EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

132.0

... VON RAUM ZU RAUM (131) beschreibt die Großzügigkeit von Licht und Erschließung in Bezug auf zusammenhängende Räume und spricht sich gegen die Verwendung von Gängen aus. Wenn es aber in einem Büro oder Haus einen Gang geben muß und dieser zu klein für eine PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (191) ist muß man ihn besonders sorgfältig behandeln — als handelte es sich dabei um ein eigenes Zimmer. Das folgende Muster zeigt die Eigenheiten dieser kleinsten Gänge auf und vervollständigt so das Verbindungssystem, das in ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98), PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101) und VON RAUM ZU RAUM (131) festgelegt wurde. 

 

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„ ... lange, sterile Gänge sind die Grundlage alles Schlechten in der modernen Architektur."

 

Die häßlichen, langen, immer wieder anzutreffenden Gänge des Maschinenzeitalters haben tatsächlich das Wort "Gang" so entwertet, daß man sich kaum noch vorstellen kann, daß ein Gang auch etwas Schönes an sich haben kann; daß der Moment, den man für den Weg von einem Zimmer zum anderen braucht, so wertvoll wie die in den Zimmern selbst verbrachten Momente ist.

 

132.1

Lange Gänge.

 

Wir möchten nun klär herausarbeiten, wie sich Gänge, die leben, die Freude bereiten und den Menschen das Gefühl von Lebendigkeit vermitteln, von jenen unterscheiden, bei denen das nicht der Fall ist. Vier Punkte sind dabei zu beachten.

Der wichtigste Punkt ist unserer Ansicht nach natürliches Licht. Ein Vorraum oder Gang mit reichlich Sonnenlicht wirkt immer freundlich. Als Modellfall gilt hierfür der „einseitige" Vorraurn, der auf seiner offenen Seite Fenster und Türen hat. (Beachte, daß dies eine der wenigen geeigneten Stellen ist, wo man einen Raum von einer Seite aus belichten kann.)

Der zweite Punkt ist das Verhältnis des Gangs zu den Zimmern, die davon wegführen. Durch innere Fenster, die von diesen Zimmern in den Vorraum hinausgehen, kann der Vorraum belebt werden. Die Fenster erzeugen eine Wechselwirkung zwischen Zimmern und Gang; sie fördern einen informelleren Kommunikationsstil; sie vermitteln den durch einen Vorraum gehenden Menschen das Gefühl von Leben in den Zimmern. Selbst in einem Büro ist diese Art von Kontakt gut, so lange sie nicht übertrieben wird; so lange die einzelnen Arbeitsplätze entweder durch ausreichende Distanz oder durch eine halbhohe Wand geschützt sind - siehe HALBPRIVATES BÜRO (152), ABGRENZUNG DES ARBEITSPLATZES (183).

Der dritte Punkt, der den Unterschied zwischen einem belebten und einem toten Gang ausmacht, betrifft die Möblierung. Wenn der Gang so angelegt ist, daß ihn die Leute gern mit Bücherregalen, kleinen Tischen, Stellen zum Anlehnen und sogar Sesseln ausstatten, ist er wirklich Teil der belebten Bereiche eines Gebäudes, und nicht etwas völlig Isoliertes.

Und schließlich gibt es noch den entscheidenden Punkt der Länge. Intuitiv wissen wir, daß die Gänge in Bürogebäuden, Krankenhäusern, Hotels, Etagenhäusern - ja selbst in Wohnungen viel zu lang sind. Die Menschen mögen sie nicht: Sie sind ein Symbol für Bürokratismus und Monotonie. Und es gibt sogar Nachweise für ihre schädliche Wirkung.

Sehen wir uns eine Studie von Mayer Spivack an, in der die unbewußten Auswirkungen langer Krankenhausgänge auf Wahrnehmung, Kommunikation und Verhalten beschrieben werden:

Vier Beispiele von langen Gängen in Nervenheilanstalten werden untersucht... man kommt zu dem Schluß, daß solche Räume aufgrund:: ihrer typischen akustischen Eigenschaften die normale verbale Kommunikation negativ beeinflussen. Durch die optischen Eigenheiten dieser Durchgangsräume werden Gestalten und Gesichter nur verschwormmen wahrgenommen und Entfernungen verzerrt. Die von einem Tunnel erzeugten paradoxen visuellen Signale riefen aufeinander bezogene Sinnestäuschungen in Bezug auf Größe, Entfernung, Gehgeschwindigkeit und Zeit hervor. Beobachtungen des Patientenverhaltens deuten darauf hin, daß die durch schmale Gänge hervorgerufenen Angstzustände auf die Verletzung des persönlichen Distanzgefühls zurückzuführen sind... (M. Spivack, „Sensor y Distortion in Tunnels and Corridors", Hospital and Community Psychiatry, 18, Nr. 1, Jänner 1967)

Wann ist ein Korridor zu lang? In einer früheren Fassung dieses Musters (Short corridors in A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers, CES, 1968, S. 179-182) haben wir Nachweise vorgelegt, die darauf hindeuten, daß es eine: ganz klar erkennbare Grenze zwischen langen Gängen und, kurzen Vorräumen gibt: Demnach liegt die kritische Schwelle etwa bei 15 Metern. Wird diese Länge überschritten, werden die Gänge meist schon als tot und monoton empfunden;

Natürlich kann man auch sehr lange Gänge human gestalten;, aber wenn sie länger als 15 m sein müssen, sollten sie in ihrem; Verlauf Verlauf irgendwie unterbrochen werden. Ein länger Vorraum beispielsweise, der in kleinen Abständen stellenweise von einer: Seite belichtet wird, kann sehr freundlich wirken: durch den Wechsel von Hell und Dunkel und die Möglichkeit inne zuhalten und herumzuschauen verliert man das Gefühl, sich in einem endlosen toten Gang zu befinden; die gleiche Wirkung, hat auch ein Vorraum, an den sich da und dort breitere Zimmer anschließen. Tu jedoch, was du kannst, um Gänge wirklich, möglichst kurz zu halten.

 

Daraus folgt:

Bau kurze Gänge. Gestalte sie so weit wie möglich wie Zimmer, mit Teppichen oder Holzböden, mit Möbeln, Bücherregalen, schönen Fenstern. Leg sie großzügig an und sorg für reichlich Licht; die besten Korridore und Verbindungsgänge sind jene, die die ganze Wand entlang Fenster haben.

 Eine Muster Sprache 132 KURZE VERBINDUNGSGÄNGE

 

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Statte sie mit Fenstern, Bücherregalen und Möbeln aus, damit sie möglichst wie echte Zimmer aussehen, mit Nischen und Sitzgelegenheiten entlang der Wand — LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159), NISCHEN (179), PLATZ AM FENSTER (180), DICKE WÄNDE (197), SCHRÄNKE ZWISCHEN RÄUMEN (198); öffne die Längsseite in Richtung Garten oder Balkone — ZIMMER IM FREIEN (163), DIE GALERIE RUNDHERUM (166), NIEDRIGE BRÜSTUNG (222). Leg zwischen dem Gang und den angrenzenden Zimmern Innenfenster an — FENSTER IM INNERN (194), SOLIDE TÜREN MIT GLAS (237). Was die genaue Gestalt der Verbindungsgänge angeht, beginn bei DIE FORM DES INNENRAUMS (191) ...

 

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131.0

... neben der durch STUFEN DER INTIMITÄT (127) und GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129) erzeugten Abstufung der Räume hängt die Wirkung von Innenräumen vor allem davon ab, wie die Zimmer miteinander verbunden sind. Das folgende Muster beschreibt die grundlegendste Methode, Zimmer miteinander zu verbinden. 

 

❖ ❖ 

 

Die Verbindung zwischen Zimmern ist mindestens so wichtig wie die Zimmer selbst; ihre Beschaffenheit hat ebenso viel Einfluß auf die sozialen Beziehungen in den Räumen wie das Innere der Zimmer selbst.

 

Die Verbindung zwischen Zimmern, die Verkehrsfläche, kann großzügig oder dürftig angelegt sein. Bei einem Gebäude mit dürftigen Verbindungen sind die Durchgänge dunkel und schmal, die in ihrem Verlauf liegenden Zimmer sind Sackgassen. Wenn man ein derartiges Gebäude betritt oder sich zwischen den einzelnen Räumen hin- und herbewegt, fühlt man sich wie eine im Dunkeln herumirrende Krabbe.

Gänz anders präsentieren sich im Vergleich dazu Gebäude mit großzügigen Verbindungen. Die Verbindungsgänge sind breit und sonnig, haben Sitzgelegenheiten, bieten Aussichten auf Gärten und bilden mit den Zimmern selbst mehr oder weniger ein Kontinuum, so daß der Geruch von Kaminfeuer oder Zigarren, das Geräusch von Gläsern, Geflüster und Gelächter, also alles, was einen Räum mit Leben füllt, auch die Durchgangsbereiche belebt.

Diese beiden Auslegungen der Frage von Raumverbindungen haben völlig unterschiedliche psyschologische Auswirkungen.

Ein komplexes soziales Gefüge setzt sich zwangsläufig aus subtilen menschlichen Beziehungen zusammen. Es ist wichtig, daß jeder ganz nach Belieben entscheiden kann, ob er mit den anderen in Verbindung tritt, ob er sich bewegt, ob er spricht, ob er den Raum wechselt — oder auch nicht. Wenn die räumliche Umgebung ihn hemmt und seine Bewegungsfreiheit einschränkt, so wird sie ihn davon abhalten, die sozialen Situationen in denen er sich befindet, nach seinem Dafürhalten zu verbessern und einen positiven Einfluß auf sie auszuüben.

In einem Gebäude mit großzügigen Erschließungsflächen können sich die Instinkte und Intuitionen eines Menschen voll entfalten. Ein Gebäude mit dürftigen Erschließungsflächen hemmt sie. Die dabei gegebene Trennung der Zimmer macht nicht nur den Wechsel von einem Zimmer ins andere mühsam; sie nimmt auch die Freude an den Momenten, die man zwischen den Räumen verbringt, und kann letzten Endes dazu führen, däß immer weniger Bewegungen stattfinden.

Der folgende Vorfall zeigt, wie wichtig Bewegungsfreiheit für das Leben in einem Gebäude ist. Die Manager eines Industriebetriebs in Lausanne machten folgende Erfahrung: Zur Verbesserung der internen Kommunikation wurden in allen Büros Video-Telephone installiert. Einige Monate später stand der Betrieb kurz vor der Pleite. Ein Managementberater wurde beigezogen und fand schließlich heraus, daß das Problem auf die Video-Telephone zurückzuführen war. Die Mitarbeiter benützten das Video-Telephon, um spezielle Fragen miteinander zu besprechen — was allerdings zur Folge hatte, daß sie in den Vorräumen und Gängen nicht mehr miteinander sprachen; kein "Hallo, wie geht`s, übrigens, was halten Sie von dieser Idee. . .„ Die Organisation fiel auseinander, weil die informellen Gespräche — das Bindemittel, das die Organisation zusammenhielt —zerstört worden waren. Der Berater riet ihnen, die Video-Telephone auf den Müll zu werfen — und seitdem sind alle wieder glücklich.

Dieser Vorfall ereignete sich in einer großen Organisation. Das Prinzip ist aber genauso auf eine kleine Arbeitsgruppe oder Familie anwendbar. Die Möglichkeit kleiner spontaner Unterhaltungen, Gesten, Freundlichkeiten, Erläuterungen zur Klärung eines Mißverständnisses, Witze und Erzählungen sind das Herzblut einer Gruppe von Menschen. Wenn man sie verhindert, wird die Gruppe im selben Maß auseinander fallen, wie sich die persönlichen Beziehungen untereinander allmählich auflösen.

Gebäude mit schlechten Verbindungen erschweren den Menschen mit ziemlicher Sicherheit die Aufrechterhaltung ihres sozialen Gefüges. Langfristig gesehen ist durchaus möglich, daß in einem Gebäude mit schlechten Verbindungen die soziale Ordnung überhaupt zusammenbricht.

Ob Verbindungen großzügig sind, hängt von der allgemeinen Anordnung der Verbindungen in einem Gebäude ab, und nicht vom detaillierten Entwurf einzelner Verbindungsgänge. Deshalb ist eine Verbindung auch dann am großzügigsten; wenn es überhaupt keine Verbindungsgänge gibt, sondern die Verbindung anhand einer Reihe von zusammenhängenden Zimmern mit Türen dazwischen geschaffen wird.

 Eine Muster Sprache 131 VON RAUM ZU RAUM

Noch besser ist eine Schleife, die durch alle wichtigen Zimmer - egal, ob privat oder gemeinschaftlich - führt und ein überaus starkes Gefühl von Großzügigkeit vermittelt. Bei einer Schleife kann man immer in zwei verschiedene Richtungen. gehen. Sie ermöglicht, daß man umhergeht, und verbindet die Räume miteinander. Und wenn eine solche Schleife durch die Zimmer führt (nur an einem Ende, um nicht störend zu wirken), verbindet sie die Räume viel besser miteinander als ein. einfacher Gang.

 Eine Muster Sprache 131 VON RAUM ZU RAUM 1 

Dasselbe trifft auch auf ein Gebäude mit einer Reihe von aufeinanderfolgenden Räumen zu, wenn ein Verbindungsgang parallel zur Zimmerreihe verläuft.

 Eine Muster Sprache 131 VON RAUM ZU RAUM 2

 

Daraus folgt:

Vermeid nach Möglichkeit Gänge und Passagen. Verwend stattdessen öffentliche und gemeinschaftliche Zimmer als Räume für Verbindung und Zusammenkunft. Leg zu diesem Zweck die gemeinschaftlichen Räume so an, daß sie eine Kette oder Schleife bilden, damit man von Zimmer zu Zimmer gehen kann — und damit die Privaträume direkt von dort aus begehbar sind. Verleih den Verbindungen zwischen den Räumen das Gefühl von Großzügigkeit und führ sie in einer großen, breiten Schleife um das Innere des Hauses herum — mit Blick auf Kamine und große Fenster.

 Eine Muster Sprache 131 VON RAUM ZU RAUM 3

 

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Wenn sich Verbindungsgänge oder Korridore nicht vermeiden lassen, gestalte sie ebenfalls breit und großzügig; und versuch sie auf einer Seite des Gebäudes anzulegen, wo sie viel Licht bekommen - KURZE VERBINDUNGSGÄNGE (132). Statte sie wie Zimmer aus, mit Teppichen, Bücherregalen, bequemen Sesseln und Tischen, gefiltertem Licht, und richte auch den EINGANGSRAUM (130) und DIE STIEGE ALS BÜHNE (133) so ein. Sorg immer dafür, daß die als Verbindung gedachten Räume reichlich Licht und vielleicht eine Aussicht haben - DIE AUSSICHT DES MÖNCHS (134), WECHSEL VON HELL UND DUNKEL (135) und LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159). Ordne Türen, die in die Zimmer führen oder zwischen Zimmern liegen und die Bewegung von Raum zu Raum ermöglichen, so an, daß sie in den Ecken der Zimmer hegen - TÜREN IN DEN ECKEN (196) ...

 

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130.0

... Lage und grundlegende Form der Eingänge sind in FAMILIE VON EINGÄNGEN (102), HAUPTEINGANG (110) und ZONE VOR DEM EINGANG (112) festgelegt. Das folgende Muster gibt den Eingängen ihre genaue Form — Gestalt, Körper und Dreidimensionalität..— und hilft dabei, die in VERBINDUNG ZUM AUTO (113) und PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE (140) entwickelte Form zu Vervollständigen.

 

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Beim Betreten oder Verlassen eines Gebäudes braucht man sowohl im Gebäude als auch außerhalb einen Raum zum Durchgehen. Das ist der Eingangsraum.

 

Wenn man die Notwendigkeit eines Eingangsraums auf äußerst impressionistische und intuitive Weise ausdrücken will, kann man sagen, daß sich die Zeit des Ankommens und Weggehens in Bezug auf die vorhergehenden und darauffolgenden Minuten scheinbar ausdehnt; damit der Raum der Bedeutung dieses Augenblicks gerecht wird, muß auch er diesem Beispiel folgen und sich in Bezug auf das unmittelbare Gebäudeinnere und -äußere ausdehnen.

Wir werden nun sehen, daß es eine Unzahl an Einflüssen gibt, die diese allgemeine Erkenntnis bestätigen. Alle diese Einflüsse, Entwicklungen und Lösungen wurden ursprünglich von Alexander und Poyner in Atoms of Environmental Structure, Ministry of Public Works, Research and Development, SFB Ba4, London 1966, beschrieben. Damals erschien es wichtig, die von '<diesen Einflüssen geprägten Muster jeweils einzeln hervorzuheben. Heute ist aber offenbar klar, daß diese ursprünglichen Muster in Wirklichkeit allesamt Ansichten der größeren und umfassenderen Einheit sind, die wir EINGANGSRAUM (130) nennen.

  1. Das Verhältnis der Fenster zum Eingang

    • Wenn es an der Tür läutet, möchte man vor dem Öffnen der Tür sehen, wer draußen ist.
    • Man will keinen Umweg machen, um zu sehen, wer vor der Tür steht.
    • Wenn es alte Freunde sind, will man ihnen entgegenrufen oder zuwinken

    Aus diesem Grund muß im Eingangsraum ein Fenster - Oder mehrere - sein, das auf dem Weg vorn Familienraum oder von der Küche zur Tür liegt und den Bereich vor der Tür von der Seite her zeigt.

  2. Die Notwendigkeit eines Schutzes vor der Tür

    • Wenn man wartet, will man sich vor Regen, Wind und Kälte schützen.
    • Während man auf das Öffnen der Tür wartet, steht man nah an der Tür.

    Umgib den äußeren Eingangsraum deshalb auf drei Seiten mit Wänden und überdache ihn.

  3. Die Feinheiten beim Verabschieden

    Wenn Gastgeber und Gäste sich voneinander verabschieden, kann das Fehlen eines eindeutigen „Abschiedsbereiches" leicht zu einem endlosen „Nun müssen wir aber wirklich gehen" und zu immer wieder aufflammenden, neuen Gesprächen führen.

    • Wenn sich jemand einmal zum Gehen entschlossen hat, möchte er unverzüglich aufbrechen.
    • Der Aufbruch soll nicht übereilt wirken, deshalb wird nach einem passenden Übergang gesucht.

    Gib dem äußeren Eingangsraum deshalb eine klar definierte Fläche von mindestens 2 Quadratmetern, die sich durch eine natürliche Schwelle - vielleicht ein Geländer, eine niedrige Mauer oder Stufe - vorn Wagen der Besucher abhebt.

  4. Bord nahe dem Eingang

    Wenn man mit einem Paket in der Hand das Haus betritt...

    • versucht man, es nicht auszulassen, es gerade zu halten und nicht auf den Boden zu stellen.
    • Gleichzeitig versucht man beide Hände frei zu bekommen, um in den Taschen nach dem Schlüssel zu suchen.

    Wenn man mit einem Paket das Haus verlässt:

    • Ist man oft mit anderen Dingen beschäftigt und vergisst leicht auf das Paket, das man mitnehmen wollte.

    Diese Probleme lassen sich vermeiden, indem man sowohl innerhalb als auch außerhalb der Tür etwa in Hüfthöhe Borde anbringt; so hat man eine Stelle, wo man Pakete zum Mitnehmen bereitlegen und wo man sie beim Aufsperren abstellen kann.

  5. Innenteil des Eingangsraums

    • Die Höflichkeit gebietet, daß man die Tür weit öffnet, wenn jemand kommt.
    • Die Leute möchten ihr Privatleben nicht preisgeben.
    • Wenn die Familie zusammensitzt, sich unterhält oder bei Tisch ist, will sie dabei nicht durch einen unerwarteten Besucher gestört oder unterbrochen werden.

    Leg den inneren Eingangsraum zickzackförmig oder mit versperrter Aussicht an, so daß jemand, der an der Schwelle der offenen Tür steht, weder in einen der Innenräume — außer in den Eingangsraum selbst, noch durch die Türen der Räume sehen kann.

  6. Mäntel, Schuhe, Kinderfahrräder ...

    • Schmutzige Stiefel müssen irgendwo ausgezogen werden.
    • Zum Ausziehen des Mantels braucht man einen freien Raum von anderthalb Metern Durchmesser.
    • Die Leute stellen Kinderwagen, Fahrräder und andere Dinge ins Haus hinein, um sie vor Diebstahl und Nässe zu schützen; und Kinder lassen gern ihre Sachen — Räder, Puppenwagen, Rollschuhe, Dreiräder, Schaufeln, Bälle — in der Nähe .der Tür, die sie am meisten benützen.

    Nütz daher im Eingangsraum ein totes Eck als Abstellraum, Stell Kleiderständer so auf, daß sie von der Eingangstür aus gesehen werden, und laß um die Kleiderständer eine Fläche von anderthalb Metern Durchmesser frei.

 

 

Daraus folgt:

Schaff am Haupteingang des Gebäudes einen hellen Raum, der den Eingang klar hervorhebt und das Gebäudeinnere mit dem Äußeren verbindet, indem er teilweise drinnen und teilweise draußen liegt. Der äußere Teil könnte wie eine altmodische Veranda aussehen, der innere Eingang wie eine Halle oder ein Wohnzimmer.

 Eine Muster Sprache 130 DER EINGANGSRAUM

 

❖ ❖ 

 

Sorg dafür, daß die bauliche Beschaffenheit des Eingangs-teils, der auf die Straße oder in den Garten hinausragt, möglichst der FAMILIE VON EINGÄNGEN (102) entlang der Straße entspricht; mach daraus, wenn es paßt, eine Veranda - DIE GALERIE RUNDHERUM (166); und füg eine Bank oder einen Sitzplatz hinzu, damit die Leute dem Treiben auf der Straße zusehen oder auf jemanden warten können - BANK VOR DER TÜR (242). Was den inneren Teil des Eingangsraums betrifft, so sorg vor allem dafür, daß er von zwei oder sogar drei Seiten Licht bekommt, damit das Gebäude gleich beim Betreten einen freundlichen Eindruck macht - WECHSEL VON HELL UND DUNKEL (135), LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159). Bau in der Eingangstür selbst Fenster ein - SOLIDE TÜREN MIT GAS (237). Füg EINGEBAUTE SITZBÄNKE (202) hinzu und gestalte den Räum so, daß er Teil von MEHREREN SITZPLÄTZEN (142) ist; sieh ein BORD IN HÜFTHÖHE (201) für Pakete vor. Was die allgemeine Gestalt und den Bau des Eingangsraums betrifft, beginn mit DIE FORM DES INNENRAUMS (191) ...

 

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... im Verlauf der STUFEN DER INTIMITÄT (127) sind in jedem Gebäude und für jede soziale Gruppe innerhalb eines Gebäudes Gemeinschaftsbereiche nötig. Leg sie gemäß dem Muster SONNENLICHT IM INNERN (128) an der sonnigen Seite an; und statte große Gemeinschaftsbereiche mit höheren Dächern aus DACHKASKADEN (116).

 

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Keine soziale Gruppe - ob Familie, Arbeits- oder Schulgruppe - kann ohne ständigen informellen Kontakt untereinander überleben.

 

Jedes Gebäude, das soziale Gruppen beherbergt, kann diese Kontakte durch Gemeinschaftsbereiche unterstützen. Dabei kommt es sehr auf die Form und Lage dieser Gemeinschaftsbereiche an. Hier ist ein Beispiel für einen gelungenen Gemeinschaftsbereich — die Beschreibung eines Familienwohnraums im Haus eines peruanischen Arbeiters:

Für eine peruanische Familie mit niedrigem Einkommen stellt der Familienraum das Herz des Familienlebens dar. Hier wird gegessen, ferngesehen, und jedes Familienmitglied, das das Haus betritt, geht zuerst in diesen Raum, um die anderen zu begrüßen, sie zu küssen, ihnen die Hand zu geben und Neuigkeiten auszutauschen. Dasselbe passiert, wenn Leute das Haus verlassen.

Der Familienraum ist der Mittelpunkt des Familienlebens, indem er diese Vorgänge unterstützt. Der Raum ist im Haus so angelegt, daß die Leute auf dem Weg in das oder aus dem Haus ganz selbstverständlich dort durchgehen. Das Ende des Raums, wo sie durchgehen, ermöglicht ihnen, ein paar Minuten stehen zu bleiben, ohne einen Sessel zum Niedersetzen hervorziehen zu müssen. Das Fernsehgerät steht am anderen Ende des Raums, und oft ist der Blick auf den Bildschirm eine Rechtfertigung, noch einen Moment zu bleiben. Der Teil des Raums mit dem Fernsehgerät ist oft verdunkelt; der Familienraum und der Fernseher funktionieren mitten am Tag genauso wie abends.

Was können wir aus diesem Beispiel verallgemeinern? Wenn ein Gemeinschaftsbereich am Ende eines Ganges liegt'und die Leute sich entschließen müssen, dorthin zu gehen, werden sie ihn wahrscheinlich nicht ungezwungen und spontan benützen.

 Eine Muster Sprache 129 GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE

Wenn der Weg aber zu stark in die Mitte des Gemeinschafts-Bereiches einschneidet, ist der Bereich zu exponiert und lädt nicht zum Herumstehen und Bleiben ein.

 Eine Muster Sprache 129 GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE 1

Die einzige ausgewogene Situation ist die, daß ein von allen täglich benützter Weg tangential an den Gemeinschaftsbereichen vorbeiführt und zu diesen Bereichen hin offen ist. Dann werden die Leute ständig an diesem Raum vorbeikommen; da der Weg aber an einer Seite liegt, müssen sie nicht unbedingt stehenbleiben. Wenn sie wollen, können sie weitergehen. Wenn sie wollen, können sie einen Moment stehenbleiben und schau an, was los ist; sie können aber auch hineingehen und dort bleiben.

 Eine Muster Sprache 129 GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE 2

Erwähnenswert ist die Tatsache, daß dieses Muster bei jedem Projekt, an dem wir gearbeitet haben, in irgendeiner Form vorgekommen ist. Beim Multi-Service-Center hatten wir ein.

Muster namens Personal-Aufenthaltsraum, das auf denselben geometrischen Grundlagen beruhte (A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers, C. E. S., 1968, S. 241); bei unserer Arbeit über Heilzentren für psychisch Kranke hatten wir als wichtigen Teil der Therapie wieder das gleiche Muster, Teilnahme nach Wahl des Patienten; bei unserer Arbeit an den peruanischen Wohnhäusern hatten wir Erschließung des Familienraums das ist das eben geschilderte Beispiel für eine Familie (Houses Generated by Patterns, C. E. S., 1969, S. 140); und bei unserer Arbeit über Universitäten, The Oregon Experiment, hatten wir in Muster namens Die Mitte des Instituts - wieder das gleiche Muster, diesmal für die einzelnen Institute. Es ist möglicherweise das grundlegendste Muster, wenn es um den Zusammenhalt von Gruppen geht.

Im Detail haben sich drei Merkmale für einen erfolgreichen Gemeinschaftsbereich herauskristallisiert:

  1. Er muß sich mit dem Schwerpunkt eines Gebäudekomplexes, eines Gebäudes oder Gebäudeflügels, den eine Gruppe einnimmt, decken. In anderen Worten, er muß baulich in der Mitte des Ganzen liegen, damit er jedem auf gleiche Weise zugänglich ist und als das Zentrum der Gruppe empfunden werden kann.
  2. Das Wichtigste ist, daß er „auf dem Weg" vorn Eingang zu den privaten Räumen liegt, damit die Leute auf dem Weg ins Gebäude oder hinaus immer daran vorbeigehen. Er darf auf keinen Fall eine Art Sackgasse sein, die nur über einen Umweg zu erreichen ist. Aus diesem Grund müssen die daran vorbeiführenden Wege direkt an ihn angrenzen.
    129.1Der Gemeinschaftsbereich einer Klinik, die wir in Modesto, Kalifornien, gebaut haben, und wo wir auf allen vier Seiten tangierende Wege anlegen konnten.

  3. Er muß die richtigen Komponenten enthalten - norrnalerweise eine Küche und einen Bereich zum Essen, da das Essen zu den wichtigsten Gemeinschaftsaktivitäten zählt, und einen Bereich zum Sitzen mit mindestens ein paar bequemen Sesseln, damit die Leute gern bleiben. Außerdem sollte es einen Bereich im Freien geben - an schönen Tagen streben alle nach draußen -, damit man eine Zigarette rauchen, im Gras sitzen 'oder ein Gespräch fortsetzen kann.

  

Daraus folgt:

Schaff einen einzelnen Gemeinschaftsbereich für jede soziale Gruppe. Leg ihn am gemeinsamen Schwerpunkt aller Räume, die die Gruppe einnimmt, an und zwar so, daß die aus dem Haus und in das Haus führenden Wege tangential daran vorbeiführen.

 Eine Muster Sprache 129 GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE 4

 

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Zu den grundlegendsten Elementen der Gemeinschaftsbereiche zählen Essen und Feuer. Bezieh WOHNKÜCHE (139), GEMEINSAMES ESSEN (147) und DAS FEUER (181) mit ein. Für eine detaillierte Beschreibung der Gestalt des Gemeinschaftsbereiches siehe LICHT VON ZWEI SEITEN IN JEDEM RAUM (159) und DIE FORM DES INNENRAUMS (191). Sorg dafür, daß es genügend verschiedene Sitzplätze gibt, die je nach Situation untershiedlich beschaffen sind - MEHRERE SITZPLÄTZE (142). Sieh ein ZIMMER IM FREIEN (163) vor. Und leg die Wege so an, daß sie direkt an den Gemeinschaftsbereichen vorbeiführen - ARKADEN (119), VON RAUM ZU RAUM (131), KURZE VERBINDUNGSGÄNGE (132) ...

 

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