EINE MUSTER-SPRACHE

STÄDTE - GEBÄUDE - KONSTRUKTION

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein

mit Max Jacobson, Ingrid F. King, Shlomo Angel 

Für Verbreitung, Schulung und Ergänzung digitalisiert von:
THE PATTERN COMMUNITY - Institut zur Förderung menschengerechter Dörfer, Städte und Regionen

STÄDTE

Wir beginnen mit jenem Teil der Sprache, durch den eine Stadt oder Gemeinde definiert wird. Diese Muster können keinesfalls mit einem Schlag "entworfen" oder "gebaut" werden - nur geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. geduldige und schrittweise Entwicklung, daraufhin angelegt, daß jede individuelle Maßnahme zur Entstehung dieser größeren, umfassenden Muster beiträgt, wird langsam und sicher über Jahre ein Gemeinwesen herbeiführen, das diese umfassenden Muster enthält. 

GEBÄUDE

Hier werden die übergeordneten Muster ergänzt, die eine Stadt oder eine Gemeinde definieren. Wir beginnen jetzt jenen Teil der Sprache, die Gebäudegruppen und Einzelgebäuden ihre Form gibt, dreidimensional auf dem Grundstück. Das sind die Muster, die "entworfen" oder "gebaut" werden können - die Muster, die die einzelnen Gebäude und den Raum zwischen Gebäuden definieren. Zum ersten Mal behandeln wir Muster,die innerhalb der Kontrolle von Einzelpersonen oder kleinen Personengruppen liegen, die diese Muster in einem Zug realisieren können.

 

KONSTRUKTION

In dieser Phase haben wir einen vollständigen Entwurf für ein einzelnes Gebäude. Wenn die gegebenen Muster befolgt wurden,so hat man ein Schema der Räume, sei es mit Stecken auf dem Boden markiert oder auf einem Stück Papier - etwa aufeinen halben Meter genau. Man kennt die Höhe der Räume, die ungefähre Größe und Lage der Fenster und Türen, und man weiß ungefähr, wie die Dächer des Gebäudes und die Gärten anzuordnen sind.

Der nächste und letzte Teil der Sprache erklärt einem, wie man direkt aus diesem groben Raumschema ein baubares Gebäude macht, und erklärt auch im Detail, wie es zu bauen ist.

PROLOG

 

Zuletzt eine Mahnung zur Vorsicht. Diese Sprache kann, wie das Englische oder das Deutsche, ein Medium der Prosa oder der Lyrik sein. Der Unterschied zwischen Prosa und Lyrik besteht nicht darin, daß verschiedene Sprachen verwendet werden, sondern darin, daß dieselbe Sprache verschieden verwendet wird. In einem gewöhnlichen englischen oder deutschen Satz hat jedes Wort eine einzige Bedeutung; und ebenso hat der Satz eine einzige, einfache Bedeutung. In einem Gedicht ist die Bedeutung viel dichter. Jedes Wort hat mehrere Bedeutungen; und der Satz als ganzer beinhaltet eine enorme Dichte von ineinander greifenden Bedeutungen, die insgesamt das Ganze erleuchten.

Das Gleiche gilt für Muster-Sprachen. Man kann Gebäude errichten, indem man Muster locker kombiniert. Ein so entstandenes Gebäude ist eine Zusammenstellung von Mustern. Aber es hat keine Dichte, keine Tiefe. Man kann aber auch Muster so zusammenfügen, daß viele, viele Muster einander im selben physischen Raum überlagern: das Gebäude ist sehr dicht; es enthält viele Bedeutungen auf kleinem Raum; und durch diese Dichte wird es tief.

In einem Gedicht entsteht durch diese Art von Dichte eine Erleuchtung, indem Identitäten zwischen Worten und Bedeutungen entstehen, die wir vorher nicht verstanden haben. In "Die kranke Rose" wird die Rose identifiziert mit vielen größeren und persönlicheren Dingen als irgendeine Rose, und das Gedicht erhellt die Person und die Rose aufgrund dieser Verbindung. Die Verbindung erhellt nicht nur die Worte, sondern auch unser wirkliches Leben.

 

Oh Rose, du bist krank:
Der unsichtbare Wurm,
Herfliegend aus der Nacht
Im heulenden Sturm,

 

Hat aufgespürt dein Bett,
Das scharlachfarbene Rot;
Sein düster geheimes Lieben
Bringt dir den Tod.

 

WILLIAM BLAKE

 

Genau dies geschieht in einem Gebäude. Nehmen wir z. B. die beiden Muster BADERAUM (144) und STEHENDES WASSER (71). Das eine definiert einen Teil eines Hauses, wo man in Ruhe, vergnüglich, vielleicht in Gesellschaft, baden kann; einen Ort, wo man sich ausstrecken und sich entspannen kann. Das andere ist ein Ort in der Nachbarschaft, wo man ein Gewässer betrachten kann, vielleicht darin schwimmen, wo Kinder Boot fahren und planschen können, ein Ort für jenen Teil unseres Selbst, der auf das Wasser als eines der großen Elemente des Unbewußten angewiesen ist.

Nehmen wir nun einen Gebäudekomplex an, in dem einzelne Badezimmer irgendwie mit einem gemeinsamen Teich oder See oder Becken verbunden sind, wo das Badezimmer in diesen gemeinsamen Ort übergeht; wo es keine scharfe Trennung zwischen den individuellen, familiären Vorgängen des Badezimmers und dem gemeinsamen Vergnügen des gemeinsamen Schwimmbeckens gibt. Hier bestehen diese beiden Muster im selben Raum; sie werden miteinander identifiziert; es besteht eine Verdichtung der beiden, die weniger Raum beansprucht und tiefer ist als im anderen Fall, wo sie bloß nebeneinander liegen. Die Verdichtung erhellt jedes der Muster, wirft ein neues Licht auf seine Bedeutung; sie erleuchtet unser Leben, indem wir etwas mehr über die Verbindungen unserer inneren Bedürfnisse verstehen.

Diese Art von Verdichtung ist aber nicht nur poetisch und tief. Sie ist nicht nur eine Sache von Gedichten und ungewöhnlichen Aussagen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch die Sache jedes englischen oder deutschen Satzes. Bis zu einem gewissen Grad ist Verdichtung in jedem einzelnen Wort, das wir aussprechen, weil jedes Wort das Geflüster der Bedeutungen der anderen Worte in sich trägt, mit denen es verbunden ist. Sogar "Alfred, bitte gib mir die Butter", enthält eine gewisse Verdichtung, weil es die Untertöne mitträgt, die in der Verbindung dieser Worte zu allen vorher gesprochenen Worten liegen.

Jeder von uns verwendet im täglichen Sprechen diese Verdichtungen, die aus den Verbindungen zwischen Worten entstehen, welche in der Sprache gegeben sind. Je mehr wir alle Verbindungen in der Sprache fühlen können, desto reicher und subtiler sind die Dinge, die wir gewöhnlich sagen.Und wieder gilt das gleiche für das Bauen. Die Verdichtung von Mustern in einem begrenzten Raum ist nicht etwas Poetisches und Ungewöhnliches, etwas, das besonderen Gebäuden als Kunstwerken vorbehalten bleibt. Sie ist eine ganz gewöhnliche Ökonomie des Raums. Es ist durchaus denkbar, daß alle Muster für ein Haus in einer einfachen Hütte mit einem Raum in irgendeiner Form vorhanden sind und einander überlagern.Die Muster müssen nicht gesondert nebeneinander liegen. Jedes Gebäude, jeder Raum, jeder Garten ist besser, wenn alle erforderlichen Muster soweit wie möglich verdichtet sind. Das Gebäude wird billiger und seine Bedeutungen werden dichter sein. 

Es ist also wichtig, wenn man die Sprache anzuwenden gelernt hat, auf die Möglichkeit zu achten, die vielen Muster, die man zusammenstellt, auf den kleinsten Raum zu verdichten. Man kann sich diesen Vorgang der Verdichtung auch als Methode vorstellen, das billigst mögliche Gebäude zu machen, das die erforderlichen Muster enthält. Es ist das auch die einzige Methode der Verwendung einer Muster-Sprache, um Gebäude zu machen, die Gedichte sind.

 

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