EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

120.0

... wenn die Gestalt von Gebäuden, Arkaden und Außenräumen durch GEBÄUDEKOMPLEX (95), GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107), POSITIVER AUSSENRAUM (106), ARKADEN (119) ungefähr festgelegt wurde, ist es Zeit, sich den zwischen den Gebäuden verlaufenden Wegen zuzuwenden. Das folgende Muster bestimmt diese Wege und trägt auch dazu bei, den ABSTUFUNGEN DER ÖFFENTLICHKEIT (36), dem NETZ VON FUSS - UND FAHR-WEGEN (52) und der ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) eine genauere Form zu geben. 

 

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Die Anlage von Wegen wird nur dann als richtig und bequem empfunden, wenn sie dem Gehverlauf entspricht. Und der Gehverlauf ist viel subtiler, als man annimmt.

 

Es gibt im wesentlichen drei einander ergänzende Verläufe:

  1. Während des Gehens sucht man die Landschaft nach Zwischenzielen ab — den am weitesten entfernten Punkten eines Weges, die man sehen kann. Man versucht, diese Punkte in einer mehr oder weniger geraden Linie anzusteuern, was natürlich zur Folge hat, daß man Ecken abschneidet und "diagonale" Wege einschlägt, da gerade diese oft die direkteste Linie zwischen aktueller Position und Zielpunkt sind.Eine Muster Sprache 120 WEGE UND ZIELE
  2. Diese Zwischenziele verändern sich ständig. Je weiter man geht, desto mehr kann man um die Ecke sehen. Wenn man immer geradeaus auf den fernsten Punkt zugeht und dieser sich ständig verändert, bewegt man sich in Wirklichkeit in einer leichten Kurve vorwärts, wie eine Rakete, die ein bewegliches Ziel verfolgt.Eine Muster Sprache 120 WEGE UND ZIELE 1

  3. Da man während des Gehens nicht dauernd die Richtung wechseln und die Marschrichtung immer wieder neu berechnen will, sucht man sich für den Gehverlauf ein vorübergehendes „Ziel" — irgendeinen deutlich sichtbaren Markstein —, das mehr oder weniger in der angepeilten Richtung liegt, und geht etwa 100 Meter lang direkt darauf zu, beim Näherkommen legt man bereits ein neues, wieder etwa 100 Meter entferntes Ziel fest und geht nun auf dieses zu...  Man tut das deshalb, damit man dazwischen reden, denken, tagträumen oder auch den Frühling riechen kann, ohne ständig über die Marschrichtung nachdenken zu müssen.Eine Muster Sprache 120 WEGE UND ZIELE 2

 In der Zeichnung oben geht jemand von A weg und auf Punkt E zu. Seine Zwischenziele auf diesem Weg sind B, C und D. Da er auf einer relativ geraden Linie nach E gelangen will, wechselt sein Zwischenziel von B auf C, sobald C sichtbar wird, und von C auf D, sobald D sichtbar wird.

Um diesen Verlauf zu ermöglichen, müssen Wege also mit genügend Zwischenzielen ausgestattet werden. Zu wenige Zwischenziele erschweren den Gehverlauf und verbrauchen unnötig viel emotionale Energie.

 

Daraus folgt:

Schaff bei der Anlage von Wegen zuerst Ziele an natürlichen Anziehungspunkten. Verbind diese Ziele dann miteinander zu Wegen. Die Wege zwischen den Zielen können geradlinig oder leicht kurvenförmig verlaufen; das Pflaster sollte um das Ziel herum ansteigen,Die Ziele sollten nie mehr als zirka hundert Meter voneinander entfernt sein.

 Eine Muster Sprache 120 WEGE UND ZIELE 3

 

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Als Ziele können sämtliche Alltagsdinge im Freien dienen Bäume, Brunnen, Eingänge, Tore, Sitzplätze, Statuen, eine Schaukel, ein Zimmer im Freien. Siehe FAMILIE VON EINGÄNGEN (102), HAUPTEINGANG (110), PLÄTZE UNTER BÄUMEN (171), PLÄTZE ZUM SITZEN (241), ERHÖHTE BLUMENBEETE (245); bau die „Ziele" gemäß den Angaben in ETWAS FAST IN DER MITTE (126); und form die Wege entsprechend der FORM VON WEGEN (121). Wende zum Pflastern der Wege FUGEN IM PFLASTER (247) an.

 

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119.0

... DACHKASKADEN (116) können durch Arkaden ergänzt wer.den: Wege entlang von Gebäuden, kurze Wege zwischen Gebäuden, FUSSGÄNGERSTRASSEN (100), Wege zwischen ZUSAMMNHÄNGENDEN GEBÄUDEN (108) sollten am besten Arkaden sein auch zur ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) sind sie zu verwenden. Das folgende Muster ist eines der schönsten unserer Muster-Sprache; es beeinflußt den Gesamtcharakter eines Gebäudes wie nur wenige andere.

 

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Arkaden - überdachte und teilweise innen, teilweise außen verlaufende Gehwege entlang von Häusern spielen eine wichtige Rolle bei der Beziehung, die Menschen zu Gebäuden entwickeln.

 

Gebäude wirken oft viel unfreundlicher als notwendig. Sie stellen keine Verbindung zur Außenwelt her und laden nicht wirklich zum Betreten ein; im wesentlichen fungieren sie als Privatterritorium für die Personen im Inneren.

Das Problem dabei ist, däß es zwischen dem „Hoheitsgebiet" im Gebäudeinneren und der absolut öffentlichen Welt draußen keine starken Verbindungen gibt. Es gibt zwischen diesen beiden Arten von Räumen keine Bereiche, die sich überschneiden — Orte, die sowohl für das Territorium drinnen als auch für die Welt draußen charakteristisch sind.

Die klassische Lösung dieses Problems ist die Arkade: Sie schafft ein sich überschneidendes Territorium zwischen der öffentlichen und der privaten Welt und macht Gebäude auf diese Weise freundlicher. Damit Arkaden wirklich zweckmäßig sind, müssen sie allerdings folgende Voraussetzungen erfüllen:

 

  1. Um sie öffentlich zu machen, muß der zum Gebäude führende öffentliche Weg selbst zu einem Ort werden, der teilweise im Gebäudeinneren liegt; und dieser Ort muß den Charakter eines Innenräums haben.

    Wenn die größeren Wege durch und neben einem Gebäude wirklich öffentlich sind und durch einen Gebäudevorsprung, eine niedrige Arkade mit Öffnungen zum Gebäude — viele Türen, Fenster und durchbrochene Wände — überdacht werden, dann fühlen sich Menschen von dem Gebäude angezogen sie sehen, was darin vorgeht und fühlen sich, wenn auch`nur im Vorbeigehen, am Geschehen beteiligt. Sie werden vielleicht zuschauen, hineingehen und eine Frage stellen.119.1Die Deckenkanten sind zu hoch.

  2. Damit dieser Ort auch als ein von der öffentlichen Weit getrenntes Territorium erkannt wird, muß er als eine Verlängerung des Gebäudeinneren empfunden und deshalb überdacht werden.

    Arkaden sind das einfachste und schönste Mittel zur Schaffung solcher Territorien. Sie verlaufen an jenem Teil eines Gebäudes, wo es mit der öffentlichen Welt zusammentrifft; sie sind frei zugänglich, sind aber dennoch teilweise in das Gebäu de integriert und mindestens 2 m tief.

  3. Arkaden funktionieren nicht, wenn sie zu hohe Deckenkanten haben. Halt die Deckenkanten niedrig.

  4. In bestimmten Fällen kann die Wirkung einer Arkacde dadurch verstärkt werden, daß die der Öffentlichkeit zugänglichen Wege direkt durch das Gebäude führen. Das ist vor allem bei schmalen Gebäudeflügeln zweckmäßig - der Weg durch das Gebäude muß dann nicht länger als 8 m sein. Es sieht sehr schön aus, wenn diese „Tunnel" an beiden Seiten des Flügels durch Arkaden verbunden sind. Die Bedeutung von Arkaden, die durch ein Gebäude verlaufen, hängt von denselben funktionalen Wirkungen ab, wie sie in PASSAGE DURCHS GEBÄUDE (101) beschrieben werden.

Eine Muster Sprache 119 ARKADEN

In jeinen Teilen der Welt, wo sich dieses Muster durchgesetzt hat, gibt es kilometerlange, miteinander verbundene oder halbverbundene Arkaden und überdachte Gehwege, die entlang der und durch die öffentlichen Teile der Stadt verlaufen. Dieser überdachte Raum bildet dann den Rahmen für viele informelle Tätigkeiten in der Stadt. Rudofsky geht sogar soweit zu sagen, daß ein solcher Raum „die Rolle des antiken Forums übernimmt". Ein Großteil seines Buches Streets for People beschäftigt sich mit der Arkade und den vielfältigen Möglichkeiten ihres Raumes:

Es kommt uns einfach nie in den Sinn, aus Straßen Oasen anstatt Wüsten zu machen. In Ländern, wo Straßen noch nicht zu reinen Autobahnen und Parkplätzen degradiert sind, werden sie durch eine Reihe von baulichen Maßnahmen an die Bedürfnisse des Menschen angepaßt - durch Laubengänge und Markisen (das heißt, über die Straße gespannte Markisen), Zeltkonstruktionen oder fixe Überdachungen. Sie alle sind charakteristisch für den Orient oder für Länder mit orientalischem Erbe, wie Spanien. Die vollkommensten Straßenüberdachungen sind Arkaden: greifbarer Ausdruck städtischer Solidarität - oder, sagen wir, Philanthropie. In unseren Breitengraden unbekannt und wenig geschätzt, reichen die Funktionen dieser einzigartigen und einnehmenden Einrichtung weit über den Schutz vor den Elementen oder den Gefahren des Straßenverkehrs hinaus. Sie geben dem Straßensbild ein einheitliches Aussehen und übernehmen oft die Rolle des antiken Forums. In Europa, Nordafrika und Asien sind Arkaden etwas durchaus Übliches, weil sie fixer Bestandteil der „formalen" Architektur geworden sind. Bolognas Straßen, um nur ein Beispiel zu nennen, werden von nahezu 50 Kilometern von Portiken gesäumt. (Bernard Rudofsky, Streets for People, New York: Doubleday, 1969, S. 13.)

 119.2

Einfach und schön.

 

Daraus folgt:

Wo immer Wege an Gebäudekanten entlang verlaufen, bau Arkaden und setz sie vor allem dazu ein,Gebäude miteinander zu verbinden, so daß die Leute unter dem Schutz von Arkaden von einem Ort zum anderen gehen können.

Eine Muster Sprache 119 ARKADEN 1

 

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Halt die Arkaden niedrig - VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190); setz das Dach der Arkade so niedrig wie möglich an - SCHÜTZENDES DACH (117); mach die Pfeiler dick genug zum Anlehnen - DER PLATZ AM PFEILER (226); und mach die Öffnungen zwischen den Pfeilern schmal und niedrig - NIEDRIGE, TÜR (224), SICHTBARE AUSSTEIFUNG (227) - entweder durch eine Bogenstellung, durch niedrige Balken, oder Gitter, so daß man den Innenbereich als umschlossen empfindet - DIE GEBÄUDEKANTE (160), DURCHBROCHENE WAND (193). Für die Konstruktion siehe DIE KONSTRUKTION FOLGT DEN SOZIALEN RÄUMEN (205) und VERBREITERN DER AUSSENWÄNDE (211) ...

 

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118.0

... zwischen den Steildächern, die entsprechend dem illuster SCHÜTZENDES DACH (117) entstehen, gibt es flache Dächer, auf die man hinausgehen kann. Das folgende Muster beschreibt die beste Lage dieser Dächgärten und ihre Eigenschäften. Wenn sie richtig angeordnet sind, werden sie meist die Enden der GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107) in den verschiedenen Geschossen und dadurch automatisch einen Teil der gesamten DACHKASKADE (116) bilden. 

 

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In einer Stadt besteht ein großer Teil der Oberfläche aus Dächern. Im Zusammenhang mit der Tatsache, daß die Gesamtfläche einer Stadt, die der Sonne ausgesetzt werden kann, begrenzt ist, läßt sich leicht einsehen, daß es nicht nur natürlich, sondern wesentlich ist, Dächer so anzulegen, daß Sonne und Luft genützt werden.

 

Aus den Mustern SCHÜTZENDES DACH (117) und GEWÖLBTE DÄCHER (220) wissen wir allerdings, daß die flache Form für Dächer aus psychologischen, konstruktiven und klimatischen Gesichtspunkten völlig unnatürlich ist. Vernünftigerweise wird ein Flachdach deshalb nur dort angewendet, wo das Dach tatsächlich zu einem Garten oder einem Zimmer im Freien wird; man soll so viele dieser „nutzbaren" Dächer wie möglich machen aber alle anderen Dächer, die nicht genutzt werden können, als geneigte, gewölbte, schalenartige Konstruktionen ausbilden, wie sie in den Mustern SCHÜTZENDES DACH (117) und GEWÖLBTE DÄCHER (220) beschrieben sind.

Als Faustregel: wenn möglich, mach in jedem Gebäude mindestens einen kleinen Dachgarten — wenn man sicher sein kann, daß sie benützt werden, auch mehrere. Die übrigen Dächer mach steil. Wir werden noch sehen, daß funktionierende Dachgärten fast immer auf gleicher Höhe mit Innenräumen liegen; daher wird es immer einen Anteil an steilen Dächern auf dem Gebäude geben. Wir können also erwarten, daß dieses Muster eine Dachlandschaft erzeugen wird, in der Dachgärten und Steildächer auf fast jedem Gebäude gemischt vorkommen werden.

Wir betrachten nun kurz das Flachdach als solches. Flache Dachgärten sind immer in trockenen, warmen Klimazonen vorherrschend gewesen, wo sie zu angenehmen Aufenthaltszonen gemacht werden können. In den dichten Stadtteilen des mittelmeerklimas ist nahezu jedes Dach bewohnbar: sie sind voll von grünen, privaten Abschirmungen, haben reizende Aussichten, man kann kochen, essen und schlafen. Aber auch im gemäßigten Klima sind sie schön. Sie können als Zimmer ohne Decke angelegt werden, als Orte, die vor dem Wind geschützt aber zum Himmel offen sind.

Die Flachdächer dagegen, die während der letzten 40 Jahre architektonische Marotten geworden sind, sind ganz etwas anderes. Diese Flachdächer, graue kiesbedeckte Asphaltkonstruktionen, sind kaum jemals nutzbare Orte; sie sind keine Gärten; sie erfüllen als ganzes nicht die psychologischen Anforderungen, die wir im Muster SCHÜTZENDES DACH (117) umrissen haben. Um die flachen Dachpartien wirklich nutzbar und mit dem gleichzeitigen Bedürfnis nach Steildächern vereinbar zu machen, muß man offensichtlich flache Dachgärten im Zusammenhang mit Innenräumen des Gebäudes anlegen. Mit anderen Worten: sie werden nicht die höchsten Teile des Daches sein; die höchsten Teile des Daches bleiben schräg. Man muß auf den Dachgarten von einem Innenraum hinausgehen können, ohne über irgendwelche besonderen Stufen steigen zu müssen. Nach unseren Erfahrungen sind Dachgärten in solcher Lage weit intensiver genutzt als Dächer, die über Treppen erreichbar sind. Die Erklärung liegt auf der Hand: es ist viel bequemer, auf ein Dach eben hinauszugehen und sich durch einen Teil des Gebäudes hinten und seitlich geschützt zu fühlen,- als auf einen Ort hinaufzuklettern, den man nicht sieht.

 

Daraus folgt:

Fast jedes Dachsystem muß teilweise als Dachgarten nutzbar sein. Mach diese Teile eben, eventuell für Pflanzungen abgestuft, mit Plätzen zum Sitzen und Schlafen, als private Aufenthaltsorte. Ordne die Dachgärten in verschiedenen Geschossen an und sorge immer dafür, daß sie direkt von bewohnten Teilen des Gebäudes aus zugänglich sind.

 Eine Muster Sprache 118 DACHGARTEN

 

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Versuch die Dachgärten an die offenen Enden der GEBÄUDEFLÜGEL MIT TAGESLICHT (107) zu legen, um den Lichteinfall möglichst wenig einzuschränken. Dachgärten können wie Balkone, Galerien oder Terrassen angelegt sein - PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE (140), DIE GALERIE RUNDHERUM (166), ZWEI-METER-BALKON (167). In jedem Fall leg den Dachgarten so, daß der windgeschützt ist - SONNIGE STELLE (161) -, und schütze einen Teil mit einer eigenen Überdachung - eventuell einer Markise -, sodaß man sich auf dem Dach auch sonnengeschützt aufhalten kann - MARKISENDÄCHER (244). Behandle den einzelnen Dachgarten wie jeden anderen Garten, mit Blumen, Gemüse, Zimmern im Freien, Markisen, Kletterpflanzen - ZIMMER IM FREIEN (163), GEMÜSEGARTEN (177), ERHÖHTE BLUMENBEETE (245), KLETTERPFLANZEN (246) ...

 

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117.0

... über den GEBÄUDEFLÜGELN MIT TAGESLICHT (107), in der DACHKASKADE (116) sind einige Dächer flach, andere dagegen steil geneigt oder gewölbt. Das folgende Muster beschreibt die Charakteristik der steilen oder gewölbten Dächer; im nächsten wird die der Flächdächer behandelt.

 

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Das Dach spielt in unserem Leben eine ursprüngliche Rolle. Die primitivsten Gebäude bestehen nur aus einem Dach. Wenn das Dach versteckt ist, wenn es nicht im ganzen Gebäude empfunden werden kann, oder auch, wenn es nicht nutzbar ist, dann fehlt den Menschen ein elementares Gefühl der Geborgenheit.

 

Diese Geborgenheit ensteht nicht, wenn einem bestehenden Gebäude ein Steildach bloß aufgesetzt wird. Das Dach selbst schützt nur, wenn die Lebensvorgänge in ihm enthalten sind, von ihm umfaßt und gedeckt sind. Das heißt ganz einfach, daß das Dach nicht nur groß und sichtbar sein muß, sondern auch Aufenthaltsräume innerhalb seines Volumens — nicht nur darunter — enthalten muß.

Vergleiche die folgenden Beispiele. Sie zeigen klar den Unterschied zwischen Dächern, wenn sie Aufenthaltsräume enthalten und wenn nicht.

 117.1 2

Im einen Dach wird gelebt, das andere ist aufgesetzt.

 

Der Unterschied zwischen diesen beiden Häusern beruht hauptsächlich darauf, daß das Dach im einen Fall ein integrierender Teil des Gebäudevolumens ist, dagegen im anderen nur ein Deckel, der oben auf das Gebäude gesetzt wurde. Im ersten Fall wo das Gebäude ein starkes Gefühl der Geborgenheit vermittelt ist es unmöglich, eine horizontale Linie über die Fassade zu ziehen und damit das Dach und die bewohnten Teile des Gebäudes zu trennen. Im zweiten Fall dagegen ist das Dach.ein so abgetrennter und unterschiedlicher Gegenstand, daß eine solche Linie sich von selbst ergibt.

Wir. glauben, daß diese Beziehung zwischen der Geometrie eines Daches und seiner Fähigkeit, psychologisch Geborgenheit zu vermitteln, empirisch begründet werden kann: Erstens kann man nachweisen, daß sowohl Kinder wie Erwachsene natürlicherweise schützende Dächer bevorzugen, gleichsam als hätten diese archetypische Eigenschaften. Amos Rapoport etwa schreibt däzu:

„Dach" ist ein Symbol für Heim, wie die Wendung „ein Dach über dem Kopf haben" zeigt, und seine Bedeutung ist in einer Anzahl von Untersuchungen herausgearbeitet worden. In einer Untersuchung, die sich mit der Bedeutung von Bildern - d.h. Symbolen - für die Form des Hauses beschäftigt, wird das schräge Dach als Symbol für Schutz bezeichnet, das Flachdach hingegen nicht, weswegen es auch - aus symbolischen Gründen - nicht akzeptabel ist. Eine andere Studie zu diesem Thema zeigt die Bedeutung dieser Aspekte bei der Wahl der Hausform in England und stellt ebenfalls das geneigte Ziegeldach als Symbol für Sicherheit dar. Es wird als Schirm betrachtet - und in der Werbung einer Baugesellschaft auch als solcher dargestellt. (Amos Rapoport, House Form and Culture, Englewood Cliffs, N. J.: Prentice - Hall, 1969, S. 134.)

 

George Rand hat aus seiner Untersuchung ähnliche Schlüsse gezogen. Er stellt fest, daß Menschen bezüglich ihrer Vorstellungen von Heim und Geborgenheit extrem konservativ sind. Trotz 50 Jahren Flachdach in Zusammenhang mit dem „modern movement" finden die Leute im einfachen Satteldach noch immer das mächtigste Symbol der Geborgenheit. (George Rand, „Children's Images of Houses: A Prolegomena to the Study of Why People Still Want Pitched Roofs", Environmental Design: Research and Practice, Proceedings of the EDRA 3/AR 8 Con-ference, University of Cälifornia at Los Angeles, William J. Mitchell, Hrsg., Januar 1972, S. 6-9-2 bis 6-9-10.)

Und der französische Psychiater Menie Gregoire beobachtet bei Kindern folgendes:

In Nancy wurden Kinder aus Geschoßwohnungen gebeten, ein Haus zu zeichnen. Die Kindern waren in diesen Wohnblöcken geborgen, die wie Kartenhäuser auf einem isolierten Hügel stehen. Ohne Ausnahme zeichneten alle eine kleine Hütte mit zwei Fenstern und Rauch, der sich aus einem Kamin auf dem Dach ringelt. (M. Gregoire, „The Child the High-Rise", Ekistics, Mai 1971, S. 331-333.)

Solche Beweise könnte man vielleicht mit der Begründung zurückweisen, daß sie kulturell bedingt sind. Es gibt aber eine zweite, augenscheinlichere Beweisführung, die einfach darin besteht, daß man die Beziehung zwischen den Eigenschaften eines Däches und dem Gefühl der Geborgenheit genau darstellt. Im folgenden Abschnitt erläutern wir die geometrischen Eigenschaften, die ein Dach haben muß, um eine Atmosphäre der Geborgenheit zu vermitteln.

  1. Der Raum unter oder auf dem Dach muß nutzbarer sein, Raum, in dem die Menschen täglich zu tun haben; Das ganze Gefühl der Geborgenheit beruht auf der Tatsache, daß däs Dach die Menschen nicht nur überdeckt, sondern sie gleichzeitig umgibt. Man kann sich das mit Hilfe einer der folgenden Formen vorstellen. In beiden Fällen sind die Räume unter dem Dach in Wirklichkeit vorn Dach umgeben.Eine Muster Sprache 117 SCHÜTZENDES DACH
  2. Aus der Entfernung muß das Dach einen wesentlichen Teil des Gebäudes bilden. Wenn man das Gebäude sieht, sieht man das Dach. Das ist vielleicht die hervortretenste Eigenschaft eines starken, schützenden Daches.

    Was sonst macht den Reiz einer alten Scheune aus als ihr riesiges Dach - ein Abhang aus grauen Schindeln, wie ein Hügel dem Wettei ausgesetzt, durch seine Weite Sicherheit und Wohlstand ausstrahlend Auch viele der alten Farmhäuser hatten diesen großzügigen Maßstab. und aus der Entfernung war kaum mehr als ihre großen abfallender Dächer zu sehen. Sie schützten ihre Bewohner wie Hennen ihre Brut schützen und sind rührende Bilder der einfachen Form häuslichen Geistes. (John Burroughs, Signs and Seasons, New York: Houghton Mifflin, 1914, S. 252.)

  3. Außerdem muß ein schützendes Dach so angeordnet sein, daß man es berühren kann - nämlich von außen. Ob es geneigt oder gewölbt ist - ein Teil des Daches muß so niedrig zum Boden herunterkommen, an einer Stelle, wo man auch vorbeigeht, daß es ganz natürlich ist, die Dachkante mit der Hand zu brühren.

 117.3 4

Dachkanten, die man berühren kann.

 

Daraus folgt:

Mach das Dach geneigt oder gewölbt, mach seine gesamte Oberfläche sichtbar und bring die Dachtrautfen weit herunter, an Stellen wie dem Eingang, wo Leute hinkommen, bis auf 1,80 m oder 2,00 m über dem Boden. Leg das oberste Geschoß in jedem Gebäudeflügel direkt ins Dach, sodaß das Dach es nicht nur bedeckt, sondern wirklich umfaßt.

 Eine Muster Sprache 117 SCHÜTZENDES DACH 1

 

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Entnimm die genaue Form des Querschnittes dem Muster GEWÖLBTE DÄCHER (220); nutz den Raum im First des Giebeldaches als ABSTELLRAUM (145); wo das Dach tiefer herunterkommt, mach gleichzeitig eine ARKADE (119) oder eine- GALERIE RUNDHERUM (166). Mach ein Flachdach nur dort, wo Leute heraustreten und es als Garten benützen können — DACHGARTEN (118); wo Räume ins Dach gebaut sind, mach auch Fenster ins Dach — DACHGAUPEN (231). Bei einem komplexen Gebäudegrundriß entnimm den genauen Verschnitt verschieden geneigter Dächer dem Muster ANORDNUNG DER DÄCHER (209) ...

 

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