EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

090.0

... gelegentlich gibt es in einer Nachbarschaft, die den Mittel_ punkt einer Gruppe von Nachbarschaften bildet, oder an den Übergängen einer Nachbarschaft in die andere — NACHBARSCHAFTSGRENZE (15) — oder auch an einer Promenade, die den Kern einer größeren Gemeinde bildet — PROMENADE (31), NACHTLEBEN (33) —, ein spezielles Bedürfnis nach etwas größerem und derberem als einem Straßencafe.

 

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Wo können die Leute singen und trinken, schreien und trinken, dabei ihre Sorgen vergessen?

 

Eine öffentliche Trinkhalle, wo Fremde und Freunde zu Trinkgefährten werden, ist ein natürlicher Bestandteil jeder größeren Gemeinde. Allzu oft verkommen Bars allerdings zu bloßen Zufluchtsstätten für Einsame. Robert Sommer hat das in „Design for Drinking", dem Kapitel 8 seines Buchs Personal Space, Englewood Cliffs, N. J.: Prentice-Hall, 1969, beschrieben.

... man findet leicht in jeder amerikanischen Stadt Beispiele für solche Bars, in denen sinnvolle Kontakte auf ein Minimum beschränkt sind. V. S. Pritchett beschreibt die einsamen Männer in New York City, die reihenweise sprachlos auf Barhockern sitzen, den Kopf vor einer Bierflasche auf die Arme gestützt, das Geld für die Getränke vor sich: Wer unter diesen Umständen seinen Nachbarn anspricht, erntet <für seine Bemühungen wahrscheinlich mißtrauische Blicke. Den Barkeeperman findet leicht in jeder amerikanischen Stadt Beispiele für solche Bars, in denen sinnvolle Kontakte auf ein Minimum beschränkt sind. V. S. Pritchett beschreibt die einsamen Männer in New York City, die reihenweise sprachlos auf Barhockern sitzen, den Kopf vor einer Bierflasche auf die Arme gestützt, das Geld für die Getränke vor sich: Wer unter diesen Umständen seinen Nachbarn anspricht, erntet <für seine Bemühungen wahrscheinlich mißtrauische Blicke. Den Barkeeperinteressieren seine Kunden nur als zahlende Gäste — er ist zum Verkaufen da, die anderen zum Kaufen ...

Ein anderer englischer Besucher macht dieselbe Beobachtung und beschreibt die amerikanische Bar als eine „schlechte Kopie eines Salons; die Atmosphäre ist so eisig wie das Bier ... als ich einen Fremden auf ein Getränk einladen wollte, sah er mich an, als wäre ich ein Verrückter. Wenn man in England neben einem Fremden zu stehen kommt, . . lädt man einander auf ein Getränk ein. Man genießt die Gesellschaft der anderen, und jeder ist glücklich . ." (Tony Kirby, „Who's Crazy?", The Village Voice, 26. Januar 1967, S. 39).

 

Betrachten wir das Trinken mehr im Sinne dieser englischen, Pubs. Das Trinken hilft den Leuten, sich zu entspannen, den anderen gegenüber offener zu werden, zu singen und zu tanzen. Diese Eigenschaften treten aber nur dann zutage, wenn der Rahmen stimmt. Wir glauben, daß dafür zwei wesentliche. Bedingungen gegeben sein müssen:

  1. Im Lokal herrscht eine ständige Bewegung der Besucher zwischen verschiedenen Funktionen — der Bar, der Tanzfläche, .einem Kaminfeuer, zwischen Spielen, Toiletten, dem Eingang, den Sitzplätzen; diese Aktivitäten sind hauptsächlich um den Rand angesiedelt, sodaß sich die Wege ständig kreuzen.

  2. Die Sitzplätze sollten weitgehend in der Form von Vierer-bis Achtertischen in offenen Nischen angelegt sein — also Tischen für kleinere Gruppen, mit Wänden, Pfeilern und Vorhängen -, aber an beiden Seiten offen.

 Eine Muster Sprache 90 BIERHALLE

In dieser Form bleibt die Gruppe erhalten, Leute können jedoch rer hinzutreten oder weggehen. Wenn die Tische groß sind, laden sie eher dazu ein, sich zu einem Fremden oder einer anderen Gruppe zu setzen.

 

Daraus folgt:

Mindestens ein großes Lokal irgendwo in der Gemeinde, das einige hundert Personen faßt, mit Bier, Wein, Musik und vielleicht einem halben Dutzend Aktivitäten, sodaß die Leute ständig in Bewegung sind.

 Eine Muster Sprache 90 BIERHALLE 1

 

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Stell die Tische in zweiseitig offene Nischen, breit genug, damit auch Leute auf ihren Wegen zwischen verschiedenen Aktivitäten durchgehen können - NISCHEN (179). Einer der Anziehungspunkte könnte ein offener Kamin sein - DAS FEUER (181); sieh verschiedene Raumhöhen für verschiedene Gruppierungen vor - VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190). Beim Festlegen der Form des Gebäudes, der Gärten, der Parkplätze und der. Umgebung beginn mit GEBÄUDEKOMPLEX (95) ...

 

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089.0

... für den Großeinkauf bietet sich in jeder Gemeinde der MARKT MIT VIELEN GESCHÄFTEN (46) an. Das NETZ DER NAHNVERSORGUNG (19) wäre jedoch unvollständig, wenn es dazwischen nicht in weiter Streuung viel kleinere Geschäfte gibt, die die Märkte ergänzen und zur natürlichen Identität der IDENTIFIZIERBAREN NACHBARSCHAFTEN (14) beitragen. 

 

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Man hat in letzter Zeit angenommen, daß die Leute nicht mehr zu Fuß zu lokalen Geschäften gehen wollen. Diese Annahme ist falsch.

 

Tatsächlich glauben wir, daß die Leute nicht nur bereit sind, zu ihren lokalen Lebensmittelgeschäften zu gehen, sondern daß, diese auch eine entscheidende Rolle in jeder gesunden Nachbarschaft spielen: Einerseits sind sie für den einzelnen einfach bequemer; andererseits tragen sie zur Integration der Nachbarschaft insgesamt bei. Diese Auffassung wird durch eine Studie von Arthur D. Little, Inc. unterstützt, die zeigt, daß Geschäfte in der Nachbarschaft einer der zwei wichtigsten Faktoren sind, wenn ein Gebiet überhaupt als Nachbarschaft wahrgenommen werden soll (Community Renewal Program, New York, Praeger Press, 1966). Anscheinend hängt damit zusammen, daß lokale Geschäfte ein wichtiges Ziel für Wege innerhalb der Nachbar schaft sind. Die Leute gehen sowohl dorthin, wenn sie Lust auf einen Spaziergang haben, als auch, wenn sie eine Flasche Milch brauchen. Als ein auslösender Faktor für zu Fuß erledigte Wege bringen sie die Bewohner einer Gegend zusammen und tragen zur Qualität der Nachbarschaft bei. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die Leiter eines Wohnprojekts für ältere Menschen in San Francisco. Einer der Hauptgründe, warum sich Leute gegen den Umzug in einige der neuen Wohnprojekte der Stadt wehrten, lag nach Angaben des Vermieters darin, daß die Projekte nicht „in der Innenstadt liegen, wo es . . . an jeder Straßenecke einen Laden gibt" (San Francisco Chronicle, August 1971).

Um herauszufinden, wie weit die Leute zu einem Geschäft zu gehen bereit sind, befragten wir 20 Personen in einem Geschäft einer Nachbarschaft in Berkeley. Es stellte sich heraus, daß 80% der Befragten zu Fuß gingen, und daß die zu Fuß gekommenen höchstens drei Blocks entfernt wohnten. Mehr als die Hälfte von ihnen war innerhalb der letzten zwei Tage bereits im Geschäft gewesen. Andererseits wohnten jene, die mit dem Auto gekommen waren, im allgemeinen mehr als vier Blocks entfernt. Wie bei anderen öffentlichen Einrichtungen in der Nachbarschaft fanden wir ein ähnliches Muster. Bei Entfernungen von vier Blocks oder mehr kamen mehr Leute im Auto als zu Fuß. Lebensmittelgeschäfte müssen also leicht zu Fuß erreichbar sein — höchstens drei bis vier Häuserblocks oder 400 m von jeder Wohnung entfernt.

Aber können sie überleben? Sind diese Geschäfte durch ihre Kleinmaßstäblichkeit zum Scheitern verurteilt? Wieviele Kunden braucht ein Lebensmittelgeschäft, um existieren zu können? Wir können die kritische Bevölkerungszahl für Lebensmittelgeschäfte mit Hilfe des Branchenverzeichnisses abschätzen. San Francisco z. B., eine Stadt mit 750.000 Einwohnern, hat ..638 Lebensmittelgeschäfte in Wohngebieten. Das bedeutet, ein Lebensmittelgeschäft je 1160 Einwohner, was mit Berrys Schätzung übereinstimmt — siehe NETZ DER NAHVERSORGUNG (19) —'und die auch der Größe von Nachbarschaften entspricht — siehe IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14).

Allem Anschein nach kann ein Lebensmittelgeschäft also unter der Voraussetzung überleben, daß innerhalb einer Entfernung von drei bis vier Blocks 1000 Menschen leben — eine Dichte von mindestens 50 EW/ha oder 15 Wohneinheiten/ha. Die meisten Wohngebiete haben eine solche Dichte. Man könne diese Zahl sogar als unterste Grenze für eine lebensfähige Nachbarschaft ansetzen, da eine Nachbarschaft ein Lebensmittelgeschäft erhalten können sollte — ihres sozialen Zusammenhalts wegen.

Schließlich hängt der Erfolg eines Geschäfts in der Nachbarschaft auch von dessen Standort ab. Es ist erwiesen, daß die Mieten, die kleine Einzelhandelsgeschäfte zu zahlen bereit sind, direkt von der Stärke des Fußgängerverkehrs abhängen und deshalb bei Geschäften an einer Straßenecke stets höher sind als in der Mitte eines Häuserblocks (Brian J. L. Berry, Geography of Market Centers and Retail Distribution, Prentice-Hall, 1967..S. 49).

 

Daraus folgt:

Leg in jede Nachbarschaft mindestens ein Lebensmittelgeschäft, nahe der Mitte. Leg diese Lebensmittelgeschäfte, je nach der Dichte, in Abstand von 200 m bis 800 m an, sodaß auf jedes rund 1000 Einwohner kommen. Leg sie an Ecken, wo viele Leute vorbeikommen und kombiniere sie mit Häusern, sodaß die Leute, die sie betreiben, darüber oder daneben wohnen können.

 Eine Muster Sprache 89 LEBENSMITTELGESCHÄFT AN DER ECKE

 

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Verhindere das Franchise-System und unterbinde gesetzlich das Entstehen von Supermärkten, die die kleinen Lebensmittelgeschäfte auffressen - GESCHÄHE IN PRIVATBESITZ (87). Behandle das Innere des Geschäfts wie ein Zimmer, das mit Waren ausstaffiert ist - FORM DES INNENRAUMS (191), DICKE WÄNDE (197), OFFENE REGALE (200); sieh einen frei zugänglichen und breiten Eingang vor, den jeder sehen kann - HAUPTEINGANG (110), ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165). Was die Form des Lebensmittelgeschäfts betrifft, als kleines Gebäude oder als Teil eines' größeren, beginn mit GEBÄUDEKOMPLEX (95) ...

 

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088.0

... Wohngebiete definieren sich durch IDENTIFIZIERBARE NACH;BARSCHAFT (14); ihre natürlichen Mittelpunkte bilden die KNOTEN DER AKTIVITÄT (30) und die KLEINEN PLÄTZE (61). Dieses :und die nächstfolgenden Muster verleihen der Nachbarschaft ,und ihren wichtigsten Stellen ihre Identität.

 

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Das Straßencafe bietet eine einzigartige, typisch städtische Situation: Man kann sich erlaubterweise dem Müßiggang hingeben, das Leben beobachten und selbst gesehen werden.

 

Die humansten Städte haben immer viele Straßencafes. Versuchen wir herauszufinden, warum diese Orte so anziehend wirken.

Wir wissen, daß man sich in der Öffentlichkeit, in Parks, auf Plätzen, Promenaden und Boulevards - und in Straßencafes gerne unter Leute mischt. Die Voraussetzungen scheinen zu sein: Der gewohnte Rahmen berechtigt einen, hier zu sein; es ...gibt einige fast rituelle Dinge zu tun, die hierher gehören: Zeitunglesen, Herumgehen, Bier trinken; die Leute fühlen sich sicher und entspannt, nicken einander zu, lernen einander kennen. Eine gute Cafeterrasse erfüllt diese Bedingungen, hat aber noch weitere besondere Vorzüge: Man kann dort stundenlang sitzen - in aller Öffentlichkeit! Beim Gehen muß man ein gewisses Tempo einhalten; herumlungern kann man nur ein paar Minuten lang. In einem Park kann man zwar ruhig sitzen, aber da gehen nicht so viele Leute vorbei - der Park hat eine privatere, friedlichere Atmosphäre. Und zu Hause auf der Veranda zu sitzen, ist wiederum etwas anderes: Man ist noch mehr geschützt und. es gibt kaum unerwartete Passanten. Auf der Cafeterrasse jedoch kann man ruhig sitzen, sich entspannen und doch voll in der Öffentlichkeit sein. Es gibt besondere Erlebnismöglichkeiten; „vielleicht der nächste..."; es ist spannend.

Das ist die Erlebnismöglichkeit, die das Straßencafe liefert. Es gehört zum Reiz der Städte, denn nur in Städten gibt es die dazu erforderliche Bevölkerungskonzentration. Aber diese Erlebnismöglichkeit muß nicht auf besondere, außergewöhnliche Punkte der Stadt beschränkt bleiben. In europäischen Groß-und Kleinstädten gibt es ein Straßencafe in jeder Nachbarschaft - sie sind so üblich wie Tankstellen in den USA. Das Vorhandensein solcher Orte schafft einen sozialen Zusammenhalt in der Gemeinde. Sie werden wie Clubs - die Leute frequentieren ihr Stammlokal und sehen dort immer mehr bekannte Gesichter. Wenn in der Nachbarschaft ein attraktives Cafe zu Fuß zu erreichen ist, ist es umso besser. Es trägt enorm. zur Identität einer Nachbarschaft bei. Ein Neuankömmling. findet hier eine der wenigen Situationen, wo er sich eingewöhnen und die Leute, die hier leben, kennenlernen kann.

Die Merkmale für ein funktionierendes Cafe sind wahrscheinlich folgende:

  1. Es gibt eine eingeführte lokale Kundschaft. Das heißt, sein Name, sein Standort und sein Personal ist in der Nachbarschaft verankert.

  2. Außer der zur Straße offenen Terrasse hat das Cafe noch einige andere Räume - mit Spielen, Kaminfeuer, Fauteuils, Zeitungen . . . Das erlaubt verschiedenen Leuten, es in leicht unterschiedlichen Stilen zu benützen.

  3. Es werden einfache Speisen und Getränke angeboten - auch Alkohol, es ist aber keine Bar. Man kann hierher ebenso am Morgen kommen, um den Tag zu beginnen, wie am Abend, um einen letzten Schluck zu nehmen.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und das Cafe sich einführt, bietet es seinen Besuchern eine Bereicherung ihres Lebens: Es bietet einen Rahmen für angeregte Diskussionen Gespräche, kleine Vorträge, halb öffentlich und halb privat; Erfahrung und Gedankenaustausch.

Bei unserer Arbeit für die Universität von Oregon verglichen wir die Bedeutung solcher Diskussionen in Cafes und cafèähnlichen Lokalen mit der des Unterrichts im Hörsaal. Wir befragten 30 Studenten, um herauszufinden, inwieweit Lokale und Cafes zu ihrer intellektuellen und emotionalen Entwicklung an der Universität beigetragen hatten. Wir stellten fest, daß „Gespräche in einer kleinen Gruppe von Studenten in einem Kaffeehaus" und „Diskussionen bei einem Glas Bier" sehr gut und sogar besser abschnitten als „Prüfungen" und „Labor Übungen". Offenbar tragen die informellen Aktivitäten in Lokalen und Cafés zur Entwicklung der Studenten ebenso viel bei wie die mehr formalen Aktivitäten des Unterrichts.

Wir halten das für eine generelles Phänomen. Die Qualität, die wir in diesen Befragungen erfassen wollten und die in einem örtlichen Café vorhanden ist, ist für alle Nachbarschaften — nicht nur von Studenten — unentbehrlich. Sie ist Teil ihres Lebensnervs.

 

Daraus folgt:

Fördere das Entstehen von lokalen Cafes in jeder Nachbarschaft. Sie sollten intime Orte sein, mit mehreren Räumen, an einem belebten Weg, wo Leute bei einem Cafe oder Getränk sitzen und die vorüberziethende Welt beobachten können. An der Front sollte eine Reihe von Tischen vor das Cafe, direkt in die Straße reichen.

 Eine Muster Sprache 88 STRASSENCAFE

 

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Bau zwischen der Terrasse und dem Inneren einen breiten, ordentlichen Durchgang — ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165); sorge dafür, daß die Terrasse auch als EIN PLATZ ZUM WARTEN (150) Eür nahegelegene Bushaltestellen und Ämter genützt wird; verwende sowohl im Inneren wie auf der Terrasse eine große Vielfalt verschiedener Arten von Sesseln und Tischen — VERSCHIEDENE SESSEL (251); leg um die Terrasse eine niedrige Begrenzung an, wenn die Vorgänge auf der Straße sie zu beein trächtigen drohen - SITZSTUFEN (125), SITZMAUER (243), viel leicht ein MARKISENDACH (244). Beim Festlegen der Form des Gebäudes, der Terrasse und der Umgebung beginn mit GEBÄUDEKOMPLEX (95) ...

 

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087.0

... das STRASSENCAFÉ (88), das LEBENSMITTELGESCHÄFT AN DER ECKE (89) und all die einzelnen Geschäfte und Stände in den EINKAUFSSTRASSEN (32) und MÄRKTEN MIT VIELEN GESCHÄFTEN (46) müssen durch gesetzliche Regelungen unterstützt werden, die garantieren, daß sie in privater Hand von Ortsansässigen bleiben und nicht von auswärtigen Eigentümern, Ladenketten öder riesigen Franchise-Unternehmen aufgekauft werden.

 

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Wenn Geschäfte zu groß sind oder von auswärtigen Eigentümern geführt werden, verwandeln sie sich in etwas Künstliches, Unpersönliches, Abstraktes.

 

Das Streben nach Gewinn schafft bei Geschäften einen Hang zur Expansion. Aber je größer sie werden, desto unpersönlicher wird die Bedienung, und desto schwieriger können andere kleine Geschäfte überleben. Binnen kurzem sind nahezu alle Geschäfte einer Sparte von Ladenketten und Franchise-Betrieben kontrolliert.

Franchise-Betriebe sind doppelt schlecht: Sie vermitteln den Eindruck von Privatbesitz; sie bieten jemandem, auch ohne ausreichendes Kapital, die Möglichkeit ein Geschäft zu gründen, das scheinbar sein eigenes ist; und sie schießen wie Pilze aus dem Boden. Sie schaffen jedoch bloß mehr künstliche, unpersönliche und abstrakte Dienstleistungen. Die einzelnen Geschäftsführer haben bei den von ihnen verkauften Waren und angebotenen Speisen so gut wie kein Mitspracherecht; sie haben strenge Richtlinien; die persönliche Note privat geführter Geschäfte geht völlig verloren.

087.1 087.2

 Rein profitorientiertes Geschäft

 Geschäft als Teil des Lebens

 

Diese persönliche Note kann eine Gemeinde nur dann zurückgewinnen, wenn sie alle Formen von Franchise- und Kettenläden verbietet, wenn sie die tatsächliche Größe von Geschäften begrenzt und keine auswärtigen Eigentümer von Geschäften zuläßt. Mit einem Wort, sie muß alles in ihrer Macht Stehende tun, den von der ortansässigen Bevölkerung erarbeiteten Wohlstand in deren Händen zu belassen.

Aber selbst dann bleibt dieses Muster nur dann aufrecht, wenn die vermietbaren Geschäftsräume klein sind. Einer der stärksten Gründe für das Entstehen von großen, landesweit operierenden Franchise-Unternehmen liegt darin, daß die Gründung eines Geschäfts für den Durchschnittsbürger ein enormes finanzielles Risiko darstellt. Scheitert ein einzelner Eigentümer mit seinem Geschäft, so kann das für ihn persönlich eine Katastrophe sein; meist scheitert er deshalb, weil er sich die Miete nicht leisten kann. Bei hunderten winzigen Geschäften mit niedrigen Mieten sinkt das Anfangsrisiko für einen künfigen Ladenbesitzer auf ein Minimum.

Geschäfte in Marokko, Indien, Peru und in den ältesten Teilen alter Städte sind oft nicht größer als 5 m² — gerade groß genug für eine Person und einige Waren — und trotzdem völlig ausreichend.

  

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Fünf Quadratmeter.

 

Daraus folgt:

Setz alles daran, die Entwicklung von Geschäften in Privatbesitz zu fördern. Genehmige gewerbliche Lizenzanträge nur dann, wenn das Geschäft denen gehört, die es dann auch tatsächlich betreiben und darinhört, die es dann auch tatsächlich betreiben und darinarbeiten. Genehmige neue Geschäftsgebäude nur dann,wenn sie viele sehr kleine Mietflächen vorsehen.

 Eine Muster Sprache 87 GESCHÄFTE IN PRIVATBESITZ

 

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Betrachte jedes einzelne Geschäft als eine identifizierbare Einheit eines größeren GEBÄUDEKOMPLEXES (95); leg zumindest einen Teil des Gehsteigs in das Geschäft, sodaß die Leute, wenn sie auf der Straße gehen, durch das Geschäft spazieren — ÖFFNUNG ZUR STRASSE (165); gestalte das Geschäftsinnere so, daß alle Waren möglichst offen und leicht erreichbar sind — FORM DES INNENRAUMS (191), DICKE WÄNDE (197), OFFENE REGALE (200) ...

 

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