennison stellte fest, daß er durch die Streichung der Unkosten, die in einer zentralisierten Schule anfielen, die Schülerzahlen im Verhältnis zu den Lehrern um ein Drittel reduzieren konnte!

Für 23 Kinder gab es drei ganztags beschäftigte Lehrer, einen halbtags beschäftigten (ich selbst) und ein paar andere, die zu bestimmten -Zeiten Gesang, Tanz und Musik unterrichteten.

Lehrer an öffentlichen Schulen, die oft 30 Schüler vor sich haben, Werden wohl erahnen können, welch luxuriöse Verhältnisse sich für lins aufgetan haben. Man muß allerdings immer wiederholen, daß trotz :dieses Luxus der Kostenaufwand pro Kind um einiges niedriger war als im öffentlichen Schulwesen, da die durchaus vergleichbaren Betiriebskosten keinen Rückschluß auf die riesigen Kapitalinvestitionen der öffentlichen Schulen oder den großen Qualitätsunterschied der Dienstleistung zulassen. Nicht daß unsere Familien Schulgeld zahlten (fast niemand. tat das); ich meine nur, daß unser Geld nicht in gewaltigen Verwaltungskosten, Buchhaltung, kostspieligen Gebäuden, Instandhaltung, Hilfspersonal und Vandalismusschäden aufging.

Charles Rusch, Direktor des Moboc, Mobil Open Classroom, Machte die gleiche Erfahrung:

... wenn man die Kosten für das Gebäude und die Gehälter all jener :Leute, die nicht direkt mit den Kindern arbeiten, streicht, kann man das Verhältnis von Schülern zu Lehrern von 35 : 1 auf 10 : 1 reduzieren. Mit einem Schlag und ohne zusätzlichen Aufwand für die Schule oder den Schulbezirk können also die dringlichsten Probleme des öffentlichen Schulwesens gelöst werden. (Rusch, „Moboc: The Mobile Open Classroom", S. 7.)

 

 

Daraus folgt:

Bau für Kinder zwischen 7 und 12 nicht große öffentliche, sondern kleine unabhängige Schulen - immer nur eine auf einmal. Halt die Schülerzahlen klein damit die Gemeinkosten niedrig bleiben und das Verhältnis von Schülern zu Lehrern bei 10 :1 bleibt. Siedle sie im öffentlichen Teil einer Gemeinde an, mit einer Ladenfront und drei oder vier Räumen.

 Eine Muster Sprache 85 LADENSCHULEN

 

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Leg die Schule an eine Fußgängerstraße — FUSSGÄNGERSTRASSE (100); in der Nähe anderer funktionierender Werkstätten — SELBSTVERWALTETE WERKSTÄTtEN UND BÜROS (80) und in Gehentfernung eines Parks — ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE (60). Mach aus ihr einen identifizierbaren Teil des Gebäudes, in dem sie untergebracht ist — GEBÄUDEKOMPLEX (95); und bau an der Front eine deutliche, ordentliche Öffnung zur Straße hin ein - ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165) ...

 

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... damit ein LEBENSZYKLUS (26) ausgeglichen sein kann, muß der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenleben von einer viel aufgeschlosseneren und umfassenderen Institution für Teenager als von einer Schule getragen wird; das folgende Muster, das erste Ansätze für eine derartige Einrichtung liefert, kann als Teil des NETZWERKS DES LERNENS (18) betrachtet Wer:: den und als Anregung für das Netzwerk der MEISTER UND LEHRLINGE (83) dienen. 

 

❖ ❖ 

 

Die Teenager-Zeit bildet den Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben. In traditionellen Gesellschaften wird dieser Übergang entsprechend den psychologischen Erwartungen von Riten begleitet. Die ,Mittelschule" der modernen Gesellschaft kann diesen Übergang überhaupt nicht vermitteln.

 

Das eindrucksvollste uns bekannte Beispiel für einen traditionellen Übergang kommt von einem ostafrikanischen Stamm. Dort wird ein Knabe, der die Manneswürde erlangen will, auf eine zweijährige Wanderschaft geschickt, die eine Reihe von immer schwierigeren Aufgaben vorsieht; den Höhepunkt bildet die härteste Prüfung — das Töten eines Löwen. Während dieser Wanderschaft wird er von den Familien und Dörfern des von ihm durchquerten Gebiets aufgenommen und versorgt; sie betrachten das als einen selbstverständlichen Teil dieses Rituals. Wenn der Knabe schließlich alle Aufgaben bewältigt und den Löwen getötet hat, wird er als Mann akzeptiert.

In einer modernen Gesellschaft kann der Übergang nicht so einfach und direkt vonstatten gehen. Aus Gründen, die wir aufgrund ihrer Komplexität hier nicht näher behandeln möchten, sind der Übergangsprozeß und dessen Dauer beträchtlich ausgedehnt und komplex geworden. (Siehe Edgar Friedenberg, The Vanishing Adolescent, Boston: Beacon Press, 1959, und Coming of Age in America, New York: Random House Inc., 1965). Die Teenager-Zeit dauert normalerweise von 12 bis 18 — sechs Jahre also, anstatt einem oder zwei. Die natürliche sexuelle Veränderung, der Wechsel von der Kindheit zur Reife hat einem weit umfassenderen, langsameren Wechsel Platz gemacht: in einem langen Kampf der Persönlichkeitsbildung entscheidet ein Mensch, „wie er ‚sein' wird". Nahezu niemand :orientiert sich an seinen Eltern; also werden in dieser Welt der unbegrenzten Möglichkeiten die Entscheidungen praktisch aus dem Nichts getroffen. Diesen langwierigen Prozeß, der erst mit der industriellen Revolution einsetzte, nennen wir Adoleszenz.

Und dieser Prozeß der Adoleszenz weckt eine besondere Hoffnung. Wenn schon die Großjährigkeit normalerweise mit dem Entstehen der eigenen Persönlichkeit gleichgesetzt wird, könnte dann durch das Hinauszögern der Großjährigkeit nicht eine noch tiefere und vielfältigere Persönlichkeitsentwicklung Stattfinden?

Diese Hoffnung hat sich bis jetzt in keiner Weise erfüllt. Jede Kultur, in der es diese Adoleszenz gibt, hat mit schwierigen Adoleszenz-Problemen zu kämpfen. Quer durch alle Industrie-Staaten bewirken durch die Pubertät ausgelöste Kraftakte auf bemerkenswert ähnliche Weise Krisen und Konflikte. Die Dramatik dieses Problems äußert sich in hohen Kriminalitätsraten, Schulabbrüchen, Selbstmorden, Drogenabhängigkeit und Ausreißen. Selbst eine „normale" Adoleszenz ruft unter solchen Bedingungen viele Ängste hervor; weit davon entfernt, eine vollkommenere und überlegtere Persönlichkeitsentwicklung einzuleiten, setzen wir uns zunehmend einer moralischen und intellektuellen Lähmung aus.

Insbesondere die Mittelschulen tragen an dem Adoleszenz-Problem die Hauptschuld. Gerade in einem Stadium, in dem 'Sich Teenager völlig ungezwungen mit anderen in Gruppen .zusammentun möchten und die Welt der Erwachsenen — Arbeit, Liebe, Wissen, Gesetze, Gewohnheiten, Reisen, Spiele, Kontakte und Politik — schrittweise für sich erobern sollten, werden sie wie große Kinder behandelt. In der Mittelschule haben sie nicht mehr Verantwortung oder Autorität als im Kindergarten. Ihre Verantwortung beschränkt sich darauf, ihre Sachen wegzuräumen, in der Schul-Band mitzuspielen und vielleicht noch einen Klassensprecher zu wählen. Aber das durften sie auch schon im Kindergarten. Es fehlt ihnen an einer neuen Gesellschaftsform, an einem Mikrokosmos der Erwachsenenwelt, den sie als echtes Testfeld für ihr Heranwachsen gebrauchen könnten. Also brechen sich die in ihnen reifenden Kräfte des Erwachsenenlebens Bahn und üben schreckliche Rache. Verständnislose Erwachsene bezeichnen diese Rache dann vorschnell als „kriminelle Handlung".

Diese Problematik wurde nun endlich auch von offizieller Seite bestätigt. Gemeinsam mit der Kitting Foundation kam die Nationale Kommission zur Reform höherer Schulen zu dem Schluß, daß die Mittelschulen in Amerika einfach nicht funktionieren und als Institution vor dem Zusammenbruch stehen. Also wurde empfohlen, den obligatorischen Besuch einer Mittelschule ab dem 15. Lebensjahr aufzuheben und den Teenagern stattdessen eine große Bandbreite an gesellschaftlichen Integrationsmöglichkeiten zu bieten. Weiters sollte die Größe der Mittelschulen so stark reduziert werden, daß sie nicht länger eine von der Gesellschaft abgesonderte eigene Welt bilden. Jede Stadt sollte ihren Jugendlichen die Möglichkeit eröffnen, als Lehrling in einem lokalen Geschäft oder Dienstleistungsbetrieb zu arbeiten, und dafür sorgen, daß diese Arbeit Teil des formalen Ausbildungsprogramms ist.

Genauer gesagt, glauben wir, daß man die in einer Stadt lebenden Teenager - Burschen und Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren - zur Bildung einer Gesellschaft im Kleinen anregen sollte; hier würden sie sich ebenso voneinander unterscheiden und die gleiche gegenseitige Verantwortung tragen wie die Erwachsenen im tatsächlichen Leben. Teenager müssen Verantwortung füreinander empfinden und sich den anderen gegenüber nützlich fühlen; sie brauchen an ihr Alter und ihre Reife angepaßte Hierarchie- und Autoritätsstrukturen. Kurz gesagt, soll ihre Gesellschaft ein Mikrokosmos der Erwachsenenwelt sein - keine künstliche Gesellschaft, in der man Erwachsensein spielt, sondern die Wirklichkeit, mit wirklichen Belohnungen, wirklichen Tragödien, wirklicher Arbeit, wirklicher Liebe, wirklicher Freundschaft, wirklichen Errungenschaften und wirklicher Verantwortung. Um das zu erreichen, braucht jede Stadt eine oder mehrere echte Teenager-Gesellschaften, die teilweise in sich geschlossen sind und von den Erwachsenen betreut und unterstützt, aber im wesentlichen von Erwachsenen und Teenagern gemeinsam geführt werden.

 

Daraus folgt:

Ersetz die „Mittelschule" durch eine Institution, die in Wirklichkeit ein Modell der Erwachsenengeselltschaft ist, und in der die Schüler den Großteil der Verantwortung für den Lernprozeß und das gesellschaftliche Leben tragen — mit genau festgelegten Rollen und Regeln. Sorg dafür, daß Erwachsene sowohl den Lernprozeß als auch das soziale Gefüge der Gesellschaft beratend begleiten, aber belaß beides so weit wie möglich in den Händen der Schüler.

 Eine Muster Sprache 84 TEENAGER GESELLSCHAFT

 

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Sorg für einen zentralen Ort mit verschiedenen sozialen Funktionen und für ein Verzeichnis aller in einer Gemeinde angebotenen Kurse und Fächer. Sorg dafür, daß die Schüler innerhalb dieses Ortes gemeinsam essen können, daß sie Sport-und Spielmöglichkeiten haben sowie eine Bibliothek und eine Beratungsstelle für das Netzwerk des Lernens, wo man den Schülern bei der Auswahl der über die ganze Stadt verstreuten Kurse, Arbeitsgemeinschaften und Hauswerkstätten behilflich ist - NETZWERK DES LERNENS (18), LOKALER SPORT (72), GEMEINSAMES ESSEN (147)SAMES ESSEN (147), WERKSTATT IM HAUS (157); um die Gestalt der verschiedenen Gebäude zu bestimmen, beginn mit GEBÄUDEKOMPLEX (95) ...

 

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083.0

... das NETZWERK DES LERNENS (18) in der Gemeinschaft basiert äuf der Tatsache, daß das Lernen dezentralisiert ist und in jede Aktivität - und nicht nur in das Klassenzimmer - eingebunden wird. Um das folgende Muster verwirklichen zu können, müssen die einzelnen Arbeitsgruppen in allen Bereichen der Industrie, in Büros, Werkstätten und Gemeinschaften von Arbeitsstätten so beschaffen sein, daß der Lernprozeß möglich wird. Das folgende Muster, das die dazu erforderliche Anordnung zeigt, trägt deshalb wesentlich zur Gestaltung von SELBSTVERWALTETEN WERKSTÄTTEN UND BÜROS (80) sowie zur Bildung von NETZWERK DES LERNENS (18) bei.

 

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Am meisten lernt man dann, wenn man jemandem, der sich wirklich auskennt, zur Hand geht.

 

Auf diese Weise kann man sich am einfachsten und mit dem größtmöglichen Erfolg Wissen aneignen. Das Lernen durch Vorlesungen und Bücher ist im Vergleich dazu staubtrocken. Trotzdem ist diese Art des Lernens in der modernen Gesellschaft nach wie vor üblich. Viele Formen des Lernens, die früher immer in enger Beziehung mit der tatsächlichen Arbeit von Fachleuten, Händlern, Handwerkern und privaten Gelehrten standen, sind von Schulen und Universitäten übernommen und abstrahiert worden. Im zwölften Jahrhundert beispielsweise lernten junge Menschen, indem sie gemeinsam mit dem Meister arbeiteten - sie halfen ihm und schlossen so auch gleichzeitig Kontakt mit allen gesellschaftlichen Bereichen. Wenn sich ein junger Mensch für fähig genug hielt, zu einem Wissensgebiet etwas beizusteuern, stellte er ein „Meisterstück" her; und mit der Zustimmung der Meister wurde er ein Mitglied der Zunft.

Ein von Alexander und Goldberg durchgeführtes Experiment hat gezeigt, daß eine Unterrichtsstunde, in der jemand eine kleine Gruppe anderer unterrichtet, vor allem dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn die „Schüler" dem „Lehrer" richtiggehend dabei helfen, etwas zu tun oder ein ihn irgendwie beschäftigendes Problem zu lösen - und nicht, wenn ein Thema von abstraktem oder allgemeinem Interesse behandelt wird. (Bericht an das Muscatine Committee über den Unterrichtsversuch ED. 10 X, Abteilung für Architektur, Universität Kalifornien,. 1966.)

Wenn dies allgemein gilt - kurz, wenn die Schüler dann am meisten lernen, wenn sie die Rolle von Lehrlingen einnehmen und helfen, etwas Interessantes zu machen -, kann man daraus folgern, daß unsere Schulen, Universitäten, Büros und Industrieeinrichtungen für ein räumliches Umfeld sorgen müssen; das die Beziehung Meister-Lehrling möglich und natürlich.. macht; ein räumliches Umfeld also, in dem der Meister mit seiner Tätigkeit den Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Arbeit. bildet, umgeben von nicht mehr als einem halben Dutzend: Lehrlingen, deren Arbeitsplätze eng mit der gemeinschaftlichen Arbeit im Arbeitsraum verbunden sind.

Ein Beispiel für dieses Muster ist das Molekularbiologie-Gebäude der Universität von Oregon. Über die Stockwerke des Gebäudes sind Laboratorien verteilt, von denen jedes unter der Leitung eines Biologieprofessors steht; für die Absolventen, die; unter der Leitung des Professors arbeiten, gibt es in jeder Laboratorium zwei oder drei kleine Zimmer, die vom Laboratorium aus direkt begehbar sind.

 Eine Muster Sprache 83 MEISTER UND LEHRLINGE

Wir glauben, daß dieses Muster mit entsprechenden Anpassungen auf viele verschiedene Arbeitsorganisationen und auch' auf Schulen anwendbar ist. Recht, Architektur, Medizin, Baugewerbe, Soziales, Technik - jeder Bereich hat genug Leistungsvermögen, um eigene Lernmethoden aufzubauen, und damit auch das Umfeld, in dem Fachleute nach diesen Grundsätzen.

 

Daraus folgt:

Leg die Arbeit in jeder Arbeitsgruppe, jedem Gewerbebetrieb und Büro so an, daß Arbeit und Lernen Hand in Hand miteinander gehen. Betrachte jeden Teil der Arbeit als eine Chance zum Lernen. Organisiere zu diesem Zweck die Arbeit nach der traditionellen Methode von Meistern und Lehrlingen; und unterstütz diese Form der sozialen Organisation durch Teilung des Arbeitsraums in Raumgruppen - eine für jeden Meister und seine Lehrlinge -, wo sie arbeiten und zusammenkommen können.

 Eine Muster Sprache 83 MEISTER UND LEHRLINGE 1

 

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Leg die Arbeitsräume als HALBPRIVATE BÜROS (152) oder ABGRENZUNGEN DES ARBEITSPLATZES (183) an. Halt die Arbeitsgruppen klein und gib jeder Gruppe einen gemeinsamen Bereich, einen gemeinsamen Versammlungsraum und einen Platz, wo gemeinsam gegessen werden kann — GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129), GEMEINSAMES ESSEN (147), KLEINE ARBEITSGRUPPEN (148), KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER (151) ...

 

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