181 DAS FEUER *

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... das folgende Muster trägt dazu bei, den GEMEINSCHAFTSBEREICHEN IN DER MITTE (129) ihre Ausstrahlung zu geben; es hilft auch bei der Bestimmung ihrer Anordnung und Lage, da es die Art, wie die Wege und Räume zueinander in Beziehung stehen, beeinflusst.

 

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Feuer kann durch nichts ersetzt werden.

 

Das Fernsehgerät stellt oft einen Anziehungspunkt in einem Raum dar, aber es ist lediglich ein schwacher Ersatz für etwas tatsächlich Lebendiges und Flackerndes in einem Zimmer. Das Bedürfnis nach Feuer ist fast so elementar wie das nach Wasser. Das. Feuer ist bedeutsam für Gefühle, ähnlich wie ein Baum, andere Menschen, ein Haus, der Himmel. Aber der traditionelle offene Kamin ist fast nirgends mehr zu finden, und die neuen werden oft als „Luxusausstattung" in einem Haus dazugebaut. Vielleicht erklärt das, warum diese Herzeige-Kamine immer eine derart schlechte Lage haben. Aller Zweckgebundenheit beraubt, wirken sie wie eine nachträgliche Ergänzung und nicht wirklich integriert.

Die überzeugendste Darstellung des Bedürfnisses nach Feuer fanden wir in Gaston Bachelards Buch Die Psychoanalyse des Feuers. Im folgenden nun ein langes Zitat von Bachelard, das eine Vorstellung von der Überzeugungskraft seines Gedankengangs geben soll.

Für den Menschen war ohne Zweifel das in einem Herd eingeschlossene Feuer der erste Gegenstand der Träumerei, das Symbol der Ruhe, , die Einladung zur Ruhe. Es gibt kaum eine Philosophie der Ruhe ohne Träumerei vor den flammenden Holzscheiten. Vor dem Feuer nicht der Träumerei verfallen, heißt daher für uns, den wahrhaft menschlichen und ursprünglichen Brauch des Feuers verlieren. Zweifellos wärmt das .Feuer wieder auf und ist belebend. Aber man wird sich dieser Labung erst in einer langen Kontemplation bewusst; man empfängt die Wohltat des Feuers nur, wenn man Cie Arme auf die Knie stützt und den Kopf in die Hände legt. Diese Haltung ist uralt. Das Kind am Feuer nimmt sie ganz selbstverständlich ein. Und nicht umsonst ist sie die Haltung des Denkers. Sie umfasst eine ganz besondere Aufmerksamkeit, die nichts gemein hat mit der Wachsamkeit des Wächters oder des Beobachters. Sie wird nur sehr selten bei einer anderen Kontemplation verwandt. Am Feuer muß man sich setzen, man muß sich ausruhe ohne zu schlafen, man muß die objektiv spezifische Träumerei annehmen.

Natürlich werden die Vertreter der utilitaristischen Geistesbildung' eine so idealisierende Theorie nicht annehmen und uns, um unsere Interesse am Feuer zu bestimmen, die zahlreichen Nützlichkeiten' des;; Feuers entgegenhalten: das Feuer wärmt nicht nur, sondern es macht. auch das Fleisch gar. Als ob der komplexe, der bäuerliche Herd die Träumerei verhindern würde!

Über dem Feuer hing der schwarze Kessel. Der Kochtopf Wurde at..4 seinen drei Füßen in die heiße Asche gestellt. Mit vollen Backen blies meine Großmutter in das Stahlrohr und entflammte wieder die Gut Alles kochte zugleich: die Kartoffeln für die Schweine, die etwas;; feineren Kartoffeln für die Familie. Für mich kochte unter der Asche: ein frisches Ei. . . . Aber wenn ich artig war, wurde das Waffeleisen: hervorgeholt. Es zerdrückte mit seinem Rechteck das Feuer aus kleinerem Holz und wurde rot wie feurige Gladiolen. Und schon war die Waffel in meiner Schürze, sie brannte an den Fingern mehr als an den Lippen; Ich aß also Feuer, ich aß sein Gold, seinen Duft und sogar sein Knistern,: während die heiße Waffel zwischen meinen Zähnen krachte. Und so ist es immer: Das Feuer beweist durch eine Art Freude am Luxus, als Dessert, seine Humanität. Es beschränkt sich nicht darauf, etwas Zum Kochen zu bringen, es macht knusprig. Es vergoldet die Kuchen; Es materialisiert das Fest der Menschen. Soweit man auch immer zurückgehen mag, der gastronomische Wert übertrifft den Ernährungswert, und der Mensch hat in der Freude und nicht in der Not seinen:Geist gefunden. Die Eroberung des Überflusses bietet einen größeren geistigen Reiz als die Eroberung des Notwendigen. Der Mensch ist ein Geschöpf des Begehrens, nicht eins des Bedürfnisses.

Die Träumerei am Kamin hat aber noch philosophischere Aspekte. Das Feuer ist für den Menschen, wenn der darüber nachgrübelt; ein Beispiel schnellen Werdens und sogar ein Beispiel bestimmten Werdens. Das Feuer, weniger monoton und weniger abstrakt als das:' fließende Wasser, schneller aber im Wachsen und im Verändern als der Vogel, den man jeden Tag in seinem Nest in der Hecke beobachtet, legt den Wunsch nahe, die Zeit zu verändern und zu beschleunigen, >das ganze Leben zu Ende zu bringen und ins Jenseits zu tragen. Damit wird die Träumerei wirklich ergreifend und dramatisch; sie erweitert das menschliche Schicksal, sie verbindet das Kleine mit dem Großen, den Herd mit dem Vulkan, das Lebens eines Scheites mit dem Leben der Welt. Das faszinierte Lebewesen hört den Ruf des Scheiterhaufens. Die Zerstörung ist dann mehr als eine Veränderung, sie wird zur Erneuerung.

Liebe, Tod und Feuer werden in ein und demselben Augenblick vereint. Das Vorübergehende gibt uns durch sein Opfer im Herzen der Flamme eine Lehre von der Ewigkeit. Der totale und keine Spur hinterlassende Tod ist die Garantie, daß wir ganz und gar in das Jenseits eingehen. Alles verlieren, um alles zu gewinnen. Die Lehre des Feuers ist deutlich: „Nachdem du alles durch Geschicklichkeit, durch Liebe oder durch Gewalttätigkeit erreicht hast, mußt du alles hergeben, mußt du dich vernichten." (Gaston Bachelard, La Psychoanalyse du Feu, Librairie Gallimard, 1938; dt. Psychoanalyse des Feuers, Ullstein, Stuttgart, 1959, S. 30-34; der letzte Satz ein Zitat von D`Annunzio.)

Eine andere, etwas handfestere Ansicht über das Bedürfnis nach Feuer kommt von Mrs. Field, zitiert in Robert Wopds Kennedy, The House and the Art of Its Design, New York: Reinhold, 1953, S. 192-193:

Während der Wintermonate, wenn die Kinder oft nicht zum Spielen ins Freie gehen können, passiert es häufig, daß sie gegen vier Uhr oder etwas später in ihrem Spielzimmer übellaunig und mürrisch oder wild Lind fast schon hysterisch vor Langeweile werden. Dann zünde ich das Holz im Wohnzimmerkamin an und schicke die Kinder zum Zuschauen hinein; ohne Feuer würden sie weiterstreiten und aus dem ruhigen Zimmer vielleicht ein Tollhaus machen, aber die lodernden Flammen im Kamin beruhigen sie und wecken ihr Interesse. Sie sehen Dinge im Feuer, irgend jemand erzählt eine Geschichte, die die ganze Gruppe fesselt, sie werden ruhiger, und ich kann in Ruhe das Abendessen vorbereiten und auftragen. Das Feuer hat ganz eindeutig hypnotische Eigenschaften, die zu guten Zwecken genutzt werden können.

Natürlich müssen wir uns darüber im klaren sein, daß Holz-Und Kohlenfeuer in vielen Teilen der Welt ökologische Nachteile mit sich bringen. Sie verschmutzen die Luft; sie sind kein ,effizientes Heizmaterial; sie brauchen die Holzreserven auf. Wenn wir in unseren Häusern weiterhin Kaminfeuer haben wollen, müssen wir einen Ersatz für das Brennholz finden. Man könnte es sich beispielsweise zur Gewohnheit machen, brennbare Stoffe, die im Haus oder in der Gemeinschaft als Müll anfallen, als Brennmaterial zu verwenden — Papier, Kleidung, nicht-chlorierte Kunststoffe, Holzreste und Sägespäne. Kurz, wenn man die von einem Kamin ausgestrahlte Behaglichkeit haben will, muß man lernen, den Kamin bewusst zu benützen, indem man eigenen Brennstoff aus Materialien produziert, die sonst in unseren Wohngebieten als Müll anfallen würden. Man kann sich leicht eine einfache Handpresse vorstellen, mit der die Leute in ihrer Wohnung diesen Müll zu festen „Klötzen", die besser brennen, zusammenpressen.

Nehmen wir an, daß wir irgendeine Art von offenem Kamin haben wollen — vielleicht etwas ganz Einfaches, aber doch eine offene Feuerstelle. Wo soll sie liegen? Vier Punkte sind dabei zu beachten:

  1. Der größte Kamin sollte sicherlich im Gemeinschaftsbereich des Hauses sein. Er wird dazu beitragen, die Leute in diesem Bereich zusammenzubringen, und wenn er brennt, bietet er eine Art Ausgleich zu den Gesprächen.
  2. Das Feuer sollte jedoch auch von Leuten zu sehen sein, die durch das Zimmer gehen oder sich in angrenzenden Räumen insbesondere in der Küche, aufhalten. Es wird die Leute anziehen, und die Familie wird sich dadurch eher in dem Raum zusammenfinden. Es ist auch gut, wenn das Feuer beim Vorbeigehen zu sehen ist. Eine günstige Zeit für ein Karninfeuer ist der Abend, wenn sich die Familie zum Abendessen einfindet; und die Aktivität ist eher zwischen Küche und Kamin verteilt.
  3. Sorg auch dafür, daß es vor dem Kamin eine Stelle zum Sitzen gibt; und daß diese Stelle nicht von Wegen zwischen Türen oder angrenzenden Zimmern durchkreuzt ist.
  4. Und sorg auch dafür, daß der Kamin keine tote teile ist, wenn das Feuer nicht brennt. Ein Kamin ohne Feuer, dunkel und voller Asche, führt dazu, daß die Sessel weggedreht werden, wenn sie für die Zeit, wo kein Feuer im Kamin ist, nicht auch noch den Blick auf etwas anderes - ein Fenster, eine Aktivität oder eine Aussicht - bieten. Nur dann wird der um das Feuer herum gebildete Kreis von Sesseln stehen bleiben und die Stelle lebendig erhalten, ob das Feuer brennt oder nicht.

 Eine Muster Sprache 181 DAS FEUER

Daraus folgt:

Bau den offenen Kamin in einem Gemeinschaftsbereich - vielleicht in der Küche -, wo er als natürlicher Anziehungspunkt für Gespräche, Träume und Gedanken dient. Wähl seine Lage so, daß er die um ihn liegenden sozialen Räume und Zimmer miteinander verbindet und das Feuer von jedem Raum aus zu sehen ist; und bau ein Fenster oder einen anderen Anziehungspunkt ein, damit die Stelle in den Zeiten ohne Feuer erhalten bleibt.

 Eine Muster Sprache 181 DAS FEUER 1

 

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Versuch selbst dort, wo der offene Kamin nicht mehr zum Heizen gebraucht wird oder wo Brennstoffe knapp sind, einen Weg zu finden, um Abfälle, Papier, Holzreste und Kartons zu brennbaren und wohlriechenden Klötzen zusammenzupressen - vielleicht mit Hilfe von natürlichen Harz in einer selbstgemachten Presse. Verbrenn alle trockenen organischen Stoffe, die nicht auf den KOMPOST (178) kommen, damit die Überreste der Sachen, die ins Haus kommen, alle verwertet werden, entweder als Dünger oder als Brennstoff; die Asche des Kaminfeuers kann man wiederum zum Kompost geben. Stell einen Kreis von Sesseln um das Feuer auf - RUNDER SITZPLATZ (185); unter Umständen bilden diese Sessel auch einen PLATZ AM FENSTER (180) ...

 

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