AUSWÄHLEN EINER SPRACHE FÜR EIN PROJEKT

 

Alle 253 Muster bilden zusammen eine Sprache. Sie schaffen ein in sich geschlossenes Bild einer ganzen Region - mit der Fähigkeit, solche Regionen in Millionen verschiedener Formen, in unendlicher Vielfalt aller Einzelheiten zu erzeugen. Freilich ist auch jede kurze Folge von Mustern aus dieser Sprache selbst wieder eine Sprache für einen kleineren Teil der Umwelt; und diese kleine Liste von Mustern hat dann wieder die Fähigkeit, eine Million Parks, Wege, Häuser, Werkstätten oder Gärten zu erzeugen.


Betrachte z. B. die folgenden zehn Muster:


PRIVATTERRASSE AN DER STRASSE (140)
SONNIGE STELLE (161)
ZIMMER IM FREIEN (163)
ZWEI-METER-BALKON (167)
WEGE UND ZIELE (120)
VERSCHIEDENE RAUMHÖHEN (190)
PFEILER IN DEN ECKEN (212)
BANK VOR DER TÜR (242)
ERHÖHTE BLUMENBEETE (245)
VERSCHIEDENE SESSEL (251)

 

Diese kurze Liste von Mustern ist selbst eine Sprache:


Se ist eine der tausend möglichen Sprachen für eine Veranda an einer Hausfront. Einer von uns wählte diese kleine Sprache aus, um eine Veranda vor sein Haus zu bauen. Diese Sprache und ihre Muster dienten zur Erzeugung dieser Veranda, und zwar auf die folgende Weise. Ich begann mit PRIVAT TERRASSE AN DER STRASSE (140). Dieses Muster verlangt eine leicht erhöhte, mit dem Haus verbundene Terrasse an der Straßenseite. SONNIGE STELLE (161) besagt, daß eine Stelle auf der sonnigen Seite des Hofs intensiviert und durch eine Umschließung, einen Balkon, ein "Zimmer im Freien" etc. zu einem besonderen Ort gemacht wird. In Anwendung dieser beiden Muster legte ich eine erhöhte Plattform an die Südseite des Hauses.

Um aus dieser Plattform ein ZIMMER IM FREIEN (163) zu machen, legte ich sie zur Hälfte unter den bestehenden Dachvorsprung und beließ einen ausgewachsenen Obstbaum genau in der Mitte der Plattform. Das Laubwerk des Baums bildete einen zusätzlichen dachartigen Abschluß des Raums. Außerdem errichtete ich eine Verglasung an der Westseite der Plattform als Windschutz.

Zur Bestimmung der Maße für die Plattform wurde das Muster ZWEI-METER-BALKON (167) angewendet. Aber dieses Muster ist überlegt und nicht blind anzuwenden; die Begründung des Musters beruht auf dem Raumbedarf von Leuten, die bequem um einen kleinen Beistelltisch sitzen und ein Gespräch führen. Da ich Raum für mindestens zwei solche Gesprächsrunden wollte, eine unter dem Dach für sehr heiße oder regnerische Tage und eine unter freiem Himmel, wenn man in der Sonne sitzen wollte, mußte der Balkon 3,60 m x 3,60 m groß sein.

Nun zu WEGE UND ZIELE (120): gewöhnlich handelt dieses Muster von Wegen in einer Nachbarschaft und tritt viel früher in einer Sprache auf. Dies hier war eine spezielle Anwendung. Es besagt, daß die Wege, die sich auf natürliche Weise durch das Gehen der Leute ergeben, beibehalten und betont werden sollten. Der Weg zu unserer Eingangstür schnitt gerade über die Ecke der Stelle, wo ich die Plattform anlegen wollte; daher schnitt ich die Ecke der Plattform ab.

Die Höhenlage der Plattform ergab sich durch die VERSCHIEDENEN RAUMHÖHEN (190). Durch die Anlage der Plattform ungefähr 30 cm über dem Geländeniveau kam die lichte Höhe des überdeckten -Teils auf etwa. 1,80 m bis 2,10 m - gerade richtig für einen Raum dieser Größe. Da diese Höhe über dem Gelände auch zum Sitzen gerade richtig ist, entsprach sie automatisch dem Muster BANK VOR DER TÜR (242).

Es standen drei Pfeiler da, die das alte Dach trugen. Deshalb mußten sie bleiben, wo sie waren. Aber entsprechend PFEILER IN DEN ECKEN (212) wurde die Plattform der Pfeilerstellung sorgfältig angepaßt, sodass die Pfeiler die "sozialen Räume" beiderseits abzeichneten.

Schließlich stellten wir einige Blumenkisten zur "Bank vor der Tür" - wenn man dort sitzt, spürt man ihren Duft; das entspricht einem ERHÖHTEN BLUMENBEET (245), Und die alten Sessel in der Veranda sind VERSCHIEDENE SESSEL (251).

 

000

Die fertige Veranda

 

An diesem kurzen Beispiel kann man sehen, wie wirksam und einfach eine Muster-Sprache ist. Und vielleicht ist verständlich geworden, wie sorgfältig man beim Aufbauen einer Sprache für einen selbst und das eigene Projekt sein muß. Der Charakter der Veranda ist durch die zehn Muster dieser kurzen Sprache gegeben. Genauso erhält jeder Teil der Umwelt seine Charakteristik durch die Zusammenstellung der Muster, die wir uns entschließen einzubauen. Der Charakter dessen, was wir bauen, wird durch die Sprache der Muster entstehen, die wir zu seiner Erzeugung verwenden.

Aus diesem Grund ist freilich die Auswahl einer Sprache für ein Projekt von grundlegender Bedeutung. Die hier vorgestellte Muster-Sprache enthält 253 Muster. Man kann sie also zur Erzeugung einer fast unvorstellbar großen Zahl möglicher verschiedener, kleinerer Sprachen verwenden, für alle verschiedenen Projekte, die man machen will, einfach indem man Muster herausgreift. Wir wollen nun beschreiben, wie man eine Sprache für das eigene Projekt aufbaut, indem man zunächst Muster aus der hier publizierten Sprache nimmt und danach eigene Muster hinzufügt.

  1.  Zunächst macht man eine Kopie der Gesamtliste (S. XX - XXXIV) auf der man die Muster anzeichnen kann, die die Sprache für das eigene Projekt bilden werden. Wenn kein Kopiergerät zur Verfügung steht, kann man die Liste im Buch verwenden, die Seiten mit Büroklammern markieren etc. oder die Liste abschreiben, ganz nach Belieben. Wir nehmen für die weiteren Erklärungen jedenfalls an, daß die Liste vorliegt.
  2. Geh die Liste durch und such das Muster heraus, das dem Gesamtumfang des Projekts, das du vorhast, am nächsten kommt. Das ist das Ausgangsmuster für das Projekt. Streich es an. (Gibt es zwei oder drei mögliche Kandidaten - kein Problem: nimm einfach das naheliegendste: die anderen kommen im weiteren Verlauf von selbst dazu.)
  3. Schlag das Ausgangsmuster im Buch nach und lies es durch. Am Anfang und am Ende des betreffenden Musters sind andere Muster angeführt; auch sie sind mögliche Kandidaten für deine Sprache. Die am Anfang sind eher "größer" als dein Projekt. Sie sind nicht einzubeziehen, außer es steht in deiner Macht, sie rund um dein Projekt wenigstens teilweise mit zu erzeugen. Die am Ende angeführten sind "kleiner". Von ihnen sind wahrscheinlich fast alle wichtig. Streich auf der Liste alle an, außer es gibt einen besonderen Grund, sie nicht einzubeziehen.
  4. Jetzt hat die Liste schon mehrere Markierungen. Geh zur nächst höchsten markierten Nummer auf der Liste und schlag dieses Muster nach. Auch hier wird man zu anderen Mustern geführt. Auch hier markiert man jene, die relevant sind - besonders die "kleineren" am Ende. Allgemein gilt, daß die "größeren" nicht markiert werden, wenn man nicht im eigenen Projekt konkret etwas dazu tun kann.
  5. Wenn Zweifel über ein Muster bestehen, ist es nicht einzubeziehen. Die Liste kann leicht zu lang werden: und dann ist sie verwirrend. Sie wird ohnedies lang genug, selbst wenn sie nur die bevorzugten Muster enthält.
  6. Man verfährt weiter so, bis alle Muster, die man für das Projekt haben will, markiert sind.
  7. Nun ergänze die Liste durch Hinzufügen deines eigenen Materials. Dinge, die in das Projekt einbezogen wer,den sollen, aber nicht als entsprechende Muster vor, zu finden waren, schreib an passender Stelle in die Liste, zu anderen Mustern, die etwa die gleiche Größe und Wichtigkeit haben. Zum Beispiel haben wir kein Muster für eine Sauna. Wenn eine enthalten sein soll, schreib sie irgendwo bei BADERAUM (144) ein.
  8. Und selbstverständlich: wenn du irgendwelche Muster ändern willst, ändere sie. Oft hat man eine persönliche Auffassung von einem Muster, die richtiger oder für den Fall relevanter ist. In diesem Fall "beherrscht" man die Sprache am besten und eignet sie sich am wirksamsten an, wenn man die Änderungen an den entsprechenden Stellen des Buches einschreibt. Noch konkreter wird es sein, wenn man auch den Titel des Musters ändert, sodaß es die eigenen Änderungen ausdrückt.

 


 

Nehmen wir nun an, für dein Projekt liegt eine Sprache vor. Die Umsetzung der Sprache hängt sehr von ihrem Maßstab ab. Muster, die sich mit Städten befassen, können nur schrittweise verwirklicht werden, durch Aktionen an der Basis; Muster für ein Gebäude können im Kopf errichtet und dann am Boden markiert werden; Muster für das Bauen müssen materiell, auf dem Bauplatz, gebaut werden. Deshalb gibt es drei getrennte Anleitungen für diese drei Maßstäbe. Für Städte, für Gebäude, für die Bauausführung.

Die Vorgangsweise für jeden dieser drei Maßstäbe wird genauer und mit ausführlichen Beispielen in den entsprechenden Kapiteln von The Timeless Way of Building beschrieben.

Die Stadt in den Kapiteln 24 und 25;

das Einzelgebäude in den Kapiteln 20, 21 und 22;

die Bauausführung, die beschreibt, wie ein Gebäude wirklich entsteht, im Kapitel 23.