EINE MUSTER-SPRACHE

 

Band 1, The Timeless Way of Building [Zeitloses Bauen], und Band 2, A Pattern Language [Eine Muster-Sprache], bilden die zwei Hälften eines einzigen Werks. Das vorliegende Buch liefert eine Sprache für Bau und Planung; das andere liefert die Theorie und die Anweisungen zum Gebrauch der Sprache. Dieses Buch beschreibt ausführlich die Muster für Städte und Nachbarschaften, für Häuser, Gärten und Räume. Das andere Buch gibt die Unterweisung, die es ermöglicht, diese Muster anzuwenden, wenn ein Gebäude oder eine Stadt entsteht. Dieses Buch ist der Quellentext zum zeitlosen Bauen; das andere ist seine Verwirklichung und sein Ursprung.

Die beiden Bücher entwickelten sich zum Großteil parallel. Sie wuchsen während der letzten acht Jahre, als wir damit beschäftigt waren, einerseits das Wesen des Bauprozesses zu verstehen und andererseits eine wirkliche,annehmbare Muster-Sprache. auszuarbeiten. Praktische Erwägungen zwangen uns, diese beiden Bücher getrennt zu veröffentlichen; tatsächlich handelt es sich jedoch um ein unteilbares Ganzes. Sie können getrennt gelesen werden. Aber um die Einsicht zu gewinnen, die wir zu vermitteln versuchen, muß man unbedingt beide wir zu vermitteln versuchen, muß man unbedingt beide lesen.

The Timeless Way of Building beschreibt die grundlegende Natur der Aufgabe, Städte und Gebäude zu machen.Es wird dort gezeigt, daß Städte und Gebäude nicht lebendig werden können, wenn sie nicht von allen Menschender Gesellschaft gemacht werden, wenn die Menschen nicht über eine gemeinsame Muster-Sprache verfügen und wenn diese gemeinsame Muster-Sprache nicht selbst lebendig ist.

Im vorliegenden Buch präsentieren wir eine mögliche Muster-Sprache, wie sie in The Timeless Way of Building gefordert wird. Diese Sprache ist in höchstem Grade praxisbezogen. Sie wurde aus unseren eigenen Bau- und Planungserfahrungen im Verlauf der letzten acht Jahre gewonnen. Man kann sie zur Arbeit mit den Nachbarn verwenden, um seine Stadt oder seine Nachbarschaft zu verbessern. Man kann sie verwenden, um das eigene Haus zusammen mit der Familie anzulegen; oder um mit anderen Leuten ein Büro, eine Werkstatt oder ein öffentliches Gebäude, etwa eine Schule, zu planen. Und man kann sie als Anleitung im tatsächlichen Bauvorgang benutzen.

Die Elemente dieser Sprache sind Einheiten, die wir als Muster bezeichnen. Jedes Muster beschreibt zunächst ein in unserer Umwelt immer wieder auftretendes Problem,beschreibt dann den Kern der Lösung dieses Problems, und zwar so, daß man diese Lösung millionenfach anwenden kann, ohne sich je zu wiederholen.

Zum Zweck der Handhabbarkeit und Klarheit hat jedes Muster den gleichen Aufbau. An erster Stelle steht ein Bild, das ein archetypisches Beispiel des betreffenden ein Bild, das ein archetypisches Beispiel des betreffenden Musters zeigt. An zweiter Stelle, nach dem Bild, stellt ein einführender Absatz den Zusammenhang des Musters her, indem der Beitrag dieses Musters zur Vervollständigung bestimmter größerer Muster umrissen wird. Dann kommen drei Sternchen, die den Problemabschnitt markieren.Danach folgt eine fett gesetzte Schlagzeile, die in einem oder zwei Sätzen das Wesen des Problems darlegt.Danach kommt der längste Teil: der eigentliche Inhalt. Er beschreibt den empirischen Hintergrund des Musters,begründet seine Gültigkeit, zeigt die Spannweite verschiedener Formen, die das Muster in einem Gebäude annehmen kann, usw. Wieder im Fettdruck wie die Schlagzeile kommt dann die Lösung - die Essenz des Musters -, die das Feld physischer und sozialer Beziehungen,beschreibt, die zur Lösung des gestellten Problems im gestellten Zusammenhang erforderlich sind.Diese Lösung hat immer die Form einer Anweisung, so daß man genau weiß, was zu tun ist, um das Muster zu bauen. Am Ende der Lösung steht ein Diagramm, das die Lösung graphisch zeigt, mit Beschriftung der wesentlichen Elemente.

Nach dem Diagramm bezeichnen drei weitere Sterne das Ende des Hauptteils des Musters. Schließlich folgt ein Absatz, der das Muster mit allen kleineren Musternder Sprache in Beziehung setzt, mit deren Hilfe es ergänzt,verschönert und ausgefüllt wird.

Dieser Aufbau verfolgt zwei wesentliche Absichten.Erstens geht es darum, jedes Muster in Verbindung mit anderen Mustern zu zeigen, so daß man die Sammlung aller 253 Muster als ein Ganzes begreift, als eine Sprache, in der eine unendliche Vielfalt von Kombinationen geschaffen in der eine unendliche Vielfalt von Kombinationen geschaffen werden kann. Zweitens geht es darum, das Problem und die Lösung jedes Musters so darzustellen, daß man es selbst beurteilen und modifizieren kann,ohne die zentrale Idee zu verlieren.

Als nächstes wollen wir verstehen, wie die Muster miteinander verbunden sind.

Die Muster sind geordnet; sie beginnen mit den weitaus größten für Regionen und Städte, arbeiten sich herunter durch Nachbarschaften, Gebäudegruppen, Gebäude,Räume und Nischen und enden schließlich in Baudetails.

Diese Ordnung, die sich als lineare Abfolge darstellt,ist für die Funktionsweise der Sprache wesentlich. Im nächsten Abschnitt wird sie dargestellt und ausführlich er erklärt. Das Wesentliche an dieser Abfolge ist, daß sie auf der Beziehung zwischen den Mustern beruht. Jedes Muster bezieht sich auf bestimmte "größere" Muster,die in der Sprache an höherer Stelle stehen, und auf bestimmte "kleinere" Muster, die in der Sprache an untergeordneter Stelle stehen. Das Muster selbst trägt zur Vervollständigung jener größeren Muster bei, die "über" ihm, und wird selbst vervollständigt durch jene kleineren Muster, die "unter" ihm stehen.

Man wird daher z.B. finden, daß das Muster ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE (60), zunächst mit bestimmten größeren Mustern in Beziehung gesetzt wird: SUBKULTUR-GRENZE(13), IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14), GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN (41) und RUHIGE HINTERSEITEN (59). Diese sind zu Beginn des Musters angeführt. Und es wird ebenso in Beziehung gesetzt zu bestimmten kleineren Mustern: POSITIVER AUSSENRAUM (106), PLÄTZE UNTERBÄUMEN (171), und GARTENMAUER (173), Diese sind am Ende 'angeführt.

Das bedeutet, daß IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT, SUBKULTUR-GRENZE, GEMEINSCHAFT VON ARBEITSSTÄTTEN und RUHIGE HINTERSEITEN unvollständig sind, wenn sie nicht eine ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE enthalten; und daß eine ERREICHBARE GRÜNFLÄCHE selbst unvollständig ist, wenn sie nicht POSITIVEN AUSSENRAUM, PLÄTZE UNTER BÄUMEN und eine GARTENMAUER enthält.

In der Praxis bedeutet das: wenn man eine Grünfläche nach diesem Muster anlegen will, muß man nicht nur den Anweisungen folgen, die dieses bestimmte Muster beschreiben, sondern auch versuchen, die Grünfläche in eine IDENTIFIZlERBARE NACHBARSCHAFT oder in eine SUBKULTUR-GRENZE einzubetten, und zwar so, daß dadurch RUHIGE HINTERSEITEN entstehen; und bei der weiteren Ausarbeitung muß die Grünfläche durch die Anwendung von POSITIVEM AUSSENRAUM, PLÄTZEN UNTER BÄUMEN und GARTENMAUER ergänzt werden.

Mit anderen Worten: kein Muster ist eine abgetrennte Einheit. Jedes Muster kann in der Welt nur so weit Bestand haben, als es von anderen Mustern gestützt wird: von den größeren Mustern, in die es eingebettet ist,von den Mustern gleichen Maßstabs, die es umgeben,und von den kleineren Mustern, die in ihm eingebettet sind.

Es ist dies eine grundlegende Auffassung von der Welt. Sie besagt, daß etwas zu bauen nicht bedeuten kann, bloß dieses abgetrennte Ding zu bauen; vielmehr muß auch die Welt rund um dieses Ding und innerhalb dieses Dings instand gesetzt werden, sodaß die größere dieses Dinge instand gesetzt werden, sodaß die größere Welt an dieser einen Stelle zusammenhängender und mehr ein Ganzes wird und das Ding, das man macht, während seines Entstehens seinen Platz im Gewebe der Natur einnimmt.

Zum Verhältnis von Problemen und Lösungen innerhalb der einzelnen Muster ist eine Erklärung notwendig:

Jede Lösung wird so dargelegt, daß das Feld der wesentlichen Querbeziehungen ersichtlich wird, aus denen die Lösung entsteht, jedoch in sehr allgemeiner und abstrakter Weise, sodaß jeder das Problem selbst lösen kann, auf seine eigene Art, indem er die Lösung den eigenen Präferenzen und den örtlichen Bedingungen anpaßt.

Deshalb haben wir jede Lösung so beschrieben, daß sie niemandem etwas aufzwingt. Sie enthält nur jene Wesentlichen Punkte, die bei einer wirklichen Lösung des Problems nicht umgangen werden können. In diesem Sinne haben wir versucht, in jeder Lösung die unveränderlichen Merkmale zu erfassen, die überall dort vor liegen,wo das Problem gelöst worden ist.

Aber natürlich ist es uns nicht immer gelungen. Unsere Lösungen für die verschiedenen Probleme haben unterschiedliche Grade der Gültigkeit. Manche sind richtiger, profunder, gewisser als andere. Um das klar zuzeigen, hat jedes Muster im Text eine Kennzeichnung: zwei Sternchen, eines oder keines.

In den Mustern mit zwei Sternchen glauben wir, daß es uns gelungen ist, eine echte Invariante aufzustellen:kurz, daß die gegebene Lösung Merkmale zusammenfaßt,die allen möglichen Arten, das Problem zu lösen, gemeinsam sind. In den Fällen dieser Zwei-Stern-Muster glaubensam sind. In den Fällen dieser Zwei-Stern-Muster glauben wir, kurz gesagt, daß eine richtige Lösung des gegebenen Problems nur möglich ist, wenn die Umwelt in der einen oder anderen Weise entsprechend dem von uns vorgegebenen Muster gestaltet wird - und daß in diesen Fällen das Muster tiefe und unverzichtbare Merkmale einer wohlgestalteten Umwelt beschreibt.

In den Mustern mit einem Sternchen glauben wir dem Ziel, eine solche Invariante zu identifizieren, nahe gekommen zu sein, daß es aber bei sorgfältiger Arbeit sicher möglich ist, die Lösung zu verbessern. In diesen Fällen halten wir es für ratsam, das Muster mit einer gewissen Skepsis zu behandeln und Varianten zu unserer Lösung zu suchen, weil es mit großer Wahrscheinlichkeit Gruppen von Lösungen gibt, die in unserer Beschreibung nicht enthalten sind.

In den Mustern ohne Sternchen schließlich sind wir sicher, daß uns die Definition einer echten Invarianten nicht gelungen ist, daß es im Gegenteil mit Sicherheit andere Lösungen des Problems gibt als die von uns angegebene. Um konkret zu bleiben, haben wir auch in diesen Fällen eine Lösung aufgestellt, um dem Leser zumindest einen Weg zu zeigen; die Aufgabe, die echte Invariante, die echten Merkmale als Kern aller möglichen Lösungen des Problems zu finden, ist jedoch noch nicht erfüllt.

Wir hoffen natürlich, daß viele Leser und Benutzer unserer Sprache den Versuch machen werden, diese Muster zu verbessern - daß sie sich der Mühe unterziehen werden, echtere, profundere Invarianten zu finden -, und wir hoffen, daß diese echteren Muster, die mit der Zeit entdeckt werden, nach und nach in eine gemeinsame Zeit entdeckt werden, nach und nach in eine gemeinsame Sprache Eingang finden, die wir alle teilen können.

Man sieht also, daß die Muster sehr lebendig und in Entwicklung begriffen sind. Tatsächlich kann man, wenn man will, jedes Muster als eine Hypothese betrachten - wie eine Hypothese der Wissenschaft. In diesem Sinn stellt jedes Muster die derzeit beste Annahme darüber dar, welche Anordnung der physischen Umwelt bei der Lösung des gegebenen Problems am besten funktionieren wird. Unsere Fragestellung ist empirisch und hat zwei Schwerpunkte: das Problem - ist es vorhanden und wird es so empfunden, wie wir es beschrieben haben? - und die Lösung - wird durch die von uns vorgeschlagene Anordnung das Problem wirklich beseitigt? Und die Sternchen stellen den Grad unseres Vertrauens in diese Hypothesen dar. Aber unabhängig von den Sternchen sind die Muster immer noch Hypothesen, alle 253 - sie sind also alle provisorisch, frei, sich aufgrund neuer Erfahrungen und Beobachtungen zu entwickeln.

Wir möchten schließlich die Stellung dieser Sprache erklären, warum wir sie "Eine Muster-Sprache" genannt haben, mit Betonung auf "Eine" , und wie wir uns die Beziehung dieser Muster-Sprache zu den unzähligen anderen Sprachen vorstellen, den tausenden Sprachen, die,wie wir hoffen, Menschen in der Zukunft für sich machen werden.

The Timeless Way of Building sagt, daß jede lebendige und ganze Gesellschaft ihre eigene, einmalige und unterschiedliche Muster-Sprache hat; und weiter, daß jedes Individuum in einer solchen Gesellschaft eine einmalige Sprache hat, zwar teilweise mit anderen gemeinsam, aber im ganzen einzigartig für die betreffende Person. In aber im ganzen einzigartig für die betreffende Person. In diesem Sinne gibt es in einer gesunden Gesellschaft so viele Muster-Sprachen wie Menschen - auch wenn diese Sprachen gemeinsam sind und Ähnlichkeiten haben.

Nun stellt sich die Frage: welchen Status hat die hier veröffentlichte Sprache? In welchem Bewußtsein und mit welcher Absicht publizieren wir diese Sprache hier? Sie als Buch herauszugeben bedeutet, daß viele tausend Menschen sie benutzen können. Besteht dann nicht die Gefahr, daß sich die Menschen auf diese eine gedruckte Sprache verlassen, statt ihre eigenen Sprachen nach ihrem eigenen Gutdünken zu entwickeln?

Tatsächlich ist dieses Buch geschrieben worden, um einen ersten Schritt in diesem, die ganze Gesellschaft erfassenden Prozess zu setzen, durch den Menschen sich allmählich ihrer eigenen Muster-Sprache bewußt werden und an deren Verbesserung arbeiten. Nach unserer Meinung~ wir haben das in The Timeless Way of Building erklärt - sind die Sprachen, die den Menschen heute zur Verfügung stehen, so roh und so bruchstückhaft, daß man sie gar nicht mehr als Sprache bezeichnen kann- was ihnen zur Verfügung steht, beruht nicht aufmenschlichen oder natürlichen Erwägungen.

Wir haben mit der Formulierung dieser Sprache Jahre verbracht, in der Hoffnung, daß jemand, der sie benutzt,ihre Wirksamkeit so eindrucksvoll und ihren Gebrauch so vergnüglich findet, daß er wieder begreifen wird, was es bedeutet, eine lebendige Sprache dieser Art zu besitzen. Wenn uns das gelingt, wird vielleicht jeder Einzelne sich an die Ausarbeitung und Entwicklung einer eigenen Sprache machen - vielleicht indem er die hier veröffentlichte Sprache als Ausgangspunkt nimmt.

Trotzdem glauben wir natürlich, daß die hier veröffentlichte Sprache etwas mehr ist als ein Handbuch, ein Lehrgang oder eine mögliche Version einer Muster-Sprache.  Viele unserer Muster sind archetypisch - so profund, so tief in der Natur der Dinge verwurzelt, daß sie wahrscheinlich in fünfhundert Jahren ebenso Teil der menschlichen Natur und des menschlichen Handelns sein werden, wie sie es heute sind. Wir bezweifeln sehr, daß jemand eine gültige Muster-Sprache nach seinem eigenen Gutdünken ausarbeiten könnte, die nicht beispielsweise das Muster ARKADEN (119) oder das Muster NISCHEN (179) enthält.

In diesem Sinne haben wir auch versucht, so tief wir konnten, in die Natur der Dinge in unserer Umwelt einzudringen; wir hoffen, daß ein großer Teil der Sprache,die wir hier veröffentlichen, einen Kern jeder sinnvollen Muster-Sprache bilden wird, die jemand für sich nach eigenem Gutdünken ausarbeiten kann. In diesem Sinn ist zumindest ein Teil der hier vorgestellten Sprache der archetypische Kern aller möglichen Muster-Sprachen, durch die wir erreichen können, lebendig und human zu sein.