37 HAUSGRUPPE **

 

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... die grundlegende Organisationseinheit innerhalb der Nachbarschaft - IDENTIFIZIERBARE NACHBARSCHAFT (14) - ist die Gruppe von einem Dutzend Häuser. Durch Variation der Dichte und der Zusammensetzung verschiedener Hausgruppen kann dieses Muster auch zur Bildung von RINGEN VERSCHIEDENER DICHTE (29), MISCHUNG DER HAUSHALTE (35) und ABSTUFUNGEN DER ÖFFENTLICHKEIT (36) beitragen.

 

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Die Leute werden sich in Einzelhäusern nicht wohl-fühlen, wenn nicht mehrere Häuser eine Gruppe bil den und der öffentliche Grund dazwischen nicht allen Eigentümern gemeinsam gehört.

 

Wenn Häuser an Straßen angeordnet und die Straßen im' Eigentum der Stadt sind, besteht keine Chance, daß der Grund und Boden unmittelbar außerhalb der Häuser die Bedürfnisse der Familien und Individuen widerspiegelt, die in diesen Häusern leben. Der Boden wird nur dann allmählich eine Form annehmen, die ihren Bedürfnissen entspricht, wenn sie direkten Einfluß auf ihn und seine Instandsetzung haben.

Dieses Muster beruht auf dem Gedanken, daß die Gruppe. von Grundstücken und Wohnhäusern unmittelbar um die eigene Wohnung von besonderer Bedeutung ist. Sie ist die Quelle der allmählichen Differenzierung der Flächennutzung in der Nachbarschaft und der natürliche Brennpunkt von nachbarlichen Wechselbeziehungen.

Herbert Gans hat in Die Levittowner (Gütersloh/Berlin: Bertelsmann 1969, Bauwelt Fundamente 26) eindrucksvolles Beweismaterial für diese Tendenz gesammelt. Gans erhob Besuchsgewohnheiten in einer typischen Parzellenbebauung. Von den 149 befragten Personen waren alle in ein Muster regelmäßiger nachbarlicher Besuche eingebunden. Die interessante Entdeckung ist die Morphologie dieses Besuchsmusters.

Betrachten wir das folgende Diagramm - ein ähnliches kann. man für fast jedes Haus in einer Flächenbebauung zeichnen. Es gibt ein Haus auf jeder Seite, eines oder zwei auf der anderen Straßenseite und eines an der Rückseite, hinter einem Garten-Straßenseite und eines an der Rückseite, hinter einem Gartenzaun.

93% aller Besuche der Befragten innerhalb der Nachbarschaftbeschränkte sich auf diese räumliche Gruppe.

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Und auf die Frage: „Wen besuchen sie am meisten?" antworteten 91%, es seien die Leute unmittelbar gegenüber oder nebenan.

die Schönheit dieser Entdeckung liegt in dem Hinweis auf die Kraft der räumlichen Gruppierung, Leute in nachbarlichen Kontakt zu bringen. Die augenscheinlichste und älteste Gruppierung.- Häuser nebeneinander und gegenüber — bildet grob gesprochen einen Kreis, und hier finden die meisten Kontakte statt. Wenn an dieser Form das Haus unmittelbar dahinter hinzufügt, obwohl es durch Privatgärten und einen Zaun abgetrennt ist, haben wir fast alle vorkommenden Besuche in der Levittown-Nachbarschaft erfaßt.

Wir schließen daraus, daß die Leute sich immer noch nach den Gesetzen einer räumlichen Gruppierung verhalten, selbst wenn die Art. der Parzellierung und die Anlage der Nachbarschaft alles tun, diese Einheit zu zerstören und zu anonymisieren.

Die von Gans gefundenen Daten bestätigen unsere Einsicht: Menschen wollen Teil einer nachbarlichen, räumlichen Gruppierung sein; der Kontakt zwischen Leuten innerhalb dieser Giuppierung ist eine lebenswichtige Funktion. Und dieses Bedürfnis besteht, auch wenn die Leute Auto fahren und Freunde in der ganzen Stadt besuchen können.

Wie steht es nun mit der Größe der Hausgruppe? Welche ist die richtige? In den Untersuchungen von Gans steht jedes Haus in der Mitte einer Gruppe von fünf oder sechs anderen Häusern. Aber das ist sicher keine natürliche Grenze, da die Anordnung der Parzellen in Levittown sehr starr ist. Sobald die Situierung der Häuser auf das Gruppenmuster eingeht, ergibt. sich die natürliche Grenze nur noch aus dem Gleichgewicht zwischen Informalität und Zusammenhalt der Gruppe.

Die Gruppen scheinen am besten zu funktionieren, wenn sie zwischen 8 und 12 Häuser umfassen. Mit einem Vertreter aus jeder Familie ist das die Anzahl von Leuten, die rund um einen Besprechungstisch sitzen und direkt miteinander reden können. So können weise Entscheidungen über den gemeinschaftlichen Grund und Boden entstehen. Bei 8 oder 10 Haushalten können die Leute an einem Küchentisch sitzen, Neuigkeiten auf der Straße oder in den Gärten austauschen und überhaupt ohne besondere Verabredungen mit der ganzen Gruppe in Kontakt bleiben. Bei mehr als 10 oder 12 Häusern in der Gruppe ist dieser Austausch erschwert. Deshalb setzen wir eine Obergrenze von rund 12 für die Zahl der Haushalte in einer Gruppe. Natürlich kann die Durchschnittsgröße von Gruppen geringer sein, vielleicht 6 oder 8; auch Gruppen von 3, 4 oder 5 Häusern können tadellos funktionieren.

Angenommen, eine Gruppe von Nachbarn oder eine Vereinigung in einer Nachbarschaft oder ein Planer möchte diesem Muster irgendwie Ausdruck verleihen; worauf kommt es dabei an?

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Zunächst auf die Geometrie. In einer neuen Nachbarkhaft, wo die Häuser auf der grünen Wiese entstehen, stellen wir uns dürchaus dramatische Gruppierungen vor, mit den Häusern rund um gemeinschaftlichen Boden oder seitlich daran angrenzend. Die Gruppe hat einen Kern mit Ausläufern zu den Rändern hin.

In bestehenden Nachbarschaften mit freistehenden Einzelhäusern muß das Muster allmählich ins Spiel gebracht werden, indem die Bebauungsvorschriften gelockert werden und den Leuten erlaubt wird, ihre Gruppierungen schrittweise aus dem Vorhandenen Raster zu entwickeln - siehe GEMEINSCHAFTSFLÄCHEN (67) und DIE FAMILIE (75). Man kann das Muster sogar mit REIHENHÄUSERN (38) und WOHNHÜGELN (39) verwirklichen. In diesen Fällen wird das Muster durch die Anordnung der Reihen oder durch die Flügel des Wohngebäudes gebildet.

Andererseits muß man darauf achten, die Hausgruppen nicht so eng oder abgeschlossen zu machen, daß sie die größere Gemeinde ausschließen oder daß sie zu beengend und klaustrophobisch wirken. Zwischen den Hausgruppen muß es einen gewissen offenen Übergang und Überschneidungen geben.

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Neben der Form der Hausgruppe kommt es auch auf die Eigentumsverhältnisse an. Wenn das Muster des Grundeigentums nicht mit den baulichen Abgrenzungen der Hausgruppen überein stimmt, wird sich das Muster nicht durchsetzen. Die Hausgruppe muß ganz einfach Eigentum der betreffenden Haushalte sein und von ihnen instandgehalten werden. Die Haushalte müssen sich als Gesellschaft organisieren und als Eigentümer des gemeinschaftlich benützten Bodens auftreten können. Es gibt viele Beispiele solcher winziger Wohngenossenschaften im Benutzereigentum. Wir kennen einige Orte in unserer Region, wo solche Experimente im Gange sind, und Orte, wo sie seit vielen Jahren bestehen. Von Besuchern des Centers haben wir von ähnlichen Entwicklungen in verschiedenen Teilen der Welt gehört.

Wir verfechten eine Eigentumsform, in der das Eigentum an einem Haus ein Teileigentum an der Gruppe einschließt, zu der das Haus gehört; im Idealfall schließt dieses wieder ein Teileigentum an der Nachbarschaft ein, die aus mehreren Hausgruppen besteht. Auf diese Weise ist jeder Eigentümer automatisch Teilhaber an den verschiedenen Ebenen des öffentlichen Grundbesitzes. Und jede Ebene, angefangen von den Häusern in der Gruppe, ist eine politische Einheit, die die Macht hat, die Vorgänge ihrer eigenen Entwicklung und Instandhaltung zu kontrollieren.

In einem solchen System kann der Wohnbau, egal ob in Gebieten hoher oder niedriger Dichte, allmählich zu einem bleibenden Ausdruck der Hausgruppe finden. Und die Hausgruppen ihrerseits werden zur Grundlage einer Qualität des Nachbarschaftslebens, wie wir es in unseren bruchstückhaften Nachbarschaften nur erahnen können.

Das uneingestandene Geheimnis des Menschen ist, daß er in seinem Wesen und seiner Existenz von seinen Mitmenschen bestätigt werden will und daß er wünscht, sie möchten ihm ermöglichen, sie zu bestätigen, und (. .) nicht bloß in der Familie und dazu noch in der Parteiversammlung oder im Wirtshaus, sondern auch im Verlauf der nachbarlichen Begegnungen, etwa wenn er und der andere aus der Tür oder an das Fenster seines Hauses tritt und der Gruß, mit dem sie einander begrüßen, von einem wohlwollenden Blick begleitet wird, einem Blick, in dem die Neugier, das Mißtrauen und die Routine durch eine gegenseitige Teilnahme überwunden worden sind: der eine gibt dem anderen zu verstehen, daß er sein Vorhandensein billigt. Dies ist das unentbehrliche Minimum der Humanität. (Martin Buber: Nachlese, Heidelberg: Lambert Schneider, 1965, S. 84-85)

 

Daraus folgt:

Ordne die Häuser in groben, aber identifizierbaren Gruppen von 8 bis 12 Haushalten an, jeweils um eine Gemeinschaftsfläche oder einen Weg. Leg die Gruppen so an, daß jeder durchgehen kann, ohne sich als Eindringling zu fühlen.

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Verwende dieses Muster, wie es ist, für niedrige Dichten bis etwa 35 Häuser pro ha; bei höheren Dichten wird sich die Gruppe durch die zusätzlichen Strukturen modifizieren, die sich aus REIHENHÄUSERN (38) oder WOHNHÜGELN (39) ergeben. Sieh immer Gemeinschaftsflächen zwischen den Häusern vor GEMEINSCHAFTSFLÄCHEN (67) - und eine gemeinsame Werkstätte - WERKSTATT IM HAUS (157). Leg klare Wege an - ORIENTIERUNG DURCH BEREICHE (98) -, und zwar so, daß auch innerhalb der Hausgruppe belebtere Wege und ruhigeres Hinterland entstehen - ABSTUFUNGEN DER ÖFFENTLICHKEIT (36); beschränk das Parken auf KLEINE PARKPLÄTZE (103) und stimm die einzelnen Häuser in der Gruppe auf die jeweiligen Haushalte ab DIE FAMILIE (75), HAUS FÜR EINE KLEINFAMILIE (76), HAUS FÜR EIN PAAR (77), HAUS FÜR EINE PERSON (78), DAS EIGENE HEIM (79) ...

 

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