2 DIE VERTEILUNG DER STÄDTE

 

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... betrachte nun den Charakter der Siedlungen innerhalb der Region: Welches Verhältnis von Dörfern, Städten und Großstädten steht im Einklang mit der Unabhängigkeit der Region - UNABHÄNGIGE REGIONEN (1)?

 

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Liegt der Bevölkerungsschwerpunkt einer Region zu sehr bei den kleinen Dörfern, kann sich die moderne Zivilisation nie durchsetzen; liegt aber der Schwerpunkt zu sehr bei den großen Städten, wird die Erde zugrunde gehen, weil die Bevölkerung nicht dort ist, wo sie sein müßtet um sie zu pflegen.

 

Zwei verschiedene Notwendigkeiten steuern die Bevölkerungsverteilung in einer Region: Einerseits zieht es die Leute in die Städte: zur Zivilisation, zu Arbeitsplätzen, zur Bildung, zum Wirtschaftswachstum, zur Information. Andererseits kann sich die Region als soziales und ökologisches Ganzes nicht wirklich aufrechterhalten, wenn nicht ihre Einwohner gut über das Gebiet verteilt sind und in verschiedenen Siedlungsformen leben - Bauernhöfe, Dörfer, Städte und Großstädte - und jede Siedlung das sie umgebende Land pflegt. Die Industriegesellschaft ist bis jetzt nur der ersten dieser Notwendigkeiten gefolgt. Die Menschen verlassen die Höfe, die Städtchen und die Dörfer und drängen sich in die Großstädte; dabei hinterlassen sie weite Teile der Region in entvölkertem und verwahrlostem Zustand.

Um eine vernünftige Bevölkerungsverteilung innerhalb einer Region herzustellen, müssen wir zwei verschiedene Merkmale der Verteilung festlegen: ihren statistischen und ihren räumlichen Aspekt. Erstens müssen wir uns vergewissern, daß die statistische Verteilung der Städte nach ihrer Größe angemessen ist: daß es viele kleine und wenige große Städte gibt. Zweitens müssen wir uns vergewissern, daß die räumliche Verteilung der Städte innerhalb der Region angemessen ist: daß die Städte einer gegebenen Größenordnung gleichmäßig über die Region verstreut sind, nicht aber irgendwo konzentriert.

In der Praxis ergibt sich die statistische Verteilung von selbst. Zahlreiche Studien haben gezeigt, daß die natürlichen demographischen, politischen und ökonomischen Prozesse, die auf das Städtewachstum und die Bevölkerungsbewegung einwirken, von selbst eine Verteilung von vielen kleinen und wenigen großen Städten schaffen; und tatsächlich entspricht diese Verteilung in groben Zügen der von uns in diesem Muster vorgeschlagenen logarithmischen Verteilung. Verschiedene Erklärungen dafür wurden von Christaller, Zipf, Herb~rt Simon und anderen gegeben; sie sind zusammengefaßt in Brian Berry und William Gariison: "Alterilpte Explanations of Urban Rank-Size Relationships", Animals of the Association of American Geographers, Band 48, März 1958, Nr. 1, S.83-91.

Nehmen wir also an, daß die Städte die richtige Größenverteilung haben. ,Liegen sie nahe beisammen, oder sind sie verstreut? Wären alle Städte einer Region, die großen, die mittleren und die kleinen, in einem kontinuierlichen städtischen Raum zusammengedrängt, so wäre die Tatsache, daß manche groß und manche klein sind, zwar politisch interessant, aber ökologisch bedeutungslos. Was die Ökologie der Region betrifft, kommt es auf die räumliche Verteilung der Städte an, nicht auf die Statistik der politischen Zählgrenzen innerhalb des Stadtgebiets.

Zwei Argumente führten uns zum Vorschlag, die Städte in jeder einzelnen Größenordnung gleichmäßig über die Region zu verteilen: ein ökonomisches und ein ökologisches. 

Das ökonomische Argument: In der ganzen Welt stehen unterentwickelte Gebiete vor dem, wirtschaftliche Ruin, weil die Arbeitsplätze, und damit die Menschen, dem wirtschaftlichen Sog der größten. Städte folgen. Schweden, Schottland, Israel, Mexiko sind Beispiele dafür. Die Bevölkerung zieht nach Stockholm, Glasgow, Tel Aviv und Mexiko City - indem sie das tut, werden neue Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen, und dann müssen noch mehr Menschen auf der Suche nach Arbeitsplätzen in die Stadt kommen. Das Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land wird immer krasser., Die Stadt wird reicher, die entlegenen Gebiete immer ärmer. Am Ende könnte die Region den höchsten Lebensstandard der Welt in ihrem Zentrum haben; in einigen Kilometern Entfernung hingegen, an ihrer Peripherie, könnten die Menschen hungern.

Dies kann nur durch eine Politik verhindert werden, die eine gleichmäßige Verteilung der Mittel und der wirtschaftlichen Entwicklung in der ganzen Region gewährleistet. In Israel zum Beispiel hat man versucht, die begrenzten Mittel, die der Regierung zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums zur Verfügung stehen, in die wirtschaftlich rückständigsten Gebiete zu lenken. (Siehe "Urban Growth Policies in Six European Countries", Urban Growth Policy Study Group, Office of International Affairs, HUD, Washington, D. C., 1972.)

Das ökologische Argument: Eine räumlich sehr dicht konzentrierte Bevölkerung legt dem gesamten Ökosystem der Region eine gewaltige Last auf. Indem die großen Städte wachsen, belastet die Wanderungsbewegung diese Gebiete durch Luftverschmutzung, Verkehrsstau, Wasserknappheit, Wohnungsnot und Wohndichten, die über das menlschlich Tragbare hinausgehen. In manchen Großstadtzentren ist die Ökologie dem Zusammenbruch gefährlich nahe. Im Gegensatz dazu verringert eine gleichmäßig über die Region verteilte Bevölkerung ihren Druck auf die Ökologie der Umwelt und entdeckt, daß sie sich selbst und das Land vernünftiger versorgen kann, mit weniger Vergeudung und mehr Humanität:

Der Grund dafür ist, daß die pro Einwohner tatsächlich nötige städtische Infrastruktur radikal anwächst, sobald die Größe der Stadt einen gewissen Punkt überschreitet. Die Pro-Kopf-Kosten der Wohnungen in Hochhäusern sind zum Beispiel viel höher als die in gewöhnlichen Häusern; und die Kosten der Straßen und anderer Verkehrsbänder steigen mit der Zahl der auf ihnen beförderten Pendler. Ebenso sind die Pro-Kopf-Ausgaben für andere Einrichtungen, wie die Lebensmittelverteilung und die Müllentsorgung, in den Großstädten viel höher als in den kleinen Städten' und- Dorfern. So würde sich, wenn alle in Dörfern lebten, der Bedarf an Kläranlagen etwas verringern, während sie in einer total urbanisierten Gesellschaft unentbehrlich und ihre Betriebskosten hoch sind. Allgemein gesprochen, können wir Autarkie nur durch Dezentralisierung steigern - und Autarkie ist lebenswichtig, wenn wir den Druck der Sozialsysteme auf die Okosysteme, von denen sie getragen werden, verringern sollen. (The Ecologist, Blueprint for Survwal, England: Penguin, 1972, S.52-53.)

 

Daraus folgt: 

Fördere das Entstehen und Absterben von Städten innerhalb der Region, was schrittweise folgendes bewirkt:

  1. Die Bevölkerung ist gleichmäßig verteilt in Orten verschiedener Größe - zum Beispiel: in einer Stadt mit einer Million Einwohner, in zehn Städten mit je hunderttausend Einwohnern und tausend Städten mit je hundert Einwohnern.
  2. Diese Städte sind im Raum so verteilt, daß die Städte jeder Größenkategorie homogen über die Region verteilt sind.

Dieser Prozeß ist realisierbar durch eine regionale Raumordnungspolitik, durch ZurverfügungsteIlen von Boden, durch Anreize für die Industrien, entsprechend dem Gebot der Verteilung zu investieren.

 Eine Muster Sprache   2 DIE VERTEILUNG DER STÄDTE Grafik

 

Städte mit 1.000.000 Einwohnern - 400 km voneinander entfernt
Städte mit 100.000 Einwohnern - 125 km voneinander entfernt
Städte mit 10.000 Einwohnern - 40 km voneinander entfernt
Städte mit 1.000 Einwohnern -12 km voneinander entfernt

 

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Während die Verteilung Gestalt annimmt, schütz die Hauptanbauflächen der Landwirtschaft - LANDWIRTSCHAFTSTÄLER (4); schütz die kleinen entlegenen Städte durch rund um sie angelegte ländliche Gürtel und durch Dezentralisierung der Industrie, sodaß die Städte wirtschaftlich stabil sind - KLEINSTÄDTE (6). In den größeren zentraleren Stadtgebieten arbeite für eine Bodenpolitik, die Gürtel offenen Landes zwischen den Großstadtgürteln aufrechterhält - STADT-LAND-FINGER (3) ....

 

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