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... viele große Räume sind nicht vollständig, wenn sie nicht kleinere Räume und Nischen angeschlossen haben. Das folgende und einige spätere Muster bestimmen die Form von kleineren Räumen und Nischen, die dazu beitragen, GEMEINSCHAFTSBEREICHE IN DER MITTE (129), WOHNKÜCHE (139), MEHRERE SITZPLÄTZE (142), FLEXIBLE BÜROFLÄCHE (146), EIN PLATZ ZUM WARTEN (150), KLEINE BESPRECHUNGSZIMMER (151) und viele andere zu verbessern.

 

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Gleichförmige Räume mit gleichförmiger Höhe eignen sich nicht für Gruppen von Menschen. Damit eine Gruppe als solche zusammen sein kann, muß ein Zimmer auch die Möglichkeit bieten, allein — einzeln oder zu zweit — an einem Platz sein zu können.

 

Dieses Problem ist vor allem in den Gemeinschaftsräumen in einer Wohnung spürbar — Küche, Familienzimmer, Wohnzimmer. Es kann in diesem Fall sogar die Familie auseinandertreiben, wenn es ungelöst bleibt. Deshalb werden wir uns bei unseren Erläuterungen auf die Wohnung und die Verwendung von Nischen in den Gemeinschaftsbereichen einer Familie konzentrieren, wenngleich wir davon überzeugt sind, daß dieses Muster ebenso für Arbeitsplätze, Werkstätten und Schulen —also für alle Gemeinschaftsräume überhaupt — gilt.

Im modernen Leben hat die Familie vor allem eine emotionale Funktion; sie ist eine Quelle der Sicherheit und Liebe. Diese Qualitäten können aber nur dann entstehen, wenn die Bewohner eines Hauses physisch als Familie zusammen sein können.

Das ist oft schwierig. Die einzelnen Familienmitglieder kommen und gehen zu verschiedenen Tageszeiten; selbst wenn sie in der Wohnung sind, gehen sie ihren eigenen Interessen nach: nähen, lesen, machen die Hausarbeit, tischlern, bauen Modelle, spielen. In vielen Wohnungen müssen sich die Menschen dafür in ihre eigenen Zimmer, weg von der Familie, zurückziehen. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens kann in einem normalen Wohnraum jemand leicht von der Tätigkeit der anderen gestört 

werden: Jemand, der lesen will, fühlt sich dadurch, daß anderen fernsehen, gestört. Zweitens hat das Wohnzimmer normalerweise keinen Platz, wo man etwas liegen lassen kann; ohne daß es jemandem im Weg ist. Bücher auf dem Esstisch werden zur Essenszeit weggeräumt; ein halbfertiges Spiel kann nicht stehengelassen werden. Mit der Zeit gewöhnen sich die Leute eben an, diese Sachen irgendwo anders zu machen - abseits von der Familie.

Um dieses Problem zu lösen, muss man einen Weg finden, daß die Mitglieder der Familie auch dann zusammen sein können, wenn sie mit verschiedenen Dingen beschäftigt sind. Das heißt, der Familienraum braucht eine Anzahl von Bereichen, wo jeder etwas anderes machen kann. Sie müssen weit genug vom eigentlichen Zimmer entfernt sein, damit das was in diesen Bereichen vorgeht, nicht bei den gemeinsamen Aktivitäten im Hauptteil des Raums stört. Die Bereiche müssen miteinander verbunden sein, damit die Leute trotzdem „zusammen sind, wenn sie sich darin aufhalten; das heißt, sie müssen zueinander offen sein. Gleichzeitig müssen sie abgesondert sein, sodass eine Person, die in einem solchen Bereich ist, nicht von den anderen gestört wird. Kurz, der Familienraum muß von kleinen Nischen umgeben sein. Die Nischen sollten genug Platz für ein oder zwei Personen bieten, also etwa 2 m breit und 1 m bis 2 m tief sein. Um die Nischen klar abzutrennen sie den Hauptraum nicht stören und die Leute darin abgesondert sind —, sollten sie schmäler als die Wände des Hauptraums sein und niedrigere Decken haben.

 Eine Muster Sprache 179 NISCHEN

Da dieses Muster von so wesentlicher Bedeutung ist, zitieren wir nun verschiedene Autoren, um zu zeigen, daß viele Menschen mehr oder weniger ähnliche Beobachtungen gemacht schen mehr oder weniger ähnliche Beobachtungen gemacht haben:

Aus Psychosocial Interior of the Family, Gerald Handel, Hrsg.,Chicago, Ill.: Aldine Publishing Company, S. 13.

Diese dem Familienleben zugrundeliegende Dualität ist von großer -Bedeutung, da die Anstrengungen des einzelnen, sich auf seine Weise für die Welt zu interessieren und seine Individualität zu entwickeln, Hand in Hand gehen mit seinen Anstrengungen, eine befriedigende Beziehung zu den anderen Mitgliedern aufzubauen. Gleichzeitig sind die anderen Familienmitglieder damit beschäftigt, Interesse an ihm und an ihnen selbst zu zeigen. Das ist die Matrix der Interaktion, in der eine Familie ihr Zusammenleben entwickelt. Die Familie versucht sich selbst eine Form zu geben, die der Art und Weise entspricht, wie ihre Mitglieder zusammen und getrennt sein möchten...

Aus Children in the Family von Florence Powdermaker und Louise Grimes, New York: Farrar & Reinhart, Inc., 1940, S. 108: „Selbst wenn ein Kind ein eigenes Zimmer hat, will es sich dort nicht den ganzen Tag lang aufhalten, sondern den Großteil der Zeit in anderen Teilen der Wohnung verbringen ... " Und S 112: „ ... es genießt und sucht die Aufmerksamkeit der anderen. Es zeigt den Erwachsenen gern verschiedene Dinge und möchte, daß sie seine Freude über Entdeckungen mit ihm teilen. Außerdem fühlt es sich von ihren Tätigkeiten angezogen 'und würde am liebsten überall seine Nase hineinstecken." Und aus Svend Riemen, „Sociological Theory of Home Adjustment", American Soc. Rev., Bd. 8, Nr. 3, Juni 1943, S. 277:

In Anpassung an die Tätigkeiten der anderen Familienmitglieder muß man notgedrungen ... zwischen den verschiedenen Zimmern in der Wohnung „hin- und herwandern". Sogar eins und dieselbe Tätigkeit muß zu verschiedenen Tageszeiten manchmal von einem Raum in einen anderen verlegt werden.

Hausaufgaben werden am Nachmittag vielleicht im Wohnzimmer gemacht, während in der Küche das Essen vorbereitet wird; am Abend, -wenn das Wohnzimmer von den Freizeitaktivitäten der anderen Familienmitglieder eingenommen wird, werden sie dann vielleicht in der Küche fortgesetzt. Dieses „Wandern" zwischen verschiedenen Zimmern kann zur Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit führen. Es kann ein Gefühl der Unsicherheit bewirken. Diese möglichen Nachteile sollten in einem Haus, in dem Kinder aufwachsen, sehr ernst genommen werden.

All das macht deutlich, daß es in nahezu jeder Familie diese entgegengesetzten Bedürfnisse von gleichzeitiger Zurückgezogenheit und Gemeinschaft in einem gemeinsamen Raum gibt.

Es ist leicht einzusehen, daß diese Einflüsse in nur geringfügig unterschiedlichen Versionen bei allen Gemeinschaftsräumen zum Tragen kommen. Die Leute möchten zusammen sein; aber gleichzeitig wollen sie auch ein wenig Privatheit, ohne deshalb die Gemeinschaft aufgeben zu müssen.

Wenn zehn oder auch fünf Leute in einem Raum sind, und zwei von ihnen möchten sich zurückziehen, um etwas in Ruhe zu besprechen, brauchen sie einen Ort dafür. Nur die Nische, oder eine Abart davon, kann ihnen die nötige Privatheit bieten, ohne daß sie die Gruppe ganz verlassen müssen.

 

Daraus folgt:

Leg an den Rändern von Gemeinschaftsräumen kleine Stellen an, gewöhnlich nicht breiter als 2 m und nicht tiefer als 1 m bis 2 m, manchmal sogar noch kleiner. Diese Nischen sollten soviel Platz bieten, daß zwei Leute sitzen, plaudern oder etwas spielen können, und manchmal sollten sie so groß sein, daß ein Tisch hinein passt.

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Statte die Nische mit einer deutlich niedrigeren Decke als der im Hauptraum aus - VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190); grenz die Nischen und den Gemeinschaftsraum mit Hilfe von niedrigen Wänden und dicken Pfeilern teilweise voneinander ab - DURCHBROCHENE WAND (193), DER PLATZ AM PFEILER (226); liegt die Nische an einer Außenwand, dann mach einen Platz am Fenster daraus, mit einem schönen Fenster, einer niedrigen Brüstung und einer eingebauten Sitzbank - PLATZ AM FENSTER (180), EINGEBAUTE SITZBANK (202); und geh so vor, wie beim VERBREITERN DER AUSSENWÄNDE (211). Was die Form der Nischen betrifft, siehe DIE FORM DES INNENRAUMS (191) ...

 

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