11 LOKALVERKEHRSZONEN **

 

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... das MOSAIK AUS SUBKULTUREN (8) muß überlagert sein von einer größeren Zellenstruktur: den Lokalverkehrszonen. Diese Zonen, 1,5 -3 km im Durchmesser, tragen nicht nur zur Bildung der Subkulturen bei, indem sie in der Stadt natürliche Grenzen schaffen, sondern auch zur Entstehung der einzelnen Finger im Muster der STADT-LAND-FINGER (3), und als geschlossene Verkehrszone können sie auch das einzelne Zentrum begrenzen DER ZAUBER DER STADT (10).

 

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Die Autos geben den Menschen eine wunderbare Freiheit und vervielfachen ihre Möglichkeiten. Sie zerstören aber auch die Umwelt in so drastischem Ausmaß, daß sie alles soziale Leben töten.

 

Wert und Macht des Autos haben sich als so stark erwiesen, daß es unmöglich scheint, sich eine Zukunft ohne irgend eine Form eines privaten, schnellen Fahrzeugs vorzustellen. Wer wird freiwillig auf den Freiheitsgrad, den Autos bieten, verzichten? Zugleich ist es unleugbar, daß Autos aus Städten Hackfleisch machen. Irgendwie müssen lokale Bereiche vor dem Druck der Autos oder dessen, was an ihre Stelle treten wird, gerettet werden.

Das Problem kann gelöst werden, sobald wir zwischen langen und kurzen Wegen unterscheiden. Autos sind schlecht geeignet für kurze Wege innerhalb der Stadt - und gerade auf diesen Wegen richten sie den größten Schaden an. Sie sind aber gut geeignet für länger~ Wege, wo sie auch weniger Schaden verursachen. Die Lösung liegt in der Aufteilung der Städte in Zonen von etwa 1,5 km Durchmesser, wobei Autos für Wege, die diese Zonen verlassen, benutzt werden dürfen, jedoch andere, langsamere Verkehrsmittel für die Wege innerhalb der Zonen verwendet werden - Füße, Fahrrad, Pferd, Taxi. Was man baulich dazu braucht ist ein Straßenmuster, das die Leute  vom Gebrauch des Privatwagens für Wege innerhalb dieser Zonen abhält und stattdessen Gehen,  Radfahren, Reiten und Taxifahren begünstigt - jedoch den Gebrauch der Autos für zonenüberschreitende Wege erlaubt.

Machen wir einmal eine Liste der offensichtlichen sozialen Probleme, die das Auto verursacht:

  • Luftverschmutzung
  • Lärm
  • Gefährdung
  • Krankheit
  • Stau
  • Parkprobleme
  • Häßlichkeit

Die beiden ersten sind schwerwiegend, jedoch nicht zwangsläufig mit dem Auto verbunden; sie könnten z. B. durch ein Elektroauto gelöst werden. In diesem Sinne sind sie temporäre Probleme. Gefährdung wird ein Merkmal des Autos bleiben, solange wir am Gebrauch schneller Fahrzeuge für lokale Wege festhalten. Der allgemeine Mangel an Bewegung und der aus dem Gebrauch motorgetriebener Fahrzeuge entstehende Gesundheitszustand werden fortdauern, wenn sie nicht durch tägliche Bewegung wie einem mindestens 20 minütigen Spaziergang ausgeglichen werden. Die Probleme des Staus und des Geschwindigkeitsverlusts, der Schwierigkeiten und Kosten des Parkens und der Häßlichkeit sind schließlich direkte Folgen der Tatsache, daß das Auto ein sehr großes Fahrzeug ist, das viel Platz verbraucht.

Die Tatsache, daß Autos groß sind, ist letztendlich der schwerstwiegende Aspekt eines auf dem Gebrauch von Autos beruhenden Verkehrssystems, da sie zwingend mit der Natur des Autos  verbunden ist. Stellen wir das Problem in seiner ganzen Schärfe dar:
Der Mensch braucht etwa 1;2 m2 Platz, wenn er stillsteht, und vielleicht 1 m², wenn er geht. Ein Auto braucht etwa 30 m², wenn es stillsteht (einschließlich Zufahrt), und bei 50 km/h und einem Abstand von drei Längen braucht es etwa 100 m². Wie wir wissen, werden Autos die meiste Zeit nur von einer Person benützt. Der Gebrauch von Autos bedeutet also, daß jede Person fast hundertmal soviel Platz braucht wie als Fußgänger. Wenn jeder Fahrer hundertmal so viel Platz braucht wie ein Fußgänger, bedeutet das auch, daß die Menschen zehnmal weiter voneinander entfernt sind. Mit anderen Worten, der Gebrauch von Autos hat den Gesamteffekt, Menschen weithin zu zerstreuen und sie voneinander fernzuhalten.

Die Wirkung dieser besonderen Eigenschaft von Autos auf das soziale Gefüge ist klar. Menschen werden voneinander getrennt; Dichte und entsprechende Häufigkeit der Interaktion nehmen substanziell ab. Kontakte werden bruchstückhaft und spezialisiert, da sie je nach ihrem Zweck in genau definierten Innenräumen stattfinden - in der Wohnung, am Arbeitsplatz und vielleicht in den Wohnungen einiger Freunde. Es ist durchaus möglich, daß der für eine lebensfähige Gesellschaft erforderliche kollektive Zusammenhalt einfach nicht entstehen kann, wenn die Menschen wegen der verwendeten Fahrzeuge durchschnittlich zehnmal weiter voneinander entfernt sind als notwendig. Dies ist die stärkste Aussage über die möglichen sozialen Kosten des Autos. Das Auto könnte den Zusammenbruch der Gesellschaft verursachen, einfach wegen seiner Geometrie.

Zugleich mit den von ihm verursachten Schwierigkeiten hat das Auto auch bestimmte, früher nie gekannte Vorteile, die ja zu seinem großen Erfolg geführt haben. Diese Vorteile sind:

  • Flexibilität
  • Privatheit
  • Fahrt von Haus zu Haus ohne Umsteigen
  • unmittelbare Verfügbarkeit

Diese Vorteile sind in einer großstädtischen Region, die im wesentlichen zweidimensional ist, von besonderer Bedeutung. Öffentliche Verkehrsmittel können entlang bestimmter Verkehrsadern sehr schnelle Verbindungen mit kurzen Intervallen bieten. In einer ausgedehnten, zweidimensionalen modernen Stadtregion kann der öffentliche Verkehr aus eigener Kraft nicht mit dem Auto konkurrieren. Sogar in Städten wie London und Paris, mit den besten öffentlichen Verkehrsmitteln der Welt, sinken die Fahrgastzahlen jährlich, weil die Leute zum Auto überwechseln. Sie nehmen alle Verzögerungen, Staus und Parkkosten in Kauf, weil die Bequemlichkeit und Privatheit des Autos ihnen offensichtlich mehr wert ist.

Theoretisch betrachtet ist das einzige Verkehrssystem, das allen Ansprüchen genügt, ein System von Individualfahrzeugen, die bestimmte Hochgeschwindigkeitsstrecken eines übergeordneten Netzes benutzen und mit eigener Kraft außerhalb dieses Netzes in die lokalen Zonen fahren können. Die Systeme, die diesem theoretischen Modell am nächsten kommen, sind die verschiedenen Private Rapid Transit-Projekte; ein Beispiel ist der Westinghouse Starr-car, bei dem winzige Zwei-Personen-Fahrzeuge lokal auf Straßen fahren und für längere Fahrten auf öffentliche Hochgeschwindigkeitsgleise überwechseln.

Trotzdem haben die Systeme in der Art des Starr-car eine Reihe von Nachteilen. Sie tragen relativ wenig zum Platzproblem bei. Die kleinen Wagen, obwohl kleiner als ein konventionelles Auto, nehmen immer noch viel mehr Raum ein als eine Person. Da diese privaten Wagen für Überlandfahrten untauglich sind, müssen sie als "Zweitwagen" gelten und sind ziemlich teuer. Sie tragen auch nichts zur Lösung des Gesundheitsproblems bei, da die Leute während der Fahrt immer noch bewegungslos sitzen. Das System ist relativ ungesellig; die Leute sind während der Fahrt immer noch eingekapselt. Es erfordert zum Funktionieren den Idealzustand, daß jeder ein Starr-car hat, und macht keine Zugeständnisse an die vielen gewünschten Bewegungsmöglichkeiten, wie Fahrräder, Pferde, Karren, herkömmliche Autos, Kleinbusse.

Wir schlagen ein System vor, das die Vorteile des Starr-car-Systems hat, aber realistischer, leichter durchzuführen und, wie wir glauben, den Bedürfnissen besser angepaßt ist. Das System geht im wesentlichen von folgenden zwei Ansätzen aus:

 

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Viele Arten, auf kurzen Wegen weiterzukommen.

 

1. Für lokale Fahrten verwenden die Leute eine Vielzahl von langsamen, billigen Fahrzeugen (Fahrräder, Dreiräder, Roller, Elektrokarren, Pferde etc.), die weniger Platz brauchen als Autos und den Kontakt der Fahrer zur Umwelt und untereinander nicht zerstören.

2. Die Leute besitzen und benutzen nach wie vor Autos und Lastwagen - jedoch hauptsächlich für lange Fahrten. Wir setzen voraus, daß diese Autos so weiterentwickelt werden können, daß sie leise, umweltfreundlich und leicht zu reparieren sind und daß die Leute sie für lange Fahrten akzeptieren. Es wird immer noch möglich sein, ein Auto oder einen Lastwagen für eine lokale Fahrt zu verwenden, etwa in einem Notfall oder wenn jemand unbedingt will. Die Stadt ist jedoch so gebaut, daß der Gebrauch von Autos für lokale Fahrten wirklich teuer und unbequem ist - sodaß die Leute das nur tun, wenn sie die sehr hohen sozialen Abgaben zu zahlen bereit sind.

 

Daraus folgt:

 

Zerleg das Stadtgebiet in Lokalverkehrszonen, jede zwischen 1,5 km und 3 km im Durchmesser, umfaßt von einer Ringstraße. Innerhalb der Lokalverkehrszone leg kleinere lokale Straßen und Wege an für den Binnenverkehr zu Fuß, mit dem Fahrrad, zu Pferd und mit Kleinfahrzeugen; leg größere Straßen zur leichten Erreichbarkeit der Ringstraßen für Autos und Lastwagen an, aber so, daß interne lokale Wege langsam und unbequem werden.

 

Eine Muster Sprache   11 LOKALVERKEHRSZONEN Grafik

 

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Damit Hauptstraßen den Durchgangsverkehr, aber nicht den Binnenverkehr aufnehmen, leg sie als parallele Einbahnstraßen an und zwar immer vom Zentrum der Zone wegführend, sodaß man auf ihnen leicht zu den Ringstraßen kommt, jedoch schwer zu lokalen Zielen - PARALLELE STRASSEN (23). Leg genug Radwege und grüne Straßen an, und zwar rechtwinklig zu den Hauptstraßen und führ diese Wege des lokalen Verkehrs direkt durchs Zentrum - GRÜNE STRASSEN (51), NETZ VON FUSS- UND FAHRWEGEN (52), RADWEGE UND STÄNDER (56); senk die Ringstraßen rund um die Zone ab oder sieh einen anderen Lärmschutz vor - RINGSTRASSEN (17); beschränk das Parken in der Zone auf ein Minimum und leg alle größeren Garagen an die Ringstraßen - NEUN PROZENT PARKPLÄTZE (22), ABGESCHIRMTES PARKEN (97); und bau eine Umsteigstelle in der Mitte der Zone - UMSTEIGESTELLE (34) ...

 

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