EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

104.0

... die allgemeinsten Aspekte eines Gebäudekomplexes sind in GEBÄUDEKOMPLEX (95), ANZAHL DER STOCKWERKE (96) und ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) festgelegt. Die folgeden und alle weiteren Muster beziehen sich auf den Entwurf eines einzelnen Gebäudes und seiner Umgebung. Das vorliegende Muster erläutert den ersten Schritt überhaupt — den Prozeß der Verbesserung des Bauplatzes. Da es oft darauf hinausläuft, daß sieh sehr spezielle kleine Flächen eines Grundstücks als die geeignesten Bauflächen herausstellen, wird es gut ergänzt durch das Muster GEBÄUDEKOMPLEX (95), das Gebäude in kleinere Teile zerlegt, die man leichter an verschiedenen Ecken des Bauplatzes bestmöglich unterbringen kann.

 

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Gebaut werden muß immer auf den schlechtesten Teilen des Grundstücks, nicht auf den besten.

 

Dieser Gedanke ist wirklich sehr einfach. Aber er ist das genaue Gegenteil von dem, was gewöhnlich geschieht; und es :erfordert beträchtliche Willenskraft, ihn durchzuführen.

Was geschieht gewöhnlich, wenn jemand daran denkt, auf einem Stück Land zu bauen? Er sucht den besten Bauplatz — wo das Gras am schönsten ist, die Bäume am gesündesten, der Hang am ebensten, die Aussicht am reizendsten, der Boden am fruchtbarsten — und genau dort entschließt er sich, sein Haus hinzustellen. Der Vorgang ist der gleiche, ob das Grundstück groß ist oder klein. Auf einer kleinen Stadtparzelle kommt das Gebäude in die sonnigste Ecke, wo es am angenehmsten ist. Auf 50 Hektar freiem Land kommen die Gebäude an den schönsten Hang.

Das ist nur natürlich; und für jemand, der keine Gesamtsicht von der Ökologie des Bodens hat, scheint es das einleuchtendste und vernünftigste Vorgehen zu sein. Wenn man ein Gebäude errichtet, dann am „bestmöglichen Platz".

Aber nun denke an die übrigen drei Viertel des verfügbaren Bodens, die nicht ganz so schön sind. Da die Leute immer auf dem einen, gesündesten Viertel bauen, werden die anderen drei Viertel, ökologisch ohnehin schon weniger gesund, vernachlässigt. Allmählich werden sie immer weniger gesund. Wer wird je etwas für die dunkle und feuchte Ecke des Bauplatzes tun, wo sich der Abfall ansammelt, oder für den sumpfigen Teildes Grundstücks oder für den trockenen, steinigen Abhang wo nichts wächst?

Nicht nur das. Wenn wir auf den besten Teilen des Bodens bauen, werden jene Schönheiten, die schon vorhanden sind - der Krokus, der jeden Frühling durch den Rasen bricht, der besonnte Steinhügel, auf dem die Eidechsen sitzen, der, Kies weg, auf dem wir so gerne gehen - genau die werden vernichtet. Wenn der Bau auf jenen Teilen des Bodens beginnt, die schon gesund sind, werden mit jedem Bauvorgang unzählige Reize ausgelöscht.

Die Leute sagen sich dann: gut, wir können doch immer einen anderen Garten anfangen, eine andere Laube bauen, einen anderen Kiesweg anlegen, neuen Krokus in den neuen Rasen pflanzen, und die Eidechsen werden einen anderen Steinhügel finden. Aber es ist eben nicht so. Diese einfachen Dinge brauchen Jahre - es ist gar nicht so leicht, sie zu schaffen, nur weil man will. Und immer, wenn wir eine dieser kostbaren Besonderheiten stören, kann es zwanzig fahre oder sogar ein Leben dauern, bis aus unseren kleinen täglichen Bemühungen wieder ähnliche Besonderheiten entstehen.

Wenn wir immer auf dem gesündesten Teil des Bodens bauen, können wir praktisch sicher sein, daß immer ein großer Teil des Bodens nicht gesund sein wird. Wenn wir wollen, daß der Boden - alles Land - überall gesund ist, dann müssen wir das Gegenteil tun. Wir müssen jeden neuen Bauvorgang als eine Gelegenheit betrachten, ein Loch im Kleid zu flicken; jeder Bauvorgang gibt uns die Chance, einen der häßlichsten und am wenigsten gesunden Teile der Umwelt gesünder zu machen - für die ohnedies gesunden und schönen Teile sind keine Maßnahmen nötig. In Wirklichkeit müssen wir uns zwingen, sie in Ruhe zu lassen, so daß unsere Energie wirklich den Stellen zugute kommt, die es brauchen. Das ist das Prinzip der Verbesserung des Bauplatzes.

Tatsache ist, daß heutige Bebauungen bei diesem Muster kaum jemals gut abschneiden: jeder erinnert sich an eine lieb-gewonnene Stelle, die durch ein neues Gebäude oder eine neue Straße zerstört wurde. Der folgende Bericht aus dem San Francisco Chronicle (6. Februar 1973) mit dem Titel „Wütende Kin-der fahren ein Haus mit dem Bulldozer nieder" ist ein schlagendes Fallbeispiel:

Zwei dreizehnjährige Knaben — verärgert über eine Gruppe von Siedlungshäusern, die gerade mitten in ihr Kaninchen-Jagdgelände gebaut wurden — wurden nach dem Geständnis, daß sie eines der Häuser mit einem entwendeten Bagger dem Erdboden gleichgemacht hatten, verhaftet.

Nach Mitteilung des Sheriffs von Washoe County setzten die jugendlichen einen Bagger der vier Meilen nördlich von Reno gelegenen Baustelle in Gang und pflügten letzten Freitag Nacht mit dem schweren 'Fahrzeug viermal durch eines der Häuser.

Als die Arbeiter gestern früh ankamen, war das nahezu fertiggestellte Haus im Ranch-Stil ein Trümmerhaufen. Die Firma schätzt den Schaden auf 7.800 Dollar. Einer der Jungen sagte der Polizei, durch dieses Haus und einige andere in der Nähe würde ein „beliebtes Kaninchen-Jagdgehege" zerstört.

Die beiden Knaben wurden wegen boshafter Sachbeschädigung angeklagt.

Der Gedanke der Bauplatz-Verbesserung ist nur ein Anfang. Er zeigt, wie man den geringsten Schaden anrichtet. Aber die begabtesten traditionellen Baumeister brachten es stets fertig, nicht nur Schaden durch das Bauwerk zu vermeiden, sondern damit die natürliche Landschaft zu vervollkommnen. Diese Einstellung unterscheidet sich so grundlegend von unseren heutigen Ansichten über das Bauen, daß es Konzepte, wie man mit Bauten die Landschaft verbessern könnte, heutzutage gar nicht mehr gibt.

 

Daraus folgt:

Setz Gebäude auf keinen Fall an die Stellen, die am schönsten sind. Das Gegenteil ist richtig. Betrachte den Bauplatz und seine Gebäude als ein lebendes ÖkoSystern. Laß die kostbarsten, schönsten, angenehmsten und gesündesten Bereiche, wie sie sind, und setz Neubauten auf jene Teile des Bauplatzes, die zur Zeit am wenigsten reizvoll sind.

 Eine Muster Sprache 104 VERBESSERUNG DES BAUPLATZES

 

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Laß vor allem die Bäume intakt und bau um sie herum ran größter Sorgfalt — PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171); laß Freiräume nach Süden zur Sonne offen — AUSSENRAUM NACH SÜDEN (105), versuch ganz allgemein den Raum so zu formen, daß jede Stelle für sich positive Form erhält — POSITIVER AUSSENRAUM (106) Verbessere Hänge, wenn nötig, mit Hilfe TERRASSIERTER HÄNGE (169), und laß den Außenraum so weit wie möglich in seinen natürlichen Zustand — WILDWACHSENDER GARTEN (172). Wen es nötig ist, verschieb das Gebäude und drück es in Winkel und Ecken, damit ein schöner alter Weinstock, ein geliebter Busch ein reizender Rasenfleck erhalten bleibt — GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), LANGES, SCHMALES HAUS (109) ...

 

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103.0

... da ein klerner Parkplatz eine Art Toreinfahrt ist - die Stelle, wo man das Auto verläßt und einen Fußgängerbereich betritt -, ergänzt dieses Muster folgende andere: EINKAUFSSTRASSE (32)HAUS GRUPPE (37), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41), GRÜNE STRASSEN (51), HAUPTTORE (53), ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) und alle anderen Örtlichkeiten, die kleine und günstig gelegene Parkgelegenheit brauchen. Vor allem aber wird dieses Muster bei richtiger Anwendung, zusammen mit ABGESCHIRMTES PARKEN (97), schrittweise zur Verwirklichung von NEUN PROZENT PARKPLÄTZE (22) beitragen. 

 

❖ ❖ 

 

Ausgedehnte Parkplätze zerstören Grund und Boden für die Menschen.

 

In NEUN PROZENT PARKPLÄTZE (22) machten wir klar, daß das gesellschaftliche Gewebe durch die bloße Existenz der Autos bedroht ist, wenn die Fläche für geparkte Autos mehr als neun oder zehn Prozent des Bodens einer Gemeinde einnimmt. Nun stehen wir vor einem zweiten Problem. Auch wenn geparkte Autos weniger als neun Prozent des Bodens in Anspruch nehmen, kann ihre Verteilung immer noch zwei völlig verschiedene Formen haben. Sie können in wenigen riesigen Parkplätzen konzentriert oder in vielen winzigen Parkplätzen verstreut sein. Die kleinen Parkplätze sind für die Umwelt weitaus besser als die großen, auch wenn die Gesamtfläche die gleiche ist.

 

103.1

Die Zerstörung des menschlichen Maßstabs.

 

Große Parkplätze haben die Eigenschaft, sich der Landschaft zu bemächtigen, unerfreuliche Orte zu schaffen und ihre bedrückende Wirkung auf die umliegende Gegend auszudehnen. Die Leute fühlen sich von den Autos beherrscht; sie verlieren das Vergnügen und die Bequemlichkeit, ihr Auto in der Nähe zu haben. Der Verkehr auf großen Parkplätzen ist unberechenbar und wiederum gefährlich für Kinder, weil diese unweigerlich auf Parkplätzen spielen.

Die eigentliche Ursache des Problems ist die Tatsache, daß ein Auto um soviel größer ist als ein Mensch. Große Parkplätze sind richtig für die Autos; für Menschen sind sie in allen Merkmalen falsch. Sie sind zu weitläufig; sie haben zu viele gepflasterte Flächen; sie haben keine Stellen zum Stehenbleiben. Tatsächlich haben wir beobachtet, daß Leute beim Weg über große Parkplätze schneller gehen, damit sie so rasch wie möglich herauskommen.

Es ist schwer festzulegen, ab wann ein Parkplatz zu groß wird. Nach unseren Beobachtungen würden wir meinen, daß Parkplätze für vier Autos im wesentlichen noch menschlichen, also Fußgängercharakter haben; daß Parkplätze für sechs Autos zumutbar sind; daß aber jede Örtlichkeit in der Nähe- eines Parkplatzes mit acht Autos schon deutlich als „von Autos besetztes Gebiet" erlebt wird.

Man kann das mit den bekannten Tatsachen über die Wahrnehmung der Zahl sieben in Verbindung bringen. Eine Ansammlung von weniger als fünf bis sieben Objekten kann man als Einheit erfassen, die einzelnen Objekte kann man als Individuen erfassen. Eine Ansammlung von mehr als fünf bis sieben Dingen wird als „viele Dinge" wahrgenommen. (Siehe G. Miller, „The Magical Number Seven, Plus or Minus Two: Some Limits an Our Capacity for Processing Information", in D. Beardslee und M. Wertheimer, Hrsg., Readings in Perception, New York, 1958, bes. S. 103.) Es scheint zuzutreffen, daß der Eindruck einer „Blechwüste" ab etwa sieben Autos entsteht.

 103.2

Kleine Parkplätze können zwanglos angeordnet werden.

 

Daraus folgt:

Mach Parkplätze klein, für nicht mehr als fünf bis sieben Autos, mit Gartenmauern, Hecken, Zäunen, Böschungen und Bäumen rundherum, sodaß die Autos von außen fast nicht sichtbar sind. Verteile die Parkplätze so, daß sie mindestens 30 m voneinander entfernt sind.

 Eine Muster Sprache 103 KLEINE PARKPLATZE 1

 

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Leg Ein- und Ausgänge der Parkplätze so an, daß sie organisch in das Muster des Fußwegenetzes passen und direkt, ohne Irrwege, zu den Haupteingängen der einzelnen Gebäude führen — ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98). Schirm auch diese unauffälligen Parkplätze mit Gartenmauern, Bäumen und Zäunen ab, sodaß außerhalb von ihnen Raum entsteht — POSITIVER AUSSENRAUM (106), PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171), GARTENMAUERN (173) ...

 

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102.0

... dieses Muster ist eine Ausgestaltung von ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98)ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE Stellte dar, wie ein großes Gebäude oder ein Gebäudekomplex sich aus Bereichen zusammensetzt, wobei jeweils ein größerer Zugang oder Torweg in einen Bereich hineinführt und eine Anzahl von weiterführenden kleineren Türen und Öffnungen aus dem Be-eich hinaus. Das folgende Muster betrifft das Verhältnis dieser "kleineren" Eingänge.

 

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Wenn jemand in einen Komplex von Büros, Ämtern oder Werkstätten eintritt oder zu einer Gruppe zusammengehöriger Häuser kommt, wird er wahrscheinlich nur dann nicht verwirrt sein, wenn der ganze Komplex so vor ihm ausgebreitet ist, daß er den Eingang zu der gewünschten Stelle sieht.

Bei unserer Arbeit im Center sind wir auf verschiedene Fassungen dieses Musters gekommen und haben sie auch definiert. Um das allgemeine Problem darzustellen, gehen wir diese Fälle durch und leiten daraus eine allgemeine Regel ab.

  1. In unserem Dienstleistungszentrums-Projekt nannten wir dieses Muster „Service-Überblick". Wir fanden heraus, daß die Leute sich orientieren und genau sehen konnten, was das Gebäude zu bieten hatte, wenn die verschiedenen Dienste hufeisenförmig angelegt waren, in unmittelbarer Sicht von der Schwelle aus. Siehe A Pattern Language Which Generates Multiservice Centers, S. 123-126.Eine Muster Sprache 102 FAMILIE VON EINGANGEN
  2. Eine andere Version des Musters — „Empfangspunkte" —verwendeten wir für eine Nervenheilanstalt. In diesem Fall legten wir einen klar definierten Haupteingang fest, innerhalb dessen der Hauptempfang klar sichtbar war. Jeder „weitere" Empfangspunkt war vorn vorhergehenden aus sichtbar, sodaß auch ein verängstigter oder verwirrter Patient sich zurecht finden konnte, indem er Empfangspersonal fragte — und immer zum nächsten sichtbaren Empfang weitergeleitet werden konnte.Eine Muster Sprache 102 FAMILIE VON EINGANGEN 1

  3. In unserem Projekt für den Umbau des Rathauskomplexes von Berkeley verwendeten wir eine andere Fassung dieses Musters. Innerhalb der Passagen wurden die Eingänge zu der Ämtern einander ähnlich gestaltet — jeder ragte leicht in der Weg vor, sodaß sich die Leute unter der entstehenden Familie von Eingängen zurechtfinden konnten.Eine Muster Sprache 102 FAMILIE VON EINGANGEN 2
  4. Auch auf gruppenförmig angeordnete Häuser haben ,wir dieses Muster angewendet. In einem Beispiel brachte das Muster verschiedene Hauseingänge in Gestalt einer wechselseitig sichtbaren Gruppierung zusammen; wieder hatte jeder eine ähnliche Form.

    In allen diesen Fällen ist das Hauptproblem das gleiche. Jemand, der einen von mehreren Eingängen sucht und sich nicht auskennt, muß den gesuchten Eingang leicht identifizieren können. Er kann zu identifizieren sein als „der blaue", „der mit dein Mimosenstrauch davor", „der, wo groß 18 draufsteht" oder „der letzte rechts, nach der Ecke", aber jede dieser Identifizierungen hat nur einen Sinn, wenn die ganze Gruppe möglicher Eingänge vorher als Gruppe gesehen und verstanden wird. Dann ist es möglich, einen bestimmten Eingang ohne Nachdenken herauszufinden.

 

Daraus folgt:

Leg die Eingänge so an, daß sie eine Familie bilden. Das bedeutet:

  1. Sie bilden eine Gruppe, sind gemeinsam zu sehen, und jeder ist von allen anderen aus zu sehen.
  2. Sie sind im großen und ganzen ähnlich, zum Beispiel alle mit Vordächern, oder jeder ist ein Tor in einer Wand, oder alle haben eine ähnliche Tür.

 Eine Muster Sprache 102 FAMILIE VON EINGANGEN 3

 

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Mach also die Eingänge auffällig und leicht sichtbar - HAUPTEINGANG (110); wenn sie in Privatbereiche führen, also in Häuser etc., leg zwischen die öffentliche Straße und das Innere eine Übergangszone - ZONE VOR DEM EINGANG (112); und mach aus dem Eingang selbst einen Raum, der die Wand durchbricht und demnach sowohl innen wie außen als Volumen vorspringt, durch ein Dach vor Regen und Sonne geschützt - EINGANGS-RAUM (130). Wenn es der Eingang von einer Passage in eine Dienststelle ist, leg in einen Teil des Eingangsraums den Empfang - ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG (149) ...

 

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101.0

... wenn der Gebäudekomplex eine hohe Dichte hat, dann kann zumindest ein Teil des Verkehrs nicht auf offenen FUSSGÄNGERSTRASSEN (100) verlegt werden, weil die Gebäude zu viel Fläche bedecken; in diesem Falle müssen die Hauptlinien der ORIENTIERUNGSBEREICHE (98) die Form von Passagen annehmen, die ähnlich den Fußgängerstraßen sind, aber teilweise oder ganz im Innern der Gebäude verlaufen. Passagen durch Gebäude ersetzen die schrecklichen Gänge, die so viele moderne Gebäude zerstören, und bewirken die innere Gliederung eines GEBÄUDEKOMPLEXES (95) ...

 

❖ ❖ 

 

Wenn ein öffentlicher Baukomplex nicht zur Gänze von offenen Fußgängerstraßen erschlossen werden kann, ist eine neue Form von Innenstraße erforderlich, die nichts mit einem herkömmlichen Gang zu tun hat.

 

101.1

Eine Innenstraße.

 

Das Problem entsteht unter zwei Bedingungen:

  1. Kaltes Wetter. In sehr kaltem Klima ist die Erschließung von außen eher ein Hindernis der sozialen Kommunikation als eine Hilfe. Natürlich kann eine Straße überdacht sein, vor allem mit einem Glasdach. Sobald sie aber überdeckt ist, hat sie eine andere soziale Ökologie und funktioniert anders.

  2. Hohe Dichte. Wenn ein Gebäudekomplex so dicht auf seinem Bauplatz zusammengepackt ist, daß kein vernünftiger Platz für offene Straßen bleibt, weil der ganze Gebäudekomplex ein kontinuierliches zwei-, drei- oder viergeschossiges Gebäude ist, muß man unter anderen Vorzeichen über die Erschließung nachdenken.

Um diesen beiden Bedingungen gerecht zu werden, müssen Straßen durch innere Passagen oder Gänge ersetzt werden. Sobald wir sie aber nach innen legen und überdecken; stellen sich völlig neue Probleme, weil sie durch ihre Isolierung steril werden. Erstens werden sie aus dem öffentlichen Bereich entfernt und sind oft menschenleer. Leute halten sich kaum zwanglos in öffentlichen Gängen auf, die abseits der. Straße hegen. Und zweitens werden die Gänge so unwirtlich, daß dort nichts vor sich geht. Sie sind zum Durchhasten, nicht zum Verweilen angelegt.

Um diese neuen Probleme zu lösen, die beim Verlegen. einer Straße nach innen entstehen, müssen die Innenstraßen oder Passagen — fünf bestimmte Eigenschaften haben:

 

1. Abkürzung

Öffentliche Plätze in Gemeinschaftsbauten (Rathäusern, Gemeinschaftszentren, Büchereien) brauchen diese Eigenschaft besonders, weil die Leute beim zwanglosen Herumtreiben mit "den Vorgängen im Gebäude vertraut werden und vielleicht anfangen, es zu benützen.

Aber man verweilt kaum zwanglos an diesen Stellen ohne „offiziellen Grund". Goffman beschreibt diese Situation so:

Sich an einem öffentlichen Platz zu befinden, ohne daß ein Bezug zu'ersichtlichen Zielen über die Situation hinaus besteht, wird manchmal als Herumlungern — bei fixer Position — oder Herumtreiben — wenn mit Bewegung verbunden — bezeichnet. Beides kann als ungehörig betrachtet werden und Anlaß zum Einschreiten liefern. Auf vielen Straßen unserer Städte, besonders zu bestimmten Stunden, wird die Polizei jeden, der anscheinend nichts tut, anhalten und zum „Weitergehen" auffordern. (In London stellte vor kurzem ein Gerichtsurteil fest, ein einzelner habe ein Recht, auf der Straße zu gehen, aber nicht das gesetzliche Recht, bloß auf ihr zu stehen.) In Chicago kann eine Person im Aufzug eines Landstreichers am „Standplatz" herumlungern, aber außerhalb dieses Reservats muß er sich den Anschein geben, er sei beruflich unterwegs. Analog dazu verdanken einige Patienten von Nervenheilanstalten ihre Einweisung dem Umstand, daß die Polizei sie zu unpassender Stunde auf der Straße wandernd antraf, ohne daß sie ein Ziel oder einen Zweck ersichtlich machen konnten. (Erving Goffman, Behavior in Public Places, New York: Free Press, 1963, S..56,)

Ein wirklich brauchbarer öffentlicher Raum muß irgendwie der Anti-Herumtreiber-Tendenz in der modernen Gesellschaft entgegenwirken. Vor allem diese Probleme haben wir beobachtet-Ein wirklich brauchbarer öffentlicher Raum muß irgendwie der Anti-Herumtreiber-Tendenz in der modernen Gesellschaft entgegenwirken. Vor allem diese Probleme haben wir beobachtet;

  1. Eine Person wird einen öffentlichen Platz nicht benützen, wenn sie sich eigens hinbegeben muß und damit zu erkennen gibt, daß sie sich „absichtlich" dort aufhält.
  2. Wenn Leute an einem Ort aufgefordert werden, den Grund für ihre Anwesenheit anzugeben (z. B. von einer Empfangsdame oder von einem Beamten), werden sie ihn nicht zwanglos benützen.
  3. Türen, Gänge, Niveaustufen usw. am Zugang zu einem öffentlichen Ort halten Leute eher ab, wenn sie nicht ein bestimmtes Ziel verfolgen.

Orte die diese Probleme vermeiden, wie die Galleria in Mailand, haben eines gemeinsam: sie werden von öffentlichen Passagen durchschnitten, die mit Stellen zum Stehenbleiben, Flanieren und Beobachten gesäumt sind.

Eine Muster Sprache 101 PASSAGE DURCHS GEBAUDE 

2. Breite

Eine Innenstraße muß breit genug sein, damit Leute gemütlich gehen oder stehenbleiben können. Durch informelle Experimente kann man feststellen, wie viel Platz Leute beim Aneinander-Vorbeigehen brauchen. Da die Häufigkeit der Begegnung von drei Menschen mit drei Menschen nicht groß ist, betrachten wir als Maximum das Vorbeigehen von zwei Personen an zwei. Personen oder von drei Personen an einer Person.

Jede Person braucht ungefähr 60 cm; etwa 30 cm müssen zwei. schen zwei aneinander vorbeigehenden Gruppen bleiben, damit nicht das Gefühl des Gedränges entsteht; gewöhnlich geht man 30 cm von der Wand entfernt. Die Straßenbreite -sollte demnach mindestens 3,5 m sein.

Unsere Experimente zeigen auch, daß es für eine Person, die am Straßenrand sitzt oder steht, unangenehm ist, wenn jemand näher als 1,5 m an ihr vorbeigeht. Also sollte sich die Straße an den Stellen, wo Sitzplätze, Aktivitäten, Eingänge und Ladentische sind, auf ungefähr 5 m (einseitig) oder 6 m (zweiseitig) verbreitern.

 

3. Höhe

Auch die Deckenhöhen sollten für Leute, die in einer Passage gehen oder stehen, angenehm sein. Entsprechend den VERSCHIEDENEN RAUMHÖHEN (190) sollte die Höhe jedes Raums gleich viel betragen wie der ungefähre horizontale Abstand zwischen Leuten in der gegebenen Situation — je höher der Raum, desto entfernter halten sich die Leute voneinander.

Edward Hall meint in The Hidden Dimension, daß zwischen Fremden ein Abstand angenehm ist, bei dem man die Einzelheiten der Gesichtszüge nicht erkennen kann. Er gibt diesen Abstand mit 3,5 m bis 5 m an. Also sollte die Raumhöhe'einer Passage mindestens in diesem Bereich liegen.

Wenn Leute sitzend oder stehend miteinander sprechen, ist der passende Abstand intimer. Hall gibt dafür 1 m bis 2 m an. Also sollten Stellen der Betriebsamkeit und am „Rand" etwas über 2 m hoch sein.

Die Decke einer großen Passage wäre demnach in der Mitte hoch und an den Rändern niedrig. In der Mitte, wo die Leute durchgehen und anonymer bleiben, kann der Raum zwischen 3,5 m und 6 m hoch sein, auch höher, je nach dem Maßstab des Durchgangs. Entlang der Seiten der Passage, wo man erwartet, daß Leute stehenbleiben und sich etwas mehr auf die Vorgänge im Gebäude einlassen, kann die Decke niedriger sein. Hier sind drei Querschnitte von Innenstraßen, die diese Merkmale haben.

 Eine Muster Sprache 101 PASSAGE DURCHS GEBAUDE 1

 

4. Breiter Eingang

Soweit wie möglich sollte die Innenstraße eine Fortsetzung der äußeren Erschließung des Gebäudes sein. Um das zu erreichen, sollte der Weg ins Gebäude so wenig wie möglich unterbrochen sein und der Eingang ziemlich breit - eher ein Tor als eine Tür. Ab 41/2 m Breite hat ein Eingang diesen Charakter.

 

5 Anlässe entlang des Rands

Wenn man zwangloses Herumtreiben erwartet - wie wir es oben unter Abkürzung beschrieben haben -, muß die Straße fortlaufend entlang des Rands verschiedene „Anlässe" bieten.

Räume an der Straße sollten Fenster zur Straße haben. Wir wissen, wie unangenehm es ist, entlang einer blinden Mauer zu gehen. Man verliert nicht nur die Orientierung; man bekommt auch das Gefühl, das ganze Leben im Gebäude sei auf der anderen Seite der Wand und man sei davon ausgeschlossen. Wir würden annehmen, daß öffentlicher Kontakt für den Arbeitenden nicht unerwünscht ist, solange er nicht zu eng ist, das heißt, solange der Arbeitsplatz entweder durch Abstand oder durch eine halbhohe Wand geschützt ist.

Der Weg sollte von Sitzplätzen und Stellen zum Stehenbleiben gesäumt sein - Zeitungs-, Zeitschriften- und Süßwarenstände, Anschlagtafel, Ausstellungsstücke und Schaufenster.

Wenn am Weg Eingänge und Schalter von Betrieben und Dienstleistungen liegen, sollten sie in den Weg vorragen. Wie irgendwelche Tätigkeiten schaffen Eingänge und Schalter Orte am Weg und sollten mit Sitzplätzen und Stellen zum Stehenbleiben verbunden werden. In den meisten Amtsgebäuden sind diese Schalter und Türen von den Gängen zurückgesetzt und deshalb schwer zu sehen. Sie betonen dadurch den Unterschied zwischen dem Gang, der zum Durchgehen da ist, und der Dienststelle, wo etwas vor sich geht. Das Problem löst sich, wenn die Eingänge und Schalter in den Gang vorragen und zu einem Teil des Gangs werden.

Daraus folgt:

Wenn Dichte oder Klima die Haupterschließungswege nach innen zwingen, bau sie als Passagen durchs Gebäude. Leg jede Passage so, daß sie als Abkürzung funktioniert, trenn sie so wenig wie möglich von der öffentlichen Straße und schaff weite, offene Eingänge Säume ihre Ränder mit Fenstern, Sitzplätzen, Schaltern und Eingängen, die in den Raum vorragen und dem Publikum die Vorgänge des Gebäudes zeigen. Mach sie breiter als einen normalen Gang - mindestens 3,5 m, normalerweise 4,5 m bis 6 m breit; mach sie hoch - mindestens 4,5 m - womöglich mit Glasdach und niedrigen Stellen an der Seite. Wenn der Straßenraum einige Stockwerke hoch ist, dann können diese niedrigen Zonen durch seitliche Laufgänge in den verschiedenen Stockwerken gebildet werden.

 Eine Muster Sprache 101 PASSAGE DURCHS GEBAUDE 2

 

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Behandle die Passage möglichst wie eine FUSSGÄNGERSTRASSE (100), mit OFFENEN TREPPEN (158), die von den oberen Stock werken herunterführen. Leg Eingänge, Empfangsstellen und Sitzplätze so an, daß sie unter der niedrigen Decke an der Seite Nischen von Aktivitäten bilden - FAMILIE VON EINGÄNGEN (102)AKTIVITÄTSNISCHEN (124)ENTGEGENKOMMENDER EMPFANG (149)PLATZ AM FENSTER (180)VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190) -, und gib diesen Stellen starke natürliche Belichtung WECHSEL VON HELL UND DUNKEL (135). Verbinde anschließende Räume mit FENSTERN IM INNERN (194) und DICHTSCHLIESSENDEN GLASTÜREN (237). Damit die Passage belebt ist, berechne ihre Gesamtfläche nach FUSSGÄNGERDICHTE (123) ...

 

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