EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

241.0

... nehmen wir an, daß die Konstruktion des Gebäudes in der Hauptsache abgeschlossen ist. Um ihr den letzten Schliff zu geben, müssen die Einzelheiten der Gärten und Terrassen um das Gebäude angelegt werden. In manchen Fällen sind wahrscheinlich die Mauern, Blumen und Sitzplätze bereits in groben Umrissen vorhanden; meist ist es aber besser, sie erst endgültig festzulegen, wenn das Gebäude bereits wirklich steht, sodaß man sie dem Gebäude anpassen und dieses mit der Umgebung verknüpfen kann — DIE FORM VON WEGEN (121), AKTIVITÄTSNISCHEN (124), PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE (140), GEBÄUDEKANTE (160), SONNIGE STELLE (161), ZIMMER IM FREIEN (163), VERBINDUNG ZUM BODEN (168), LAUBENWEG (174), SITZPLATZ IM GARTEN (176) usw. Zunächst einmal die Sitzplätze im Freien, öffentliche und private.

 

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Werden Sitzplätze im Freien ohne Rücksicht auf die Aussicht und das Klima aufgestellt, kann man ziemlich sicher sein, daß sie nutzlos sind.

 

Wir haben stichprobenmäßig ein paar Bänke in Berkeley, Kalifornien, untersucht und über jede Bank folgende Tatsachen festgehalten: War sie besetzt oder leer? Bot sie den Blick auf eine laufende Aktivität oder nicht? Stand sie in der Sonne oder nicht? Wie groß war jeweils die Windgeschwindigkeit? Drei der elf Bänke waren besetzt; acht waren leer.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung boten alle drei besetzten Bänke den Blick auf eine Aktivität, sie standen in der Sonne, die Windgeschwindigkeit betrug weniger als einen halben Meter pro Sekunde. Von den acht leeren Bänken hatte im Untersuchungszeitraum keine einzige diese drei Eigenschaften auf einmal aufzuweisen. Drei davon waren geschützt und boten den Blick auf eine Aktivität, hatten aber keine Sonne; weitere drei boten den Blick auf Aktivitäten, hatten aber keine Sonne, außerdem Wind von mehr als 1 m pro Sekunde. Zwei davon waren sonnig und geschützt, hatten aber keine Aktivitäten.

In einer zweiten Beobachtungsreihe wurde verglichen, wie viele alte Menschen um 3 Uhr nachmittags an einem sonnigen Tag auf dem Union Square saßen, und wie viele um 3 Uhr nachmittags an einem bewölkten Tag: am sonnigen Tag waren es 65 Leute, am bewölkten Tag 21, obwohl an beiden Tagen die gleiche Temperatur herrschte.

Das überrascht nicht — aber es geht eben darum, bei der Wahl von Stellen für Sitzplätze im Freien, Sitzmauern, Sitzstufen, Sitzplätze im Garten Punkte zu suchen, die folgende Eigenschaften aufweisen:

  1. Bänke, die auf den Fußgängerverkehr blicken.
  2. Bänke, die nach Süden ausgerichtet sind, damit sie in den Wintermonaten Sonne haben.
  3. Eine Mauer an jenen Seiten, von denen im Winter der Wind kommt.
  4. In heißen Klimazonen — eine Abdeckung als Sonnenschutz für die Mittagsstunden der Sommermonate, offen zur Sommerbrise.

 241.1

Bänke in Neu-England

 

Daraus folgt:

Gute Stellen für Sitzplätze im Freien auszusuchen ist viel wichtiger als ausgefallene Bänke zu bauen. In Wirklichkeit reicht die einfachste Sitzgelegenheit, wenn die Stelle stimmt.

Wähl sie in kalten Klimazonen so, daß sie in Richtung zur Sonne stehen und vor dem Wind geschützt sind; in heißen Klimazonen leg sie in den Schatten, zur Sommerbrise hin offen. In beiden Fällen sorg für den Blick auf Aktivitäten.

 Eine Muster Sprache 241 PLÄTZE WM SITZEN

 

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Je mehr diese Sitzplätze mit Stiegen, Gebäudeeingängen, niedrigen Mauern oder Balustraden verbunden werden können, desto besser — SITZSTUFEN (125), BANK VOR DER TÜR (242), SITZMAUER (243).

 

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240.0

... und dieses Muster perfektioniert die Fugen zwischen WEICHEN INNENWÄNDEN (235) oder SCHUPPIGER AUSSENHAUT (234) und den verschiedenen Böden, Gewölben, Rahmen, Versteifungen und Ornamenten, die an die Wände stoßen oder darin eingebaut sind: KASTENPFEILER (216), RANDBALKEN (217), GEWÖLBTE DECKEN (219), GERAHMTE ÖFFNUNGEN (225) und ORNAMENT (249).

 

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Totalitäre, fabriksmäßig gefertigte Gebäude brauchen keine Deckleisten, weil sie präzise genug sind, ohne sie auszukommen. Diese Präzision wird aber zu einem schrecklichen Preis erkauft: indem die mögliche Freiheit des Gebäudegrundrisses vernichtet wird.

 

Ein freies, natürliches Gebäude setzt voraus, daß Deckleisten möglich sind, um so die kleinen Abweichungen im Grundriß oder während des Baus abzudecken.

Wenn man zum Beispiel eine Gipskartontafel an einen Pfeiler nagelt und die Tafel auf der Baustelle zugeschnitten wird, kann der Schnitt Ungenauigkeiten bis zu 12 mm aufweisen. Muß er präziser sein, wird viel Material und Arbeitszeit verschwendet werden, und schließlich gerät auch die Möglichkeit, jeden Teil des Gebäudes an die genauen Feinheiten des Grundrisses und des Bauplatzes anzupassen, in Gefahr.

Als Antwort auf Schwierigkeiten dieser Art ist der moderne Fertigteilbau entstanden. Hierbei sind die Toleranzen tatsächlich sehr gering - 3 mm und sogar weniger -, und deshalb braucht man auch keine Deckleisten, um Ungenauigkeiten abzudecken. Diese Präzision der Bauteile setzt jedoch das äußerst strenge Festhalten am Grundriß voraus. Dieser Aspekt der Konstruktion hat an sich schon die Möglichkeiten des Baumeisters, ein natürliches, organisches und dem Bauplatz angepaßtes Gebäude zu errichten, zunichte gemacht.

Bei dem von uns vorgeschlagenen, weniger rigiden Bauverfahren, das größere Toleranzen erlaubt - auch Fehler von 12 mm oder mehr -, ist die Verwendung von Deckleisten zum Abdecken der Materialverbindungen von entscheidender Bedeutung. Tatsächlich ist die Deckleiste bei dieser Einstellung zum Bauen nicht eine belanglose Dekoration, die als letzte Feinheit angebracht wird, sondern ein wesentlicher Schritt der Konstruktion. Daraus wird ersichtlich, daß die so oft mit älteren Häusern in Verbindung gebrachten und als ein Stück Nostalgie behandelten Deckleisten in Wirklichkeit ein grundlegender Bestandteil des Bauvorgangs von natürlichen Gebäuden sind.

Schließlich noch eine Anmerkung zur tatsächlichen Dimension von Deckleisten: Bei den in den vergangenen 25 Jahren erbauten Gebäuden wäre oft weniger mehr gewesen; es besteht der Trend, anstatt kleiner Deckleisten große, überdimensionierte Abschlüsse zu verwenden. Im Sinn dieser Denkweise mögen 50 oder 75 mm dicke Leisten wegen ihrer Schwere und Wirkung richtig erscheinen. Wir glauben, daß das falsch ist: Zu breite oder zu dicke Deckleisten erfüllen ihren Zweck nicht. Das ist keine Stilfrage. Es gibt einen psychologischen Grund dafür, daß jeder Bauteil an einem Gebäude wenigstens ein paar Deckleisten haben sollte, die etwa 12 bis 24 mm dick sind und nicht mehr.

Vergleichen wir die folgenden zwei Beispiele von Deckleisten. Aus irgendwelchen Gründen entspricht einem das Bild rechts, wo die Deckleisten feiner sind, mehr als das linke.

 Eine Muster Sprache 240 SCHMALE DECKLEISTE

Der Grund dafür scheint folgender zu sein. Unser Körper und die natürliche Umgebung, in der wir uns entwickelt haben, bestehen aus einer kontinuierlichen Hierarchie von Details, die von feinen, molekularen Strukturen bis zu großen Erscheinungen wie Armen und Beinen (an unserem Körper) oder Stämmen und Zweigen (in unserer natürlichen Umgebung) reichen.

Aus Untersuchungen der kognitiven Psychologie wissen wir, daß jede Stufe in dieser Hierarchie kein Größenverhältnis über 1 : 5, 1 : 7 oder 1 : 10 aufweisen darf, wenn wir sie als natürliche Hierarchie empfinden sollen. Eine Hierarchie, in der es einen Maßstabssprung von 1 20 oder mehr gibt, können wir nicht verstehen. Aufgrund dieser Tatsache muß unsere Umgebung, auch wenn sie vom Menschen gestaltet ist, ein ähnliches Kontinuum an Einzelteilen aufweisen.

Die meisten Materialien haben irgendeine Art von faseriger oder kristalliner Struktur in einer Größenördnung von etwa 0,12 mm. Wenn aber die Dimension der kleinsten Bauteile 50 bis 75 mm beträgt, ergibt sich daraus ein Sprung von 1 : 40 oder 1 : 60 zwischen diesen Teilen und der Feinstruktur des Materials.

Damit wir zwischen der Feinkonstruktion eines Gebäudes und der Feinstruktur des Materials eine Verbindung herstellen können, müssen die kleinsten Bauteile etwa 12 mm haben, sodaß sie nicht mehr als etwa die 10 fache Größe der Korn- oder Fasertextur der Baustoffe haben.

 

Daraus folgt:

Leg überall dort, wo zwei Materialien aufeinander-treffen, eine Deckleiste über die Verbindungskante. Wähl die Deckleisten so, daß die kleinste in jedem Teil immer etwa 12 mm breit ist. Die Leiste ist aus Holz, Putz, Terrakotta.

 Eine Muster Sprache 240 SCHMALE DECKLEISTE 1

 

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In vielen Fällen kann die Deckleiste zur Bildung der Ornamente verwendet werden - ORNAMENT (249); manchmal kann sie auch farbig sein: selbst kleinste Mengen können dazu beitragen, das Licht im Raum warm zu machen - WARME FARBEN (250) ....

 

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239.0

... dieses Muster erörtert die Verglasung von FENSTERN IM INNERN (194), TÜREN UND FENSTERN NACH BEDARF (221), WEIT AUFGEHENDEN FENSTERN (236) und SOLIDEN TÜREN MIT GLAS (237). In den meisten Fällen kann die Verglasung als Fortsetzung der GERAHMTEN ÖFFNUNGEN (236) angelegt werden.

 

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Als man Tafelglas herstellen konnte, dachten die Menschen, daß sie dadurch der Natur näherkommen würden. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt.

 

Tafelglasfenster entfremden uns von der Aussicht. Je kleiner die Fenster und je kleinteiliger die Scheiben sind, desto stärker tragen Fenster zur Verbindung zwischen uns und der anderen Seite bei.

Das ist ein wichtiges Paradoxon. Das durchsichtige Tafelglas erzeugt den Eindruck, uns der Natur näher zu bringen, weil es mehr wie eine Öffnung, wie Luft zu sein scheint. Aber in Wirklichkeit wird unser Kontakt zur Aussicht, unser Kontakt zu den Dingen, die wir durch das Fenster sehen, von der Art und Weise beeinflußt, wie sie vom Fenster gerahmt sind. Wenn man sich das Fenster als Auge vorstellt, durch das man eine Aussicht betrachtet, stellt man fest, daß die Intensität und Vielfalt einer Aussicht und sogar die Menge von Aussichten, die man zu sehen scheint, von dem Ausmaß der Umrahmung abhängt - und deshalb bringen uns Fenster, die in kleinere Fenster unterteilt sind und Fenster, die mit winzigen Scheiben verglast sind, in viel engere Berührung mit dem, was auf der anderen Seite ist. Wie sie nämlich viel mehr Umrahmungen schaffen: und die Vielzahl der Rahmen macht die Aussicht aus.

Thomas Markus, der sich ausführlich mit Fenstern befaßt hat, kam zu demselben Schluß: Fenster, die unterteilt sind, schaffen weitaus interessantere Aussichten. („The Function of Windows - A Reappraisal", Building Science, Bd. 2, 1967, S. 101104.) Er weist darauf hin, daß durch kleine, schmale Fenster von verschiedenen Positionen im Raum verschiedene Aussichten entstehen, während sich durch große oder horizontal ausgedehnte Fenster immer mehr oder weniger die gleiche Aussicht bietet.

Wir glauben, daß für die Fläche innerhalb des Fensterrahmens fast das gleiche gilt. Das folgende Bild zeigt eine einfache Landschaft, wie sie in sechs Scheiben aufgeteilt wäre. Anstatt einer Aussicht sehen wir sechs. Die Aussicht wird durch die sechs Scheiben lebendig.

 239.1

Sechs Aussichten.

 

Ein weiteres Argument für die kleine Scheibenteilung: Die moderne Architektur und das moderne Bauwesen haben ganz bewußt versucht, die Fenster weniger wie Fenster zu machen, sondern eher so, als bestünde zwischen drinnen und draußen keine Trennung. Das steht jedoch in völligem Widerspruch zur Natur von Fenstern. Es stimmt zwar, daß die Funktion der Fenster darin besteht, eine Aussicht zu bieten und eine Beziehung zum Freien herzustellen. Das bedeutet aber nicht, daß sie nicht gleichzeitig, wie Wände oder Dach, ein Gefühl der Geborgenheit und des Schutzes gegen außen vermitteln sollen. Es ist unangenehm, wenn zwischen dir und draußen nichts ist, obwohl du doch innerhalb eines Gebäudes bist. Es ist der Sinn von Fenstern, eine Beziehung mit der Außenwelt herzustellen und gleichzeitig ein Gefühl der Geschlossenheit zu vermitteln.

Nicht nur das. Große Flächen aus Klarglas sind manchmal sogar gefährlich. Die Leute laufen in Nurglastüren hinein, weil sie wie Luft aussehen. Öffnungen mit kleiner Scheibenteilung senden im Vergleich dazu eine eindeutige funktionelle Botschaft aus - die Rahmen der Scheiben weisen ganz eindeutig darauf hin, daß uns hier etwas von der Außenwelt trennt. Und sie tragen dazu bei, GEFILTERTES LICHT (238) zu schaffen.

 239.2

Kleine Scheibenteilung in Mendocino.

 

Daraus folgt:

Unterteil jedes Fenster in kleine Scheiben. Diese Scheiben können wirklich sehr klein sein; sie sollten kaum größer als 30 mal 30 cm sein. Um die genaue Größe der Scheiben festzulegen, dividiere die Breite und Höhe des Fensters durch die Zahl der Scheiben. So erhält jedes Fenster entsprechend seiner Höhe und Breite verschieden große Scheiben.

 Eine Muster Sprache 239 KLEINE SCHEIBENTEILUNG

 

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In gewissen Fällen könnte man die kleinen Scheiben nahe der Fensterkante sogar noch feiner machen, um das Licht um die obere Kante von Fenstern, die sich gegen den Himmel abzeichnen, zu filtern — GEFILTERTES LICHT (238). Die Glasleisten können aus demselben Material wie die Deckleiste gemacht werden — SCHMALE DECKLEISTE (240) ...

 

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238.0

... selbst wenn die Fenster eine schöne Lage haben, kann Blendung zu einem Problem werden - TÜREN UND FENSTER NACH BEDARF (221). Die Weichheit des Lichts im und um das Fenster macht für einen Raum einen entscheidenden Unterschied. Die Gestalt der Rahmen kann das Problem zum Teil lösen - TIEFE LAIBUNGEN (223) -, aber das ist noch nicht genug.

 

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Durch Blätter oder Maßwerk gefiltertes Licht ist wunderschön. Aber warum?

 

Wir wissen, daß das durch einen Baum voller Laub fallende Licht sehr schön ist - es wirkt anregend und erzeugt Freude und Heiterkeit; und wir wissen, daß einheitlich beleuchtete Flächen langweilige, uninteressante Räume schaffen. Aber warum?

 

  1. Der einleuchtendste Grund: Direktes Licht, das von einer punktförmigen Quelle kommt, wirft starke Schatten und erzeugt grelle Bilder mit starken Kontrasten. Und die Menschen haben eine optische Veranlagung, die diesen Kontrast noch verschärft: Unser Auge verstärkt Grenzlinien automatisch, so daß wir sie schärfer sehen, als sie in Wirklichkeit sind. Bei einer Farbkarte mit verschiedenen, nebeneinander liegenen Farbstreifen hat man beispielsweise den Eindruck, daß zwischen den Streifen dunkle Linien sind. Diese Kontraste und scharfen Grenzlinien sind unangenehm - die Gegenstände scheinen hart zu sein, und unsere Augen, die sich nicht an den Kontrast anpassen können, nehmen die Einzelheiten nicht wahr.

    Deswegen besteht das natürliche Bedürfnis, das Licht mit Hilfe von Lampenschirmen oder indirekter Beleuchtung zu streuen, sodaß die vom Licht erzeugten Bilder „weicher" werden, das heißt, daß die wahrgenommenen Grenzlinien nicht scharf sind, weniger Kontrast und Schatten herrscht und die Details besser zu sehen sind. Das ist äuch der Grund, warum Photographen statt direktem Licht reflektiertes Licht einsetzen, wenn sie Gegenstände aufnehmen; sie erfassen dädurch Detäils, die sonst vorn Schatten verschluckt würden. 

  2. Der zweite Grund: Verringerung der Blendung um das Fenster herum. Wenn helles Licht durch das Fenster kommt, entsteht gegenüber den dunklen Wänden um das Fenster herum Blendung — siehe TIEFE LAIBUNGEN (223). Wenn das Licht vor allem an den Rändern des Fensters gefiltert wird, blendet es weniger, weil weniger Licht hereinkommt.

     

  3. Ein dritter Grund, eine bloße Vermutung: Möglicherweise ist es ganz einfach so, daß ein Gegenstand, auf dem kleine Lichtmuster tanzen, sinnlich anregend wirkt. Manche Filmregisseure behaupten, daß das Lichtspiel auf der Netzhaut ganz von sich aus die Sinne anspricht.

 

Um gefiltertes Licht zu erzeugen, sollten bei Fenstern mit direkter Sonneneinstrahlung teilweise Kletterpflanzen und Gitterwerk angebracht werden. Blätter eignen sich besonders gut, weil sie sich bewegen. Und der Rand des Fensters kann feines Maßwerk haben — das heißt, nicht der Rahmen, sondern der Rand des Glases selbst —, so daß das hereinfallende Licht vorn Fensterrand zur Fenstermitte hin allmählich stärker wird; das Maßwerk sollte vor allem am oberen Teil des Fensters sitzen, wo das Licht am stärksten. Bei vielen alten Fenstern kommen diese Überlegungen kombiniert vor.

 

Daraus folgt:

Leg dort, wo sich der Rand eines Fensters oder eine überhängende Dachkante silhouettenartig gegen den Himmel abzeichnet, ein detailreiches Gewebe von Hell und Dunkel an, um das Licht zu brechen und weicher zu machen.

 Eine Muster Sprache 238 GEFILTERTES LICHT

 

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Am einfachsten läßt sich das durch Kletterpflanzen bewerkstelligen, die so gezogen werden, daß sie um die Außenseite des Fensters herum wachsen — KLETTERPFLANZEN (246). Gibt es keine Pflanzen, kann es auch sehr schön mit einfachen Markisen erreicht werden — MARKISENDÄCHER (244) —, möglicherweise bunt — WARME FARBEN (250). Gefiltertes Licht kann aber zum Teil auch dadurch erzielt werden, daß man im oberen Teil des Fensters, wo das Licht am stärksten ist, kleinere, feine, kunstvoll gearbeitete Scheiben anbringt — KLEINE SCHEIBENTEILUNG (239) ...

 

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